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KG Berlin, Beschluss vom 5. Oktober 2022 – 22 W 54/22

§ 8 HGB, § 39 Abs 1 GmbHG, § 39 Abs 2 GmbHG, § 26 FamFG, § 382 FamFG

1. Im Rahmen der Anmeldung eines Geschäftsführerwechsels nach § 39 Abs. 1 GmbHG prüft das Registergericht die Ordnungsgemäßheit der Anmeldung, ob diese also formgerecht erfolgt ist und die begehrte Eintragung eintragungsfähig ist und ob erforderliche Urkunden beigefügt sind. Dabei muss sich aus den nach § 39 Abs. 2 GmbHG das Ausscheiden eines Geschäftsführers und die Neubestellung eines anderen Geschäftsführers schlüssig ergeben.

2. Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Amtsermittlung nach §§ 26, 382 FamFG besteht nur dann, wenn entweder die formalen Mindestanforderungen für eine Eintragung nicht erfüllt sind oder wenn begründete Zweifel an der Wirksamkeit der zur Eintragung angemeldeten Erklärungen oder an der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestehen.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 12. August 2022 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beteiligte ist seit dem Jahr 2017 im Handelsregister B des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Als Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis ist Herr D Sch (nachfolgend auch nur: „G1“) eingetragen. Ausweislich der letzten in den Registerordner aufgenommenen Liste der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Liste der Gesellschafter
hat die Gesellschaft 21 Gesellschafter. In § 7 desRandnummer2

Gesellschaftsvertrages (nachfolgend auch nur: „GV“) finden sich hinsichtlich der Gesellschafterversammlungen u. a. folgende Regelungen:

7.1

Die Gesellschafterversammlung wählt einen Vorsitzenden mit der einfachen Mehrheit aller Stimmen der von allen Gesellschaftern gehaltenen Geschäftsanteile. Der Vorsitzende leitet die Versammlung und kann eine von der Ankündigung der Tagesordnung abweichende Reihenfolge der Verhandlungsgegenstände sowie die Art und Form der Abstimmung bestimmen.Randnummer4

7.2 Jede Gesellschafterversammlung ist durch die Geschäftsführung durch eingeschriebenen Brief (mit Rückschein), Telefax oder per E-Mail an jeden Gesellschafter unter der der Gesellschaft zuletzt schriftlich bekannt gegebenen Anschrift, Telefaxnummer und/oder E-Mail-Adresse mit einer Frist von mindestens zwei (2) Wochen für ordentliche Gesellschafterversammlungen und mit einer Frist von mindestens einer (1) Woche für außerordentlicheRandnummer5

Gesellschafterversammlungen einzuberufen. (…)

7.3Randnummer6

Mit Zustimmung aller Gesellschafter kann die Versammlung rechtswirksame Beschlüsse auch ohne Einhaltung der vorstehenden Formen und Fristen fassen, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend oder vertreten sind und auf die Einhaltung der gesellschaftsvertraglichen Form- und Fristbestimmungen verzichten. In gleicher Weise können Beschlüsse auch schriftlich, telefonisch, per Telefax oder E-Mail gefasst werden, wenn sich alle Gesellschafter an der Beschlussfassung beteiligen und kein Gesellschafter der Art der Beschlussfassung widerspricht.

7.4Randnummer7

Formlos gefasste Beschlüsse sind den Gesellschaftern von der Geschäftsführung schriftlich zu bestätigen; Ziffer 7.12 gilt sinngemäß.Randnummer8

(…)Randnummer9

7.12 Soweit über Gesellschafterbeschlüsse keine notarielle Niederschrift aufgenommen wird, ist über jeden gefassten Beschluss (unabhängig davon, ob innerhalb oder außerhalb einer Gesellschafterversammlung gefasst) unverzüglich eine Niederschrift anzufertigen (zuRandnummer10

Beweiszwecken, nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung), welche den Tag und die Form der Beschlussfassung, den Inhalt des Beschlusses, die Stimmabgaben, die Tagesordnung und Anträge zu enthalten hat. Die Niederschrift ist vom Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung zu unterzeichnen. Jedem Gesellschafter ist unverzüglich nach der Gesellschafterversammlung eine Abschrift der Niederschrift durch E-Mail oder per Brief zuzuleiten.Randnummer11

Mit notariell beglaubigter Anmeldung vom 5. Juli 2022 hat Herr Dr. D S (nachfolgend auch nur:Randnummer12

„G2“) die Abberufung von G1 als Geschäftsführer und seine Berufung als einzelvertretungsbefugter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer zur Eintragung angemeldet. Der Anmeldung beigefügt war ein unter dem 1. Juli 2022 von G1 und G2 unterzeichnetes Dokument, das mit „Niederschrift über einen Umlaufbeschluss der [Beteiligten] mit dem Sitz in Berlin“ überschrieben war (nachfolgend auch nur: „Niederschrift“). Darin war vermerkt, dass die Geschäftsführung im Wege des Umlaufverfahrens nach Nr. 7.3 GV einen Antrag zur Abstimmung gestellt habe, wonach G1 als Geschäftsführer abberufen und G2 zum Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bestellt werde.Randnummer13

Unter der Überschrift „II Feststellungen“ hieß es weiter:Randnummer14

„Dieser Beschlussantrag wurde an alle Gesellschafter am 17.6.2022 übermittelt.Randnummer15

Der Art der Beschlussfassung hat kein Gesellschafter widersprochen. An der Beschlussfassung haben sich alle Gesellschafter beteiligt. Die Abstimmung wurde am 30.6.2022 abgeschlossen.Randnummer16

Dem Beschlussvorschlag wurde einstimmig zugestimmt.Randnummer17

Es wird festgestellt, dass der Beschlussvorschlag damit angenommen worden ist.“Randnummer18

Mit Schreiben vom 27. Juli 2022 hat das Amtsgericht der Beteiligten mitgeteilt, dem Registergericht sei die Mitwirkung aller Gesellschafter und deren Stimmabgabe an dem Beschluss über die Abberufung des alten und der Bestellung des neuen Geschäftsführers nachzuweisen. Die Einreichung lediglich der Niederschrift genüge nicht den Anforderungen des § 39 Abs. 2 GmbHG.Randnummer19

Nachdem die Beteiligte daraufhin mitgeteilt hatte, sie teile diese Rechtsauffassung nicht und bitte um Übersendung eines rechtsmittelfähigen Bescheides, hat das Amtsgericht mit Schreiben vom 12. August 2022 der Beteiligten mitgeteilt, dass dem Registergericht die Beteiligung aller Gesellschafter an der Beschlussfassung nachzuweisen sei; hierfür werde eine Erledigungsfrist von sechs Wochen „seit Zugang dieser Verfügung“ gesetzt. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wonach „gegen dieseRandnummer20

Zwischenverfügung“ das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft sei. Das Schreiben ist dem Notar am 17. August 2022 zugestellt worden.Randnummer21

Mit Schreiben vom selben Tage, eingegangen beim Amtsgericht am 29. August 2022, hat dieRandnummer22

Beteiligte Beschwerde „gegen die Zwischenverfügung“ eingelegt.Randnummer23

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Im Nichtabhilfebeschluss hat das Amtsgericht ausgeführt, Nachweise über die abgegebenen Stimmen der Gesellschafter seien nicht eingereicht worden, weswegen dem Registergericht die Beteiligung der Gesellschafter an der Beschlussfassung nicht nachgewiesen sei.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1.

Die Beschwerde ist zulässig.Randnummer26

a) Die Beschwerde ist nach § 58 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG der statthafte Rechtsbehelf gegen die Zwischenverfügung vom 12. August 2022.Randnummer27

b) Die Beschwerde der Beteiligten ist form- (vgl. § 64 Abs. 2 FamFG) und fristgerecht (vgl. § 63 Abs. 1 FamFG) eingelegt. Die Beteiligte ist auch beschwerdebefugt, da die Anmeldung, die Gegenstand der angefochtenen Zwischenverfügung ist, auf eine Eintragung gerichtet ist, die die Beteiligte betrifft. Die Anmeldung bezieht sich zudem auf die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft, so dass angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Eintragungen auch der notwendige Beschwerwert nach § 61 Abs. 1 FamFG erreicht wird (vgl. zu dieser Frage etwa Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 22 W 52/19 –, Rn. 8, juris).

2.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, denn das vom Amtsgericht angenommene und zum Gegenstand der Zwischenverfügung gemachte Eintragungshindernis besteht nicht. Durch die Vorlage der Niederschrift ist – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – den Anforderungen des § 39 Abs. 2 GmbHG genügt.Randnummer29

a) Gem. § 39 Abs. 2 GmbHG sind der Anmeldung über die Änderung in der Person des Geschäftsführers die Urkunden über die Bestellung der Geschäftsführer oder über die Beendigung der Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen.Randnummer30

b) Das Registergericht prüft vor der Eintragung die Ordnungsgemäßheit der Anmeldung, ob diese also formgerecht erfolgt ist und die begehrte Eintragung eintragungsfähig ist und ob erforderliche Urkunden beigefügt sind (vgl. etwa Kammergericht, Beschluss vom 16. April 2012 – 25 W 23/12 –, Rn. 23, juris; Beurskens in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 39 Rn. 16; Krafka, Registerrecht, 11. Aufl., Rn. 1097). In materieller Hinsicht hat das Registergericht bei einem Geschäftsführerwechsel jedenfalls zu prüfen, ob die angemeldete Änderung in der Person des Geschäftsführers durch die gem. § 39 Abs. 2 GmbHG einzureichende Urkunde nachgewiesen ist (vgl. etwa Kammergericht, aaO.; OLG Hamm, Beschluss vom 7. September 2010 – I-15 W 253/10 –, Rn. 7, juris ; Heilmeier in: BeckOK GmbHG, Bearbeitungsstand 1.8.2022, § 39 Rn. 55). Da Änderungen bei den Geschäftsführern in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafterversammlung fallen (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG), wird dieser Nachweis mittels einer Dokumentation des Gesellschafterbeschlusses geführt (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, RNotZ 2003, 138, 139; Oetker in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 39 GmbHG Rn. 15).Randnummer31

c) Unter Anlegung dieser Maßstäbe stehen der Eintragung des Geschäftsführerwechsels weder in formeller noch in materieller Hinsicht Eintragungshindernisse entgegen.Randnummer32

Insbesondere dokumentiert die eingereichte Niederschrift den angemeldeten Geschäftsführerwechsel hinreichend.Randnummer33

aa) Die Gesellschafterversammlung der Beteiligten hat vorliegend das Verfahren gem. § 7.3 Satz 2 GV (Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren) gewählt. Solche Beschlüsse sind gem. § 7.4 GV schriftlich zu bestätigen, wobei die Regelung in § 7.12 GV „sinngemäß“ gelten soll. In Zusammenschau dieser beiden Bestimmungen wird ein im schriftlichen Verfahren gefasster Beschluss der Gesellschafterversammlung dokumentiert, indem unverzüglich nach der Beschlussfassung von der „Geschäftsführung“ eine Niederschrift anzufertigen ist, aus der sich Tag und Form der Beschlussfassung, die Stimmabgaben, die Tagesordnung und dieRandnummer34

Anträge ergeben. Diese Niederschrift ist durch „die Geschäftsführung“ zu unterzeichnen.Randnummer35

bb) Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt: Die Niederschrift ist vom alten wie vom neuen Geschäftsführer unterzeichnet, sodass kein Zweifel besteht, dass eine Fertigung und Unterzeichnung durch „die Geschäftsführung“ vorliegt. In der Niederschrift ist vermerkt, dass sich alle Gesellschafter an der Beschlussfassung beteiligt haben und kein Gesellschafter der Art der Beschlussfassung widersprochen hat. Aus der Niederschrift ist ersichtlich, wann der Beschlussantrag den Gesellschaftern übermittelt worden, wann die Abstimmung beendet worden ist und dass alle Gesellschafter dem ebenfalls aus der Niederschrift ersichtlichen Beschlussantrag zugestimmt haben. Damit sind die Erfordernisse, die die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag der Beteiligten vereinbart haben, erfüllt.Randnummer36

cc) Anhand der in der Niederschrift mitgeteilten Tatsachen ist eine Prüfung möglich, ob der Beschluss ordnungsgemäß zustande gekommen ist (vgl. zu dieser Frage Senat, Beschluss vom 3. Juni 2016 – 22 W 20/16 –, Rn. 8, juris; Kammergericht, Beschluss vom 16. April 2012 – 25 W 23/12 –, Rn. 23, juris). Aus der Niederschrift ergibt sich, dass über den Geschäftsführerwechsel mit der Gesellschafterversammlung das zuständige Gremium entschieden hat. Der Beschluss ist mit den Stimmen aller Gesellschafter und damit mit der notwendigen Mehrheit gefasst worden. Wie oben bereits ausgeführt, ist auch das nach dem Gesellschaftsvertrag vorgesehene Abstimmungsverfahren eingehalten worden.Randnummer37

d) Ob allein ausreichend ist, dass die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen über die Dokumentation von Gesellschafterbeschlüssen eingehalten sind (in diese Richtung wohl Stephan/Tieves in: MüKoGmbHG, 3. Aufl., § 39 Rn. 34 sowie Krafka, aaO., Rn. 1030), muss vorliegend nicht entschieden werden, da an der Richtigkeit der in der Niederschrift mitgeteilten Tatsachen kein Zweifel besteht.Randnummer38

Ohne besondere Veranlassung hat das Registergericht grundsätzlich von der Wahrheit der angemeldeten Tatsachen auszugehen (Krafka, aaO., Rn. 1025). Eine Pflicht zur Amtsermittlung nach §§ 26, 382 FamFG besteht vielmehr nur dann, wenn entweder die formalen Mindestanforderungen für eine Eintragung nicht erfüllt sind oder wenn begründete Zweifel an der Wirksamkeit der zur Eintragung angemeldeten Erklärungen oder an der Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2011 – II ZB 15/10 –, Rn. 10, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 19. September 1991 – BReg 3 Z 97/91 –, Rn. 34, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Dezember 2000 – 3 Wx 432/00 –, Rn. 14, juris). Beides ist hier nicht der Fall. Sowohl Anmeldung als auch Niederschrift sind formgerecht erstellt und eingereicht. Es sind keine Anhaltspunkte aufgezeigt oder ersichtlich, dass die Angaben in der im Einklang mit den gesellschaftsvertraglichen Vorschriften erstellten Niederschrift unrichtig wären.

3.

Die Zwischenverfügung ist aufzuheben. Eine Anweisung zur Eintragung kommt nicht in Betracht, weil die Sache nur hinsichtlich des mit der Zwischenverfügung aufgezeigten Eintragungshindernisses beim Senat angefallen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17. März 2022 – 22 W 10/22 –, Rn. 19, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 12. April 2018 – 12 W 669/18 –, Rn. 31, juris; Beschluss vom 24. Mai 2017 – 12 W 643/17 –, Rn. 18, juris; Müther in:Randnummer40

Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl., § 69 FamFG, Rn. 11).

III.

1.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtskosten fallen nicht an, eine Kostenerstattung kommt nicht in Betracht.

2.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde scheidet aus, weil es an der erforderlichen Beschwer fehlt.

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Schlagworte: Anmeldung Geschäftsführerwechsel, Geschäftsführerwechsel, GmbHG § 39