BGH, Beschluss vom 4. Mai 2009 – II ZR 166/07

4. Mai 2009

GmbHG §§ 47, 48

a) Der Versammlungsleiter einer GmbH-Gesellschafterversammlung kann von der Mehrheit der Gesellschafter bestimmt werden.

Dr. D. war trotz des Widerspruchs des Klägers zum Versammlungsleiter bestellt. Der Versammlungsleiter kann von der Mehrheit der Gesellschafter bestimmt werden (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
GmbHR 2005, 624; Ulmer/Hüffer, GmbHG § 48 Rdn. 30; Scholz/K. Schmidt/Seibt, GmbHG 10. Aufl. § 48 Rdn. 33; Baumbach/Heck/Zöllner, GmbHG 18. Aufl. § 48 Rdn. 16). Dr. D. hat über die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
und den Widerruf der Prokura getrennt abstimmen lassen.

b) Mit der kombinierten Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage kann die Nichtigerklärung eines gefassten, einen Antrag ablehnenden Beschlusses und die Feststellung erreicht werden, dass unter Berücksichtigung von Stimmverboten ein beantragter Beschluss gefasst wurde.

c) Ein Gesellschafter hat keinen Anspruch darauf, dass über die Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers und den Widerruf der Prokura eines anderen Gesellschafters in einem Abstimmungsgang abgestimmt wird.

Der Kläger hatte keinen Anspruch darauf, dass über die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
und den Widerruf der Prokura gleichzeitig abgestimmt wird. Auf den Versuch des Klägers, durch die Zusammenfassung der Beschlussanträge die übrigen Gesellschafter von der Abstimmung auszuschließen und so die Mehrheit zu seinen Gunsten zu manipulieren, mussten sich weder die Mitgesellschafter noch der Versammlungsleiter einlassen. Einer gemeinschaftlichen Betroffenheit der Mitgesellschafter ist durch die Ausdehnung des Stimmverbots Rechnung zu tragen (BGHZ 97, 28, 33) und nicht durch die Gestaltung des Abstimmungsverfahrens.

d) Ein Stimmverbot wegen einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung besteht nicht, wenn einer vorsätzlichen Verfehlung eines Gesellschafter-Geschäftsführers (hier: Kompetenzüberschreitung) mit einem Aufsichtsversäumnis des anderen Gesellschafters eine andersartige Pflichtverletzung gegenübersteht.

R. K. unterlag keinem Stimmverbot. Der dem § 47 Abs. 4 GmbHG zugrunde liegende Gedanke, dass ein Gesellschafter nicht Richter in eigener Sache sein darf, erfasst diejenigen Gesellschafter, welche eine Pflichtverletzung gemeinsam mit einem anderen begangen haben (BGHZ 97, 28, 34), auch soweit die Abberufung eines Geschäftsführers beschlossen werden soll (Sen.Urt. v. 27. April 2009 – II ZR 167/07, z.V.b.). Der Kläger hat eine solche, von R. K. und dem Geschäftsführer gemeinschaftlich begangene Pflichtverletzung nicht schlüssig vorgetragen. Die Zustimmung von R. K. als Gesellschafterin zu der Investition in eine neue Spanerlinie, die unter den Gesellschaftern wirtschaftlich umstritten ist, kommt von vornherein als Pflichtverletzung nicht in Betracht. Mit der Entscheidung über eine Geschäftsführungsmaßnahme verstoßen die Gesellschafter nicht gegen ihre gesellschafterlichen Pflichten, auch wenn sie wirtschaftliche Risiken eingehen. An dem C. K. vorgeworfenen Kompetenzverstoß war R. K. nicht beteiligt. Zur Einholung einer Zustimmung der Kommanditisten bzw. der Gesellschafter der Komplementärin zur Investitionsentscheidung war C. K. als Geschäftsführer der Komplementärin verpflichtet. Auch wenn – wie der Kläger meint – R. K. ihn nicht daran gehindert hat, den Kläger zu übergehen, war sie nicht von der Abstimmung ausgeschlossen. Mangels einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung gilt das Stimmverbot nicht, wenn – wie hier – einer vorsätzlichen Verfehlung eines Gesellschafter-Geschäftsführers allenfalls ein Aufsichtsversäumnis des anderen Gesellschafters, mithin eine ganz andersartige Pflichtverletzung gegenübersteht (Sen.Urt. v. 7. April 2003 – II ZR 193/02, ZIP 2003, 945).

Aus den zur Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
dargelegten Gründen hat auch die Klage auf Feststellung, dass der Widerruf der Prokura von R. K. nicht beschlossen wurde, keine Aussicht auf Erfolg. Auch wenn C. K. den als Abberufungsgrund behaupteten Kompetenzverstoß vorsätzlich begangen hat, fehlte auch ihm mangels gemeinsamer Pflichtverletzung – wie ausgeführt – nicht das Stimmrecht hinsichtlich seiner Mitgesellschafterin (vgl. Sen.Urt. v. 7. April 2003 – II ZR 193/02, ZIP 2003, 945). Ein Grund zum Widerruf der Prokura bestand zudem nicht, weil R. K. den behaupteten Kompetenzverstoß nicht begangen hat und die Billigung der Geschäftsführungsmaßnahme keine Pflichtverletzung ist.

Schlagworte: Abberufung, Abberufung des Versammlungsleiters, Anfechtungsklage, Anfechtungsklage bei bejahender Beschlussfassung, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Ausübung des Stimmrechts, Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung, Beschlussfeststellungskompetenz, Beschlussfeststellungskompetenz bei jeweils hälftiger Beteiligung, Bestellung eines Versammlungsleiters, durch Versammlungsleiter, Feststellung des Beschlussergebnisses, Feststellungskompetenz, Förmliche Beschlussfeststellung, Gemeinsame Pflichtverletzung mehrerer Gesellschafter, Geschäftsführer, Gesellschafterversammlung, Kein Richter in eigener Sache, Klageart, Kompetenzüberschreitung, nicht festgestellter Beschluss, Positive Beschlussfeststellungsklage, Prokura, rechtlich zutreffendes Ergebnis durch Feststellungsklage, Stimmabgabe, Stimmrechtsausschluss, Stimmverbot des Versammlungsleiters, Stimmverbote, unklares Beschlussergebnis, Versammlungsleiter, Versammlungsleiter laut Satzung, Vorläufig verbindliche Feststellungen der Beschlussergebnisse durch Versammlungsleitung, Wahl des Versammlungsleiters, Wahl mit einfacher Mehrheit, Widerruf, Zweck und Grundlagen des Stimmrechtsausschlusses

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BGH, Urteil vom 8. August 2023 – II ZR 13/22

8. August 2023

Stimmverbot

§ 47 Abs 4 S 2 Alt 2 GmbHG, § 48 GmbHG

1. Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.

2. Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der GmbH-Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung seiner weitergehenden Revision das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 2. Dezember 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufungsanträge des Klägers 11, 12 und 13 zurückgewiesen wurden.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bamberg vom 23. Oktober 2020 abgeändert und neu gefasst.

Die zu den TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 gefassten Beschlüsse werden für nichtig erklärt.

Es wird festgestellt, dass auf der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 nachfolgende Beschlüsse gefasst wurden:

TOP 13. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen      D.        gem. § 46 Nr. 8 GmbHG wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit mit dem Unternehmen T.            GmbH sowie wegen Anmeldung und des Eintrages der Konkurrenzmarke „H.                   Collection“ beim Deutschen Patent- und Markenamt, einschließlich deren wirtschaftlicher Nutzung im Rahmen der verbotswidrigen Konkurrenztätigkeit, sowie Bestellung eines Prozessvertreters der Gesellschaft für die gerichtliche Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche gem. § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr. Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei. Kostentragung durch die Gesellschaft.

TOP 14. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Frau       M.       wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit.

TOP 15. Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegenüber der T.            GmbH.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz, des Berufungsverfahrens und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu ¾ und die Beklagte zu ¼. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu ¼ und die Beklagte zu ¾.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH. Weitere Gesellschafterinnen der Beklagten sind neben anderen mit einem Anteil am Stammkapital von jeweils 26,084% Frau D.       , die zudem Geschäftsführerin der Beklagten ist, und Frau M.     .Randnummer2

Frau D.        und Frau M.      sind daneben mit einer jeweils hälftigen Beteiligung Gesellschafterinnen der T.            GmbH, deren Geschäftsführerin ebenfalls Frau D.         ist.Randnummer3

Beide Gesellschafterinnen sind darüber hinaus neben dem Kläger und weiteren Gesellschaftern Kommanditistinnen der T.                                 GmbH u. Co. KG (im Folgenden: T.                       KG), deren Komplementärin die Beklagte ist.Randnummer4

Die T.                      KG ist Inhaberin verschiedener beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragener Marken, unter anderem der Marke „H.             Original“. Seit 1994 bestand zwischen der T.                      KG und der T.            GmbH ein Vertrag, auf dessen Grundlage die Markenrechte von der T.           GmbH gegen Zahlung eines Entgelts von jährlich 90.000 € genutzt werden konnten.Randnummer5

Ab August 2017 wurden beim Deutschen Patent- und Markenamt auf Veranlassung von Frau D.        für die T.            GmbH verschiedene vom Kläger als Konkurrenzmarken angesehene Marken der Produktserie „H.        “ angemeldet und im Oktober 2018 eingetragen.Randnummer6

Am 30. Juli 2019 fand eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, die unter anderem folgende Tagesordnungspunkte vorsah:

„TOP 13. – Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen     D.        gem. § 46 Nr. 8 GmbHG wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit mit dem Unternehmen T.           GmbH sowie wegen Anmeldung und des Eintrages der Konkurrenzmarke „H.                      Collection“ beim Deutschen Patent- und Markenamt, einschließlich deren wirtschaftlicher Nutzung im Rahmen der verbotswidrigen Konkurrenztätigkeit, sowie Bestellung eines Prozessvertreters der Gesellschaft für die gerichtliche Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche gem. § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr. Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei. Kostentragung durch die Gesellschaft.

TOP 14. – Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Frau        M.       wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit.

TOP 15. – Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegenüber der T.           GmbH.“Randnummer7

Der Versammlungsleiter stellte nach der Abstimmung unter Zählung der Stimmen der Gesellschafterinnen D.       und M.      fest, dass die Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 abgelehnt worden seien.Randnummer8

Am 31. Juli 2019 beantragte Frau D.        die Umschreibung der im Oktober 2018 eingetragenen Marken von der T.           GmbH auf die T.                          KG, die dann auch erfolgte.Randnummer9

Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung der ablehnenden Beschlüsse. Weiter verlangt er die Feststellung, dass die jeweiligen Beschlüsse gefasst wurden sowie, über die Beschlussanträge in der Gesellschafterversammlung hinausgehend, ihn als Prozessvertreter zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche in allen drei Fällen einzusetzen (Berufungsanträge zu 11 (TOP 13), 12 (TOP 14) und 13 (TOP 15)). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat hinsichtlich der Berufungsanträge zu 11 (TOP 13), 12 (TOP 14) und 13 (TOP 15) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat überwiegend Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen und Abänderung des landgerichtlichen Urteils.Randnummer11

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:Randnummer12

Da ein Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsgrund nicht vorliege, seien die ablehnenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 zu den TOP 13, 14 und 15 wirksam. Das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass die Gesellschafterinnen D.        und M.      bei der Abstimmung über die Tagesordnungspunkte keinem Stimmverbot unterlegen wären, weil die Geltendmachung von Konkurrenzschutz- und Schadensersatzansprüchen gegen die Gesellschafterinnen D.        , M.       oder die T.         GmbH nicht geboten gewesen sei. Die Anmeldung der Marken „H.     “ für die T.            GmbH sei nicht vorsätzlich, sondern nur versehentlich erfolgt, und begründe allenfalls ein Organisationsverschulden, aber keine gravierende Pflichtverletzung.Randnummer13

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.Randnummer14

1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass zu TOP 13 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlag die Gesellschaftergeschäftsführerin D.          einem Stimmverbot.Randnummer15

a) Der Beschlussantrag zum TOP 13 hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Frau D.        als Geschäftsführerin der Beklagten zum Inhalt (§ 46 Nr. 8 Fall 1 GmbHG). Daneben sollte ein Prozessvertreter der Gesellschaft für die gerichtliche Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr bestellt werden.Randnummer16

Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschaftergeschäftsführer hat dieser nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 2 GmbHG kein Stimmrecht. Aus dem in § 47 Abs. 4 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 33; Urteil vom 7. Februar 2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 16; Urteil vom 11. September 2018 – II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 26; Urteil vom 17. Januar 2023 – II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 25). Der Stimmrechtsausschluss gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft bei der Anspruchsverfolgung vertreten soll (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 34; Urteil vom 16. Dezember 1991 – II ZR 31/91, BGHZ 116, 353).Randnummer17

b) Für das Stimmverbot kommt es, anders als das Berufungsgericht meint, nicht darauf an, ob die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Gesellschaftergeschäftsführer rechtlich geboten ist.Randnummer18

Es ist bereits unklar, was das Berufungsgericht unter dem Prüfungsansatz, die Geltendmachung sei „rechtlich nicht geboten“, versteht. Jedenfalls kann es nicht darauf ankommen, ob die beabsichtigte Anspruchsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat.Randnummer19

Geht es um die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer, so reicht es grundsätzlich aus, dass der die Abstimmung beantragende Gesellschafter im Einzelnen umreißt, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der einzelnen Mitgesellschafter besteht. Es kommt nicht darauf an, ob die Anspruchsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 36; Urteil vom 30. Juni 2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 29). Es würde die Durchsetzung der Ersatzansprüche unzumutbar erschweren, wenn schon im Anfechtungsprozess und mangels Rechtskrafterstreckung im nachfolgenden prozess nochmals gerichtlich geklärt werden müsste, ob der Haftungsgrund besteht (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 36).Randnummer20

c) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimme der Gesellschaftergeschäftsführerin D.        bei der Abstimmung über TOP 13 führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.Randnummer21

aa) Die entgegen dem Stimmverbot dennoch erfolgte Stimmabgabe der Frau D.        war nichtig und nicht mitzuzählen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2021 – II ZR 8/21, BGHZ 232, 203 Rn. 29). Eine unrichtige Beschlussfeststellung aufgrund unrichtiger Stimmzählung liegt vor, wenn der Fehler für das festgestellte Beschlussergebnis ursächlich ist (BGH, Urteil vom 20. November 2018 – II ZR 12/17, BGHZ 220, 207 Rn. 48).Randnummer22

bb) Das ist hier der Fall. Der ablehnende Beschluss zu TOP 13 wäre bei rechtmäßiger Zählung der Stimmen nicht gefasst worden.Randnummer23

(1) Nach § 4a Abs. 3 der Satzung der Beklagten werden Beschlüsse, soweit nicht das Gesetz oder die Satzung etwas Anderes vorschreiben, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Für das Abstimmungsergebnis sind die vom Berufungsgericht festgestellten, im Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 festgehaltenen Stimmverhältnisse und Abstimmungsergebnisse zugrunde zu legen (vgl. Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019, Anlage B 11). Den ablehnenden Beschluss zu TOP 13 hat der Versammlungsleiter danach unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne Berücksichtigung der Stimme von Frau D.       (26,084 % des Stammkapitals) wurden in der Gesellschafterversammlung zu TOP 13 Nein-Stimmen bezogen auf 26,084 % des Stammkapitals und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals abgegeben.Randnummer24

(2) Der Wirksamkeit der abgegebenen Ja-Stimmen steht entgegen der Ansicht der Beklagten kein Verstoß der mit Ja stimmenden Gesellschafter gegen ihre gesellschafterliche Treuepflicht entgegen.Randnummer25

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die Stimmen eines Gesellschafters nichtig sind, wenn der Gesellschafter von seinem Stimmrecht rechtsmissbräuchlich Gebrauch macht. Bei der Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
sind sie nicht mitzuzählen (BGH, Urteil vom 10. Februar 1977 – II ZR 79/75, WM 1977, 361; Urteil vom 26. Oktober 1983 – II ZR 87/83, BGHZ 88, 320; Urteil vom 9. November 1987 – II ZR 100/87, BGHZ 102, 172, 176; Urteil vom 19. November 1990 – II ZR 88/89, ZIP 1991, 23, 24; Urteil vom 12. Juli 1993 – II ZR 65/92, ZIP 1993, 1228, 1230; Beschluss vom 4. Mai 2009 – II ZR 166/07, ZIP 2009, 2193 Rn. 2). Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Gesellschafter mit seiner Stimme ausschließlich eigennützige Zwecke verfolgt, etwa eine Blockademacht dazu benutzt, seinen Lästigkeitswert in die Höhe zu treiben und eine Abfindung zu erstreiten, oder seine Mehrheitsmacht zur Schädigung der Mitgesellschafter oder für ungerechtfertigte Sondervorteile einsetzt (BGH, Urteil vom 12. April 2016 – II ZR 275/14, ZIP 2016, 1220 Rn. 20, 23).Randnummer26

Da der Vorwurf verbotener Konkurrenztätigkeit durch die Gesellschafterinnen D.       und M.      sowie die T.            GmbH im Raum steht, liegt in der Stimmabgabe für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft die Verfolgung von Gesellschaftsinteressen. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit bzw. der Anmeldung der Konkurrenzmarken nur ein fahrlässiges Handeln zugrunde liegen soll. Dies schließt das Bestehen von Schadensersatzansprüchen nicht von vornherein aus.Randnummer27

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass zu TOP 14 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlag die Gesellschafterin M.       einem Stimmverbot.Randnummer28

a) Der Beschlussantrag zum TOP 14 hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit gegen die Gesellschafterin M.     zum Inhalt, weshalb diese bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht hat (s.o. II. 1. a) und b)).Randnummer29

b) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimme der Gesellschafterin M.     bei der Abstimmung über TOP 14 führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.Randnummer30

Den ablehnenden Beschluss zu TOP 14 hat der Versammlungsleiter ausweislich des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Protokolls der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 43,474 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne die Stimme der Gesellschafterin M.      (26,084 % des Stammkapitals) wurden zu TOP 14 Nein-Stimmen bezogen auf 26,084 % des Stammkapitals und Ja-Stimmen bezogen auf 43,474 % des Stammkapitals abgegeben. Anhaltpunkte für eine rechtsmissbräuchliche Abgabe der Ja-Stimmen bestehen nicht (s.o. II. 1. c) bb) (2)).Randnummer31

3. Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass zu TOP 15 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlagen die Gesellschafterinnen D.       und M.     einem Stimmverbot. Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.Randnummer32

a) Der Beschlussantrag zum TOP 15 hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der T.           GmbH zum Gegenstand.Randnummer33

b) Ist ein GmbH-Gesellschafter Alleingesellschafter einer Drittgesellschaft, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 47 Abs. 4 GmbHG für ihn ein Stimmverbot bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen diese Drittgesellschaft betrifft (BGH, Urteil vom 29. März 1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47, 53; Urteil vom 29. März 1973 – II ZR 139/70, NJW 1973, 1039, 1040; Urteil vom 30. November 2021 – II ZR 8/21, BGHZ 232, 203 Rn. 29). Aus dem in § 47 Abs. 4 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 33; Urteil vom 7. Februar 2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 16; Urteil vom 11. September 2018 – II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 26; Urteil vom 17. Januar 2023 – II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 25). Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn mehrere Gesellschafter einer GmbH alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben (BGH, Urteil vom 10. Februar 1977 – II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, 110). In diesem Fall ist die wirtschaftliche Verbindung so stark, dass man das persönliche Interesse der GmbH-Gesellschafter mit dem der Drittgesellschaft gleichsetzen kann. Das in der anderweitigen Beteiligung der GmbH-Gesellschafter verkörperte Interesse schließt dann bei Entscheidungen über Rechtsgeschäfte oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit der Drittgesellschaft oder die außergerichtliche Anspruchsverfolgung eine unbefangene Stimmabgabe in der Regel aus und bedeutet deshalb für die GmbH eine erhebliche Gefahr (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1977 – II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, 110; Urteil vom 7. Februar 2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 32 mwN; Urteil vom 30. November 2021 – II ZR 8/21, BGHZ 232, 203 Rn. 29).Randnummer34

c) Nach diesen Grundsätzen hatten die Gesellschafterinnen der Beklagten D.        und M.       bei der Abstimmung über die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der T.          GmbH kein Stimmrecht, weil sie mit jeweils 50 % an dieser beteiligt sind.Randnummer35

d) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimmen der Gesellschafterinnen D.         und M.      bei der Abstimmung über TOP 15 führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.Randnummer36

Den ablehnenden Beschluss zu TOP 15 hat der Versammlungsleiter ausweislich des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Protokolls der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne die Stimmen von Frau D.       und Frau M.      wurden zu TOP 15 ausschließlich Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals abgegeben. Anhaltpunkte für eine rechtsmissbräuchliche Abgabe der Ja-Stimmen bestehen nicht (s.o. II. 1. c) bb) (2)).Randnummer37

III. Soweit die Revision in Bezug auf die Nichtigerklärung der Ablehnung der Beschlussanträge und die positive Beschlussfeststellung zu den TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung Erfolg hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 563 Abs. 2 ZPO). Der Senat hat nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die zu den TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 gefassten Beschlüsse sind für nichtig zu erklären, die beantragten Beschlüsse sind festzustellen.Randnummer38

1. Der Inhalt der Beschlussanträge und das Ergebnis der Abstimmung zu TOP 13, 14 und 15 sind vom Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die im Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 festgehaltenen Stimmverhältnisse und Abstimmungsergebnisse für das Abstimmungsergebnis für das Revisionsgericht bindend festgestellt (vgl. Urteil des Berufungsgerichts vom 2. Dezember 2021 Seite 3 und Urteil des Landgerichts Bamberg vom 23. Oktober 2020 Seite 30).Randnummer39

Danach ist festzustellen, dass der Beschluss zu TOP 13 in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2019 wirksam gefasst wurde, weil die Zahl der Ja-Stimmen mit 47,821 % die Zahl der Nein-Stimmen mit 26,084 %, jeweils bezogen auf das Stammkapital, überwiegt. Soweit der Beschluss neben der Bestellung eines besonderen Vertreters die Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei sowie die Kostentragung durch die Gesellschaft vorsieht, ist dies zulässig (MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 46 Rn. 291 f.; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 46 Rn. 493).Randnummer40

Es ist weiter festzustellen, dass der Beschluss zu TOP 14 in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2019 wirksam gefasst wurde, weil die Zahl der Ja-Stimmen mit 43,474 % die Zahl der Nein-Stimmen mit 26,084 %, jeweils bezogen auf das Stammkapital, überwiegt.Randnummer41

Schließlich ist festzustellen, dass der Beschluss zu TOP 15 in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2019 wirksam gefasst wurde, weil ausschließlich Ja-Stimmen zu zählen sind.Randnummer42

2. Zu Recht wendet die Beklagte ein, dass die Anträge des Klägers auf positive Beschlussfeststellung über die der Gesellschafterversammlung der Beklagten vorliegenden Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 hinausgehen. Dies führt aber nicht zur Abweisung der positiven Beschlussfeststellungsklage insgesamt, sondern nur zur Zurückweisung der Revision im überschießenden Umfang.Randnummer43

Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen (OLG Köln, ZIP 2018, 2410, 2412; BeckOK GmbHG/Leinekugel, Stand 1.6.2023, Anhang § 47 Rn. 269; Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Anhang nach § 47 Rn. 189; MünchKommGmbHG/Wertenbruch, 4. Aufl., Anhang § 47 Rn. 445). Danach bleibt die mit den Berufungsanträgen 11, 12 und 13 begehrte Feststellung erfolglos, soweit sie über die Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung hinausgehen.

Schlagworte: Abberufung aus wichtigem Grund, Abberufung des Geschäftsführers, Gesellschafter ohne Stimmrecht, Gesellschaftsrechtliche Stimmverbote, Gesetzliche Stimmverbote, Positive Beschlussfeststellungsklage, Rechtsfolgen bei Verstoß gegen Stimmverbot, Stimmen von Gesellschaftern ohne Stimmrecht, Stimmrecht im Einzelfall ausgeschlossen, Stimmrechte, Stimmrechtsausschluss, Stimmrechtsmissbrauch, Stimmverbot, Stimmverbot für betroffenen Gesellschafter, Stimmverbote

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BGH, Urteil vom 28. Juli 2022 – I ZR 141/20

28. Juli 2022

UrhG § 16 Abs. 1, §§ 19a, 31, 44a, 97, 101a; BGB § 242Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 242
Be, D

Elektronischer Pressespiegel II

a) Ein allgemeiner Auskunftsanspruch, der auf die Ausforschung der tatsächlichen Grundlagen und Beweismittel für etwaige Ansprüche gerichtet ist, besteht nicht. Der auf spezialgesetzliche Anspruchsgrundlagen wie § 19 MarkenG oder § 101 UrhG gestützte Auskunftsanspruch ist ebenso wie der aus § 242 BGB hergeleitete Auskunftsanspruch seinem Inhalt nach vielmehr grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften über den konkreten Verletzungsfall, das heißt über die konkrete Verletzungshandlung einschließlich solcher Handlungen beschränkt, die ihr im Kern gleichartig sind. Ein Anspruch auf Auskunftserteilung besteht nicht auch über mögliche andere Verletzungsfälle, da dies darauf hinausliefe, unter Vernachlässigung allgemein gültiger Beweislastregeln der Ausforschung Tür und Tor zu öffnen (Bestätigung der st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 – I ZR 55/12, GRUR 2013, 1235 [juris Rn. 21] – Restwertbörse II).

b) Der vom Bundesgerichtshof einer Verwertungsgesellschaft zugebilligte weitergehende Anspruch auf sogenannte Grundauskunft, der nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausnahmsweise auch dann bestehen kann, wenn der Kläger in entschuldbarer Weise nicht nur über den Umfang, sondern auch über das Bestehen seines Rechts im Ungewissen ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1985 – I ZR 53/83, BGHZ 95, 274 [juris Rn. 34] – GEMA-Vermutung I; Urteil vom 13. Juni 1985 – I ZR 35/83, BGHZ 95, 285 [juris Rn. 15] – GEMA-Vermutung II), liegt in den Besonderheiten begründet, die die Rechtsdurchsetzung durch Verwertungsgesellschaften kennzeichnen. Eine entsprechende Anwendung zugunsten von Rechtsinhabern, die über eine große Anzahl an gleichartige Werke betreffenden Rechten verfügen, von denen nachweisbar mehrere Werke von dem Verletzer unerlaubt verwendet worden sind, kommt nicht in Betracht.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg – 5. Zivilsenat – vom 2. Juli 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Klageantrags zu 3 und hinsichtlich der Klageanträge zu 2 und 4 im Hinblick auf das Einscannen (Digitalisieren) der Artikel zum Nachteil der Klägerin sowie hinsichtlich des Klageantrags zu 5 zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin insoweit das Urteil des Landgerichts Hamburg – Zivilkammer 8 – vom 22. Juni 2018 hinsichtlich des Klageantrags zu 5 abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen.

Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verletzung von Urheberrechten in Verbindung mit der Herstellung von elektronischen Pressespiegeln für gewerbliche Kunden in Anspruch.2

Die Klägerin verlegt die Zeitungen DIE WELT, WELT kompakt, WELT am Sonntag, BILD und BILD am Sonntag. Bis zur Veräußerung an die Funke Mediengruppe mit Wirkung zum 1. Mai 2014 war sie auch Verlegerin der Zeitungen Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost. Die Klägerin ist Gesellschafterin der Presse Monitor GmbH (im Folgenden: PMG). Die PMG ist ein Verwertungsunternehmen der deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Sie führt eine eigene digitale Pressedatenbank und vermarktet Inhalte und Rechte von über 700 Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Mithilfe der PMG können Privatpersonen und Unternehmen elektronische Pressespiegel erstellen. Dabei können sie sich auch Dienstleister, sogenannter „Mittler“, bedienen.3

Ein solcher Mittler ist die Beklagte, die Dienstleistungen aus dem Bereich Medienbeobachtung und Medienanalyse erbringt. Sie beobachtet und analysiert für ihre Kunden alle gängigen Medienformate wie Print, Internet, TV, Radio und Social Media und beliefert ihre Kunden mit Monitoring-Ergebnissen, redaktionellen Medienspiegeln und Medienresonanzanalysen. Sie hat mit der PMG im Jahr 2004 einen sogenannten „Rahmenvertrag“ geschlossen, der in § 3 Nr. 1 unter anderem vorsieht, dass die Beklagte ausschließlich im Rahmen und zum Zweck der vertraglichen Vereinbarungen, die ihre Kunden mit der PMG abgeschlossen haben, befugt ist, das Datenbankangebot der PMG zur Erstellung von Pressespiegeln für ihre Kunden, die auch Kunden der PMG sind (und sein müssen), zu nutzen. Weiter heißt es dort:

[Die Beklagte] ist damit nur berechtigt, im Namen und im Auftrag [ihres] Kunden die Rechte gegenüber der PMG wahrzunehmen, die auch … Kunden [der Beklagten] als PMG-Kunden zustehen. [Die Beklagte] erwirbt aus dieser Vereinbarung keine von PMG-Kunden unabhängigen, eigenständigen Nutzungs- und Verwertungsrechte.4

Gemäß § 3 Nr. 2 des Rahmenvertrags ist der Beklagten der Aufbau einer Datenbank mit den über die PMG bezogenen und/oder lizenzierten Daten nicht gestattet. In § 4 Nr. 4 des Rahmenvertrags räumt die PMG der Beklagten die Möglichkeit zur eigenständigen Digitalisierung von solchen Artikeln ein, die aus technischen Gründen am fraglichen Tag durch die PMG gar nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.5

Im Jahr 2015 schloss die Beklagte mit der PMG einen sogenannten „Mittlervertrag“. In § 3 Nr. 2 des Mittlervertrags ist bestimmt:

Dem Marktmittler ist die Speicherung von einzelnen Artikeln oder Zusammenstellung von Artikeln aus Print- und Online-Verlagserzeugnissen, die über die PMG-Datenbanken bezogen werden, sowie aus weiteren durch die PMG für diesen Einsatz lizenzierten Informationsquellen („PMG-Dateien“) in einer Datenbank über die Rechte der Kunden gemäß der vertraglichen Vereinbarung, die der Kunde mit der PMG abgeschlossen hat, insbesondere über die vertraglich vereinbarte Speicherfrist hinaus nicht gestattet.6

Die Beklagte digitalisiert Artikel aus Print-Publikationen, die seitens der Kunden bei der PMG lizenziert werden, und erstellt hieraus elektronische Pressespiegel. Sie scannt zu diesem Zweck ganze Print-Publikationen ein und zerlegt diese mithilfe des Programms „Pagecutter“ in einzelne Artikel (ohne Beiwerk wie Werbung). Anschließend filtert sie durch einen Abgleich mit den Suchprofilen der Kunden die konkreten Artikel heraus, die für den jeweiligen Pressespiegel benutzt werden. Die für ihre Kunden erstellten Pressespiegel bietet die Beklagte über das Internet unter der URL                jeweils in einem individuellen kundenspezifischen und passwortgeschützten Unterverzeichnis zum Download an.7

Im Januar 2013 entdeckte die Klägerin, dass 202 Artikel aus den von ihr verlegten Zeitungen im Originallayout für jedermann zugänglich von Speicherorten der Beklagten unter der Internetadresse                als PDF abrufbar waren. Es handelte sich um Artikel, aus denen die Beklagte zuvor Pressespiegel für ihre Kunden DaimlerChrysler AG (im Folgenden: Daimler), Vodafone D2 GmbH (im Folgenden: Vodafone) beziehungsweise EADS Deutschland GmbH (im Folgenden: EADS) erstellt hatte. Daimler, Vodafone und EADS waren über sogenannte Nutzungsverträge mit der PMG verbunden, und die Beklagte hatte der PMG die Verwendung der 202 Artikel im Rahmen von Pressespiegeln für die genannten Kunden gemeldet. Die freie Abrufbarkeit im Internet dauerte vom 14. bis zum 31. Januar 2013 an.8

Nachdem die Beklagte von der Klägerin auf die freie Abrufbarkeit im Internet hingewiesen worden war, berief sich die Beklagte auf einen technischen Fehler und gab auf anwaltliche Abmahnung am 21. Januar 2016 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, die die Klägerin unter dem 31. März 2016 annahm.9

Die Klägerin macht aus eigenem Recht sowie in Prozessstandschaft für einige Autoren die Verletzung von Urheberrechten an den Zeitungsartikeln geltend. Sie sieht eine Urheberrechtsverletzung in einer unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung der frei im Internet abrufbaren Artikel. Die Beklagte habe zudem in das Vervielfältigungsrecht eingegriffen, indem sie generell einzelne Artikel und ganze Print-Ausgaben eingescannt habe („Eigendigitalisierung“), ohne dazu berechtigt zu sein. Eine Vervielfältigung liege ferner darin, dass die Beklagte die derart gescannten Dokumente unberechtigt in einer bei ihr geführten durchsuchbaren Datenbank gespeichert habe. Die Beklagte habe ihren Kunden außerdem über das “             Kunden-Portal“ unberechtigt weitergehende Nutzungsmöglichkeiten (Abrufen, Kopieren, Bearbeiten, Verschicken) zur Verfügung gestellt. Zudem habe die Beklagte für einige Artikel die mit der PMG vereinbarten Nutzungszeiten überschritten. In Anbetracht der nachgewiesenen Rechtsverstöße im Januar 2013 und des praktizierten Geschäftsmodells der Beklagten sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass diese Urheberrechte nicht nur mit Blick auf die im Januar 2013 frei verfügbar im Internet zugänglich gemachten Artikel verletzt habe, sondern Urheberrechte an weiteren Artikeln Gegenstand von Verletzungshandlungen sein dürften.10

Während des vorliegenden Rechtsstreits schloss die Beklagte mit der PMG einen „Vertrag über eine Digitale Verarbeitungslizenz und eine Digitale Datenbereitstellung“ ab (Anlage B 33). Als rückwirkender Vertragsbeginn wurde der 1. Juli 2015 vereinbart. In einem von der Beklagten und der PMG am 18. November 2019 in einem anderen Rechtsstreit vor dem Kammergericht geschlossenen Vergleich versprach die PMG überdies, für die Zeit vor dem 1. Juli 2015 keine Ansprüche für die zwischen ihr und der Beklagten „streitgegenständlichen Nutzungen“ geltend zu machen. Ob die Beklagte aus diesen Vereinbarungen mit der PMG eine Rechtsposition ableiten kann, die sie den im Streitfall von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen entgegenhalten kann, ist zwischen den Parteien umstritten.11

Die Klägerin hat die Beklagte in Bezug auf die Verletzungshandlungen, die mit den vom 14. bis zum 31. Januar 2013 im Internet für jedermann frei abrufbaren Artikeln (nachfolgend: Verletzungshandlungen im Januar 2013) im Zusammenhang stehen, auf Ersatz eines nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechneten Mindestschadens in Höhe von 60.900 € zuzüglich Zinsen (Antrag zu 1), auf Auskunftserteilung (Antrag zu 2 a) und Rechnungslegung (Antrag zu 2 b) sowie auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 7.121,90 € (Antrag zu 7) in Anspruch genommen und die Feststellung beantragt, dass die Beklagte zum Ersatz des Schadens, der über den mit den Anträgen zu 1 und 7 beziffert geltend gemachten Schaden hinausgeht, sowie zur Herausgabe sämtlicher Bereicherungen verpflichtet ist (Antrag zu 4).12

Die Klägerin ist der Auffassung, es spreche eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beklagte Urheberrechte nicht nur im Zusammenhang mit den im Januar 2013 frei im Internet verfügbaren Artikel verletzt habe. Sie hat deshalb die Beklagte in Bezug auf weitere, nicht konkret bezeichnete Artikel aus den Publikationen der Klägerin (nachfolgend: weitere mögliche Verletzungshandlungen) auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung (Anträge zu 5 a und b, sogenannte Grundauskunft) in Anspruch genommen und insoweit ebenfalls die Feststellung der Pflicht zum Schadensersatz und zur Herausgabe sämtlicher Bereicherungen beantragt (Antrag zu 6).13

Die Klägerin hat schließlich in Bezug auf die im Januar 2013 vorgenommenen Verletzungshandlungen und auf die von ihr für wahrscheinlich gehaltenen weiteren Verletzungshandlungen einen Anspruch auf Vorlage und Besichtigung geltend gemacht und insoweit beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

der Klägerin sämtliche Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen sowie diejenigen Speichermedien zugänglich zu machen, die geeignet sind, über die von der Beklagten vorgenommene Verwendung von Artikeln aus Publikationen der Klägerin (insbesondere aus DIE WELT, WELT kompakt, WELT am Sonntag, BILD, BILD am Sonntag, Hamburger Abendblatt) Aufschluss zu geben, insbesondere im Hinblick auf die sich aus Ziffer 2 [Verletzungshandlungen im Januar 2013] und Ziffer 5 [weitere mögliche Verletzungshandlungen] ergebenden Handlungen (Antrag zu 3).14

Das Landgericht (LG Hamburg, ZUM-RD 2018, 629) hat die Beklagte in Bezug auf die im Januar 2013 vorgenommenen Verletzungshandlungen verurteilt,

einen Mindestschadensersatz an die Klägerin allein in Höhe von 15.700 € nebst Zinsen sowie weitere 3.900 €, 100 € und nochmals 100 €, jeweils nebst Zinsen, an die Klägerin und einzelne Autoren zu zahlen (Tenor zu 1),

der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen und geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen über Art und Umfang der von ihr vorgenommenen Nutzung im Einzelnen bezeichneter Artikel (Tenor zu 2),

an die Klägerin 4.976,90 € zuzüglich Zinsen als Ersatz für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen (Tenor zu 8).15

Außerdem hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen über den bezifferten Schaden gemäß den Urteilsaussprüchen zu 1 und 8 hinausgehenden Schaden zu ersetzen und sämtliche Bereicherungen herauszugeben (Tenor zu 7).16

Darüber hinaus hat das Landgericht die Beklagte verurteilt,

der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen und geordneten Verzeichnisses Auskunft darüber zu erteilen, welche weiteren Artikel aus einzelnen benannten Publikationen bis zum 30. April 2014 bzw. 30. Juni 2015 digitalisiert und gespeichert, in ein anderes elektronisches Format umgewandelt, in eine Bearbeitungs-Software übertragen, gespeichert und archiviert, in eine durchsuchbare Datenbank übertragen, gespeichert und archiviert worden seien, soweit dies derart geschehen sei, dass die Beklagte ganze Print-Publikationen zur Erstellung durchsuchbarer Masterkopien digitalisiert habe (Tenor zu 3, Grundauskunft),

in den Räumlichkeiten der Beklagten sowie der ehemaligen M.         Ltd. in Hamburg befindliche Speichermedien einem vom Gericht zu benennenden Sachverständigen zum Zwecke der Untersuchung, der Dokumentation und Begutachtung zugänglich zu machen (Tenor zu 4),

ab einschließlich Januar 2013 datierende Abonnementverträge, Leasing-, Kauf- und Wartungsverträge für elektronische Speichermedien, Dienstleistungsverträge mit Dritten, Nutzungsverträge mit Dritten, Jahresabschlüsse sowie Kontoauszüge einem vom Gericht zu benennenden Sachverständigen vorzulegen (Tenor zu 5) sowie

neben dem Sachverständigen zwei von der Klägerin zu benennenden anwaltlichen Vertretern die Anwesenheit zu gestatten und Einsicht in die vorzulegenden Unterlagen zu gewähren (Tenor zu 6).17

Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.18

Gegen das landgerichtliche Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin beantragt, die Beklagte in Bezug auf die Verletzungshandlungen im Januar 2013 zur Leistung eines höheren als des vom Landgericht mit dem Tenor zu 1 ausgeurteilten Mindestschadensersatzes zu verurteilen (Berufungsantrag zu 1). Außerdem hat die Klägerin beantragt, die Beklagte über die vom Landgericht mit dem Tenor zu 3 ausgesprochene Grundauskunft hinaus zu einer weitergehenden Auskunftserteilung zu verpflichten (Berufungsantrag zu 2).19

Das Berufungsgericht (OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamburg
, ZUM-RD 2021, 133) hat die Berufung der Klägerin vollständig zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.700 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2015 auf 13.500 € und seit dem 30. September 2016 auf weitere 2.200 € zu zahlen sowie

3.900 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Dezember 2017 an die Klägerin und Frau   W.   zur gesamten Hand,

100 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Dezember 2017 an die Klägerin und Herrn     N.    zur gesamten Hand und

100 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Dezember 2017 an die Klägerin und Herrn     F.  zur gesamten Hand

zu zahlen.

1.2. Die Beklagte wird verurteilt,

a) der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen und geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen über Art und Umfang der von ihr vorgenommenen Nutzung der dem vorliegenden Urteil als Anlagen beigefügten Artikel mit Ausnahme der Artikel „CO2 – Streit gefährdet Airbus-Auftrag“, „EADS-Chef wehrt sich gegen Einmischung“, „Enders rückt an die EADS-Spitze“ und „Airbus steht vor Großauftrag aus Hawaii“ betreffend

– das öffentliche Zugänglichmachen derart, dass die Artikel für jedermann im Internet zugänglich sind und/oder waren,

– das Digitalisieren und Speichern, das Umwandeln in ein anderes elektronisches Format, das Übertragen, Speichern und Archivieren in eine(r) Bearbeitungssoftware, das weitere Übertragen, Speichern und Archivieren in eine(r) durchsuchbaren Datenbank, soweit dies derart geschieht, dass die Beklagte ganze Print-Publikationen zur Erstellung durchsuchbarer Masterkopien digitalisiert,

jeweils selbst und/oder durch Dritte.

Insbesondere hat die Beklagte darüber Auskunft zu erteilen,

aa) wann sie die Artikel auf ihren Server eingestellt und öffentlich zugänglich gemacht hat, ob und gegebenenfalls wann sie diese wieder gelöscht hat und ob und gegebenenfalls wie sie die Artikel noch anderweitig öffentlich zugänglich gemacht hat,

bb) welchen gewerblichen Kunden (jeweils unter Angabe des Firmennamens) sie die Artikel auf welche Art und Weise weitergegeben beziehungsweise zugänglich gemacht und/oder welche weiteren Vervielfältigungen und/oder weiteren Leistungen und Produkte, die unter Rückgriff auf die oben unter lit. a 2. Spiegelstrich geschilderte Verwendung der Artikel – Digitalisierung ganzer Print-Publikationen zur Erstellung durchsuchbarer Masterkopien – angefertigt wurden, sie für die jeweiligen Kunden unter Verwendung der Artikel erstellt und diesen zugänglich gemacht hat und im Rahmen welcher vertraglichen Vereinbarungen dies geschah;

b) im Wege der Rechnungslegung Auskunft zu erteilen über die durch die oben unter lit. a beschriebene Verwendung der bezeichneten Artikel jeweils erzielten Umsätze und Gewinne, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Artikeln, Leistungen und Produkten sowie Kunden und unter Darlegung der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten.

1.3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen und geordneten Verzeichnisses Auskunft darüber zu erteilen, welche weiteren Artikel aus den Publikationen DIE WELT, WELT kompakt, WELT am Sonntag, BILD und BILD am Sonntag der Klägerin sie bis zum 30. Juni 2015 und welche weiteren Artikel aus der Publikation Hamburger Abendblatt der Klägerin sie bis zum 30. April 2014 digitalisiert und gespeichert, in ein anderes elektronisches Format umgewandelt, in eine(r) Bearbeitungs-Software übertragen, gespeichert und archiviert, weiter in eine(r) durchsuchbaren Datenbank übertragen, gespeichert und archiviert hat, soweit dies derart geschehen ist, dass die Beklagte ganze Print-Publikationen zur Erstellung durchsuchbarer Masterkopien digitalisiert hat.

1.4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen über die Ziffern 1.1. und 1.5. hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die unter Ziffer 1.2. genannten Handlungen der Nutzung der dem vorliegenden Urteil als Anlage beigefügten Artikel mit Ausnahme der Artikel „CO2 – Streit gefährdet Airbus-Auftrag“, „EADS-Chef wehrt sich gegen Einmischung“, „Enders rückt an die EADS-Spitze“ und „Airbus steht vor Großauftrag aus Hawaii“ entstanden ist und/oder noch entstehen wird, wobei hinsichtlich der Nutzung der folgenden Artikel die Zahlung an die Klägerin und den im Folgenden genannten Autor jeweils zur gesamten Hand zu erfolgen hat: (…)

1.5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.976,90 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2015 als Ersatz für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

1.6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.20

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt, mit der sie die Aufhebung des Berufungsurteils im Hinblick auf die Teilabweisung des Anspruchs aus Grundauskunft (Tenor zu Ziffer 1.3.), die Abweisung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs (Tenor zu Ziffer 1.2.) hinsichtlich der Widerrechtlichkeit der Eigendigitalisierung sowie der Frage der Nutzungsdauer der 182 Artikel im Sinne des landgerichtlichen Tenors zu Ziffer 2 lit. a (das Vervielfältigen und/oder öffentliche Zugänglichmachen über die nach den Verträgen zwischen der Beklagten und der PMG sowie den Verträgen zwischen dem jeweiligen Kunden und der PMG zulässige Nutzungsdauer hinaus), die Abweisung des auf Vorlage und Besichtigung gerichteten Antrags zu 3 und die Teilabweisung des Antrags zu 4 begehrt und insoweit eine Verurteilung nach den von ihr zuletzt gestellten Anträgen beantragt. Die zunächst gegen die Abweisung des Klageantrags zu 6 eingelegte Revision hat die Klägerin zurückgenommen. Beide Parteien beantragen, das gegnerische Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

A. Das Berufungsgericht hat die Berufungen beider Parteien für zulässig, die Berufung der Klägerin für unbegründet und die Berufung der Beklagten für teilweise begründet erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt:22

Die Klageanträge seien hinreichend bestimmt, jedoch fehle es für den Feststellungsantrag gemäß Klageantrag zu Ziffer 6 am Feststellungsinteresse, soweit die Pflicht zur Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung betroffen sei. Es sei nicht erkennbar, dass dieser Anspruch weiter reichen könne als das mit demselben Antrag für die identischen Nutzungen von der Klägerin verfolgte Begehren auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.23

Das Landgericht habe mit Recht angenommen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 19.800 € wegen der vom 14. bis zum 31. Januar 2013 dauernden öffentlichen Zugänglichmachung von 198 Artikeln gemäß den Anlagen K 1 und K 3 zustehe. Die in diesem Zeitraum im Internet für jedermann abrufbaren 202 Artikel seien als Sprachwerke urheberrechtlich geschützt. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei in Bezug auf 198 Artikel gegeben. Diese 198 Artikel seien Anfang des Jahres 2013 im Internet für jedermann abrufbar gewesen und damit im Sinne von § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht worden. Die Beklagte sei zur öffentlichen Zugänglichmachung im Internet nicht befugt gewesen. Darauf, dass sie die Artikel ihren Kunden Daimler, Vodafone und EADS in bestimmtem Umfang in deren Intranet habe zur Verfügung stellen dürfen, komme es nicht an, denn die Veröffentlichung im Internet gehe über eine Nutzung in einem nur für einen beschränkten Nutzerkreis offenen Intranet weit hinaus, habe damit eine andere Qualität und stelle eine eigenständige Nutzungsart dar. Der der Klägerin entstandene Schaden sei vom Landgericht zutreffend im Wege der Lizenzanalogie auf 100 € je Artikel und damit auf insgesamt 19.800 € geschätzt worden.24

Der Klägerin stehe mit Blick auf die im Internet öffentlich zugänglich gemachten 198 Artikel ferner ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gemäß §§ 242, 259 BGB zu. Zu berücksichtigen sei hier, dass der Auskunftsanspruch nicht der Ausforschung des Umstands dienen dürfe, ob es sich bei dem in Anspruch Genommenen überhaupt um einen Verletzer handele. Es müsse deshalb feststehen, dass der Anspruchsteller vom Anspruchsgegner tatsächlich in seinen Rechten verletzt worden sei. Solche Verletzungen des Urheberrechts lägen hier vor.25

Die Beklagte habe diese öffentlich zugänglich gemachten 198 Artikel auch gemäß § 16 UrhG vervielfältigt. Eine Vervielfältigung liege einerseits in dem unstreitig vorgenommenen Digitalisieren (Scannen und Speichern) von Artikeln und ganzer Print-Publikationen, andererseits in dem von der Beklagten nicht hinreichend substantiiert bestrittenen Abspeichern in einer eigenen durchsuchbaren Datenbank.26

Die Beklagte sei weder zur öffentlichen Zugänglichmachung im Internet noch zur Vervielfältigung durch das Abspeichern in der Datenbank befugt gewesen. Dagegen sei das Vervielfältigen der 198 Artikel durch Einscannen (Digitalisieren) gerechtfertigt gewesen. Es sei unstreitig, dass es den Kunden der PMG, die zugleich Kunden der Beklagten gewesen seien, gestattet gewesen sei, Print-Artikel zu digitalisieren, um einen Pressespiegel zu erstellen („Eigendigitalisierung“). Dabei hätten sich die Kunden externer Dienstleister bedienen dürfen. Als eine solche Dienstleisterin sei auch die Beklagte für ihre Kunden tätig gewesen. Die Regelung in § 4 Nr. 4 des Rahmenvertrags stehe der Zulässigkeit der Digitalisierung nicht entgegen. Zwar sei diese Regelung darauf gerichtet, eine durch die Beklagte durchgeführte Digitalisierung auf bestimmte Ausnahmefälle zu beschränken. Hierbei habe es sich jedoch – soweit überhaupt hinreichend bestimmt gefasst – um rein schuldrechtliche, allein zwischen der Beklagten und der PMG geltende Beschränkungen gehandelt. Zudem widerspreche es Treu und Glauben, der Beklagten unter Bezugnahme auf den Rahmenvertrag etwas zu untersagen, was andere „Mittler“ bzw. Dienstleister, die von den Kunden der PMG beauftragt würden, die aber keinen Vertrag und damit auch keine Regelung gemäß § 4 Nr. 4 des Rahmenvertrags abgeschlossen hätten, erlaubt sei.27

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung sei mithin (nur) teilweise begründet. Die Beklagte habe der Klägerin zunächst Auskunft über Art und Umfang der öffentlichen Zugänglichmachung im Internet Anfang 2013 zu erstatten. Die Klägerin könne auch verlangen zu erfahren, welchen gewerblichen Kunden die Beklagte die in einer durchsuchbaren Datenbank gespeicherten 198 Artikel auf welche Art und Weise weitergegeben bzw. zugänglich gemacht habe und im Rahmen welcher Leistungen oder Produkte dies erfolgt sei. Ihr stehe ferner aufgrund der festgestellten Rechtsverletzungen ein Anspruch auf Rechnungslegung über die aus den widerrechtlichen Verwertungen der Artikel erzielten Umsätze und Gewinne zu. Die Beklagte habe hingegen keine Auskunft darüber zu erteilen, woher, wie und wann sie die Artikel bezogen habe. Ein entsprechendes Informationsinteresse der Klägerin bestehe nicht. Dies gelte gleichermaßen für die begehrte Auskunft, zu welchem genauen Zweck die öffentliche Zugänglichmachung erfolgt sei bzw. die Beklagte die Artikel in einer durchsuchbaren Datenbank gespeichert habe. Soweit die Klägerin ferner Auskunft über die den Kunden eröffneten Nutzungsmöglichkeiten und deren vertragliche Grundlage begehre, werde dieser Aspekt bereits vom Auskunftsanspruch zu den Leistungen und Produkten erfasst. Hinsichtlich der Art und Weise der einzelnen Nutzungen könne die Beklagte keine Auskunft erteilen, da ihr diese nicht bekannt seien.28

Die von beiden Parteien gegen die vom Landgericht in seinem Urteilstenor zu 3 in Bezug auf weitere mögliche Verletzungshandlungen bejahte Grundauskunft erhobenen Berufungsangriffe hätten jeweils keinen Erfolg. Der Klägerin stehe aus § 242 BGB ein Anspruch auf Grundauskunft mit Blick auf die Frage zu, ob über die im Januar 2013 öffentlich zugänglich gemachten 198 Artikel hinausgehend weitere Artikel aus den Publikationen der von ihr verlegten Zeitungen digitalisiert und in einer Datenbank abgespeichert worden seien. Zwar reiche der Nachweis bestimmter Verletzungshandlungen grundsätzlich nicht aus, um einen Anspruch auf Auskunft auch über alle möglichen anderen Verletzungshandlungen zu begründen. Dies liefe darauf hinaus, einen rechtlich nicht bestehenden allgemeinen Auskunftsanspruch anzuerkennen. Eine Ausnahme sei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch zugunsten von Verwertungsgesellschaften anerkannt worden. Nichts anderes könne für Rechtsinhaber gelten, die – wie die Klägerin – über einen großen „Rechtestock“ gleichartiger Werke verfügten, sofern bereits nachweisbar mehrere ihrer Werke durch den in Anspruch genommenen Verletzer unerlaubt verwerten worden seien. Es bestehe im Streitfall eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Beklagte im Rahmen ihres gewöhnlichen Produktionsprozesses nicht nur die von der Klägerin konkret benannten 198 Artikel, sondern auch andere Artikel vervielfältigt habe, an denen der Klägerin ebenfalls die Urheberrechte zustünden. Der Anspruch auf Erteilung einer Grundauskunft sei jedoch zeitlich und inhaltlich begrenzt. Vervielfältigungen seien ab dem 1. Juli 2015 infolge des von der Beklagten mit der PMG geschlossenen Vertrags „über eine digitale Verarbeitungslizenz und eine digitale Datenbereitstellung“ gerechtfertigt, so dass die Auskunft nur bis zum 30. Juni 2015 geschuldet sei.29

Die Klägerin könne keine Auskunft darüber verlangen, welche weiteren Artikel im Rahmen der in Anlage K 40 aufgeführten Zusatzfunktionen von den Kunden der Beklagten vervielfältigt und/oder öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Es handele sich insoweit nur um Handlungen der Kunden; zudem sei es möglich, dass eventuelle Nutzungshandlungen aufgrund einer Lizenzierung durch die PMG gerechtfertigt gewesen seien. Was die öffentliche Zugänglichmachung weiterer, von der Klägerin nicht konkret benannter Artikel angehe, fehle es an der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit einer solchen Rechtsverletzung. Bei der öffentlichen Zugänglichmachung von 202 Artikeln im Januar 2013 habe es sich um einen technischen Fehler der Beklagten gehandelt; weitere Verletzungen seien auch von der Klägerin nicht festgestellt worden. Auch für eine – von der Klägerin ebenfalls als Verletzungshandlung geltend gemachte – Überschreitung der vereinbarten Nutzungsdauer fehle es an der nötigen hohen Wahrscheinlichkeit.30

Unbegründet sei schließlich der geltend gemachte Anspruch auf Vorlage und Besichtigung gemäß § 101a UrhG (Antrag zu Ziff. 3, Tenor des landgerichtlichen Urteils zu Ziff. 4 bis 6). Es fehle am Merkmal der Erforderlichkeit. Ein Anspruch aus § 101a UrhG scheide mangels Erforderlichkeit aus, wenn dem Anspruchsteller andere gleich geeignete Wege, seine Ansprüche zu beweisen, offen stünden. So sei es hier. Die interessen der Klägerin würden durch die in den Urteilsaussprüchen zu 1.2. (Verletzungshandlungen im Januar 2013) und 1.3. (Grundauskunft in Bezug auf weitere mögliche Verletzungshandlungen) tenorierten Auskunftsverpflichtungen hinreichend gewahrt. Die Auskunft sei gegenüber einem Anspruch aus § 101a UrhG, der auf eine Zugänglichmachung von Speichermedien abziele, das mildere Mittel. Eine Besichtigung der Speichermedien sei zudem mit Blick auf die schutzwürdigen Geschäftsgeheimnisse der Klägerin und ihrem Interesse an einem störungsfreien betrieblichen Ablauf unverhältnismäßig im Sinne von § 101a Abs. 2 UrhG. Nicht erforderlich und unverhältnismäßig sei daneben die begehrte Vorlage von Verträgen, Kontoauszügen und Jahresabschlüssen. Auch insoweit genüge den interessen der Klägerin die von der Beklagten zu gewährende Auskunft und stelle die beantragte Vorlage einen unangemessenen Eingriff in Geschäftsgeheimnisse und Geschäftsabläufe dar.31

Die Beklagte sei der Klägerin schließlich zum Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten verpflichtet.32

B. Die Revisionen der Parteien haben teilweise Erfolg.33

Mit ihrer Anschlussrevision wendet sich die Klägerin mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht den Klageantrag zu 3 (Tenor des landgerichtlichen Urteils zu 4 bis 6) abgewiesen und mit Blick auf die Klageanträge zu 2 (Tenor des landgerichtlichen Urteils zu 2) und 4 (Tenor des landgerichtlichen Urteils zu 7) im Hinblick auf das Einscannen (Digitalisieren) der Artikel zu ihrem Nachteil entschieden hat. Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die auf den Anhang zu 5 erfolgte Verurteilung zur Auskunftserteilung gemäß dem Tenor des Berufungsurteils zu 1.3. richtet. Im Übrigen bleiben die Rechtsmittel ohne Erfolg.34

I. Die Revisionen der Parteien sind zulässig.35

1. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung der Klägerin ist die Zulässigkeit der Revision der Beklagten nicht wegen einer eingeschränkten Revisionszulassung durch das Berufungsgericht auf den Angriff gegen die Verurteilung zur Erteilung der Grundauskunft gemäß dem Urteilsausspruch zu 1.3. begrenzt. Die Revision der Beklagten ist vielmehr uneingeschränkt und damit auch insoweit zulässig, als sie sich gegen die Verurteilung zum Schadensersatz gemäß dem Urteilsausspruch des Berufungsgerichts zu 1.1. richtet.36

Nach dem Tenor des Berufungsurteils hat das Berufungsgericht die Revision der Beklagten uneingeschränkt zugelassen. Eine Eingrenzung der Zulassung der Revision kann sich allerdings auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Nach dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit müssen die Parteien jedoch zweifelsfrei erkennen können, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung des Rechtsmittels reicht nicht, um von seiner nur beschränkten Zulassung auszugehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2020 – I ZR 234/19, GRUR 2021, 497 Rn. 11 = WRP 2021, 184 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen I, mwN). Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Revisionszulassung ausgeführt, die Frage, ob ein Anspruch auf Grundauskunft auch Rechtsinhabern wie der Klägerin (oder nur Verwertungsgesellschaften) zustehen könne, sei von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht entschieden. Damit hat es lediglich eine zu klärende Rechtsfrage, also den Grund für die Revisionszulassung angegeben, ohne das Rechtsmittel auf einen abtrennbaren Teil des Rechtsstreits zu beschränken. Soweit das Berufungsgericht außerdem ausgeführt hat, im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vor, lässt sich daraus ebenfalls nicht zweifelsfrei erkennen, dass es die Zulassung nur auf einen Teil des Rechtsstreits, etwa den Ausspruch der Grundauskunft im Sinne des Tenors zu 1.3. des Berufungsurteils begrenzen wollen hat.37

2. Die Revision der Klägerin ist als Anschlussrevision zulässig (§ 554 Abs. 1 bis 3 ZPO).38

II. Das Berufungsgericht hat der Klägerin in seinem Urteilsausspruch zu 1.1. auf den Klageantrag zu 1 mit Recht einen Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 1 und 2 UrhG in Höhe von 19.800 € nebst Zinsen wegen der öffentlichen Zugänglichmachung von 198 Artikeln im Internet zugesprochen. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.39

1. Gemäß § 97 Abs. 1 und 2 UrhG ist dem Verletzten zum Schadensersatz verpflichtet, wer das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich sowie vorsätzlich oder fahrlässig verletzt.40

2. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die 202 Artikel, die auf der Internetseite der Beklagten im Januar 2013 für jedermann abrufbar eingestellt sind, als Sprachwerke gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG urheberrechtlich geschützt sind. Es hat außerdem angenommen, dass die Klägerin in Bezug auf 198 dieser Artikel ihre Aktivlegitimation zur klageweisen Geltendmachung von urheberrechtlichen Ansprüchen dargelegt hat. Gegen diese Beurteilung, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt, wenden sich die Revisionen der Parteien nicht.41

3. Das Berufungsgericht hat außerdem angenommen, dass die Beklagte die urheberrechtlich geschützten 198 Artikel im Januar 2013 auf ihrer Internetseite im Sinne von § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht und damit in das ausschließliche Recht der öffentlichen Wiedergabe des Urhebers gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 UrhG eingegriffen hat. Diese Beurteilung ist frei von Rechtsfehlern.42

a) Wird ein Werk für jedermann zugänglich auf eine Internetseite eingestellt, liegt eine öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG vor (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 – I ZR 267/15, GRUR 2019, 813 [juris Rn. 35 bis 46] = WRP 2019, 1013 – Cordoba II, mwN).43

b) Das Berufungsgericht hat es – von der Revision der Beklagten nicht beanstandet – als unstreitig angesehen, dass der zum Gegenstand des bezifferten Schadensersatzbegehrens gemachte Umstand – die Abrufbarkeit der 198 Artikel Anfang des Jahres 2013 im Internet für jedermann – die Voraussetzungen einer öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG erfüllt.44

Soweit die Beklagte mit ihrer Revision geltend macht, bei einer freien Abrufbarkeit infolge eines technischen Versagens des Passwortschutzes fehle es an einer für eine öffentliche Zugänglichmachung erforderlichen willensgesteuerten Wiedergabehandlung, hat sie keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts dargelegt. Die Rüge ist unschlüssig. Nach den von ihr nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind die in Rede stehenden Artikel auf der Internetseite der Beklagten bis zum 31. Januar 2013 für jedermann abrufbar gewesen. Die Revision der Beklagten hat zudem selbst geltend gemacht, die Beklagte sei am 24. Januar 2013 vom Zeugen K.  auf die öffentliche Abrufbarkeit der Artikel hingewiesen worden. Dies steht mit den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts in Übereinstimmung, nach denen der Zeuge K.  die Beklagte am 24. Januar 2013 angerufen und auf die Rechtsverletzung hingewiesen habe. Damit steht auch unter Zugrundelegung des von der Beklagten in Übereinstimmung mit den tatgerichtlichen Feststellungen zur Begründung ihrer Revision gehaltenen Vorbringens fest, dass die Beklagte über mehrere Tage vollständig Kenntnis davon hatte, dass auf ihrer Internetseite Artikel für jedermann abrufbar waren.45

c) An einem Eingriff in das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG fehlt es auch nicht deswegen, weil sich die Beklagte auf ein entsprechendes Nutzungsrecht berufen kann.46

aa) Allerdings scheidet ein Eingriff in ein urheberrechtliches Verwertungsrecht aus, wenn der Urheber oder der Berechtigte dem Handelnden durch ein urheberrechtliches Verfügungsgeschäft das Recht eingeräumt hat, das Werk auf die betreffende Art und Weise zu nutzen (§ 31 Abs. 1 bis 3 UrhG). Dies kann ausdrücklich oder durch eine konkludente Erklärung des Urhebers geschehen. Da die (ausdrückliche oder konkludente) Überlassung eines urheberrechtlichen (einfachen oder ausschließlichen) Nutzungsrechts dinglichen Charakter hat, muss die (konkludente) Willenserklärung, mit der der Urheber einem Dritten ein Nutzungsrecht einräumt, den Anforderungen an (dingliche) Verfügungen über Rechte genügen. Die betreffende Willenserklärung setzt demnach insbesondere voraus, dass unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände nach dem objektiven Inhalt der Erklärung unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist, der Erklärende wolle über sein Urheberrecht in der Weise verfügen, dass er einem Dritten daran ein bestimmtes Nutzungsrecht einräume (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 [juris Rn. 28 f.] – Vorschaubilder I).47

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte könne sich gegenüber der Klägerin nicht auf ein dingliches Nutzungsrecht zur öffentlichen Zugänglichmachung berufen. Selbst wenn man zum einen unterstelle, dass der Beklagten das Recht eingeräumt worden sei, digitalisierte Artikel in ein kundenintern genutztes Online-System (Intranet) einzuspeisen und der vereinbarten Nutzerzahl per Bildschirm oder per Ausdruck zur Verfügung zu stellen, und man zum anderen in der Einstellung in ein solches Intranet ein öffentliches Zugänglichmachen sehen wolle, könne daraus kein Recht der Beklagten abgeleitet werden, Artikel auch im Internet für jedermann zugänglich zu machen. Denn die Nutzung in einem kundeninternen Intranet und die jedermann zugängliche Nutzung im Internet stellten jeweils eigenständige Nutzungsarten dar, so dass ein auf das Intranet bezogenes Nutzungsrecht eine Nutzung im Internet nicht umfasse. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision der Beklagten auch nicht angegriffen.48

4. Die Beklagte hat zumindest fahrlässig gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG gehandelt.49

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt, weil sie nicht sichergestellt habe, dass die in Rede stehenden Artikel nur für die Mitarbeiter ihrer Kunden zugänglich gewesen seien. Auch wenn es sich um einen technischen Fehler bei einem ansonsten hinreichend wirksamen Schutzsystem gehandelt haben sollte, sei ein Verschulden zu bejahen. Zur erforderlichen Sorgfalt gehöre es auch, solche technischen Fehler zu vermeiden. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.50

b) Ohne Erfolg macht die Revision der Beklagten geltend, das Berufungsgericht habe bei seiner Beurteilung des Verschuldenserfordernisses nicht berücksichtigt, dass sich die Klägerin gemäß § 254 BGB entgegenhalten lassen müsse, dass der für sie tätige Zeuge K.  mindestens 10 Tage gewartet habe, bevor er die Beklagte informiert habe.51

Die Frage eines eventuellen Mitverschuldens der Klägerin ist für die Frage unerheblich, ob der Beklagten ein Verschulden gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG vorzuwerfen ist. Das Verschuldenserfordernis dieser Bestimmung bezieht sich – entsprechend den allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen (vgl. MünchKomm.BGB/Wagner, 8. Aufl., § 823 Rn. 51; BeckOK.BGB/Förster, 61. Edition [Stand: 1. Februar 2022], § 823 Rn. 37) – nach ihrem klaren Wortlaut auf die Handlung, die die Rechtsgutsverletzung verursacht. Die Verletzung des ausschließlichen Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG ist im Streitfall durch die für jedermann mögliche freie Abrufbarkeit der Artikel im Internet erfolgt. Die freie Abrufbarkeit wiederum ist nach dem vom Berufungsgericht – von der Revision der Beklagten unbeanstandet – zugrunde gelegten Vortrag der Beklagten dadurch verursacht worden, dass bei drei Kunden (Daimler, Vodafone und EADS) eine unglückliche Kombination aus zwei Fehlern aufgetreten ist, nämlich zum einen die Erstellung einer fehlerhaften robtos.txt-Datei und zum zweiten das Versäumnis, zur Gewährleistung des Passwortschutzes eine .htaccess-Datei zu erstellen.52

c) Ohne Erfolg rügt die Revision der Beklagten außerdem, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Beklagte das zur freien Abrufbarkeit führende Versagen eines technischen Schutzmechanismus habe erkennen können. Die Revision der Beklagten lässt unberücksichtigt, dass es der Beklagten oblag, substantiiert vorzutragen, dass sie das für die Rechtsgutsverletzung ursächliche Versagen ihrer technischen Schutzmechanismen nicht habe verhindern können. Die Revision der Beklagten zeigt diesbezüglich keinen Vortrag der Beklagten auf, den das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung des Verschuldens gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG oder den sonstigen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs unberücksichtigt gelassen hat. Die Revision der Beklagten benennt schon keinen Vortrag der Beklagten, nach dem das Versagen eines technischen Schutzmechanismus für die freie Abrufbarkeit von Artikeln im Januar 2013 überhaupt ursächlich gewesen sei. Sie hat zudem nicht dargetan, dass die von der Beklagten in den Tatsacheninstanzen vorgetragenen zwei Fehler, nämlich die Erstellung einer fehlerhaften robtos.txt-Datei und das Versäumnis, eine .htaccess-Datei zu erstellen, nicht ihren eigenen Mitarbeitern unterlaufen seien, und dass ihren Mitarbeitern für den Fall, dass solche Dateien von einer im Betrieb der Beklagten eingesetzten Software erstellt würden, auch kein Überwachungsverschulden vorgeworfen werden könne.53

d) Die Revision der Beklagten rügt außerdem ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten nicht berücksichtigt, aus der allgemeinen Verfügbarkeit der Inhalte im Internet keinerlei Nutzen gezogen und auch sonst kein wirtschaftliches Interesse an einer solchen freien Verfügbarkeit aufgrund einer technischen Fehlfunktion gehabt zu haben. Es ist weder für die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 97 Abs. 2 UrhG noch für die weiteren im Streitfall von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche rechtserheblich, ob die Beklagte ein wirtschaftliches Interesse an einer freien Zugänglichkeit von Artikeldateien im Internet hat. Im Übrigen lässt die Revision der Beklagten außer Acht, dass das Berufungsgericht mit Blick auf die in Betracht kommende Fehlerursache ausdrücklich berücksichtigt hat, dass die Abrufbarkeit der Artikel durch jedermann im Internet von der Beklagten selbst als unerwünscht dargestellt worden ist.54

5. Die öffentliche Zugänglichmachung der Artikeldateien erfolgte auch widerrechtlich im Sinne von § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG. Entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten folgt aus dem von der PMG gegenüber der Beklagten im Vergleich vom 18. November 2019 erklärten Anspruchsverzicht nicht, dass es an der Widerrechtlichkeit aller zum Gegenstand der vorliegenden Klage gemachten Nutzungshandlungen fehlt und daher auch die Zahlungsansprüche unbegründet sind.55

a) Allerdings haben die Beklagte und die PMG nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in einem anderen Rechtsstreit am 18. November 2019 einen Vergleich geschlossen, in dem vereinbart worden ist, dass die PMG für die Zeit vor dem 1. Juli 2015 „für die streitgegenständlichen Nutzungen keine Ansprüche geltend machen“ wird.56

b) Das Berufungsgericht ist jedoch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der von der PMG erklärte Verzicht auf Ansprüche für die Zeit vor dem 1. Juli 2015 nicht zu Lasten der an dem Vergleich nicht beteiligten Klägerin wirkt.57

aa) Die Auslegung von Verträgen ist vom Tatgericht vorzunehmen und revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob Verstöße gegen Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht. Ein Verstoß gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze kann auch dann gegeben sein, wenn nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind. Bei der Auslegung sind in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Weiter gilt das Gebot der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung und der Berücksichtigung des durch die Parteien beabsichtigten Zwecks des Vertrags. Das Tatgericht muss seine Erwägungen in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar darlegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – I ZR 228/19, GRUR 2021, 714 [juris Rn. 25] = WRP 2021, 633 – Saints Row, mwN).58

bb) Diesen Anforderungen genügt die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des zwischen der PMG und der Beklagten geschlossenen Vergleichs. Es kann dahinstehen, ob die PMG im Verhältnis zur Klägerin überhaupt zu einer nachträglichen Lizenzierung berechtigt gewesen ist. Dem Wortlaut des Vergleichs ist eine solche Lizenzierung jedenfalls nicht zu entnehmen. Auch außerhalb des Vergleichs liegende Anhaltspunkte für eine solche Wirkung sind weder festgestellt worden oder sonst ersichtlich. Vielmehr hat die PMG lediglich auf eigene Ansprüche gegenüber der Beklagten verzichtet.59

Entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten hat ein solcher Anspruchsverzicht nicht dieselbe Reichweite wie eine nachträgliche Lizenzierung. Nach der regelmäßig anzunehmenden Interessenlage wirkt der Verzicht lediglich schuldrechtlich zwischen den Parteien des Vergleichs, nicht aber mit dinglicher Wirkung auch gegenüber Dritten wie der Klägerin. Soweit die Revision der Beklagten geltend macht, der von der PMG erklärte nachträgliche Anspruchsverzicht wirke nicht anders als eine nachträgliche Lizenzierung mit der Folge, dass sich die Klägerin nicht länger auf die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche berufen könne, ersetzt sie lediglich in revisionsrechtlich unzulässiger Weise die zutreffend vom Wortlaut ausgehende und mit der Interessenlage der Vertragsparteien in Übereinstimmung stehende tatgerichtliche Würdigung des Berufungsgerichts durch ihre abweichende Ansicht.60

c) Soweit die Revision der Beklagten geltend macht, sämtliche Urteilsaussprüche zum Schadensersatz und zu Annexansprüchen auf Auskunft und Rechnungslegung müssten der Möglichkeit Rechnung tragen, dass die PMG zukünftig der Beklagten für bestimmte Nutzungshandlungen Lizenzen erteilen könnte, hat sie ebenfalls keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts dargelegt. Maßgeblich für Inhalt und Umfang der Urteilsaussprüche des Berufungsgerichts sind der vorgetragene und festgestellte Lebenssachverhalt und die Entscheidungsgründe. Hypothetische Szenarien, die nicht Gegenstand der Klage oder des Urteils und damit weder von den Klageanträgen noch vom Urteilsausspruch umfasst sind, sind bei der Fassung eines Urteilstenors nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – I ZR 163/19, GRUR 2021, 1395 [juris Rn. 14] = WRP 2021, 1450 – Hohenloher Landschwein). Der vom Senat für nicht auf die konkrete Verletzungsform bezogene, auch erlaubte Verhaltensweisen umfassende Anträge gemachte Ausnahmefall steht hier nicht in Rede (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 [juris Rn. 26] = WRP 2010, 1030 – Erinnerungswerbung im Internet).61

6. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin wegen der öffentlichen Zugänglichmachung der 198 Zeitungsartikel ein im Wege der Lizenzanalogie zu berechnender Schadensersatz in Höhe von insgesamt 19.800 € nebst Zinsen zusteht.62

a) Die Klägerin muss sich bei der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes nicht den von der Revision der Beklagten vorgebrachten Umstand entgegenhalten lassen, dass der für sie tätige Zeuge K.  mindestens 10 Tage gewartet hat, bevor er die Beklagte informiert hat.63

Das von der Beklagten behauptete Abwarten des Zeugen K.  stellt keinen Verstoß gegen die Obliegenheit des Verletzten zur Schadensminderung gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB dar und kann damit nicht als ein die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes mindernder Umstand gewertet werden. Der Klägerin war ein gewisser Zeitraum zur Prüfung etwaiger Nutzungsrechte der Beklagten, die dieser beziehungsweise ihren Kunden von der PMG gewährt worden waren, zuzubilligen. Dieser Zeitraum ist bei einer Dauer von zehn Tagen nicht überschritten.64

b) Im Übrigen haben sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht bei der im Wege der Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO ermittelten Schadenshöhe die Umstände des Streitfalls umfassend abgewogen und dabei zugunsten der Beklagten auch die nur wenige Tage dauernde freie Abrufbarkeit der Artikeldateien berücksichtigt. Das Berufungsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass die Parteien sich – wie bereits vom Landgericht angenommen – auf eine Lizenzdauer von einem Monat geeinigt hätten. Außerdem hat es angenommen, dass bei der Schätzung der Schadenshöhe sowohl die vorgelegten Rechnungen und Preislisten der Verlage als auch die Preisliste der PMG einzubeziehen seien und zudem zu berücksichtigen sei, dass aufgrund der hohen Zahl der Artikel eine individuell ausgehandelte Vereinbarung mit einem Mengenrabatt geschlossen worden wäre. Gegen diese rechtsfehlerfrei nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie getroffenen tatgerichtlichen Feststellungen zur Schadenshöhe hat die Revision der Beklagten keine konkreten Rügen erhoben.65

c) Das Berufungsgericht hat im Wege der Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO angenommen, dass der Klägerin wegen der öffentlichen Zugänglichmachung der 198 Zeitungsartikel ein im Wege der Lizenzanalogie zu berechnender Schadensersatz in Höhe von insgesamt 19.800 € nebst Zinsen zustehe. Diesen Betrag könne sie in Höhe von 15.700 € allein an sich und im Übrigen zur gesamten Hand an sich und die im Urteilsausspruch zu 1.1. des Berufungsgerichts jeweils im Einzelnen aufgeführten Urhebern verlangen. Gegen diese Beurteilung erheben die Parteien keine weiteren Revisionsrügen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.66

III. Die von der Beklagten gegen die vom Berufungsgericht in seinem Tenor zu 1.2. auf den Klageantrag zu 2 ausgesprochene Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung wegen der Nutzung der im Januar 2013 öffentlich zugänglich gemachten 198 Artikeldateien erhobenen Revisionsrügen haben keinen Erfolg (dazu B III 1 und B III 2 a). Dagegen ist der von der Klägerin mit ihrer Revision geführte Angriff erfolgreich, mit dem sie rügt, das Berufungsgericht habe das Einscannen (Digitalisieren) der 198 Artikel nicht als Verletzungshandlung angesehen (dazu B III 2 b). Soweit die Revision der Klägerin außerdem geltend macht, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine eigenständige Verletzungshandlung verneint, soweit eine Überschreitung der nach den Verträgen zwischen der Beklagten und der PMG sowie den Verträgen zwischen dem jeweiligen Kunden und der PMG zulässigen Nutzungsdauer in Rede steht, hat sie jedoch keinen Erfolg (dazu B III 3).67

1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte wegen der Nutzung der im Januar 2013 öffentlich zugänglich gemachten 198 Artikel zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilt, soweit es das öffentliche Zugänglichmachen für jedermann im Internet (Tenor zu 1.2. Buchst. a erster Spiegelstrich) betrifft. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten ohne Erfolg.68

a) Ein aus § 242 BGB abgeleiteter unselbständiger Anspruch auf Auskunftserteilung zur Berechnung des Schadensersatzes kann nur in dem Umfang bestehen, in dem eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 – I ZR 27/03, BGHZ 166, 233 [juris Rn. 45] – Parfümtestkäufe). Ein solcher Auskunftsanspruch kann demnach allenfalls insoweit in Betracht kommen, als eine aus konkret festgestellten Verletzungshandlungen folgende Schadensersatzpflicht besteht.69

b) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beklagte durch die jedermann zugängliche Einstellung der 198 Artikel im Internet widerrechtlich und schuldhaft in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG eingegriffen hat (dazu vorstehend B II 3).70

2. Gegenstand des Tenors zu 1.2. Buchst. a zweiter Spiegelstrich des Berufungsurteils ist die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung wegen der Verletzung des Vervielfältigungsrechts durch die Nutzung der im Januar 2013 öffentlich zugänglich gemachten 198 Artikel in Bezug auf das Digitalisieren und Speichern, das Umwandeln in ein anderes elektronisches Format, das Übertragen, Speichern und Archivieren in eine(r) Bearbeitungssoftware und das weitere Übertragen, Speichern und Archivieren in eine(r) durchsuchbaren Datenbank, soweit dies derart geschieht, dass die Beklagte ganze Print-Publikationen zur Erstellung durchsuchbarer Masterkopien digitalisiert.71

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe durch das Einscannen ganzer Printpublikationen und Abspeichern von Artikeln in einer Datenbank das von der Klägerin geltend gemachte Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 Abs. 1 UrhG verletzt, hält den Angriffen der Revision der Beklagten stand (dazu B III 2 a). Der Revisionsangriff der Klägerin, mit dem sie rügt, das Berufungsgericht habe nur das Vervielfältigen und Speichern der in Rede stehenden Artikel in einer Datenbank, nicht aber auch das der Speicherung vorangegangene Einscannen der streitgegenständlichen Artikel als Verletzungshandlung angesehen, hat dagegen Erfolg (dazu B III 2 b).72

a) Das Berufungsgericht hat das Abspeichern der zuvor durch Einscannen digitalisierten Artikel in einer Datenbank als Verletzung des von der Klägerin geltend gemachten Vervielfältigungsrechts gemäß § 16 Abs. 1 UrhG angesehen. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision der Beklagten stand.73

aa) Eine Vervielfältigung im Sinne von § 16 Abs. 1 UrhG ist jede körperliche Festlegung eines Werks, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Art mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2017 – I ZR 92/16, GRUR 2017, 793 [juris Rn. 41] = WRP 2017, 956 – Mart-Stam-Stuhl; Urteil vom 5. März 2020 – I ZR 32/19, GRUR 2020, 738 [juris Rn. 19] = WRP 2020, 861 – Internet-Radiorecorder). Das Aufspielen auf einen Server oder ein anderes Speichermedium ist eine dem Urheber vorbehaltene Vervielfältigung. Eine Vervielfältigung liegt auch vor bei einer Festlegung auf einen Datenträger, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen mittelbar wahrnehmbar zu machen (BGH, Urteil vom 12. November 2009 – I ZR 166/07, GRUR 2010, 616 [juris Rn. 36] = WRP 2010, 922 – marions-kochbuch.de). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein in digitaler Form vorliegendes Werk auf einen Datenträger wie eine Festplatte oder in den Arbeitsspeicher eines Computers gespeichert und durch den Computer wahrnehmbar wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1998 – I ZR 100/96, BGHZ 140, 183 [juris Rn. 33] – Elektronische Pressearchive; Beschluss vom 3. Februar 2011 – I ZR 129/08, GRUR 2011, 418 [juris Rn. 12] = WRP 2011, 480 – UsedSoft I; Urteil vom 6. Oktober 2016 – I ZR 25/15, GRUR 2017, 266 [juris Rn. 38] = WRP 2017, 320 – World of Warcraft I). Unerheblich ist, ob es sich um eine Erstspeicherung (Digitalisierung) oder die Übertragung der digitalen Daten von einem Speicher in einen anderen handelt (Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl., § 16 UrhG Rn. 12; Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl., § 16 UrhG Rn. 16).74

bb) Nach diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von den Revisionen der Parteien auch nicht beanstandet davon ausgegangen, dass das Abspeichern der zuvor digitalisierten Artikel in einer Datenbank die Voraussetzungen einer Vervielfältigungshandlung erfüllen.75

cc) Das Berufungsgericht hat außerdem angenommen, dass die im Abspeichern der zuvor digitalisierten Artikel in einer Datenbank bestehende Vervielfältigung unerlaubt war. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision der Beklagten stand.76

(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagten sei die Speicherung von zuvor digitalisierten Artikeln in einer Datenbank nicht unmittelbar durch die Klägerin erlaubt worden. Dagegen erhebt die Revision der Beklagten keine Rüge.77

(2) Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, dass Ansprüche der Klägerin, die durch ein Abspeichern der digitalisierten Artikel in einer Datenbank begründet worden sind, nicht durch den von der PMG gegenüber der Beklagten im Vergleich vom 18. November 2019 erklärten Anspruchsverzicht erfasst worden sind. Die dagegen von der Revision der Beklagten erhobenen Rügen greifen nicht durch (dazu vorstehend B II 5 b).78

(3) Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Vervielfältigung der im Januar 2013 öffentlich zugänglich gemachten und damit zuvor in einer Datenbank abgespeicherten 198 Artikel könne auch nicht durch den während des vorliegenden Rechtsstreits zwischen der Beklagten und der PMG abgeschlossenen „Vertrag über eine Digitale Verarbeitungslizenz und eine Digitale Datenbereitstellung“ (Anlage B 33) erlaubt worden sein, weil diese Vereinbarung erst ab dem 1. Juli 2015 gelte, wird von der Revision der Beklagten nicht beanstandet und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.79

(4) Das Berufungsgericht hat außerdem angenommen, die Beklagte könne sich nicht auf ein von den Kunden abgeleitetes dingliches Recht zur Vervielfältigung durch Abspeichern der digitalisierten Artikel in einer Datenbank berufen. Die Vervielfältigung durch Einfügen in eine durchsuchbare Datenbank sei der Beklagten weder aufgrund der von ihr selbst mit der PMG geschlossenen Verträge noch aufgrund der Verträge erlaubt gewesen, die die Kunden mit der PMG geschlossen hätten. Die zwischen den Kunden Vodafone und Daimler mit der PMG geschlossenen Verträge hätten ein solches Recht zur Abspeicherung der Artikel in Datenbanken nicht nur nicht vorgesehen, sondern sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Mit dem Kunden EADS sei zwar im Juni/Juli 2016 die „Vereinbarung zur Archivierung von Artikeln aus Elektronischen Pressespiegeln“ geschlossen worden, wonach EADS ein einfaches, zeitlich befristetes, nicht übertragbares Vervielfältigungsrecht, begrenzt auf die eigenen Archivzwecke (Information und Recherche), in dem „durch diese AGB bestimmten Umfang“ eingeräumt worden sei. Dies habe jedoch das Abspeichern der Artikel durch die Beklagte in einer eigenen Datenbank, aus der die Beklagte dann Artikel für die jeweiligen Pressespiegel ihrer einzelnen Kunden heraussuche, nicht eingeschlossen.80

(a) Diese Vertragsauslegung hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand. Soweit die Revision der Beklagten geltend macht, mit der der Beklagten eingeräumten Berechtigung zum Einscannen von Printmedien zur Erstellung von Pressespiegeln sei denknotwendig die Berechtigung zur Anfertigung einer – allerdings flüchtigen – Datenbank verbunden, legt sie keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts dar. Zudem berücksichtigt die Revision der Beklagten nicht, dass ein von ihr angenommenes, sich aus den Leistungsbeschreibungen der PMG ergebendes Recht zur Digitalisierung ganzer Print-Ausgaben zwecks Erstellung einer durchsuchbaren Masterkopie nicht auch das hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Rede stehende Recht zur Abspeicherung dieser digitalisierten Artikel in einer durchsuchbaren Datenbank umfasst, in der die Artikel systematisch und methodisch angeordnet sind. Das Aufbauen einer solchen Datenbank im Sinne von § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG war der Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ebenso untersagt wie den Kunden Vodafone und Daimler. Lediglich dem Kunden EADS wurde seitens der PMG ein Archivrecht eingeräumt, das jedoch das Abspeichern der Artikel in einer durchsuchbaren Datenbank der Beklagten gleichfalls nicht umfasste.81

(b) Die Revision der Beklagten macht ohne Erfolg geltend, eine Erlaubnis für die Speicherung der Artikel in einer durchsuchbaren Datenbank ergebe sich daraus, dass § 3 Nr. 2 des zwischen der Beklagten und der PMG geschlossenen Mittlervertrags eine Datenbankspeicherung nur über die vertraglich vereinbarte Speicherfrist hinaus ausschließe.82

Diese Rüge berücksichtigt bereits nicht, dass die Parteien in § 3 Nr. 2 des – ohnehin erst im Jahr 2015 und damit nach dem Januar 2013 abgeschlossenen – Mittlervertrags (Anlage B 13) gerade nicht eine Speicherung von einzelnen Artikeln oder Zusammenstellungen von Artikeln aus Print- und Online-Verlagserzeugnissen in einer Datenbank „nur“ mit Blick auf eine Überschreitung der vertraglich vereinbarten Speicherfrist untersagt, sondern durch die Wendung „insbesondere“ bestimmt haben, dass die Speicherung über die zwischen dem Kunden und der PMG vereinbarte Speicherfrist hinaus nur ein Beispiel einer von der Beklagten zu beachtenden vertraglichen Beschränkung ihrer Nutzungsrechte darstellt. Im Übrigen steht der Annahme, der Beklagten stehe ein im Wege der Auslegung der mit der PMG geschlossenen Vereinbarungen zu ermittelndes eigenes Recht zur Unterhaltung einer durchsuchbaren Datenbank zu, entgegen, dass der Beklagten gemäß § 3 Nr. 2 des Rahmenvertrags von 2004 der Aufbau einer Datenbank mit den über die PMG bezogenen und/oder lizenzierten Daten ausdrücklich untersagt war.83

(5) Entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten sind die vorgenommenen Vervielfältigungen schließlich nicht nach der Schutzschranke des § 44a UrhG als bloß vorübergehende Vervielfältigungshandlungen erlaubt.84

(a) Gemäß § 44a UrhG sind vorübergehende Vervielfältigungshandlungen zulässig, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler (Nr. 1) oder eine rechtmäßige Nutzung (Nr. 2) eines Werks oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Eine Handlung ist nur dann flüchtig im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG, wenn ihre Lebensdauer auf das für das ordnungsgemäße Funktionieren des betreffenden technischen Verfahrens Erforderliche beschränkt ist, wobei dieses Verfahren derart automatisiert sein muss, dass es diese Handlung automatisch, ohne Beteiligung einer natürlichen Person löscht, sobald ihre Funktion, die Durchführung eines solchen Verfahrens zu ermöglichen, erfüllt ist (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 – C-5/08, Slg. 2009, I-6569 = GRUR 2009, 1041 [juris Rn. 64] – Infopaq International).85

(b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die von der Beklagten vorgenommenen Vervielfältigungen nicht flüchtig gewesen sind. Es könne auf der Grundlage des Beklagtenvortrags nicht angenommen werden, dass die „Lebensdauer“ der Vervielfältigungen auf das für das ordnungsgemäße Funktionieren des betreffenden technischen Verfahrens Erforderliche beschränkt gewesen sei. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass die aus den Artikeln bestehenden Dateien automatisch gelöscht worden seien. Außerdem habe die Beklagte nicht vorgetragen, wann die durch OCR-Umwandlung erzeugten Vervielfältigungen gelöscht worden seien.86

(c) Gegen diese tatgerichtlichen Feststellungen wendet sich die Revision der Beklagten nicht. Sie macht vielmehr geltend, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Voraussetzungen des § 44a UrhG durch Individualvereinbarungen konkretisierbar und im Streitfall durch die mit der PMG getroffenen Vereinbarungen dahingehend modifiziert worden seien, dass nicht etwa ein technisch bedingter Automatismus vorzusehen sei, sondern die Löschung vertragsgemäß aufgrund entsprechender Willensbetätigung der Beklagten innerhalb der vereinbarten Frist von drei Tagen zu erfolgen habe.87

Damit hat die Revision der Beklagten keinen Erfolg. Es ist im Streitfall unerheblich, ob die Voraussetzungen der Schutzschranke gemäß § 44a UrhG durch individualvertragliche Abreden zu den Löschungsmodalitäten konkretisierbar sind. Jedenfalls fehlt es im Streitfall an solchen Abreden. Die Revision der Beklagten berücksichtigt nicht, dass Löschungsabreden allenfalls dann Ansprüche der Rechtsinhaber wegen Verletzung des Vervielfältigungsrechts ausschließen können, wenn sie sich auf Vervielfältigungshandlungen beziehen, die sich innerhalb der vertraglichen Vereinbarungen bewegen. Daran fehlt es. Der Beklagten war weder die Vervielfältigung durch Digitalisierung ganzer Print-Publikationen erlaubt noch deckten die getroffenen Vereinbarungen das Einstellen der digitalisierten Artikel in eine eigene durchsuchbare Datenbank ab (dazu vorstehend B III 2 a cc). Waren mithin bereits die in Rede stehenden Vervielfältigungshandlungen unerlaubt, dienten diese gerade nicht dazu, im Sinne von § 44a Nr. 2 UrhG eine rechtmäßige Nutzung der digitalisierten Artikel zu ermöglichen.88

b) Mit Erfolg rügt die Revision der Klägerin, das Berufungsgericht habe nur das Vervielfältigen und Speichern der in Rede stehenden 198 Artikel in einer Datenbank als Verletzung des Vervielfältigungsrechts angesehen, das dieser Vervielfältigung vorangegangene Einscannen (Digitalisieren) jedoch als gerechtfertigt angesehen.89

aa) Die vom Berufungsgericht festgestellten Handlungen der Beklagten erfüllen die Voraussetzungen einer Vervielfältigung gemäß § 16 Abs. 1 UrhG.90

(1) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte die vorliegend in Rede stehenden 198 Artikel digitalisiert hat, indem sie diese Artikel aus Printausgaben der Zeitungen gescannt und abgespeichert hat. Es hat außerdem festgestellt, dass die Beklagte ganze Print-Publikationen eingescannt und erst im Anschluss in einzelne Artikel zerlegt und später durch einen Abgleich mit den Suchprofilen der Kunden die konkreten Artikel herausgefiltert hat, die für den jeweiligen Pressespiegel benutzt wurden.91

(2) Die Fertigung einer digitalen Datei im Wege des Einscannens eines in gedruckter Form vorliegenden Werks stellt eine körperliche Festlegung dieses Werks dar, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen vermittelt über einen Computer oder einen Ausdruck wahrnehmbar zu machen (vgl. dazu B III 2 a aa).92

bb) Das Berufungsgericht hat weiterhin angenommen, die durch Einscannen (Digitalisieren) der 198 Artikel vorgenommenen Vervielfältigungshandlungen seien gerechtfertigt gewesen und stellten daher keine Verletzung des von der Klägerin geltend gemachten Vervielfältigungsrechts gemäß § 16 UrhG dar. Es sei unstreitig, dass es den Kunden der PMG, die zugleich Kunden der Beklagten gewesen seien, gestattet gewesen sei, Print-Artikel zu digitalisieren, um einen Pressespiegel zu erstellen („Eigendigitalisierung“). Dabei hätten sich die Kunden externer Dienstleister bedienen dürfen. Als eine solche Dienstleisterin sei auch die Beklagte für ihre Kunden tätig gewesen. Die Regelung in § 4 Nr. 4 des Rahmenvertrags, nach der der Beklagten die Möglichkeit zur eigenständigen Digitalisierung von Artikeln zur Erstellung eines elektronischen Pressespiegels nur eingeräumt werde, wenn diese aus technischen Gründen am fraglichen Tag durch die PMG nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden könnten, stehe der Zulässigkeit der Digitalisierung der 198 Artikel nicht entgegen. Zwar sei diese Regelung darauf gerichtet gewesen, eine durch die Beklagte durchgeführte Digitalisierung auf bestimmte Ausnahmefälle zu beschränken. Hierbei habe es sich jedoch – soweit die Bestimmung überhaupt hinreichend bestimmt sei – um rein schuldrechtliche, allein zwischen der Beklagten und der PMG geltende Beschränkungen gehandelt. Zudem widerspreche es Treu und Glauben, der Beklagten unter Bezugnahme auf den Rahmenvertrag etwas zu untersagen, was andere „Mittler“ bzw. Dienstleister, die von den Kunden der PMG beauftragt würden, die aber keinen Vertrag und damit auch keine Regelung gemäß § 4 Nr. 4 des Rahmenvertrags abgeschlossen hätten, erlaubt sei. Dass mit den streitgegenständlichen 198 Artikeln auch weitere Artikel aus den jeweiligen Print-Ausgaben der Zeitungen vervielfältigt worden seien, führe nicht dazu, dass auch das Einscannen und Speichern der 198 nach dem Einscannen öffentlich zugänglich gemachten Artikel widerrechtlich sei. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.93

cc) Allerdings folgt aus dem Umstand, dass die Voraussetzungen einer Vervielfältigungshandlung vorliegen, nicht ohne weiteres eine Verletzung des dem Urheber zustehenden Vervielfältigungsrechts. Ein Eingriff in ein Verwertungsrecht scheidet vielmehr aus, wenn der Urheber oder der Berechtigte dem Handelnden durch ein urheberrechtliches Verfügungsgeschäft das Recht eingeräumt hat, das Werk auf die betreffende Art und Weise zu nutzen (dazu vorstehend B II 3 c aa). Die Annahme einer Nutzungsrechtseinräumung wird jedoch durch die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen.94

(1) Das Berufungsgericht hat weder festgestellt noch ist sonst ersichtlich, dass die Klägerin oder die PMG der Beklagten im Hinblick auf die streitgegenständlichen 198 Artikel ausdrücklich gestattet hat, diese – wie vom Berufungsgericht angenommen – dergestalt zu digitalisieren, dass jeweils die gesamten Print-Publikationen, in denen die Artikel enthalten waren, eingescannt werden. Das Berufungsgericht hat außerdem nicht festgestellt, dass den Kunden der PMG und der Beklagten das Recht zur Digitalisierung ganzer Print-Publikationen eingeräumt worden ist.95

(2) Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen ferner nicht die Annahme, der Beklagten sei ein Recht zur Digitalisierung von gesamten Print-Publikationen konkludent eingeräumt worden. Die Bejahung einer solchen (konkludenten) Willenserklärung setzt voraus, dass unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände nach dem objektiven Inhalt der Erklärung unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist, der Erklärende wolle über sein Urheberrecht in der Weise verfügen, dass er einem Dritten daran ein bestimmtes Nutzungsrecht einräume (vgl. BGHZ 185, 291 [juris Rn. 29] – Vorschaubilder I). Daran fehlt es im Streitfall.96

(a) Soweit das Berufungsgericht seine abweichende Ansicht auf die Überlegung gestützt hat, dass den Kunden von der PMG sowohl gestattet gewesen ist, Print-Artikel zu digitalisieren, um einen Pressespiegel zu erstellen (Recht zur „Eigendigitalisierung“), als auch, externe Dienstleister (Mittler) wie die Beklagte mit den Leistungen zur Erstellung ihrer Pressespiegel zu beauftragen, hat es bereits nicht festgestellt, dass den Kunden (Vodafone, Daimler, EADS) ein Recht zur Eigendigitalisierung eingeräumt worden ist, das inhaltlich das hier in Rede stehende Einscannen und Speichern der gesamten Print-Publikationen der Klägerin und nicht lediglich das Einscannen und Speichern einzelner vom Kunden für den Pressespiegel vorgesehener Artikel umfasst. Es sind auch keine Umstände festgestellt, die die Annahme rechtfertigen, dass ein einzelner Kunde – anders als ein für mehrere Kunden tätiger Mittler wie die Beklagte – ein Interesse an einer vollständigen Vorabdigitalisierung durch Erstellung einer durchsuchbaren Masterkopie haben sollte, aus der dann erst in einem weiteren Schritt durch den Abgleich mit bestimmten Suchprofilen konkrete Artikel extrahiert und in einen dann nutzbaren Pressespiegel eingestellt werden.97

Gegen die konkludente Vereinbarung eines derart weitgehenden Nutzungsrechts spricht vielmehr der in § 31 Abs. 5 UrhG niedergelegte Auslegungsgrundsatz, dass der Urheber im Zweifel nur die Nutzungsrechte einräumt, die für das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich sind (Übertragungszweckgedanke). Dieser das gesamte Urheberrecht beherrschende Leitgedanke bezweckt eine möglichst weitgehende Beteiligung des Urhebers an der wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes (Beteiligungsgrundsatz) und dient dem Schutz des Urhebers als der regelmäßig schwächeren Vertragspartei (st. Rspr.; vgl. Urteil vom 24. September 2014 – I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 [juris Rn. 49] = WRP 2015, 347 – Hi Hotel II, mwN).98

Ist damit davon auszugehen, dass das Recht der Kunden zur Eigendigitalisierung das Einscannen vollständiger Print-Publikationen nicht umfasst hat, fehlt die Grundlage für die weitere Annahme des Berufungsgerichts, Kunden könnten anderen Mittlern bzw. Dienstleistern auf der Grundlage ihres Rechts zur Eigendigitalisierung entsprechende Vervielfältigungshandlungen gestatten.99

(b) Selbst wenn den Kunden das Recht zur Eigendigitalisierung ganzer Print-Publikationen zustünde, folgte daraus – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – nicht ohne weiteres, dass dieses Recht zwangsläufig auch den von den Kunden eingesetzten Mittlern zusteht. Das Berufungsgericht hat keine Umstände festgestellt, die einen solchen Schluss rechtfertigen. Im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände ist vielmehr in den Blick zu nehmen, dass die Beklagte sich gegenüber der PMG vertraglich einer Reihe von Beschränkungen unterworfen hat. Dazu gehören nicht nur die Untersagung des Aufbaus einer Datenbank mit den über die PMG bezogenen und/oder lizenzierten Daten gemäß § 3 Nr. 2 des Rahmenvertrags, sondern auch die in § 4 Nr. 4 des Rahmenvertrags festgehaltenen Bestimmungen. Danach ist der Beklagten das Recht zu einer eigenständigen Digitalisierung solcher Artikel nur insoweit eingeräumt worden, als diese „aus technischen Gründen am fraglichen Tag durch PMG gar nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können“. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts rechtfertigt auch der Grundsatz von Treu und Glauben nicht die Annahme, die Klägerin dürfe der Beklagten nicht unter Bezugnahme auf den Rahmenvertrag etwas untersagen, was anderen Mittlern bzw. Dienstleistern, die von den Kunden der PMG beauftragt worden seien, die aber keinen Vertrag mit einer Regelung wie § 4 Nr. 4 des Rahmenvertrags abgeschlossen hätten, erlaubt sei. Abgesehen davon, dass – wie oben ausgeführt – das Recht der Kunden zur Eigendigitalisierung das Einscannen vollständiger Print-Publikationen nicht umfasst hat und es den Kunden daher nicht möglich war, anderen Mittlern bzw. Dienstleistern auf der Grundlage ihres Rechts zur Eigendigitalisierung entsprechende Vervielfältigungshandlungen zu gestatten, erlaubt es der in der Privatautonomie wurzelnde Grundsatz der Vertragsfreiheit, eine Vertragspartei auch an solche Vereinbarungen zu binden, die nicht vertraglich gebundene Dritte nicht einzuhalten haben.100

3. Das Berufungsgericht hat – abweichend vom landgerichtlichen Urteil – keine Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen, über das Vervielfältigen und/oder öffentliche Zugänglichmachen der Artikel Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, soweit diese Nutzungshandlungen über die nach den Verträgen zwischen der Beklagten und der PMG sowie den Verträgen zwischen dem jeweiligen Kunden und der PMG zulässige Nutzungsdauer hinausgehend vorgenommen worden sind. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin ohne Erfolg.101

a) Das Landgericht hat die Verpflichtung der Beklagten zur Auskunftserteilung in seinem Urteilsausspruch zu 2 a, der eine Teilmenge von 182 der im Januar 2013 im Internet für jedermann zugänglich gemachten Artikel betrifft, unter dem zweiten „Bullet Point“ auf die Nutzungshandlungen des Vervielfältigens und/oder des öffentlichen Zugänglichmachens erstreckt, die über die nach den Verträgen zwischen der Beklagten und der PMG sowie den Verträgen zwischen dem jeweiligen Kunden und der PMG zulässige Nutzungsdauer hinausgehen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht den auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung gerichteten Klageantrag insoweit abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die antragsgegenständlichen 182 Artikel seien Teil jener 198 Artikel, die die Beklagte durch Speicherung in einer durchsuchbaren Datenbank vervielfältigt und im Januar 2013 öffentlich zugänglich gemacht habe. Die Nutzungshandlungen der Vervielfältigung durch Speicherung in einer durchsuchbaren Datenbank als auch der öffentlichen Zugänglichmachung seien jedoch bereits von dem auf Auskunft gerichteten Urteilsausspruch zu 1.2., erster und zweiter Spiegelstrich, des Berufungsurteils erfasst. Dass die Beklagte über die Vervielfältigungen durch Digitalisieren und Abspeichern in einer Datenbank und die Vervielfältigungen, die zwangsläufig mit der öffentlichen Zugänglichmachung einhergingen (Abspeichern auf dem Server), hinaus weitere Eingriffe in das Vervielfältigungsrecht vorgenommen habe, sei weder vom Landgericht festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen worden. Über die öffentliche Zugänglichmachung der Artikel habe die Beklagte ebenfalls bereits nach dem Urteilsausspruch zu 1.2. Buchst. a, erster Spiegelstrich, des Tenors des Berufungsurteils Auskunft zu erteilen. Ein Interesse der Klägerin, zusätzlich auch noch darüber Auskunft zu erhalten, inwieweit dieses öffentliche Zugänglichmachen außerhalb der mit der PMG vereinbarten Nutzungsdauer vorgenommen worden sei, sei nicht ersichtlich. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Gegenstand der Vereinbarung mit der PMG ohnehin nicht die hier maßgebliche Nutzung im Internet gewesen sei. Im Übrigen stelle der Umstand, dass die Beklagte bei der öffentlichen Zugänglichmachung gegenüber jedermann im Januar 2013 auch vertraglich vereinbarte Nutzungszeiten überschritten habe, allenfalls eine Vertragsverletzung gegenüber der PMG dar, nicht jedoch eine über die ohnehin zur Grundlage der Auskunftsverpflichtung gemachten Nutzungshandlungen der Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung hinausgehende Verletzung von Urheberrechten. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision der Klägerin stand.102

b) Da der aus § 242 BGB abgeleitete unselbständige Auskunftsanspruch der Vorbereitung eines bezifferten Schadensersatzanspruchs oder eines auf die Herausgabe des Erlangten gerichteten Bereicherungsanspruchs dient, richtet er sich vorliegend nur auf solche Handlungen, die als Verletzungshandlungen im Sinne von § 97 Abs. 1 UrhG zu qualifizieren sind. Ferner muss die Auskunft zur Berechnung eines Schadens oder einer Bereicherung erforderlich sein. Daraus ergibt sich, dass das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass der Antrag der Klägerin nur dann begründet ist, wenn die darin beschriebenen Nutzungshandlungen, also eine Vervielfältigung und/oder öffentliche Zugänglichmachung über die vertraglich zulässige Nutzungsdauer hinaus, mit Blick auf die ohnehin zum Gegenstand der bereits tenorierten Auskunftsverpflichtung gemachten Nutzungshandlungen der Vervielfältigung und der öffentlichen Zugänglichmachung einen eigenständigen Unrechtsgehalt haben.103

c) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kommt in Bezug auf die Nutzungshandlung der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG die Annahme eines eigenständigen Unrechtsgehalts durch die zeitliche Überschreitung eines vertraglichen Nutzungsrechts nicht in Betracht.104

aa) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Beklagten in den Verträgen mit der PMG kein und damit auch kein zeitlich begrenztes Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung eingeräumt wurde. Dass die Klägerin oder die PMG Kunden der Beklagten ein (zeitlich begrenztes) Recht eingeräumt hat, die antragsgegenständlichen 182 Artikel im Internet für jedermann zugänglich zu machen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Revision der Klägerin macht auch nicht geltend, dass es dabei von der Klägerin in den Tatsacheninstanzen gehaltenen Vortrag übergangen habe oder ihm sonst ein Verfahrensfehler unterlaufen sei.105

bb) Soweit die Revision der Klägerin geltend macht, das Berufungsgericht habe die Frage der öffentlichen Zugänglichmachung in den Intranets der Kunden außer Acht gelassen, hat sie keinen Rechtsfehler dargelegt. Das Berufungsgericht ist – von der Revision der Klägerin nicht beanstandet – davon ausgegangen, dass die Zugänglichmachung im Internet und die Zugänglichmachung im Intranet, also in einem kundenintern genutzten Online-System, das im Gegensatz zum Internet nicht jedermann zugänglich ist, sondern nur einer geschlossenen Gruppe (z.B. die Mitarbeiter eines Unternehmens), jeweils eigenständige Nutzungsarten darstellen. Dem entspricht es, dass die Klägerin sowohl den bezifferten Antrag auf Schadensersatz als auch den hier betroffenen Auskunftsantrag auf die im Januar 2013 im Internet gegenüber jedermann erfolgte Zugänglichmachung der in den Anträgen enumerativ aufgeführten Artikel bezogen und sich zur Begründung dieser Anträge auf die im Januar 2013 erfolgte Zugänglichmachung dieser Artikel im Internet als Klagegrund gestützt hat. Das Berufungsgericht hatte deshalb keine Veranlassung, außerhalb dieses von der Klägerin durch Antrag und Klagegrund vorgegebenen Streitgegenstands Überlegungen zu weiteren möglicherweise in Betracht kommenden Nutzungshandlungen anzustellen.106

d) In Bezug auf die Nutzungshandlung der Vervielfältigung gemäß § 16 UrhG kommt die Annahme eines eigenständigen Unrechtsgehalts durch die zeitliche Überschreitung eines vertraglichen Nutzungsrechts ebenfalls nicht in Betracht. Der Auskunftsantrag zu 2 ist sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach dem von der Klägerin zu seiner Begründung vorgetragenen Klagegrund auf Nutzungshandlungen im Januar 2013, also auf Nutzungshandlungen gestützt, die im Zusammenhang mit der im Januar 2013 erfolgten Abrufbarkeit von 202 Artikeln (bzw. einer Teilmenge daraus) stehen (dazu vorstehend B III 3 c bb). Die Beklagte hat das zum Gegenstand des Antrags gemachte Vervielfältigungsrecht der Urheber zum einen durch die Digitalisierung (Scannen und Speichern) ganzer Print-Publikationen und zum anderen durch die Speicherung der so erzeugten Dateien in einer durchsuchbaren Datenbank verletzt. Die Revision der Klägerin macht nicht geltend, dass die Klägerin vorgetragen habe, sie oder die PMG habe den drei in Rede stehenden Kunden der Beklagten ein (allerdings zeitlich begrenztes) Recht eingeräumt, die antragsgegenständlichen 182 Artikel mittels Einscannens vollständiger Print-Publikationen zu digitalisieren und sodann in einer durchsuchbaren Datenbank abzuspeichern.107

Mit ihrem Vorbringen, bei 182 Artikeln sei im Januar 2013 die in den Kundenverträgen der PMG vereinbarte Nutzungsdauer von regelmäßig nur vier Wochen überschritten, diese seien mithin noch nach Ablauf der zulässigen Nutzungsdauer auf den Servern der Beklagten gespeichert gewesen, hat die Revision der Klägerin keine Handlung der Beklagten dargelegt, die die Voraussetzungen einer nach der Antragsfassung erforderlichen Vervielfältigungshandlung erfüllt. Dadurch, dass bereits zuvor durch Digitalisierung und das Speichern auf dem Server vervielfältigte Artikel lediglich auf einem Server belassen, also nicht gelöscht werden, werden diese nicht im Sinne von § 16 UrhG erneut in einer Weise körperlich festgelegt, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Art mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen. Entgegen der Ansicht der Revision der Klägerin liegt damit in einer Überschreitung der vereinbarten Nutzungsdauer nicht zugleich eine eigenständige Vervielfältigungshandlung. Auf die Mitteilung solcher Vervielfältigungshandlungen ist jedoch der von der Klägerin gestellte Antrag auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung nach seinem klaren Wortlaut gerichtet.108

IV. Das Berufungsgericht hat die Beklagte mit dem Urteilsausspruch zu 1.5. auf den Klageantrag zu 7 zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.976,90 € zuzüglich Zinsen verurteilt. Es hat angenommen, der Klägerin stehe ein entsprechender Anspruch gemäß § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG und – soweit Auskunft und Schadensersatz Gegenstand des vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigwerdens waren – gemäß § 97 Abs. 2 UrhG zu. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Revision der Beklagten erhebt auch keine spezifisch gegen den Erstattungsanspruch und seine Höhe gerichteten Rügen, sondern verweist lediglich auf ihre gegen die Begründetheit der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche wegen der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen gerichteten Revisionsangriffe. Diese greifen – wie dargelegt wurde – nicht durch.109

V. Das Berufungsgericht hat mit seinem Urteilsausspruch zu 1.4. auf den Klageantrag zu 4 festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen über die Urteilsaussprüche gemäß den Ziffern 1.1. (bezifferter Schadensersatz) und 1.5. (Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten) hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die im Urteilsausspruch zu 1.2. genannten Nutzungshandlungen entstanden ist. Die dagegen von den Revisionen der Parteien erhobenen Angriffe haben keinen Erfolg.110

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe durch die im Urteilsausspruch zu 1.2. des Berufungsurteils aufgeführten Nutzungshandlungen das den Urhebern zustehende Vervielfältigungsrecht und das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung schuldhaft verletzt, so dass die Voraussetzungen eines deliktischen Schadensersatzanspruchs gemäß § 97 Abs. 2 UrhG vorlägen. Diese Beurteilung ist frei von Rechtsfehlern. Die dagegen erhobenen Rügen der Revision der Beklagten greifen nicht durch (dazu vorstehend B II 3 und B III 2 a).111

2. Das Berufungsgericht hat außerdem angenommen, der von der Klägerin geltend gemachte weitergehende Antrag, die Pflicht zur Herausgabe von entstandenen und noch entstehenden Bereicherungen aus der Verwendung der in den Anlagen K 1 und K 3 aufgeführten Artikel festzustellen, sei unzulässig, weil das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse nicht gegeben sei. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision der Klägerin ohne Erfolg.112

a) Die Revision der Klägerin macht geltend, das Berufungsgericht habe nicht begründet, warum es diesen Antrag für unzulässig gehalten habe. Diese Rüge geht ins Leere. Zwar hat das Berufungsgericht seine Ausführungen zum fehlenden Feststellungsinteresse auf den „Klageantrag Ziff. 6“ bezogen. Wie der Senat in seinem in dieser Sache im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde erlassenen Beschluss vom 24. März 2022 bereits ausgeführt hat, handelt es sich insoweit um eine offenbare Unrichtigkeit. Die Ausführungen des Berufungsgerichts waren vielmehr erkennbar auf den Klageantrag zu 4 und damit auf den hier betroffenen Feststellungsantrag bezogen (vgl. Senatsbeschluss vom 24. März 2022 – I ZR 141/20 [juris Rn. 16]).113

b) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Interesse der Klägerin, die Ersatzpflicht der Beklagten wegen der antragsgegenständlichen Artikel festzustellen, diene bereits die beantragte Feststellung der Schadensersatzpflicht. Soweit sich möglicher Schadensersatz und Bereicherungsausgleich deckten, bestehe kein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Feststellung, dass sie den Ausgleich der identischen Position nicht nur als Schadensersatz, sondern auch als ungerechtfertigte Bereicherung verlangen könne. Zwar könne ein Feststellungsinteresse vorliegen, wenn denkbar sei, dass Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung im konkreten Fall (hier betreffend die streitgegenständliche Nutzung der streitgegenständlichen Artikel) weiter reichten als Schadensersatzansprüche wegen der identischen Nutzungen. Eine solche Konstellation sei hier aber nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht konkret vorgetragen worden.114

c) Diese Beurteilung hält dem Angriff der Revision der Klägerin stand.115

aa) Entgegen der Ansicht der Revision der Klägerin hat das Berufungsgericht nicht angenommen, dass Schaden und ungerechtfertigte Bereicherung zwingend deckungsgleich sind. Es ist vielmehr rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass ein Feststellungsinteresse auch die erlangte Bereicherung umfassen kann, sofern diese nach den Umständen des Einzelfalls weiter reichen kann als Schadensersatzansprüche wegen der identischen Nutzung.116

bb) Soweit die Revision der Klägerin geltend macht, es liege auf der Hand, dass die Bereicherung der Beklagten, die diese aus dem Betrieb ihres auf der Verletzung von Urheberrechten der Klägerin basierenden Geschäftsmodells ziehe, über dem Betrag der fiktiven Lizenzen liege, welche die Klägerin im Wege der Lizenzanalogie geltend mache, legt sie ebenfalls keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts dar. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, es sei hier weder ersichtlich noch habe die Klägerin konkret vorgetragen, dass Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung im Streitfall weiter reichten als Schadensersatzansprüche wegen der identischen Nutzungen. Die Revision der Klägerin legt nicht dar, dass das Berufungsgericht insoweit Sachvortrag der Klägerin übergangen habe. Mit der Wendung, das Gegenteil der Annahme des Berufungsgerichts liege auf der Hand, stützt sie sich vielmehr entgegen § 559 Abs. 1 ZPO auf einen vom Berufungsgericht nicht festgestellten und im Übrigen auch nicht offenkundigen Sachverhalt.117

VI. Mit seinem Urteilsausspruch zu 1.3. hat das Berufungsgericht die Beklagte auf den Klageantrag zu 5 zu einer Auskunftserteilung verurteilt, die nicht – wie der Urteilsausspruch zu 1.2. – auf konkret festgestellte Verletzungshandlungen im Zusammenhang mit den Verletzungshandlungen im Januar 2013 Bezug nimmt, sondern mögliche weitere Verletzungshandlungen der Beklagten zum Gegenstand hat. Gegen diese Verurteilung wendet sich die Revision der Beklagten mit Erfolg.118

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Nachweis bestimmter Verletzungshandlungen reiche zwar grundsätzlich nicht aus, um einen Auskunftsanspruch auch über alle möglichen anderen Verletzungshandlungen zu begründen, denn dies liefe darauf hinaus, einen rechtlich nicht bestehenden allgemeinen Auskunftsanspruch anzuerkennen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe aber anerkannt, dass Verwertungsgesellschaften ein solcher Anspruch auf Grundauskunft zustehen könne. Die Interessenlage der Klägerin, die – wie eine Verwertungsgesellschaft – über einen großen Rechtestock gleichartiger Werke verfüge, unterscheide sich nicht maßgeblich hiervon. Es entspreche deshalb Treu und Glauben, dass die Klägerin von der Beklagten verlangen könne, Auskunft darüber zu erhalten, welche weiteren Artikel der Beklagten sie durch Digitalisieren und Abspeichern in einer Datenbank vervielfältigt habe.119

2. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision der Beklagten mit Erfolg. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Grundauskunft besteht nicht.120

a) Ein allgemeiner Auskunftsanspruch, der auf die Ausforschung der tatsächlichen Grundlagen und Beweismittel für etwaige Ansprüche gerichtet ist, besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 1971 – I ZR 32/70, BGHZ 56, 256 [juris Rn. 21] – Urheberfolgerecht). Der auf spezialgesetzliche Anspruchsgrundlagen wie § 19 MarkenG oder § 101 UrhG gestützte Auskunftsanspruch ist ebenso wie der aus § 242 BGB hergeleitete Auskunftsanspruch seinem Inhalt nach vielmehr grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften über den konkreten Verletzungsfall, das heißt über die konkrete Verletzungshandlung einschließlich solcher Handlungen beschränkt, die ihr im Kern gleichartig sind. Ein Anspruch auf Auskunftserteilung besteht nicht auch über mögliche andere Verletzungsfälle, da dies darauf hinausliefe, unter Vernachlässigung allgemein gültiger Beweislastregeln der Ausforschung Tür und Tor zu öffnen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2000 – I ZR 29/98, GRUR 2000, 907 [juris Rn. 38] = WRP 2000, 1258 – Filialleiterfehler; BGHZ 148, 26 [juris Rn. 41] – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 – I ZR 5/03, GRUR 2006, 319 [juris Rn. 38] = WRP 2006, 476 – Alpensinfonie; Urteil vom 23. Februar 2006 – I ZR 27/03, BGHZ 166, 233 [juris Rn. 34] – Parfümtestkäufe, mwN; Urteil vom 23. Februar 2006 – I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 [juris Rn. 41] – Markenparfümverkäufe; BGH, GRUR 2010, 623 [juris Rn. 51] – Restwertbörse I; BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 – I ZR 55/12, GRUR 2013, 1235 [juris Rn. 21] – Restwertbörse II).121

b) Allerdings hat der Bundesgerichtshof der Verwertungsgesellschaft GEMA einen weitergehenden Anspruch auf Grundauskunft zugebilligt und insoweit angenommen, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausnahmsweise auch dann bestehen kann, wenn der Kläger in entschuldbarer Weise nicht nur über den Umfang, sondern auch über das Bestehen seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchführung seines Zahlungsanspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete sie unschwer, das heißt ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag. Voraussetzung ist allerdings, dass zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten eine besondere rechtliche Beziehung besteht, wobei ein gesetzliches Schuldverhältnis, zum Beispiel aus unerlaubter Handlung, genügt (BGH, Urteil vom 5. Juni 1985 – I ZR 53/83, BGHZ 95, 274 [juris Rn. 34] – GEMA-Vermutung I; Urteil vom 13. Juni 1985 – I ZR 35/83, BGHZ 95, 285 [juris Rn. 15] – GEMA-Vermutung II; Urteil vom 21. April 1988 – I ZR 210/86, GRUR 1988, 604 [juris Rn. 22] – Kopierwerk; Urteil vom 8. November 2007 – I ZR 172/05, GRUR 2008, 360 [juris Rn. 17] = WRP 2008, 249 – EURO und Schwarzgeld; BGH, GRUR 2010, 623 [juris Rn. 51] – Restwertbörse I). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist zu prüfen, ob die Belange des Rechtsinhabers ohne die Zubilligung der verlangten Auskunft nicht wirksam gewahrt werden können (BGHZ 95, 274 [juris Rn. 36] – GEMA-Vermutung I) und ob aus konkret festgestellten Rechtsverletzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf weitere Rechtsverletzungen geschlossen werden kann (vgl. BGHZ 95, 274 [juris Rn. 37] – GEMA-Vermutung I; BGHZ 95, 285 [juris Rn. 28] – GEMA-Vermutung II).122

c) In Rechtsprechung und Literatur wird vertreten, ein solcher Anspruch auf Grundauskunft könne auch Rechtsinhabern zustehen, die – vergleichbar einer Verwertungsgesellschaft – über einen großen Rechtestock gleichartiger Werke verfügten, von denen nachweisbar mehrere Werke von dem Verletzer unerlaubt verwendet worden seien (vgl. BeckOK.Urheberrecht/Reber aaO § 97 UrhG Rn. 139; Specht-Riemenschneider in Dreier/Schulze aaO § 97 Rn. 103; wohl auch LG Nürnberg-Fürth, GRUR 1988, 817, 818). Nach noch weitergehender Ansicht wird es als ausreichend angesehen, dass zwischen den Beteiligten überhaupt ein Leistungsanspruch dem Grunde nach bestehe und besondere Umstände für eine hohe Wahrscheinlichkeit weiterer Verletzungshandlungen sprächen. Dies komme insbesondere dann in Betracht, wenn der Geschäftsbetrieb des Verletzers auf den fortlaufenden Eingriff in fremde Urheberrechte ausgerichtet sei, solche Eingriffe dem Grunde nach feststünden und lediglich das Ausmaß noch nicht bekannt sei (KG, GRUR-RR 2004, 228 [juris Rn. 156]).123

d) Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Der vom Bundesgerichtshof ausnahmsweise und nur unter engen Voraussetzungen zugebilligte Anspruch auf Grundauskunft liegt in den Besonderheiten begründet, die die Rechtsdurchsetzung durch Verwertungsgesellschaften kennzeichnen. Eine Ausweitung dieser Grundsätze birgt die Gefahr, die allgemein gültigen Beweislastregeln ohne rechtfertigenden Grund maßgeblich zu schwächen.124

aa) Ausgangspunkt der Zubilligung eines aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleiteten Anspruchs auf Auskunft ist die Überlegung, dass es das Wesen bestimmter Rechtsverhältnisse mit sich bringt, dass der Berechtigte entschuldbar über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der Verpflichtete die Auskunft unschwer erteilen kann (RG, Urteil vom 4. Mai 1923, RGZ 108, 1, 7; BGH, Urteil vom 4. Juni 1981 – III ZR 31/80, BGHZ 81, 21 [juris Rn. 29]; Bittner/Kolbe in Staudinger, BGB [2019], § 260 Rn. 19).125

bb) Im Falle der Verwertungsgesellschaft GEMA beruht die Anerkennung eines Anspruchs auf Grundauskunft nicht auf der großen Anzahl der von ihr wahrgenommenen Rechte. Diese ist vielmehr der Grund für die sogenannte GEMA-Vermutung, nämlich die tatsächliche Vermutung der Wahrnehmungsbefugnis der GEMA (BGHZ 95, 274 [juris Rn. 29] – GEMA-Vermutung I; BGHZ 95, 285 [juris Rn. 17, 21] – GEMA-Vermutung II). Die Zubilligung eines Anspruchs auf Grundauskunft liegt hingegen im Wesen des Systems der Wahrnehmung von Urheberrechten durch Verwertungsgesellschaften begründet, das dadurch geprägt ist, dass die GEMA als Verwertungsgesellschaft die interessen der ihr angeschlossenen Urheber wahrt (BGHZ 95, 274 [juris Rn. 36] – GEMA-Vermutung I; BGHZ 95, 285 [juris Rn. 21] – GEMA-Vermutung II) und die Urheberrechte lediglich treuhänderisch innehat (vgl. Hertin/Wagner, Urheberrecht, 3. Aufl., S. 275 f. Rn. 866; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 10. Aufl., S. 321 Rn. 649, S. 659 Rn. 1414). Die Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, diese treuhänderisch übertragenen Urheberrechte durchzusetzen und Verstöße hiergegen zu verfolgen (vgl. Holzmüller in Heine/Holzmüller, VGG, 1. Aufl., § 9 Rn. 3), zugleich ist es für sie jedoch wegen der Masse und Vielfalt der ihr übertragenen Urheberrechte, die sie aufgrund des Wahrnehmungszwangs (§ 6 UrhWG, § 9 VGG) nicht beeinflussen kann, schwieriger als für andere Urheber, Verletzungen der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte aufzudecken (vgl. de la Durantaye/Kuschel in Heine/Holzmüller aaO § 48 Rn. 1). Ohne eine Erleichterung bei der Rechtswahrung könnte die GEMA die Belange der ihr angeschlossenen Urheber nicht wirksam wahrnehmen (vgl. BGHZ 95, 274 [juris Rn. 36] – GEMA-Vermutung I; BGHZ 95, 285 [juris Rn. 21] – GEMA-Vermutung II).126

cc) Soweit der Senat im Fall „Restwertbörse I“ den Auskunftsanspruch auch auf andere Schutzrechte, deren Verletzung nicht festgestellt war, erstreckt hat, lagen Besonderheiten im Wesen des maßgeblichen, durch ein jahrelanges enges Näheverhältnis geprägten Rechtsverhältnisses zugrunde, die im Rahmen der nach den Grundsätzen von Treu und Glauben vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen waren und nach denen zudem die Gefahr ausgeschlossen war, dass die Gewährung eines auf die Verletzung anderer Schutzrechte gerichteten Auskunftsanspruchs darauf hinauslief, einen rechtlich nicht bestehenden allgemeinen Auskunftsanspruch anzuerkennen und der Ausforschung unter Vernachlässigung allgemein gültiger Beweisregeln Tür und Tor zu öffnen (vgl. BGH, GRUR 2010, 623 [juris Rn. 51 f.] – Restwertbörse I).127

dd) Die im Streitfall vorliegende Situation ist mit diesen besonderen Fallgruppen nicht vergleichbar. Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist allein dadurch begründet worden und geprägt, dass die Beklagte – ohne mit der Klägerin vertraglich über Jahre eng verbunden gewesen zu sein – Urheberrechte der Klägerin an konkreten Artikeln verletzt hat. Damit unterscheidet sich der Sachverhalt nicht wesensmäßig von anderen Urheberrechtsverletzungen, bei denen Rechtsinhaber über das Vorliegen von Verletzungshandlungen im Ungewissen sind. Anders als die GEMA oder andere Verwertungsgesellschaften nimmt die Klägerin ihre Urheberrechte nicht treuhänderisch wahr und ist auch nicht einem nur unter erheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten erfüllbaren Wahrnehmungszwang ausgesetzt. Über die konkrete Verletzungshandlung hinaus besteht zwischen den Parteien zudem auch keine weitere enge Rechtsbeziehung, deren Wesen es mit sich bringt, dass die Klägerin entschuldbar über das Bestehen und dem Umfang ihres Rechts im Ungewissen ist, während die Beklagte die Auskunft unschwer erteilen kann.128

3. Da der Klägerin bereits dem Grunde nach kein auf Grundauskunft gerichteter Anspruch zusteht, bleiben die mit ihrer Revision erhobenen Rügen ohne Erfolg, mit denen sie Einwände gegen den vom Berufungsgericht nur inhaltlich und zeitlich eingeschränkt gewährten Umfang des Anspruchs auf Grundauskunft erhoben hat.129

VII. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Vorlage und Besichtigung von Unterlagen gemäß § 101a UrhG verneint und die vom Landgericht in seinen Urteilsaussprüchen zu 4 bis 6 auf den Klageantrag zu 3 tenorierte Verurteilung zur Vorlage und zur Duldung der Besichtigung auf die Berufung der Beklagten aufgehoben. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin mit Erfolg.130

1. Nach § 101a UrhG kann derjenige, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Urheberrecht widerrechtlich verletzt, von dem Verletzten auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache in Anspruch genommen werden, die sich in seiner Verfügungsgewalt befindet, wenn dies zur Begründung von dessen Ansprüchen erforderlich ist. Besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung, erstreckt sich der Anspruch auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen. Nach § 101a Abs. 2 UrhG ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.131

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Anspruch aus § 101a UrhG scheide mangels Erforderlichkeit aus, wenn dem Anspruchsteller andere gleich geeignete Wege, seine Ansprüche zu beweisen, offen stünden. So sei es hier. Die interessen der Klägerin würden durch die in den Urteilsaussprüchen zu 1.2. (Verletzungshandlungen vom Januar 2013) und 1.3. (Grundauskunft in Bezug auf weitere mögliche Verletzungshandlungen) tenorierten Auskunftsverpflichtungen hinreichend gewahrt. Die Auskunft sei gegenüber einem Anspruch aus § 101a UrhG, der auf eine Zugänglichmachung von Speichermedien abziele, das mildere Mittel. Darüber hinaus sei eine Besichtigung der Speichermedien mit Blick auf die schutzwürdigen Geschäftsgeheimnisse der Beklagten und ihr Interesse an einem störungsfreien betrieblichen Ablauf unverhältnismäßig im Sinne von § 101a Abs. 2 UrhG. Nicht erforderlich und unverhältnismäßig sei außerdem die begehrte Vorlage von Verträgen, Kontoauszügen und Jahresabschlüssen. Auch insoweit genüge den interessen der Klägerin die von der Beklagten zu gewährende Auskunft und Grundauskunft; die beantragte Vorlage stelle einen unangemessenen Eingriff in Geschäftsgeheimnisse und Geschäftsabläufe dar.132

b) Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt seiner Beurteilung mit Recht angenommen, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse hat festzustellen und gegebenenfalls beweisen zu können, welche Artikel aus ihren Publikationen die Beklagte insbesondere durch Abspeichern in einer Datenbank vervielfältigt und ob und gegebenenfalls welche Zugriffsmöglichkeiten auf die Artikel die Beklagte ihren Kunden eröffnet hat. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs auf Vorlage und Besichtigung gemäß § 101a UrhG hat das Berufungsgericht sodann allerdings in tragender Weise darauf gestützt, dass die Beklagte diese Informationen in hinreichender Weise unter anderem mit Hilfe des ihr vom Berufungsgericht zugesprochenen Anspruchs auf Grundauskunft erhalten könne.133

Da der Klägerin jedoch kein Anspruch auf Grundauskunft zusteht (dazu vorstehend B VI), fehlt der Beurteilung des Berufungsgerichts eine tragfähige rechtliche und tatsächliche Grundlage.134

C. Danach ist das Berufungsurteil im Kostenpunkt und unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel insoweit aufzuheben, als hinsichtlich des Klageantrags zu 3 (Tenor des landgerichtlichen Urteils zu 4 bis 6) und hinsichtlich der Klageanträge zu 2 (Tenor des landgerichtlichen Urteils zu 2) und 4 (Tenor des landgerichtlichen Urteils zu 7) im Hinblick auf das Einscannen (Digitalisieren) der Artikel zum Nachteil der Klägerin und hinsichtlich des Klageantrags zu 5 (Tenor des Berufungsurteils zu 1.3.) zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Klageantrag zu 5 ist abzuweisen. Im übrigen Umfang der Aufhebung ist die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Insoweit kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).135

D. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:136

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht prüfen müssen, ob die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Vorlage und Besichtigung gemäß § 101a UrhG im von der Klägerin beantragten Umfang erfüllt sind.137

I. Durch das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit gemäß § 101a Abs. 2 UrhG soll vermieden werden, dass bei geringfügigen Verletzungen umfangreiche Vorlageansprüche geltend gemacht werden können (Dreier in Dreier/Schulze aaO § 101a Rn. 8; Eichelberger in Eichelberger/Wirth/Seifert, UrhG, 4. Aufl., § 101a Rn. 9; Czychowski in Fromm/Nordemann aaO § 101a UrhG Rn. 26; Wimmers in Schricker/Loewenheim aaO § 101a UrhG Rn. 41; Ohst in Wandtke/Bullinger aaO § 101a UrhG Rn. 33; Bornkamm in Festschrift Ullmann, 2006, S. 895). Unverhältnismäßigkeit kann auch dann vorliegen, wenn das Geheimhaltungsinteresse des Verletzers das Interesse des Rechtsinhabers an der Vorlage oder Besichtigung bei weitem überwiegt und dem Geheimhaltungsinteresse auch nicht durch Maßnahmen nach § 101a Abs. 1 Satz 3 UrhG angemessen Rechnung getragen werden kann (Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, BT-Drucks. 16/5048, S. 41; Wimmers in Schricker/Loewenheim aaO § 101a UrhG Rn. 41; Ohst in Wandtke/Bullinger aaO § 101a UrhG Rn. 33; Bornkamm aaO S. 895, 897). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist auch zu berücksichtigen, inwieweit die benötigten Geräte vorübergehend aus dem Produktionsprozess ausgegliedert werden können, ob eine Betriebsstilllegung für die Dauer der Besichtigung unzumutbar ist oder ob ein nicht ausgleichbarer Schaden droht, der auch nicht durch eine Sicherheitsleistung abgedeckt werden kann (Ohst in Wandtke/Bullinger aaO § 101a UrhG Rn. 22).138

II. Bereits die vom Berufungsgericht festgestellten Rechtsverletzungen, nämlich das öffentliche Zugänglichmachen von 198 Artikeln für die Dauer von 18 Tagen sowie das Einscannen der diese Artikel enthaltenen Print-Ausgaben der Klägerin und das Einstellen in eine durchsuchbare Datenbank, können nicht als geringfügig angesehen werden.139

III. Die bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Geheimhaltungsinteresse tragen die Versagung des Anspruchs nicht.140

1. Es ist bislang vom Berufungsgericht nicht hinreichend konkret festgestellt worden, welche Geheimhaltungsinteressen der Beklagten vorliegend eine Vorlage welcher Unterlagen und Speichermedien an die Klägerin verbieten sollen. Die Beklagte hat geltend gemacht, es gehe um die technischen Details ihres Produktionsprozesses, und zwar Einzelheiten über die eingesetzte Hard- und Software, Monitoringtechniken und -methoden, sowie um die kaufmännischen Parameter, nämlich Informationen über die Kunden, ihre Kooperationspartner und Lieferanten, Preismodelle und -kalkulationen, Kostenstruktur, Auswahl und Zusammenstellung von Quellen. Soweit es die eingesetzte Hard- und Software betrifft, ist nicht ohne weiteres ersichtlich, inwieweit diese ein Geschäftsgeheimnis darstellen soll. Es ist bislang ebenfalls nicht festgestellt, dass sich auf sämtlichen Speichermedien die technischen oder kaufmännischen Details des Produktionsprozesses befinden.141

2. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse nicht durch die Maßnahmen, wie sie das Landgericht dem Grunde nach vorgesehen hat, Rechnung getragen werden kann.142

IV. Soweit das Berufungsgericht auf die Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs der Beklagten durch eine Vorlage und Besichtigung abgestellt hat, hat es bislang nicht berücksichtigt, dass eine gewisse Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs mit jeder Vorlage und Besichtigung einhergeht und daher vom Gesetzgeber bei Schaffung der Vorschrift im Interesse einer von § 101a UrhG bezweckten wirksamen Rechtsdurchsetzung als grundsätzlich hinnehmbar angesehen worden ist.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbHRecht I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Ausforschung, Auskunftsanspruch, Darlegungs- und Beweislast

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BGH, Urteil vom 7. September 2017 – IX ZR 71/16

7. September 2017

BGB § 280 Abs. 1, § 675; InsO §§ 88, 129 ff

Der mit der Durchsetzung einer Forderung beauftragte Rechtsanwalt kann verpflichtet sein, den Mandanten auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit freiwilliger Zahlungen des Schuldners und das hiermit verbundene Ausfallrisiko hinzuweisen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 16. März 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die beklagte Anwaltssozietät wegen Verletzung vertraglicher Pflichten aus einem Anwaltsvertrag auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte, die auf die Beratung geschädigter Anleger spezialisiert ist, vertrat den Kläger gegenüber der S. AG (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. August 2005 zur Zahlung von 23.576,90 € nebst Zinsen an den Kläger verurteilt. Am 23./27. Dezember 2005 schloss die Beklagte namens des Klägers und namens weiterer Anleger mit der Schuldnerin eine Verpfändungsvereinbarung, welche Aktien der Schuldnerin an der G. AG betraf. Die Aktien wurden am 30. Oktober 2006 verkauft. Der Erlös wurde auf ein Notaranderkonto gezahlt. Aufgrund eines Treuhandvertrages vom 30. Oktober 2006 war der Notar verpflichtet, gegen eine Pfandfreigabeerklärung den Betrag von 4.982.000 € an die Beklagte für die von ihr vertretenen Anleger zu zahlen. Am 31. Oktober 2006 überwies der Notar diesen Betrag an die Beklagte. Danach überwies die Beklagte an den Kläger dessen Anteil von 31.578,36 €.

Am 7. April 2007 beantragte ein Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Das Verfahren wurde am 14. Juni 2007 eröffnet. Am 29. März 2010 focht der Insolvenzverwalter die Zahlung an den Kläger an. Der mittlerweile anderweitig anwaltlich vertretene Kläger zahlte nach Abschluss eines Vergleichs mit dem Verwalter insgesamt 18.921,87 € zur Masse zurück.

Der Kläger wirft der Beklagten vor, seine Forderung nicht unverzüglich und anfechtungsfest im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben zu haben. Er verlangt Schadensersatz in Höhe des an die Masse gezahlten Betrages sowie der von ihm aufgewandten Anwaltskosten und der Kosten der Gegenseite, die er zu erstatten hatte, in Höhe von insgesamt 24.079,33 € nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 23.736,61 € nebst Zinsen verurteilt, Zug um Zug gegen Abtretung der auf seinen Anspruch gegen die Schuldnerin entfallenden Quote im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, und hat den Annahmeverzug der Beklagten hinsichtlich der Abtretung festgestellt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz gestellten Klageantrag vollumfänglich weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass eine Vollstreckung aus dem Titel nicht zu einem sofortigen Insolvenzantrag der Schuldnerin geführt hätte. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers sei die Schuldnerin bereits im Jahre 2005 insolvenzreif gewesen. Der Kläger habe sich insoweit auf ein Schreiben der Beklagten an einen anderen Anleger vom 1. August 2005 bezogen, nach welchem sie, die Beklagte, eine Kontenpfändung wegen der drohenden Insolvenz der Schuldnerin zurückgenommen habe. Viele Gläubiger hätten im August 2005 die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin betrieben. Ein Insolvenzantrag sei deshalb nur wegen des Absehens von der Zwangsvollstreckung aufgeschoben worden. Die Schuldnerin wäre gegebenenfalls ihrer strafbewehrten Antragspflicht innerhalb der Frist von drei Wochen nachgekommen. Gegenteiliges habe der Kläger nicht behauptet und nicht unter Beweis gestellt. Vollstreckungsmaßnahmen aus dem vorangegangenen Monat wären dann gemäß § 88 InsO unwirksam geworden, so dass der Schaden des Klägers auch in diesem Fall entstanden wäre.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 30. August 2005 hätte innerhalb von drei Wochen zu einem Eigenantrag der Schuldnerin geführt, widerspricht dem unstreitigen Sachverhalt sowie dem beweisbewehrten Vortrag des Klägers dazu, dass in den Jahren 2005 und 2006 andere Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin betrieben haben, ohne dass die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt hat.

1. Die Beklagte hat am 9. November 2006 für den Gläubiger W. sen. wegen einer Forderung von 147.653,67 € den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich der Forderung der Schuldnerin gegen den Drittschuldner Notar R. beantragt. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde antragsgemäß erlassen. Ebenfalls am 9. November 2006 hat die Beklagte für die Gläubigerin Eva D. wegen einer Forderung von 152.571,57 € den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich der Forderung der Schuldnerin gegen den Drittschuldner Notar R. beantragt. Auch dieser Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde antragsgemäß erlassen. Beide Beschlüsse wurden der Schuldnerin im Dezember 2006 zugestellt. Die Pfändungen hatten Erfolg und führten zu Zahlungseingängen von insgesamt 281.356,42 € bei der Beklagten. Der Kläger hat sich den entsprechenden Vortrag der Beklagten ausdrücklich zu eigen gemacht und darauf verwiesen, dass diese Maßnahmen – unstreitig – keinen Eigenantrag der Schuldnerin zur Folge hatten.

2. Der Kläger hat überdies weitere Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Schuldnerin seit 2005 behauptet, die weder zu einem Eigenantrag der Schuldnerin noch zu einer Kündigung der Bankverbindungen der Schuldnerin geführt hätten, und sich zum Beweis auf das Zeugnis des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, auf das Zeugnis seines vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten sowie auf das Zeugnis eines weiteren Rechtsanwalts berufen. Zwangsvollstreckungen einer Vielzahl von Gläubigern gegen die Schuldnerin im August 2005 hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Unstreitig stellte die Schuldnerin gleichwohl keinen Insolvenzantrag. Warum dies anders gewesen wäre, wenn der Kläger seine verhältnismäßig niedrige Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt hätte, ist nicht nachzuvollziehen.

3. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 22. Februar 2016 hat der Kläger schließlich zum Beweise dessen, dass die zwangsweise Beitreibung seiner Forderung von 23.567,90 € nicht zur sofortigen Insolvenz der Schuldnerin geführt hätte, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Mit diesem Beweisangebot hat sich das Berufungsgericht ebenso wenig befasst wie mit den erfolgreichen Pfändungen im Jahre 2006 sowie mit den Beweisantritten hinsichtlich der Vollstreckungsmaßnahmen weiterer Gläubiger (Art. 103 Abs. 1 GG).

III.

Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung fehlt es nicht bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Das Berufungsgericht hat die Frage einer Pflichtverletzung offen gelassen. Revisionsrechtlich ist damit insoweit vom Vor-bringen des Klägers auszugehen. Der Kläger hat die Beklagte mit der Durchsetzung einer Forderung gegen die Schuldnerin beauftragt. Er wirft ihr vor, die-se Forderung trotz der absehbaren Insolvenz der Schuldnerin und des daraus folgenden Anfechtungsrisikos nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt zu haben. Damit ist eine anwaltliche Pflichtverletzung schlüssig dargelegt.

a) Ein Rechtsanwalt hat seinen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. März 2016 – IX ZR 142/14, WM 2016, 2091 Rn. 9). Ein Rechtsanwalt, der mit der zwangsweisen Durchsetzung einer Forderung beauftragt worden ist und einen Titel gegen einen Schuldner des Mandanten erwirkt hat, hat zügig die Zwangsvollstreckung zu betreiben (Vill in G. Fischer/Vill/D.Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn. 258; vgl. auch BGH, Ur-teil vom 3. März 2016 – IX ZR 119/15, WM 2016, 617 Rn. 23). Gibt es Anhalts-punkte dafür, dass die Insolvenz des Schuldners des Mandanten bevorsteht, muss der Anwalt den Mandanten über das Risiko der fehlenden Insolvenzfestigkeit der im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherheit gem. § 88 InsO (Vill, aaO) ebenso hinweisen wie auf die Anfechtbarkeit erhaltener Sicherheiten und Zahlungen gemäß §§ 130, 131 InsO (Vill, aaO Rn. 265; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Januar 2004 – IX ZR 30/03, WM 2004, 481, 482). Die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen des Schuldners einerseits (§§ 130, 131, 133 InsO), und von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung andererseits (§ 133 Abs. 1 InsO; vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147 ff; zur Abgrenzung von Rechtshandlungen und Maßnahmen der Zwangsvollstreckung vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2017 – IX ZR 48/15, WM 2017, 1315 Rn. 14 ff; vom 1. Juni 2017 – IX ZR 114/16, WM 2017, 1348 Rn. 6 ff) hat der Anwalt zu kennen. Er muss seine Beratung hieran ausrichten. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein drohendes oder sogar bereits beantragtes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners Anlass sein kann, jegliche Kosten verursachende Maßnahmen zu Unterlassen und den Mandanten darauf zu verweisen, dass er seine Forderung im Insolvenzverfahren zur Tabelle anmelden könne (BGH, Urteil vom 8. Januar 2004 – IX ZR 30/03, WM 2004, 481, 482 f; vgl. auch Fahrendorf in Fahrendorf/Menne-meyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl. Rn. 2101). Zwar kann der Anwalt seinem Mandanten das mit der Insolvenz des Schuldners verbundene Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderung nicht abnehmen. Für Entwicklungen, die nicht vorhersehbar waren, haftet er auch nicht. Jedoch muss er den Mandanten so weit belehren, dass dieser – wie auch in anderen Fällen (vgl. et-wa BGH, Urteil vom 1. März 2007 – IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261 Rn. 9 ff; vom 15. Januar 2009 – IX ZR 166/07, WM 2009, 571 Rn. 10; vom 9. Juli 2009 – IX ZR 88/08, WM 2009, 1722 Rn. 9) – in Kenntnis der absehbaren Chancen und Risiken eine eigenverantwortliche Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen kann.

b) Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vortrag des Klägers hielt die Beklagte bereits im Jahre 2005 für möglich, dass das Insolvenz-verfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet werden würde. Der Kläger hat dazu ein Schreiben der Beklagten vom 1. August 2005 an einen anderen Gläubiger der Schuldnerin vorgelegt, in welchem es heißt, eine Kontopfändung sei wegen der drohenden Insolvenz der Schuldnerin zurückgenommen worden. Sie hat außerdem entsprechenden Prozessvortrag der Beklagten aus einem Parallelverfahren (LG Gera 2 O 1213/13) zitiert. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass eine Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin außerhalb des kritischen Zeitraumes von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 130, 131 InsO) insolvenzrechtlich Bestand hat, während Rechtshandlungen des Schuldners gegebenenfalls bis zu zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag angefochten werden konnten (§ 133 Abs. 1 InsO aF). Ob und wann die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt werden und ob der Antrag zur Eröffnung führen würde, konnte die Beklagte zwar nicht wissen, weil es sich bei dem Insolvenzantrag und dem Eröffnungsbeschluss um ein in der Zukunft liegendes und damit ungewisses Ereignis handelte. Zur vollständigen Aufklärung des Mandanten gehörte jedoch die Unterrichtung über die mit einem Vergleichsschluss und einer freiwilligen Zahlung verbundenen zusätzlichen insolvenzrechtlichen Risiken. Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Vortrag des Klägers hat keine entsprechende Beratung und Aufklärung stattgefunden. Die Beklagte hat vielmehr eigenmächtig mit der Schuldnerin verhandelt und keine Weisungen des Klägers hinsichtlich des weiteren Vorgehens eingeholt.

c) Eine unterlassene Zwangsvollstreckung ist nur dann pflichtwidrig, wenn pfändbares Vermögen vorhanden war und entweder bekannt war oder mit den Möglichkeiten, welche die Zivilprozessordnung bietet, ermittelt werden konnte. Anders als in den bereits entschiedenen Fällen des Forderungsverlustes durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2004 – IX ZR 255/00, WM 2004, 2217, 2219; vom 1. März 2007 IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261 Rn. 35; Beschluss vom 8. November 2007 IX ZR 221/06, nv, Rn. 2; vom 24. Oktober 2013 – IX ZR 164/11, NJW-RR 2014, 172 Rn. 8) geht es hier nicht um einen durch die Pflichtverletzung adäquat verursachten Schaden; die Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast des § 287 ZPO gilt nicht. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat der Kläger jedoch ausreichend zu verwertbarem Vermögen der Schuldnerin vorgetragen. Er hat auf die Forderung der Schuldnerin gegen die Käuferin der G. -Aktien sowie darauf verwiesen, dass eine Pfändung von Konten der Schuldnerin möglich gewesen wäre. Eine tatrichterliche Würdigung dieses Vorbringens ist bislang unterblieben. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung brauchte der Kläger keine das Gericht bindende Reihenfolge der möglichen Gegenstände der Zwangsvollstreckung zu bilden. Sein Vortrag ging dahin, dass sowohl die Zwangsvollstreckung in die Kaufpreisforderung als auch eine Kontenpfändung Erfolg gehabt hätten. Das reicht im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung aus (zum Umfang der Beweislast bei alternativer Klagebegründung vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14, WM 2015, 1622 Rn. 27).

IV.

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es wird auf-gehoben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Insolvenzverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin:

1. Das Berufungsgericht wird zunächst den Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrages zu klären haben.

a) Die Beklagte hat sich gegenüber dem Vorwurf des pflichtwidrigen Unterlassens von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen damit verteidigt, dass sie gegebenenfalls nicht nur für den Kläger, sondern auch für die anderen mehr als zweihundert von ihm vertretenen Gläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Schuldnerin hätte einleiten müssen. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in dieser Größenordnung hätten die sofortige Insolvenz der Schuldnerin zur Folge gehabt. Der Weg über die Verpfändung der Aktien und die Treuhandvereinbarung hinsichtlich des auf ein Notaranderkonto zu zahlenden Kaufpreises sei daher der bessere und sicherere Weg gewesen. Ihrer Ansicht nach war sie allen Mandanten in gleicher Weise verpflichtet. Maßnahmen, die – wie die Zwangsvollstreckung in die Kaufpreisforderung oder in Konten der Schuldnerin dem Kläger nützen, anderen Mandanten der Beklagten aber Schaden konnten, kamen daher nicht in Betracht. Der Kläger hat demgegenüber die Ansicht vertreten, die Beklagte sei vertraglich verpflichtet gewesen, ausschließlich seine, des Klägers, Interessen zu vertreten. Er hat behauptet, von den Titeln anderer Mandanten des Klägers nichts gewusst zu haben.

b) Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus (BGH, Urteil vom 8. November 2007 – IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186 Rn. 12; BVerfG, NJW 2003, 2520, 2521). Wie der Senat bereits entschieden hat, darf der Mandant, welcher dem Anwalt die Schließung eines Anwaltsvertrages anträgt, von diesem Leitbild eines Rechtsanwalts ausgehen (BGH, Urteil vom 8. November 2007, aaO). Nimmt der Anwalt das Mandat an, erklärt er damit seine Bereitschaft, fortan die Interessen des Mandanten ohne Rücksicht auf die Interessen Dritter umfassend zu vertreten. Für konkurrierende Interessen Dritter gilt insoweit nichts anderes als für die gegenläufigen Interessen des Gegners des Mandanten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. November 2007, aaO; vom 19. September 2013 – IX ZR 322/12, WM 2014, 87 Rn. 11). Will der Anwalt nur eingeschränkt für den Mandanten tätig werden, hat er dies vor Abschluss des Vertrages klarzustellen. Der Mandant kann dann selbst entscheiden, ob er dies – etwa in der Erwartung besonderer Kompetenz des Anwalts oder einer besseren Verhandlungsposition gegenüber dem Gegner – hinnehmen oder ob er einen anderen, ausschließlich seinen – des Mandanten – eigenen Interessen verpflichteten Anwalt beauftragen will. Gleiches gilt, wenn sich nachträglich Interessenkonflikte abzeichnen, die nur ein eingeschränktes Tätigwerden des Anwalts erlauben. Weder der Kläger noch die Beklagte haben bisher Tatsachen vorgetragen, aus welchen sich ein vom Regelfall abweichender Inhalt des Anwaltsvertrages er-geben könnte. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, ihr diesbezügliches Vor-bringen zu ergänzen.

2. Je nach dem Ergebnis, zu welchem das Berufungsgericht kommen wird, könnte sich die Frage der Wirksamkeit dieses Vertrages stellen. Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO ist es einem Rechtsanwalt verboten, widerstreitende Interessen zu vertreten. Ein Verstoß gegen das Verbot des § 43a Abs. 4 BRAO führt zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 IX ZR 241/14, WM 2017, 537 Rn. 7). widerstreitende Interessen liegen allerdings nicht schon dann vor, wenn der Rechtsanwalt sich gegenüber mehreren Mandanten verpflichtet, Forderungen gegen ein und denselben Schuldner durchzusetzen und insbesondere die Zwangsvollstreckung gegen diesen zu betreiben. In einem solchen Fall kann zwar der Erfolg des einen Mandanten den Misserfolg des anderen Mandanten, der nicht mehr zum Zuge gekommen ist, bedeuten. Das wäre aber nicht anders, wenn die Mandanten von unter-schiedlichen Rechtsanwälten vertreten würden. Die Mandatsverträge verpflichten den Anwalt nur, für jeden einzelnen Mandanten das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Bevorzugt der Anwalt den einen vor dem anderen Mandanten, in-dem er Anträge bevorzugt oder nachrangig stellt, liegen Pflichtverletzungen im Rahmen des jeweiligen Mandatsverhältnisses vor. An den grundsätzlich miteinander zu vereinbarenden Pflichten aus den einzelnen Verträgen ändert sich durch eine solche Pflichtverletzung hingegen nichts.

 

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OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.02.2012 – I-6 U 135/110, 6 U 135/110

23. Februar 2012

wichtiger Grund liegt tatsächlich vor

§ 246 AktG, § 38 GmbHG, § 47 Abs 4 S 2 GmbHG, § 133 BGB, § 157 BGB, § 626 BGB

1. Da eine Regelung im GmbHG fehlt, erfolgt die Geltendmachung von Beschlussmängeln nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Meinung im Schrifttum in entsprechender Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften (BGH, Urt. v. 11. Februar 2008 – II ZR 187/06, GmbHR 2008, 426). Soweit danach Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mangelhaft sind, können sie durch die kassatorisch wirkende Anfechtungsklage beseitigt werden. Anerkannt ist, dass auch die formal einwandfrei zustande gekommene Ablehnung eines Beschlussantrages mit Mehrheit oder infolge Stimmengleichheit ein Beschluss ist, der aus sachlichen Gründen nichtig oder anfechtbar sein kann (ständige Rechtsprechung seit BGH, Urt. v. 26. Oktober 1983 – II ZR 87/83, BGHZ 88, 320 – 331 = WM 1983, 1310 – 1313).

2. Eine solche Anfechtungsklage setzt zunächst die Feststellung eines bestimmten Beschlussergebnisses voraus, das im Klagewege „kassiert“ werden soll, bis dahin aber vorläufig wirksam und für alle Beteiligten verbindlich ist. Fehlt es an einem festgestellten Gesellschafterbeschluss, bleibt den Betroffenen allein die Erhebung der nicht fristgebundenen, nur der Verwirkung unterliegenden Feststellungsklage (BGH, Urt. v. 11. Februar 2008 – II ZR 187/06, GmbHR 2008, 426). Vorliegend ist mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass im Umfang der Anfechtungen Beschlüsse vorliegen, die mit einem bestimmten Inhalt vorläufige Wirksamkeit erlangt haben. Nach unbestritten gebliebenem Vorbringen der Klägerin liegt jeweils ein festgestelltes Beschlussergebnis vor. Die Feststellung eines Beschlussergebnisses erfordert zwar grundsätzlich ein förmliches Festhalten desselben, durch das die Unsicherheit darüber beseitigt werden soll, ob ein wirksamer Beschluss gefasst wurde. Diese Voraussetzung soll in jedem Fall dann erfüllt sein, wenn ein Versammlungsleiter diese Feststellung trifft (BGH a.a.O unter Hinweis auf das Urt. v. 10. April 1989 – II ZR 225/88, ZIP 1989, 1261). Dies ist wiederum dann der Fall, wenn das Beschlussergebnis als wirksam verkündet wurde. Die bloße Protokollierung der abgegebenen Stimmen genügt nicht, es sei denn, das von den Gesellschaftern unterzeichnete Protokoll enthält die angegriffene Beschlussfassung (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Auflage, Anh zu § 47 Rn. 38 m.N.). Enger ist die Auffassung von Zöllner (Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Auflage, Anh § 47 Rn. 120), der eine verbindliche Feststellung nur dann annimmt, wenn ein mit entsprechender Kompetenz ausgestatteter Versammlungsleiter tätig war sowie entsprechende Feststellungen getroffen und den Abstimmungsbeteiligten zur Kenntnis gebracht hat. Ein förmliches Festhalten ist aber auch auf andere Weise möglich, soweit das Ziel, Unsicherheit über die Fassung eines Beschlusses zu beseitigen, erreicht wird (BGH a.a.O.). Schließlich liegt eine verbindliche Feststellung auch dann vor, wenn kein Versammlungsleiter tätig war, sich die Beteiligten aber über das Ergebnis einig waren (Zöllner a.a.O.) oder wenn die Gesellschafter auch ohne förmliche Feststellung von einem bestimmten Beschlussergebnis am Ende der Gesellschafterversammlung ausgegangen sind (Bayer a.a.O).

3. Anerkannt ist weiter, dass die Anfechtungsklage gegen Beschlüsse, die an einem nicht zur Beschlussnichtigkeit führenden Mangel leiden, verbunden werden kann mit der sogenannten positiven Beschlussfeststellungsklage und zwar auch dann, wenn der Antrag in der Gesellschafterversammlung nur scheinbar gescheitert ist, weil zu Unrecht verkündet wurde, dass er wegen Fehlens der notwendigen Stimmenmehrheit abgelehnt worden ist. Mit der kombinierten Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage kann also die Nichtigerklärung eines gefassten, einen Antrag ablehnenden Beschlusses und die Feststellung erreicht werden, dass unter Berücksichtigung von Stimmverboten ein beantragter Beschluss gefasst wurde (ständige Rechtsprechung, BGHZ 88, 320 – 331; BGH, Urt. v. 04. Mai 2009 – II ZR 166/07, WM 2009, 2129 – 2130; statt aller Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Auflage, Anh § 47 Rn. 186 und 191 m.N.).

4. Nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1 GmbHG hat ein Gesellschafter bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäftes ihm gegenüber betrifft, kein Stimmrecht. Dazu gehören auch einseitige oder rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und damit eine ihm gegenüber zu erklärende Kündigung eines Vertragsverhältnisses (zuletzt BGH, Urt. v. 31. Mai 2011 – II ZR 109/10, WM 2011, 1416 ff.). Von dem Stimmverbot ausgenommen sind zwar sogenannte körperschaftliche Sozialakte, bei denen der Gesellschafter sein Mitgliedschaftsrecht ausübt, wie Organbestellungsakte einschließlich der dazugehörigen Regelungen der Bezüge und Anstellungsbedingungen (st Rspr BGHZ 18, 205 ff.; 51, 209 ff.; Urt. v. 11. Dezember 2006 – WM 2007, 257 und Urt. v. 31. Mai 2011, WM 2011, 1416 ff.). Bei solchen, die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft betreffenden Beschlüssen ist dem Gesellschafter die Mitwirkung nicht schon zu versagen, wenn der Beschlussinhalt zugleich auf seinen persönlichen Rechtskreis einwirkt, es sei denn, er würde, weil es gerade um die Billigung oder Missbilligung seines Verhaltens als Gesellschafter oder Geschäftsführer geht, dadurch zum Richter in eigener Sache (BGH a.a.O.). Fälle, auf die sich das Stimmverbot unter dem Gesichtspunkt des „Richten in eigener Sache“ erstreckt, sind unter anderem die Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund oder die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages als Geschäftsführer (Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 47 Rn. 40 m.N.; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, § 38 Rn. 34 m.N.).

5. Der Geschäftsführer ist, soweit sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag Einschränkungen ergeben, gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit frei abrufbar. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten vom 07. März 1985 (Anlage K 16) in der Fassung des Gesellschafterbeschlusses vom 19. März 2002 enthält keine Regelungen zum Widerruf der Bestellung des Geschäftsführers. Auch die Klägerin geht aber davon aus, die Abberufung sei nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes rechtmäßig.

Ein wichtiger Grund für die Abberufung eines Geschäftsführers ist nach den von der Rechtsprechung und dem Schrifttum entwickelten Grundsätzen dann zu bejahen, wenn ein Umstand vorliegt, der ein Verbleiben des Abzuberufenden in seiner Organstellung für die Gesellschaft unzumutbar macht, wobei auch die Kumulierung einzelner „unwichtiger“ Gründe zum wichtigen Grund möglich ist. Dabei kommt es weder beim Geschäftsführer zwingend darauf an, ob dieser pflichtwidrig oder gar schuldhaft gehandelt, noch bei der Gesellschaft, ob diese einen Schaden erlitten hat. Das Vorliegen wichtiger Gründe ist vielmehr stets eine Frage des Einzelfalls. Anhaltspunkte bietet § 38 Abs. 2 Satz GmbHG, wonach grobe Pflichtverletzungen und Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung stets als wichtiger Grund anzusehen sind. Erforderlich ist die Abwägung aller Umstände. Neben einem etwaigen Verschulden des Geschäftsführers ist die Dauer der Geschäftsführertätigkeit ebenso zu berücksichtigen wie ggf. ein bisher einwandfreies Verhalten (Zöllner/Noack, § 38 Rn. 12 m.N.). Bei Gesellschafter-Geschäftsführern ist auch das Interesse an der Tätigkeit in der eigenen Gesellschaft zu berücksichtigen. Besonders strenge Anforderungen gelten in der Zweipersonen-Gesellschaft und zwar auch dann, wenn – wie hier – kein statuarisches Sonderrecht eingeräumt worden ist. Es müssen Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung das Ergebnis rechtfertigen, dass der Geschäftsführer wegen grober Pflichtverletzungen untragbar geworden ist. Auch muss der Konflikt in einem solchen Fall stärker gesellschafterbezogen gewürdigt werden, es kommt also mehr auf die Zumutbarkeit für den Mitgesellschafter an (Zöllner/Noack a.a.O. Rn. 16 m.N.).

6. Eine Missachtung der Kompetenzordnung kann einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Pflichten des Geschäftsführers darstellen und zwar unabhängig davon, ob die veranlassten Maßnahmen im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
im Interesse der Gesellschaft
lagen (so auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urt. v. 23. April 2009 – 23 U 4199/08, DB 2009, 1231 – 1234 und OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Urt. v. 01. Juni 2010 – 18 U 72/09, BeckRS 2010, 19299). Dies gilt dann erst Recht, wenn es sich – wie hier – um wiederholte Verstöße gegen die Kompetenzordnung handelt und vergleichbare Handlungen des Geschäftsführers sogar Gegenstand eines von der Mitgesellschafterin daraufhin mit Erfolg geführten gerichtlichen Verfahrens gewesen sind. Trifft der Geschäftsführer in Kenntnis des auf seine Abmahnung gerichteten Rechtsstreits und des ausdrücklich bekundeten Willens der Minderheitsgesellschafterin, satzungsgemäß in die zu treffenden Entscheidungen eingebunden zu werden, erneut eigenmächtig und satzungswidrig Entscheidungen, so zeigt sich dessen fehlende Bereitschaft, die Rechte der Minderheit zu respektieren. Dass eine Kündigung auf die den Abmahnungen zugrunde liegenden Vorwürfe nicht mehr gestützt werden könnte, mag zwar richtig sein. Entscheidend ist jedoch, dass es sich nicht um einen ein- und erstmaligen Verstoß des Geschäftsführers gegen die Kompetenzordnung der Gesellschaft gehandelt hat. Das Landgericht war daher nicht gehindert sondern vielmehr gehalten, die den beiden Abmahnungen zugrunde liegenden Pflichtwidrigkeiten des Geschäftsführers bei der Abwägung mit zu berücksichtigen.

7. Darauf, ob die eigenmächtigen Maßnahmen einen Schaden der Gesellschaft verursacht haben oder für diese wirtschaftlich von Vorteil gewesen sind, kommt es insofern nicht entscheidungserheblich an. Selbst ein damit für die Gesellschaft verbundener wirtschaftlicher Vorteil würde den Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber der Mitgesellschafterin nicht entfallen lassen. Maßgeblich sind allein die Verstöße gegen die Kompetenzordnung der Beklagten. Der Geschäftsführer der Beklagten hat durch sein Verhalten gezeigt, dass er sich an diese Kompetenzordnung nicht hält, sondern sich schon mehrfach über sie hinweggesetzt hat. Diese Verstöße wiegen schwer und führen dazu, dass die Klägerin ihre Gesellschafterrechte nur mit Hilfe der Gerichte durchzusetzen vermag. Es ist zudem unstreitig zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust nicht nur der Klägerin gegenüber der Geschäftsführung durch den Mehrheitsgesellschafter, sondern auch der Gesellschafter untereinander gekommen. Dies wird belegt durch die schon geführten und noch anhängigen Verfahren und auch durch den Akteninhalt dieses Verfahrens. Vor allem die wechselseitigen Einladungen zu den Gesellschafterversammlungen und der Inhalt der über diese gefertigten Protokolle zeigen die Zerstrittenheit der beiden Gesellschafter und deren gegenseitiges Misstrauen. Die ständigen Konflikte der Gesellschafter gehen zumindest auch zu Lasten der Beklagten. Ebenso wie das unheilbare Zerwürfnis zwischen zwei Mit-Geschäftsführern – unabhängig von der Verschuldensfrage – für die Abberufung jedes Geschäftsführers aus wichtigem Grund ausreicht (BGH, Beschluss v. 12. Januar 2009 – II ZR 27/08, NZG 2009, 386), muss dies auch bei einem gravierenden und unheilbaren Zerwürfnis zwischen dem Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter und der Mitgesellschafterin gelten (ähnlich OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, Urt. v. 01. Juni 2010 – 18 U 72/09, BeckRS 2010, 19299). Die nicht überbrückbaren Differenzen führen zu ständigen Konflikten, die ganz überwiegend nur mit gerichtlicher Hilfe gelöst werden können und zudem den Erfolg des Unternehmens beeinträchtigen können. Auf dieser Grundlage ist auch in Ansehung der langjährigen verdienstvollen Tätigkeit des Geschäftsführers dessen Verbleib in der Organstellung der beklagten Gesellschaft, vor allem aber der 48%igen Minderheitsgesellschafterin, nicht länger zumutbar.

8. Der Mehrheitsgesellschafter A. war aber aus seiner Treuepflicht der Beklagten und der Mitgesellschafterin gegenüber verpflichtet, an allen Maßnahmen mitzuwirken, die zur Erhaltung des in der Gesellschaft Geschaffenen und zur Erreichung ihres Zwecks dringend geboten sind (statt aller Bayer in Lutter/Hommelhoff, § 14 Rn. 22 m.N.). Wie weiter oben festgestellt, liegt ein unheilbares Zerwürfnis zwischen den beiden Gesellschaftern sowie zwischen der Minderheitsgesellschafterin und dem Geschäftsführer der Beklagten vor. Beide Seiten misstrauen sich und werfen dem jeweils Anderen die Verfolgung allein eigener Interessen sowie die Absicht, den Anderen schädigen zu wollen, vor. In einer solchen Situation kann die Bestellung eines Fremdgeschäftsführers zu einer gewissen Beruhigung führen, sodass die von der Klägerin begehrte Maßnahme durchaus zur Förderung der Zwecke der Beklagten geeignet erscheint. Dies gilt erst Recht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte gegen die fachliche Eignung des von der Klägerin vorgeschlagenen Kandidaten sachliche Bedenken nicht einmal vorbringt. Gegen seine Eignung sprechende Umstände sind auch nicht zutage getreten. Herr B. ist nach unwidersprochenem Vortrag der Klägerin nicht nur Dipl.-Betriebswirt, sondern verfügt auch als gelernter Hotelkaufmann aufgrund jahrelanger beratender Tätigkeit in den Bereichen Hotel und Gastronomie über außerordentlich große Erfahrung.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Abberufung Geschäftsführer I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

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OLG Jena, Urteil vom 22.03.2023 – 2 U 948/21

22. März 2023

Einziehung eigener AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aktien
Einziehung
Einziehung eigener Aktien
nach § 237 AktG

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 04.08.2021, Az. HK O 28/19, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Mühlhausen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der zwischenzeitlich verstorbene R. und W. haben zwei Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 04.06.2019 angegriffen. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage des W. abgewiesen. Auf die Klage des R. hat es die angegriffenen Beschlüsse insoweit als nichtig erklärt, als jeweils 580 Aktien mit den Aktiennummern 21471 bis 22050 betroffen waren und die weitergehende Klage abgewiesen. Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Herr W. hat gegen die Abweisung seiner Klage keine Berufung eingelegt und ist daher im Berufungsverfahren nicht Partei. R. verstarb am 01.12.2021 und wurde von seinem Bruder R. beerbt. Dieser trat die Aktien an T.R. und an T.R. ab.

Mit ihrer Berufung trägt die Beklagte vor,

es werde der Mangel der Vollmacht des Klägervertreters gerügt, da es nach dem Kenntnisstand der Beklagten keinen Kontakt zwischen dem Klägervertreter und den Rechtsnachfolgern des verstorbenen R. gegeben habe.

Ein rechtliches Interesse der Rechtsnachfolger an der Fortführung des Rechtsstreites sei nicht zu erkennen, da die Klage nur im Interesse des W. geführt werde. Die Rechtsstellung der Rechtsnachfolger der verstorbenen R. verbessere sich sogar durch den streitgegenständlichen Beschluss.

Der Rechtsstreit sei auszusetzen bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Parallelverfahren.

Die Klage sei rechtsmissbräuchlich, da der Kläger lediglich für den nicht anfechtungsbefugten

W. als Strohmann handele und ohne Eigeninteresse zur Klageerhebung instrumentalisiert werde.

Der Berufungsbeklagte habe keinen wirksamen Widerspruch zu Protokoll der Hauptversammlung erklärt, da er nur rechtliche Bedenken geäußert und sich die Äußerung auch nicht ausdrücklich gegen alle Beschlüsse gerichtet habe. Die Anmeldung rechtlicher Bedenken reiche nicht aus. Zudem sei unklar, gegen welchen Beschluss sich der angebliche Widerspruch richten solle, da es an einer eindeutigen Zuordnung fehle.

Die Rechtsgrundlage für die Einziehung der eigenen Aktien sei in § 237 AktG zu finden. Lediglich argumentativ bekräftigend sei darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte neben der Einziehungsmöglichkeit nach § 237 AktG nach § 71 c Abs. 3 AktG auch zur Einziehung gesetzlich verpflichtet sei. Wegen der Rechtsfolgenverweisung bleibe aber auch hier § 237 AktG die alleinige Rechtsgrundlage für die Einziehung. Das Landgericht habe die rechtliche Systematik verkannt, wonach § 237 AktG die Einziehung eigener AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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jederzeit zulasse, wohingegen § 71 c Abs. 3 AktG unter bestimmten Voraussetzungen eine Einziehungspflicht anordne.

Die Einziehung setze kein derivatives Erwerbsgeschäft voraus. Unabhängig von der Herkunft

oder der Art des Erwerbs gefährde das nachfolgende Halten der eigenen Anteile die Kapitalerhaltung und ermächtige die Gesellschaft nach § 237 AktG bzw. verpflichte sie nach § 71c Abs. 3 AktG zur Einziehung der eigenen Anteile. Auf andere Formen der Erlangung eigener Aktien ohne derivatives Erwerbsgeschäft seien diese Normen analog anzuwenden.

Die Beklagte habe die Aktien aber auch im Sinne des § 237 AktG erworben. Der Erwerbsbegriff sei weit auszulegen. Es sei darunter jede Rechtshandlung zu verstehen, die darauf gerichtet ist, die Gesellschaft zumindest vorübergehend zur (Mit)inhaberin eigener Aktien zu machen. Dies umfasse – wie vorliegend geschehen – die Einziehung und Revalorisierung. Die Beklagte sei im Einziehungszeitpunkt formell und materiell dingliche Inhaberin der Aktien gewesen.

Zudem sei die Beklagte analog § 71 c Abs. 3 AktG zur Einziehung der Aktien verpflichtet gewesen. Die eigenen Anteile seien zwar von der GmbH vor dem Formwechsel ohne Verstoß gegen § 33 GmbHG erworben worden, unter dem Regime des Aktienrechts hätte jedoch für den gleichen Erwerb das Erwerbsverbot des § 71 Abs. 1 AktG eingegriffen. Um zu verhindern, dass in solchen Fallkonstellationen das Erwerbsverbot umgangen werde, sei ab Wirksamkeit des Formwechsels zwingend eine Veräußerungspflicht analog § 71 c Abs. 3 AktG anzunehmen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Mühlhausen vom 04.08.2021, Az. HK O 28/19, die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

dem Kläger und Berufungsbeklagten die beschränkte Erbenhaftung vorzubehalten.

Der Berufungsbeklagte trägt vor,

die Abtretung der Aktien durch den Erben des verstorbenen R. habe gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren. Das rechtliche Interesse an der Fortführung des Rechtsstreites sei gegeben. Mit kompensationslosen Verlagerungen der Wirtschaftsgüter der Beklagten im Jahre 2014 auf die Parallelgesellschaften L. GmbH und A.  GmbH, an denen die Kläger im Unterschied zu den übrigen Gesellschaftern nicht beteiligt worden seien, solle die Beklagte kalt liquidiert werden, welche als leere Hülle zurückbleibe, wohingegen sie ohne diese Verlagerungen einen Wert von 4,5 Mio. Euro aufweisen würde.

Das Vorgehen der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich und diene allein dazu, Herrn W. von der Inanspruchnahme seiner Gesellschafterrechte abzuhalten.

Der Berufungsbeklagte sei anfechtungsbefugt und seine Klage nicht rechtsmissbräuchlich. Herr Rechtsanwalt S. habe für Herrn R. in zulässiger Weise vor der Abstimmung gegen die Beschlussfassung Widerspruch erklärt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht sei umfassend erörtert worden,

dass sich. eine Rechtsgrundlage für die Einziehung weder aus § 71 c Abs. 3 AktG noch aus § 237 AktG ergebe. Einen Erwerb eigener Anteile habe es weder vor noch nach der Umwandlung der Beklagten in eine Aktiengesellschaft gegeben. Der Beschluss vom 29.12.2014 über die Einziehung der Geschäftsanteile, dessen Neubildung und Übernahme durch die Beklagte sei rechtswidrig. Das Gesetz trenne eindeutig zwischen Erwerb und Zwangseinziehung.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Beschlüsse sind anfechtbar, weil die Voraussetzungen für die Einziehung eigener AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nach § 237 AktG nicht vorliegen. Die Aussetzung des Rechtsstreites bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 2 U 492/17 ist nicht erforderlich.

1.

R. ist am 01.12.2021 verstorben, nach Zustellung der Berufung, welche am 24.11.2021 erfolgte (Blatt 308a, b der Akte). Da er durch einen Rechtsanwalt im Verfahren vertreten worden ist, greift § 246 Abs. 1 ZPO ein und ist das Verfahren nicht unterbrochen. Keine der Parteien hat einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt.

Die Beklagte hat gerügt, dass der Klägervertreter keine Vollmacht für die Durchführung des Berufungsverfahrens habe, was nach § 80 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Rechtsstreits zulässig ist. Der Senat hat sich in der mündlichen Verhandlung am 01.02.2023 die Prozessvollmacht vorlegen lassen und festgestellt, dass M.R., der Erbe des verstorbenen R., dem Klägervertreter am 17.01.2022 die Vollmacht für das Berufungsverfahren erteilte (BI. 373 der Akte).

2 ..

Das Landgericht hat die angefochtenen Beschlüsse zutreffend für nichtig erklärt.

a)

Der verstorbene R. war als Aktionär der Beklagten (UA LG Seite 4) gemäß § 245 Nr. 1 AktG zur Anfechtung der Beschlüsse befugt. Er war, vertreten durch RA S. (UA LG Seite 4, s.a. Anlage 1 zur Niederschrift über die Hauptversammlung, Anlage B2, Blatt 128 der Akte), in der Hauptversammlung erschienen. Hierfür ist ein persönliches Erscheinen nicht erforderlich, offene Stellvertretung ist ausreichend (Koch, AktG, 17. A., § 245 AktG, Rn. 12).

b)

RA S. erklärte für den verstorbenen R. in wirksamer Weise gegen die beiden Beschlüsse Widerspruch zur Niederschrift. RA S. erklärte einen Widerspruch zur Niederschrift (UA LG Seite 5, vgl. a. Anlage B2, Blatt 127 der Akte). Schon aus der Niederschrift ergibt sich, dass RA S. in aller Deutlichkeit einen Widerspruch gegen die Beschlussfassung erklärte und nicht lediglich rechtliche Bedenken anmeldete. Die Bezugnahme auf „materiell-rechtliche Bedenken“ diente lediglich zur – nicht erforderlichen (Koch, aaO, § 245 AktG, Rn. 14) – Begründung des Widerspruchs. Die Erklärung des Widerspruchs ist schon vor Beschlussfassung zulässig und wirksam (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2007 – II ZR 152/06-, Rn. 6, juris).

Ein genereller Widerspruch ist ebenfalls möglich; der Aktionär muss aber deutlich machen,

dass sich der Widerspruch gegen sämtliche Beschlüsse richtet (Hüffer/Koch, aaO, § 245 AktG, Rn. 14 ). Dies ist hier geschehen. Schon aus der niedergeschriebenen Formulierung des Widerspruchs ergibt sich, dass er vor der Abstimmung aus materiell-rechtlichen Bedenken wegen der von der Gesellschaft gehaltenen Aktien angesichts ruhender

Verfahren erklärt wurde, da noch nicht rechtskräftig festgestellt sei, dass die Ausschließung

des Dr. W. als Aktionär rechtmäßig war. Aus dem den Beteiligten schon zur Zeit der Beschlussfassung bekannten Zusammenhang ergibt sich, dass sich der Widerspruch gegen die Beschlussfassung über die Einziehung von eigenen Aktien der Gesellschaft richtet, da sich aus dem Widerspruch die auch im vorliegenden Verfahren vertretene Auffassung des Klägers ergibt, dass die Gesellschaft jedenfalls nicht Inhaberin der Aktien des Aktionärs Dr. Wilk sei. Da die einzigen beiden angekündigten Beschlussvorschläge (vgl. Anlage K10, Blatt 90 der Akte) zudem in einem erkennbaren Zusammenhang standen, weil die Beschluss-fassung über die Änderung der Satzung in Bezug auf die Höhe und die Einteilung des Grundkapitals der satzungsmäßigen Umsetzung des Beschlusses über die Einziehung der Aktien diente, wurde auch deutlich ersichtlich, dass sich der Widerspruch gegen beide Beschlussfassungen richtete.

c)

Die Klageerhebung durch den verstorbenen R. ist nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Ausübung der Anfechtungsbefugnis unterliegt den für die private Rechtsausübung auch sonst geltenden Schranken und somit auch dem aus § 242 BGB folgenden Verbot des (individuellen) Rechtsmissbrauchs (Koch, aaO, § 245 AktG, Rn. 24). In Ausnahmefällen kann eine eigensüchtige Interessenverfolgung den Vorwurf des Rechtsmißbrauchs begründen, etwa dann, wenn der Kläger Anfechtungsklage mit dem Ziel erhebt, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann (BGH, Urteil vom 22. Mai 1989-11 ZR 206/88-, BGHZ 107, 296-315, Rn. 30).

Die Behauptung der Beklagten, der Kläger handele ohne Eigeninteresse als Strohmann für den offensichtlich nicht anfechtungsbefugten Dr. W., ist aber nicht geeignet, den Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Klageerhebung zu begründen. Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage bedarf keiner Darlegung eines besonderen Rechtsschutzinteresses. Die gesellschaftsrechtliche Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
ist als Instrument zur Kontrolle der Gesetz- und Rechtmäßigkeit des Organhandelns einer Kapitalgesellschaft ausgestaltet und in die Hände der Gesellschafter gelegt, so dass sich das Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage bereits daraus ergibt, dass ihre Erhebung der Herbeiführung eines Gesetz und Satzung entsprechenden Rechtszustandes dient. Gegenstand des als Gestaltungsklagerecht ausgeformten Anfechtungsrechts ist die gerichtliche Überprüfung von Hauptversammlungs-beschlüssen auf ihre Vereinbarkeit mit Gesetz und Satzung, deren Durchführung das Gesetz in die Hände u.a. des einzelnen Aktionärs gelegt hat. Die Wahrnehmung eines darüber hinausgehenden Eigeninteresses ist für die Erhebung der Anfechtungsklage nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 22. Mai 1989 – II ZR 206/88 -, BGHZ 107, 296-315, Rn. 24, 28, 30; BGH, Urteil vom 20. Mai 1989 – II ZR 106/88 -, Rn. 24, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Januar 2004 – 20 U 3/03 -, Rn. 3, juris). Ein Rechtsmissbrauch ist daher nicht schon beim Fehlen einer eigenen Betroffenheit des klagenden Aktionärs zu bejahen (Koch, aaO, § 245 AktG, Rn. 27; Grigoleit – Ehmann, AktG, 2. A., § 245 AktG, Rn. 2).

d)

M.R. wurde mit dem Erbfall am 01.12.2021 als Alleinerbe des verstorbenen S.R. dessen Gesamtrechtsnachfolger(§ 1922 Abs. 1 BGB). R. verstarb nach der Begründung des Prozessrechtsverhältnisses im Berufungsverfahren, da die Berufung am 10.09.2021 zugestellt wurde (BI. 284a der Akte). Da kein Aussetzungsantrag gestellt worden ist, ist keine Unterbrechung des Rechtsstreites eingetreten (§ 246 Abs. 1 ZPO). Der Alleinerbe ist als Gesamtrechtsnachfolger auch Partei im vorliegenden Rechtsstreit geworden und die mündliche Verhandlung ist ohne einen ausdrücklichen Ausspruch über die Rechtsnachfolge fortgesetzt worden. Die Rechtsnachfolge ist durch die Aufnahme des Erben in das Rubrum berücksichtigt worden (vgl. Zöller – Greger, ZPO, 34. A., § 239 ZPO, Rn. 11 ).

Unstreitig trat R. das verbriefte Recht nach dem Erbfall und damit im laufe des anhängigen

Rechtsstreites ab. Die Abtretung der ererbten Aktien an T.R. und T.R. hat auf den Rechtsstreit im vorliegenden Fall keinen Einfluss; M.R. ist zur Fortführung des Prozesses befugt.

Die Klagebefugnis des verstorbenen R. ging auf den Alleinerben als den Gesamtrechts-nachfolger über. Mit dem Verlust der Gesellschafterstellung geht im Grundsatz der

Verlust der Klagebefugnis einher (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006 – II ZR 46/05 -,

BGHZ 169, 221-232, Rn. 20). Die Rechtsfolge der fehlenden Klagebefugnis ist die Unbegründetheit der Klage (BGH, Urteil vom 24. April 2006-11 ZR 30/05 -, BGHZ 167,

204-214, Rn. 15). Soweit ein Anfechtungsberechtigter alle seine Anteile veräußert, geht

das Anfechtungsrecht auf den Erwerber über (BGH, Urteil vom 25. Februar 1965 – II ZR

287/63-, BGHZ 43, 261-269, Rn. 43; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil

vom 16. März 2000- 5 U 244/97 -, Rn. 30, juris). Bei Abtretung eines Geschäftsanteils

während der Rechtshängigkeit der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- und/oder Nichtigkeitsklage gilt aber der Rechtsgedanke des § 265 ZPO {Lutter/Hommelhoff – Bayer,

GmbHG, 20. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 30, 72). Ein Gesellschafter, der einen Beschluss

mit der Nichtigkeits- und/oder Anfechtungsklage angegriffen hat, kann den Rechtsstreit

nach § 265 ZPO auch nach der Veräußerung seines Geschäftsanteils fortsetzen, sofern

er daran noch ein rechtliches Interesse hat. Da die Anfechtungsbefugnis ein aus der Mitgliedschaft unmittelbar folgendes Verwaltungsrecht ist und nach dem Normzweck des §

265 Abs. 2 ZPO außer der verklagten Partei zumindest auch das Interesse des ursprüng-lichen Rechtsinhabers und Klägers an der Weiterführung des Prozesses geschützt werden soll, ist der Rechtsgedanke dieser Vorschrift auf den Fall der Veräußerung der Mitgliedschaft während des laufenden Prozesses anzuwenden (BGH, Urteil vom 9. Oktober

2006-11 ZR 46/05.-, BGHZ 169, 221-232, Rn. 15).

Das rechtliche Interesse des Veräußerers an der Fortsetzung des Rechtsstreites kann

nicht allein auf die Verletzung von Gesetz und/oder Satzung gestützt werden (Münchener

Kommentar zum AktG – Schäfer, 5. A., § 245 AktG, Rn. 27). Andererseits sind an die Begründung des rechtlichen Interesses auch keine hohen Anforderungen zu stellen (Bayer,

GmbHG 2015, 505, 511 ). Die bloße Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs reicht

aus, um darzutun, dass der Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Rechtsstreits hat (BGH,

Urteil vom 25. Februar 1965-11 ZR 287/63 -, BGHZ 43, 261-269, Rn. 48). Die Möglichkeit

eines Schadensersatzanspruches ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Behauptung

des Klägers, es seien die Wirtschaftsgüter der Beklagten treuwidrig auf Parallel-gesellschaften verlagert worden, an denen nur er und Dr. W. nicht beteiligt wurden, so dass die Beklagte, die ohne dies einen Wert von 4,5 Mio. Euro haben müsste, als leere Hülle zurückgeblieben sei. Vor diesem Hintergrund ist das Interesse daran zu berücksichtigen, dass auch Dr. W. auf die Entscheidungs-findung in der Gesellschafterversammlung einwirken kann. Auch Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit finden Beachtung (vgl. (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006-11 ZR 46/05-, BGHZ 169, 221-232, Rn. 24); die Regelung in § 265 Abs. 2 ZPO dient auch der Prozessökonomie (OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Koblenz
, Urteil vom 27.

Januar 2005- 6 U 342/04 -, Rn. 12, juris; Nietsch, NZG 2007, 451, 453). Um dem Erfordernis

der Prozesswirtschaftlichkeit gerecht zu werden, ist auch die Sachdienlichkeit der

Prozessfortführung zu beurteilen. Sie liegt nach allgemeiner Definition vor, wenn die Fortsetzung des Prozesses dazu beiträgt, den sachlichen Streitstoff zwischen den Parteien im Rahmen des anhängigen Verfahrens auszuräumen und einen weiteren Prozess zu vermeiden, wenn  zusammen-gehörendes in demselben Prozess verhandelt und nicht auseinandergerissen wird (Nietsche, aaO). Deswegen ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass der Rechtsstreit zur Entscheidungsreife‘ gelangt ist.

e)

Die Anfechtungsklage ist fristgerecht(§ 246 Abs. 1 AktG) erhoben worden.

Der Beschluss wurde in der Hauptversammlung am 04.06.2019 gefasst. Die Klage ist am 04.07.2019 anhängig gemacht (BI. 1 d.A.) und am 13.07.2019 zugestellt worden (BI. 96a – e d.A.). Die Zustellung wirkt gemäߧ 167 ZPO auf die Anhängigkeit zurück. Ausgehend vom Fristablauf am 04.07.2019 liegt schon im Ansatz keine die Rückwirkung verhindernde Verzögerung vor, da die allenfalls schädliche Verzögerung von mehr als 14 Tagen (Zöller – Greger, ZPO, 34. A., § 167 ZPO, Rn. 11; BGH, Versäumnisurteil vom 25. September 2015-V ZR 203/14-, Rn. 9, juris) nicht erreicht worden ist. Im Übrigen beruht auch diese Verzögerung nicht auf dem Verhalten des Klägers, da der Gerichts-kostenvorschuss am 08.07.2019 angefordert (BI. 1 d.A.) und schon am 10.07.2019 bezahlt worden ist (BI. II d.A.).

f)

Die Beklagte hat sich erstinstanzlich u.a. darauf berufen, die eingezogenen Anteile seien

vernichtet, weil die Satzungsänderung – als Einziehungshandlung – in das Handelsregister

eingetragen worden sei (Blatt 118, 119 d.a.). Dies steht der Prüfung der Fehlerhaftigkeit

des Beschlusses der Hauptversammlung nicht entgegen.

Nach § 237 Abs. 4 Satz 5 AktG ist der Beschluss der Hauptversammlung zur Eintragung

in das Handelsregister anzumelden. Gemäß § 238 Satz 1 AktG ist das Grundkapital der

Gesellschaft um den auf die eingezogenen Aktien entfallenden Anteil herabgesetzt,

wenn kumulativ die Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister erfolgte und die

Einziehungshandlung vorgenommen wurde (Koch, aaO, § 238 AktG, Rn. 2,5; Münchener

Kommentar zum AktG – Oechsler, 5. A., § 238 AktG, Rn. 1 ). Ist die Einziehungshandlung

fehlerhaft, ist sie als Vorstandsmaßnahme nicht rechtswirksam. Das hat zur Folge, dass

das mit dem Gesellschaftsanteil verbundene Mitgliedschaftsrecht fortbesteht, auch wenn

der Hauptversammlungsbeschluss oder seine Durchführung in das Handelsregister eingetragen wurden. Das Handelsregister ist dann unrichtig (Grigoleit – Rieder, AktG, 2. A., § 238 AktG, Rn. 10; Koch, aaO, § 238 AktG, Rn. 10; Münchener Kommentar zum AktG – Oechsler, aaO, § 238 AktG, Rn. 6). Die Eintragung der Durchführung gemäߧ 239 AktG wirkt nur deklaratorisch (Koch, aaO, § 239 AktG, Rn. 1; Münchener Kommentar zum AktG – Oechsler, aaO, § 239 AktG, Rn. 1 ).

g)

Die Beschlussfassung ist anfechtbar, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für die

Einziehung nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Zeit der Beschlussfassung fehlten, weil

die Beklagte nicht die dingliche Inhaberin der eingezogenen Gesellschaftsanteile war.

§ 237 Abs. 1 Satz 1 AktG setzt voraus, dass die Gesellschaft die einzuziehenden Aktien

erworben hat. § 71 c Abs. 3 AktG hat insofern keine weitergehende Bedeutung, denn diese

Regelung begründet unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflicht zur Einziehung eigener

Aktien, setzt aber ebenfalls deren Erwerb durch die Gesellschaft voraus und verweist auf § 237 AktG. Die 580 Aktien mit den Aktiennummern 21471-bis 22050, auf die sich die landgerichtliche Nichtigerklärung bezieht, hat die Beklagte bis zur Beschlussfassung

am 04.06.2019 nicht erworben. Es fehlt daher an einer tatbestandlichen Voraussetzung

für die Einziehung nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AktG und die Beschlussfassung über

die Einziehung ist gemäߧ 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.

aa)

Die Aktiengesellschaft muss Inhaberin der einzuziehenden Aktien sein. Entscheidend ist

ausschließlich die dingliche Rechtslage (Koch, aaO, AktG § 237Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 237
Rn. 20; Hölters/Weber –

Haberstock/Greitemann, AktG, 4. A., § 237 AktG, Rn. 53).

bb)

Die Beklagte stützt sich zunächst auf den Umstand, dass die Aktien mit den Aktiennummern

21471 – 22050 zur Zeit der Hauptversammlung am 04.06.2019 als eigene AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aktien
eigene Aktien

der Beklagten geführt wurden, weswegen sie unwiderleglich als Aktien der Beklagten gälten

(BI. 116 d.A.). Dem ist nicht zu folgen.

Ausweislich Ziffer 4. – 6. des Umwandlungsbeschlusses vom 29.12.2014 ist das Grundkapital

der Beklagten in auf Namen lautende Stückaktien eingeteilt (Anlage K1, Seite 35,

Blatt 34 d.A.). Es ist daher§ 67 AktG anwendbar. Nach§ 67 Abs. 1 Satz 1 AktG sind Namensaktien in das Aktienregister der Gesellschaft einzutragen. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG bestehen im Verhältnis zur Gesellschaft Rechte und Pflichten aus Aktien nur für und gegen den im Aktienregister Eingetragenen.

Dies führt aber nicht dazu, dass die Beklagte schon deswegen auch materiell-rechtlich als Erwerberin dieser Aktien anzusehen wäre. Die Eintragung oder Nichteintragung im Aktienregister lässt die materielle Rechtslage außerhalb des Aktienregisters unberührt und zeitigt Wirkung allein gegenüber der Gesellschaft. Die gesetzliche Regelung will sicher-stellen, wer im Verhältnis zur Gesellschaft mitgliedschaftliche Rechte ausüben darf und mitgliedschaftliche Pflichten erfüllen muss. Sie begründet eine unwiderlegliche Vermutung für – bzw. gegen – das Bestehen von Rechten und Pflichten aus den Aktien der Gesellschaft.

Erfasst werden von der Vermutung des § 67 Abs. 2 alle mitgliedschaftlichen Rechte

und alle mitgliedschaftlichen Pflichten. Grundsätzlich ist daher nur der eingetragene Namensaktionär zur Ausübung seiner mitgliedschaftlichen Vermögensrechte und seiner mitgliedschaftlichen Herrschafts- und Kontrollrechte befugt. Die unzutreffende Eintragung bzw. Nichteintragung im Aktienregister ist aber für die materielle Rechtslage ohne jede Bedeutung. Alle Verfügungen über die Aktie erfolgen außerhalb des Aktienregisters, d.h. die (nachfolgende) Eintragung ist weder Voraussetzung für die Wirksamkeit der Rechtsüber-tragung, noch können Übertragungsmängel durch die Eintragung geheilt werden. Das Aktienregister begründet insbesondere auch keinerlei Gutglaubensschutz. Die Legitimations-wirkung des § 67 Abs. 2 ist vielmehr von der materiellen Rechtslage entkoppelt und zwar sowohl zu Lasten als auch zugunsten des Eingetragenen (Münchener Kommentar zum AktG – Bayer, 5.A., § 67 AktG, Rn. 1, 46).

Für die Tatbestandsvoraussetzung des § 237 Abs. 1 Satz 1 AktG kommt es nicht darauf an, wer im Verhältnis zur Gesellschaft als legitimiert gilt, die aus dem Gesellschaftsanteil rührenden mitgliedschaftlichen Rechte geltend zu machen und Pflichten zu erfüllen, sondern auf die dingliche Inhaberschaft der betroffenen Gesellschaftsanteile und damit auf die materielle Rechtslage.

cc)

Dr. W. wurde im Zuge der am 29.12.2014 beschlossenen Umwandlung der Beklagten deren Aktionär mit den 580 Stückaktien mit den Nummern 21471 – 22050.

Wie das Landgericht festgestellt hat, wurden Dr. W. im Rahmen der Umwandlung diese 580 Stückaktien für den Fall zugeteilt, dass dieser weder in der Gesellschafterversammlung vom 22.08.2013 noch in der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 aus geschlossen worden sein sollte.

Die Beklagte wurde auf der Grundlage des Umwandlungsbeschlusses vom 29.12.2014 (Anlage AS 1, Blatt 33ff.) von einer GmbH in eine AG umgewandelt. Wie dem Senat aus dem Berufungsverfahren mit dem Az. 2 U 79/15 dienstlich bekannt ist, wurde die Umwandlung der Beklagten am 26.01.2016 in das Handelsregister (HRB 511960) eingetragen und damit wirksam (Urteil vom 16.05.2018 – 2 U 79/15 -, Seite 13). Die Umwandlung der Beklagten von einer GmbH in eine AG beendete die Stellung des Herrn Dr. Wilk als Gesellschafter nicht. Die Eintragung hat konstitutive Wirkung; die Umwandlung wurde daher mit ihrer Eintragung wirksam, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG (Kallmeyer-Meister/Klöcker, UmwG, 5. A., § 202 UmwG, Rn. 1, 5, 7; Lutter-Decker/Hoger, UmwG, 5. A., § 202 UmwG, Rn. 5, 6). Mit der Wirksamkeit des Formwechsels besteht der formwechselnde Rechtsträger in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Es besteht eine Identität des Rechtsträgers. Das Vermögen des formwechselnden Rechtsträgers ist nach dem Formwechsel Vermögen des Rechtsträgers neuer Rechtsform, es besteht Vermögensidentität (Decher/Hager in: Lutter, Umwandlungs-gesetz, 5. A., § 202 UmwG,Rn. 9) und eine Kontinuität der Mitgliedschaft,§ 202 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG (Semler/Stengel – Leonard, UmwG, 4. A.,, § 202 UmwG, Rn. 18ff.). Darauf beruht auch die Beschlussfassung der Beklagten am 29.12.2014 zu Ziffern 6. – 8. des Umwandlungsbeschlusses.

dd)

Dass Dr. W. nicht schon mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 22.08.2013 ausgeschlossen wurde, steht fest, weil dieser Beschluss rechtskräftig für nichtig erklärt wurde (UA LG Seite 3J.

ee)

Die Beklagte erwarb die Aktien des Dr. W. nicht durch die Beschlussfassung am 29.12.2014.

(1)

Wie das Landgericht festgestellt hat, wurde am 29.12.2014 in der Gesellschafterver-sammlung der Beklagten beschlossen den Gesellschafter Dr. W. aus der Gesellschaft auszuschließen, seinen Geschäftsanteil im Nennbetrag von DM 11.600 einzuziehen und anstelle des eingezogenen Geschäftsanteils einen neuen Geschäftsanteil im Nennbetrag von DM 11.600 zu bilden, der von der Gesellschaft als eigener Geschäftsanteil übernommen wurde.

(2)

Der Beschluss vom 29.12.2014 beinhaltete die Revalorisierung der eingezogenen Geschäftsanteile des Dr. W.

Mangels anderweitiger Satzungsregelung tritt die Wirksamkeit der Einziehung bereits mit der Mitteilung des Einziehungsbeschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit Zahlung der Abfindung ein, sofern der Einziehungs-Beschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird. Nach einer Einziehung durch die GmbH stimmt die Stammkapitalziffer nicht mehr mit der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile überein, da der eingezogene Anteil untergeht. Es entsteht eine Differenz zwischen den Nennwerten der verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital. Es ist möglich, die Lücke zwischen den Nennwerten der verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital durch Bildung eines oder mehrerer neuer Geschäftsanteile in Höhe des Nennwerts des eingezogenen Anteils ohne Kapitalerhöhung zu schließen (sog. Revalorisierung). Die neuen Geschäftsanteile stehen nach h. M. zunächst der Gesellschaft als eigene Anteile zu(Becksches Notarhandbuch – Mayer/Weiler, 7. A., § 22, Rn. 143).

Auch der Erwerb eigener Anteile durch Revalorisierung unterfällt der Anwendung des §

237 AktG. Dem Wortlaut der Norm folgend kommt es entscheidend auf die dingliche Wirksamkeit des Erwerbs und nicht auf die Wirksamkeit eines zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäftes an. überhaupt kommt es nach den in§ 237 AktG verfolgten Schutzzwecken nicht darauf an, ob die AG zum Erwerb berechtigt war oder nicht; entscheidend ist allein die Wirksamkeit des Erwerbs. Dem Zweck von § 237 Abs. 1 S. 1 AktG entsprechend genügt es, dass die AG im Zeitpunkt der Einziehung Inhaberin der Aktien ist (Münchener Kommentar zum AktG/Oechsler, 5. A., AktG § 237Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
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AktG § 237
Rn. 73, 74; Grigoleit/Rieder, AktG, 2. A., AktG § 237Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 237
Rn. 28). Der Rechtsgrund des Erwerbs ist unerheblich (Koch, aaO, AktG § 237Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 237
Rn. 20; (Henssler/Strohn – Galla, Gesellschaftsrecht, 5. A., AktG § 237Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
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AktG § 237
Rn. 10).

(3)

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 über die Einziehung

des Geschäftsanteils des Dr. W. und die Bildung eines neuen, von der Beklagten als eigenen

Anteil übernommenen Geschäftsanteils ist seinerseits anfechtbar und durch den Senat im Verfahren 2 U 492/17 für nichtig erklärt worden.

Mit dem am 22.03.2023 verkündeten Urteil hat der Senat den Beschluss zu Punkt 6 der Tagesordnung: ,,Der Gesellschafter Dr. W. wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Der Geschäftsanteil des Herrn Dr. W. im Nennbetrag von DM 11.600 wird eingezogen und der Geschäftsführer A.F. wird beauftragt, gegenüber dem Gesellschafter Dr. W. die Einziehung zu erklären. Anstelle des eingezogenen Geschäftsanteils wird ein neuer Geschäftsanteil im Nennbetrag von DM 11.600 gebildet, der von der Gesellschaft als eigener Geschäftsanteil übernommen wird“, für nichtig erklärt.

Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, der Beschluss der Gesellschafterversammlung

vom 29.12.2014 betreffend den Ausschluss des Klägers Dr. W. sei auf die Anfechtungsklagen beider Kläger hin für nichtig zu erklären, weil die gesellschaftsvertraglich erforderte Voraussetzung für den Ausschluss – eine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten – nicht vorliege. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die weitere Begründung im dortigen Urteil (Ziffer II. 8., Seiten 47 – 57) Bezug genommen.

Zugleich hat der Senat im Verfahren 2 U 492/17 die widerklagend erhobene Ausschluss-klage der Beklagten gegen Herrn Dr. Wilk als unbegründet abgewiesen und zur Begründung weiter ausgeführt, dass es sowohl an dem durch die Satzung der Beklagten erforderten grob schuldhaften Verletzung von Gesellschaftspflichten – auf den es nach Auffassung des Senats ankommt – als auch an einem wichtigen Grund für den Ausschluss fehle. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die weitere Begründung in dem dortigen Urteil (Ziffer II. 14., Seiten 73 – 76) Bezug genommen.

ff)

Die Aussetzung des hiesigen Rechtsstreits bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 2 U 492/17 ist nicht erforderlich.

(1)

Gesellschafterbeschlüsse, die an einem nicht zur Beschlussnichtigkeit führenden Mangel leiden, sind trotz dieses Mangels zunächst rechtswirksam. Ihre Nichtigkeit lässt sich erst und allein durch ein kassatorisch-gestaltendes Anfechtungsurteil herbeiführen, vorausgesetzt, dass der ordnungsgemäß bestimmte oder einvernehmlich agierende Versammlungsleiter das Beschlussergebnis wirksam festgestellt hat (Bayer in: Lutter/Hommelhoff,GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, Anhang zu§ 47 GmbHG, Rrr. 38). Die Vernichtung des angefochtenen Beschlusses erfolgt mit ex-tune-Wirkung (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 178), also rückwirkend (BGH, Urteil vom 12. Juli 1993 – II ZR 65/92 -, Rn. 8, juris). Die Gestaltungswirkung tritt mit der Rechtskraft ein

(Karsten Schmidt/Bochmann in: Scholz, GmbHG, 12. A., § 45 GmbHG, Rn. 168). Die Nichtigkeit des Beschlusses führt dazu, dass der Beschluss als niemals gefasst gilt. Wurde er schon vollzogen, muss die Ausführung, soweit möglich, rückgängig gemacht werden. Der nichtige Einziehungsbeschluss führt dazu, dass der Gesellschafter nicht ausgeschieden war (Altmeppen, GmbHG, 11. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 109)

(2)

Es kann offen bleiben, ob eine verbindliche Beschlussfeststellung durch Herrn F. vorliegt. Das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 ist in Anlage K1 (BI. 25ff. der Akte) vorgelegt worden. Ausweislich der Feststellung unter lit. B) (Seite 5) wurde Herr F. mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zum Versammlungsleiter gewählt. Dieser stellte ausweislich Seite 16 des Protokolls fest, dass der Beschluss über die Ausschließung des Dr. W. angenommen worden ist. Es ergibt sich aus dem Protokoll zugleich, dass RA Sch. namens des Klägers Dr. W. verschiedentlich erklärte, dass dieser die Beschlussfeststellung durch Herrn F. nicht akzeptierte. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten, der dem Senat aus dem Verfahren 2 U 492/17 gerichtsbekannt geworden ist (2 U 492/17, Anlage K11) enthält keine Regelung zur Versammlungsleitung. Herr F. wurde zwar mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen wirksam zum Versammlungsleiter gewählt, weil insoweit eine Wahl mit einfacher Mehrheit ausreichend und wirksam ist (Noack- Noack, aaO, § 48 GmbHG, Rn. 16; Lutter/Hommelhoff- Bayer, aaO, § 48 GmbHG, Rn. 14; BGH, Urteil vom 04. Mai 2009 – II ZR 166/07-, Rn. 7, juris). Es ist aber streitig, ob mit dieser Wahl bereits die Kompetenz zur verbindlichen Beschlussfeststellung verbunden ist (dagegen: Noack – Noack, aaO,

Anh. § 47 Gri1bHG, Rn. 120; 48 GmbHG, Rn. 16, 17a; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Beschluss vom 04.

Dezember 1998 – 5 W 33/98 -, Rn. 11, juris; dafür: Münchener Kommentar zur GmbH/Liebscher, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 48 Rn. 107b; Henssler/Strohn/Hillmann, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, GmbHG § 48 Rn. 14; Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 48 GmbHG, Rn. 17a; Wertenbruch, GmbHR 2020, 875, 879). Da RA Sch. namens des Klägers Dr. W. mehrfach erklärte, dass dieser die Beschlussfeststellung durch Herrn F. nicht akzeptierte, liegt auch

keine widerspruchslose Feststellung vor (dazu: Lutter/Hommelhoff – Bayer, aa0, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 38; § 48 GmbHG, Rn. 17a).

Unabhängig davon kann die Nichtigkeit eines zweiten Beschlusses als Folge der Nichtigerklärung eines vorausgegangenen Beschlusses auf Anfechtungsklage hin zusammen mit der Nichtigerklärung festgestellt werden (Noack- Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn.180). Der Grundsatz, wonach ein lediglich anfechtbarer Beschluss – im Gegensatz zum nichtigen Beschluss – bis zur rechtskräftigen Feststellung der Nichtigkeit als wirksam zu betrachten ist, findet seine Grenze jedenfalls dort, wo gleichzeitig über den anfechtbaren Beschluss zur Ausschließung eines Gesellschafters und über die Nichtigkeit eines nachfolgenden Beschlusses zu befinden ist, die ihrerseits vom Ergebnis der Anfechtung abhängt.

Die Nichtigerklärung eines Beschlusses wirkt nämlich mit Rechtskraft des Urteils grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung zurück, so dass der Beschluss mit Rechtskraft des Urteils als niemals gefasst angesehen werden muss. Ist bei zwei Beschlüssen die Unwirksamkeit des einen von der Nichtigerklärung des anderen abhängig, dann liegen die Voraussetzungen für eine negative Entscheidung über den zweiten Beschluss mithin in dem Zeitpunkt vor, in dem die gesamte Entscheidung rechtskräftig wird.

Mit Rechtskraft der Entscheidung entfällt somit der Widerspruch zwischen der Nichtigkeits-Feststellung über den zweiten Beschluss und der zunächst mangels Rechtskraft der Entscheidung über die Ausschließung noch bestehenden schwebenden Wirksamkeit des ersten Beschlusses. Daraus folgt, dass auch schon vor Eintritt der Rechtskraft beider Beschlüsse die gerichtliche Nichtigerklärung des Ausschließungsbeschlusses der Entscheidung über den weiteren Beschluss zu Grunde gelegt werden kann. Dem steht nicht der Schutzzweck der „schwebenden Wirksamkeit“ des angefochtenen Beschlusses entgegen. Grund dafür, dass Beschlussmängel, die nicht von solcher Schwere sind,

dass sie zur Nichtigkeit führen, die Wirksamkeit des Beschlusses zunächst nicht beeinträchtigen, ist allein die Notwendigkeit, Dritte vor unklaren Beschlusslagen und daraus resultierenden Konsequenzen zu schützen. Dieser Regelungszweck geht zumindest in den Fällen verloren, in denen lediglich interne Belange der Gesellschaft betroffen sind.

Die Gesellschafter, die einen Mitgesellschafter aufgrund eines anfechtbaren Beschlusses aus der Gesellschaft ausgeschlossen haben, bedürfen nicht des besonderen Schutzes vor den negativen Folgen einer erfolgreichen Anfechtung für weitere Beschlüsse, die auf der wirksamen Ausschließung aufbauen. Gesellschafter sind, anders als gesellschaftsfremde Dritte, die zudem zumindest bei eintragungsfähigen Beschlüssen durch §15 HGB geschützt sind, regelmäßig in der Lage, sich über die Umstände, die zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen, zu informieren und diese bei ihren weiteren Entscheidungen zu berücksichtigen (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 15. Oktober 1997 – 7 U 56/95-, GmbHR 1998, 193, 196/197).

gg)

Die nachfolgend in der Gesellschafterversammlung am 04.11.2019 beschlossene Einziehung

der Gesellschaftsanteile des Dr. W. ist für die Prüfung der hier streitgegenständlichen Beschlussfassung vom 04.06.2019 rechtlich unerheblich.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf§ 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf§§ 708 Nr. 10, 713, 544 Abs. 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles ohne

grundsätzliche Bedeutung handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO

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Schlagworte: AktG § 237, AktG § 237 Abs 3 Nr 2, Aktienrecht, Einziehung eigener Aktien

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OLG Jena, Urteil vom 22.03.2023 – 2 U 492/17

22. März 2023

GesellschafterstreitGmbHG § 34

Tenor

Auf die Berufungen des Klägers Dr. W. und der Beklagten werden die Urteile des Landgerichts M. vom 11.07.2017, Az. HK O 9/15, und vom 26.10.2017, HK O 16/15, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a)

Es wird festgestellt, dass die folgenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.12.2014 nichtig sind:

Punkt 2 der Tagesordnung:

Die Gesellschafter beschließen den Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 mit einem ausgewiesenen Jahresüberschuss in Höhe von insgesamt 23.382,84 Euro festzustellen.

Die Gesellschafter beschließen, den Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 mit der Maßgabe, dass auf Seite 31 des Berichtes der Betrag von 625.000.- Euro nicht als Ausschüttung dargestellt und um diesen Betrag gewinnvortragserhöhend korrigiert und die Gegenposition zu dieser Position ebenfalls korrigiert wird, festzustellen.

Punkt 3 der Tagesordnung:

Die Gesellschafter beschließen, den sich aus dem Jahresabschluss ergebenden Jahresüberschuss in Hohe von insgesamt 23.382,84 Euro auf neue Rechnung vorzutragen.

Punkt 8.2.2 der Tagesordnung:

Die Geschäftsanteile der Gesellschafter betragen:

54Geschäftsanteil zu DM 11.600,00Geschäftsanteil zu EUR 5.930,99

b)

Die folgenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.12.2014 werden für nichtig erklärt:

Punkt 4 der Tagesordnung:

Dem Geschäftsführer E. H. wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt. Dem Geschäftsführer A. F. wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt.

Punkt 5 der Tagesordnung:

Den Aufsichtsratsmitgliedern, namentlich …, wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt.

Punkt 6 der Tagesordnung:

Der Gesellschafter Dr. H. W. wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Der Geschäftsanteil des Herrn Dr. H. W. im Nennbetrag von DM 11.600 wird eingezogen und der Geschäftsführer A. F. wird beauftragt, gegenüber dem Gesellschafter Dr. H. W. die Einziehung zu erklären. Anstelle des eingezogenen Geschäftsanteils wird ein neuer Geschäftsanteil im Nennbetrag von DM 11.600 gebildet, der von der Gesellschaft als eigener Geschäftsanteil übernommen wird.

Punkt 9 der Tagesordnung:

Die folgenden Verträge werden genehmigt und der Geschäftsführung wird die Anweisung erteilt, folgende Verträge umzusetzen:

Kaufvertrag vom .., UR-Nr. … des Notars R. T. mit Amtssitz in M., zwischen der A. GmbH und der L. U. GmbH

Kaufvertrag vom …, UR-Nr. … des Notars R. T. mit Amtssitz in M., zwischen der A. GmbH und der Agrarp. … GmbH

Kaufvertrag vom… über Sachanlagevermögen etc. zwischen der A. GmbH und der L. U. GmbH

Kaufvertrag vom… über Zahlungsansprüche zwischen der A. GmbH und der L. U. GmbH

Kaufvertrag vom … über Zahlungsansprüche zwischen der A. GmbH und der Agrarp. … GmbH

– mündlicher Unterpachtvertrag vom … zwischen der A. GmbH und der Agrarp. … GmbH über … ha in den Gemarkungen …, … und …

– mündlicher Unterpachtvertrag vom … zwischen der A. GmbH und der L. U. GmbH … über … ha in der Gemarkung …

Punkt 10 der Tagesordnung:

Dem Geschäftsführer A. F. wird für den Abschluss der in TOP 7 und TOP 9 genannten Verträge die Entlastung erteilt.

Punkt 11 der Tagesordnung:

Den Aufsichtsratsmitgliedern, namentlich …, wird für ihre Beschlussfassung vom 30.12.2013, mit dem die Geschäftsführung angewiesen wurde, die in TOP 7 und TOP 9 genannten Verträge abzuschließen, die Entlastung erteilt.

c)

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen, die Klage des Klägers Dr. W. auf Feststellung der Nichtigkeit von § 2 der Satzung der Beklagten in der geänderten Fassung als unzulässig. Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

2.

Die weitergehenden Berufungen des Klägers Dr. W. und der Beklagten werden zurückgewiesen.

3.

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte 65 % zu tragen. Die Kläger haben von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens nach Kopfteilen 23 % zu tragen, der Kläger Dr. W. hat weitere 12 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Berufungsverfahren haben die Kläger nach Kopfteilen 23 % und hat der Kläger Dr. W. weitere 12 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers R. im Berufungsverfahren hat die Beklagte 77 % zu tragen und von den außergerichtlichen Kosten des Klägers Dr. W. im Berufungsverfahren 52 %. Im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren selbst zu tragen.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz des Verfahrens HK O 9/15 (Dr. W. ./. A. AG) werden gegeneinander aufgehoben.

5.

Von den Kosten des Rechtsstreites in erster Instanz des Verfahrens HK O 16/15 (R. ./. A.) hat der Kläger 27 % zu tragen und hat die Beklagte 73 % zu tragen.

6.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

7.

Dem Kläger R. wird bezüglich der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen, die bis zum 01.12.2021 entstanden sind, die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass des am 01.12.2021 verstorbenen Herrn S. R. vorbehalten.

8.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger greifen eine Reihe von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der Beklagten – damals noch in der Rechtsform einer GmbH – vom 29.12.2014 an. Der Kläger Dr. W. greift zugleich § 2 der Satzung der Beklagten (Unternehmensgegenstand) in der am 29.12.2014 beschlossenen neuen Fassung an.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 06.07.2017 hat das Landgericht im Verfahren HK O 9/15 auf die Klage des Klägers Dr. W. die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend den Ausschluss des Klägers aus der Gesellschaft, hilfsweise die Erhebung der Ausschlussklage und betreffend die Genehmigung und Umsetzung mehrerer Kaufverträge und Unterpachtverträge für nichtig erklärt. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage wie auch die widerklagend erhobene Ausschlussklage abgewiesen. Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Mit dem weiteren angefochtenen Urteil vom 26.10.2017 hat das Landgericht im Verfahren HK O 16/15 auf die Klage des Klägers R. antragsgemäß die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 über die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
zum 31.12.2013 mitsamt dem hilfsweise gefassten Beschluss über dessen Korrektur sowie die Vortragung des Jahresüberschusses auf neue Rechnung, die Entlastung der GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung der Geschäftsführer
Geschäftsführer
und der Aufsichtsratsmitglieder, den Ausschluss des GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausschluss
Ausschluss des Gesellschafters
Dr. W. mitsamt dem hilfsweise gefassten Beschluss über die Erhebung der Ausschlussklage, die Änderung des § 2 der Satzung, den Ausweis der Geschäftsanteile der Gesellschafter und die Genehmigung und Umsetzung mehrerer Kaufverträge und Unterpachtverträge für nichtig erklärt. Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Der Senat hat die Ausgangsverfahren 2 U 492/17 (W. ./. A. AG) und 2 U 673/17 (R. ./. A. AG) durch Beschluss vom 13.02.2018 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (vgl. 2 U 492/17, Blatt 1775, 1776 der Akte).

Der Kläger S. R. verstarb am 01.12.2021 und wurde von seinem Bruder M. G. R. beerbt. Dieser trat die Aktien an Frau T. R. und Herrn T. R. ab.

Mit seiner Berufung trägt der Kläger Dr. W. vor, das Landgericht habe die Vorgaben für eine auch im Recht der GmbH einzuhaltende Klagefrist nicht richtig angewendet. Die nach dem Leitbild des § 246 Abs. 1 AktG anwendbare Monatsfrist zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen habe erst mit Zugang des Beschlussprotokolls vom 06.01.2015 beim Kläger am 31.01.2015 begonnen und frühestens am 02.03.2015 geendet. Da das Protokoll bereits am 06.01.2015 erstellt, aber erst nach Ablauf eines Monats nach BeschlussfassungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschlussfassung
nach Beschlussfassung
übersandt worden sei, sei offensichtlich, dass manipulativ eingegriffen worden sei. Auf die mit Schreiben vom 16.02.2015 verlangte Berichtigung des Protokolls sei erst am 27.02.2015 eine Nachtragsniederschrift erstellt und diese zudem erst mit Schreiben vom 04.03.2015, dem Kläger am 06.03.2015 zugegangen, übermittelt worden. Auch hier sei die Übersendung offensichtlich von Beklagtenseite so gesteuert worden, dass diese dem Kläger erst nach Ablauf der Monatsfrist nach Übermittlung des unrichtigen Ausgangsprotokolls zuging. Die Beklagte sei daher nicht schutzwürdig, zumal der Kläger schon im Verlauf der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Verlauf der Gesellschafterversammlung
am 29.12.2014 mehrfach bekannt gegeben habe, dass die gefassten Beschlüsse rechtswidrig seien und im Wege der Beschlussmängelklage überprüft würden. Im Verlauf der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Verlauf der Gesellschafterversammlung
sei unvorhergesehen ein angeblich am 30.12.2013 gefasster Beschluss des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschluss
Beschluss des Aufsichtsrats
mit dem Inhalt der Aufgabe des operativen Geschäftsbetriebs und dem Ziel der Vorbereitung der Liquidation der Beklagten thematisiert worden. Dem Bevollmächtigten des Klägers sei eine Ablichtung des Beschlussprotokolls vom 30.12.2013 zur Einsicht unter Aufsicht übergeben worden. Als er davon eine Aufnahme habe fertigen wollen, sei ihm das Beschlussprotokoll entrissen worden. Das Beschlussprotokoll sei sodann als Anlage 10 zum Protokoll vom 06.01.2015 übersandt worden. Erst damit habe der Kläger sich verbindlich und vollumfänglich Kenntnis verschaffen können. Der Inhalt des Beschlussprotokolls habe erhebliche Auswirkungen auf die Beschlussmängelanträge zu Ziffern 3 – 5, 7, 10 und 11. In Bezug auf den hilfsweise gefassten Beschluss zur Korrektur des Jahresabschlusses 2013 sei der Kläger auf die Übersendung des Protokolls angewiesen gewesen, denn der frei formulierte Beschlussinhalt habe nicht hinreichend sicher dokumentiert werden können. Dies habe Auswirkungen auf die Beschlussmängelanträge zu Ziffern 1 und 2. Da der Kläger die vollständige korrigierte Fassung in Gestalt der Nachtragsniederschrift erst am 06.03.2015 erhalten habe, sei ohnehin davon auszugehen, dass die Monatsfrist erst an diesem Tag begonnen habe. Was die Nichtigkeitsfeststellung betreffend den Beschluss über die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
2013 angehe, verkenne das Landgericht schon, dass es in diesem Zusammenhang nicht auf die Wahrung einer Anfechtungsfrist ankomme.

Die Regelung in § 2 Abs. 1 der Satzung sei nichtig. Das Landgericht habe sich mit den vorgetragenen Nichtigkeitsgründen nicht auseinandergesetzt, insbesondere nicht mit dem Umstand, dass sich die Beklagte durch diese Regelung ohne ein für die vermögensverwaltende Tätigkeit maßgebliches Vermögen alle Möglichkeiten zur Gewinnerzielung nehme.

Der Kläger und Berufungskläger Dr. W. beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes M. vom 06.07.2015, Az. HK O 9/15,

I.

die nachfolgenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.12.2014, betreffend die Beschlüsse zu Ziffer 1. – 5. sowie 7. – 11. auch die hilfsweise Beschlussfassung unter Zulassung der Stimmabgabe Dr. W. für nichtig zu erklären:

1.

Die Gesellschafter beschließen den Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 mit einem ausgewiesenen Jahresüberschuss in Höhe von insgesamt 23.382,84 Euro festzustellen

hilfsweise

Die Gesellschafter beschließen den Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 mit der Maßgabe, dass auf Seite 31 des Berichtes der Betrag von 625.000,00 Euro nicht als Ausschüttung dargestellt und um diesen Betrag gewinnvortragserhöhend korrigiert und die Gegenposition zu dieser Ausschüttung ebenfalls korrigiert wird, festzustellen.

2.

Die Gesellschafter beschließen, den sich aus dem Jahresabschluss ergebenden Jahresüberschuss in Hohe von insgesamt 23.382,84 Euro auf neue Rechnung vorzutragen.

3.

Dem Geschäftsführer E. H. wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt.

4.

Dem Geschäftsführer A. F. wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt.

5.

Den Aufsichtsratsmitgliedern, namentlich …, wird für das Geschäftsjahr 2013 die Entlastung erteilt.

7.

§ 2 der Satzung wird wie folgt geändert:

„ 1. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, die Veräußerung und die Verwaltung eigenen Vermögens, die Gründung von Unternehmen sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen und die Vermietung, die Verpachtung und die Verwaltung von mobilem und immobilem Vermögen.

2. Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen. Sie kann ihre Tätigkeit auf einen Teil der in Absatz 1 bezeichneten Tätigkeitsgebiete beschränken. Unternehmen, an denen sie mehrheitlich beteiligt ist, kann sie unter ihrer Leitung zusammenfassen oder sich auf die Verwaltung der Beteiligung beschränken.“

8.

Die Geschäftsanteile der Gesellschafter betragen:

Lfd. Nr.GesellschafterAdresseGeschäftsanteile DMGeschäftsanteile EUR
1  Geschäftsanteil zu DM 7.200,00Geschäftsanteil zu EUR 3.681,30
2  Geschäftsanteil zu DM 11.900,00Geschäftsanteil zu EUR 6.084,37
3  Geschäftsanteil zu DM 10.900,00Geschäftsanteil zu EUR 5.573,08
4  Geschäftsanteil zu DM 11.500,00Geschäftsanteil zu EUR 5.879,86
5  Geschäftsanteil zu DM 6.600,00Geschäftsanteil zu EUR 3.374,53
6  Geschäftsanteil zu DM 8.700,00Geschäftsanteil zu EUR 4.448,24
7  Geschäftsanteil zu DM 10.000,00Geschäftsanteil zu EUR 5.112,92
8  Geschäftsanteil zu DM 11.600,00Geschäftsanteil zu EUR 5.930,99
9  Geschäftsanteil zu DM 8.100,00Geschäftsanteil zu EUR 4.141,46
10  Geschäftsanteil zu DM 13.400,00Geschäftsanteil zu EUR 6.851,31
11  Geschäftsanteil zu DM 12.700,00Geschäftsanteil zu EUR 6.493,41
12  Geschäftsanteil zu DM 21.000,00Geschäftsanteil zu EUR 10.737,13
13  Geschäftsanteil zu DM 9.200,00Geschäftsanteil zu EUR 4.703,89
14  Geschäftsanteil zu DM 15.000,00Geschäftsanteil zu EUR 7.669,38
15  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
16  Geschäftsanteil zu DM 11.600,00Geschäftsanteil zu EUR 5.930,99
17  Geschäftsanteil zu DM 6.800,00Geschäftsanteil zu EUR 3.476,78
18  Geschäftsanteil zu DM 6.800,00Geschäftsanteil zu EUR 3.476,78
19  Geschäftsanteil zu DM 16.800,00Geschäftsanteil zu EUR 8.589,70
20    
21  Geschäftsanteil zu DM 10.600,00Geschäftsanteil zu EUR 5.419,69
22  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
23  Geschäftsanteil zu DM 7.700,00Geschäftsanteil zu EUR 3.936,95
24  Geschäftsanteil zu DM 6.900,00Geschäftsanteil zu EUR 3.527,91
25  Geschäftsanteil zu DM 10.800,00Geschäftsanteil zu EUR 5.521,95
26  Geschäftsanteil zu DM 13.200,00Geschäftsanteil zu EUR 6.749,05
27  Geschäftsanteil zu DM 12.200,00Geschäftsanteil zu EUR 6.237,76
28  Geschäftsanteil zu DM 38.800,00Geschäftsanteil zu EUR 19.838,13
29  Geschäftsanteil zu DM 10.800,00Geschäftsanteil zu EUR 5.521,95
30  Geschäftsanteil zu DM 20.700,00Geschäftsanteil zu EUR 10.583,74
31  Geschäftsanteil zu DM 11.000,00Geschäftsanteil zu EUR 5.624,21
32  Geschäftsanteil zu DM 15.600,00Geschäftsanteil zu EUR 7.976,15
33  Geschäftsanteil zu DM 8.200,00Geschäftsanteil zu EUR 4.192,59
34  Geschäftsanteil zu DM 7.400,00Geschäftsanteil zu EUR 3.783,56
35  Geschäftsanteil zu DM 7.500,00Geschäftsanteil zu EUR 3.834,69
36  Geschäftsanteil zu DM 12.700,00Geschäftsanteil zu EUR 6.493,41
37  Geschäftsanteil zu DM 9.000,00Geschäftsanteil zu EUR 4.601,63
38  Geschäftsanteil zu DM 13.100,00Geschäftsanteil zu EUR 6.697,92
39  Geschäftsanteil zu DM 7.200,00Geschäftsanteil zu EUR 3.681,30
40  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
41  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
42  Geschäftsanteil zu DM 10.100,00Geschäftsanteil zu EUR 5.164,05
43  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
44  Geschäftsanteil zu DM 12.900,00Geschäftsanteil zu EUR 6.595,67
45  Geschäftsanteil zu DM 6.000,00Geschäftsanteil zu EUR 3.067,75
46  Geschäftsanteil zu DM 5.000,00Geschäftsanteil zu EUR 2.556,46
47  Geschäftsanteil zu DM 10.000,00Geschäftsanteil zu EUR 5.112,92
48  Geschäftsanteil zu DM 12.600,00Geschäftsanteil zu EUR 6.442,28
49  Geschäftsanteil zu DM 7.300,00Geschäftsanteil zu EUR 4.703,89
50  Geschäftsanteil zu DM 7.300,00Geschäftsanteil zu EUR 3.732,43
51    
52  Geschäftsanteil zu DM 8.000,00Geschäftsanteil zu EUR 4.090,33
53  Geschäftsanteil zu DM 16.900,00Geschäftsanteil zu EUR 8.640,83
54  Geschäftsanteil zu DM 11.600,00Geschäftsanteil zu EUR 5.930,99
gesamt  DM 557.800,00EUR 285.198,61

soweit vorstehend unter lfd. Nr. 54 der Geschäftsanteil im Nennwert in Höhe von 11.600,00 DM/5.930,99 EUR der Beklagten als Inhaberin des Geschäftsanteils zugeordnet ist.

9.

Dem Geschäftsführer A. F. wird für den Abschluss der in TOP 7. und TOP 9. genannten Verträge die Entlastung erteilt.

10.

Den Aufsichtsratsmitgliedern, namentlich …, wird für ihre Beschlussfassung vom 30.12.2013 mit dem die Geschäftsführung angewiesen wurde, die in TOP 7. und TOP 9. genannten Verträge abzuschließen, die Entlastung erteilt.

II.

festzustellen, dass die Regelung in § 2 Abs. 1 der Satzung der A. AG nichtig ist.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt zur Berufung des Klägers Dr. W.,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte trägt zur Berufung des Klägers Dr. W. vor,

das Landgericht habe rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Klageerweiterung vom 02.03.2015 verspätet gewesen sei. Die Auffassung des Klägers, dass die Anfechtungsfrist erst mit dem Zugang des Beschlussprotokolls beginne, sei unrichtig. Der Kläger habe bereits in der Versammlung am 29.12.2014 die Anfechtung angekündigt. Bei Anwesenheit des Gesellschafters sei die Rechtsprechung einheitlich, dass die Anfechtungsfrist ab Beschlussfassung zu laufen beginne. Der Inhalt der Beschlussfassung sei mit der Feststellung durch den Versammlungsleiter klar gewesen. Die Beschlüsse seien nicht komplex, in der Einladung angekündigt und ohne große Abweichungen gefasst worden. Zudem sei der Kläger in der Versammlung anwaltlich beraten gewesen. Der Bevollmächtigte sei in der Versammlung nicht an der Einsicht in das Beschlussprotokoll des Aufsichtsrats vom 30.12.2013 gehindert worden. Der Notar habe kein unrichtiges Protokoll erstellt. Auch im Übrigen würden die haltlosen Unterstellungen des Klägers zur verspäteten Übersendung des Protokolls bestritten. Die verspäteten Klageanträge des Dr. W. blieben auch nach der Prozessverbindung verspätet, denn jede der Klagen müsse erstmal für sich über die Zulässigkeits- und Sachentscheidungsvoraussetzungen hinwegkommen.·

Eine allgemeine Feststellungsklage auf Feststellung der Nichtigkeit des § 2 Abs. 1 der Satzung sei unzulässig, da sie sich nicht in das System des Kapitalgesellschaftsrechts einfüge und die Nichtigkeit des Unternehmensgegenstandes ausschließlich mit der Nichtigkeitsklage gemäߧ 275 AktG geltend gemacht werden könne. Mit der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von § 2 Abs. 1 der Satzung agiere der Kläger rechtsmissbräuchlich, denn es sei ihm bekannt, dass die zwingende Folge der Nichtigkeitsfeststellung die Liquidation der Beklagten sei. Zudem habe der Kläger den Beschluss zur Umwandlung der Beklagten in eine AG nicht angefochten, was das vorrangige und präventive Rechtsmittel gewesen wäre. Der Versuch des Klägers, nunmehr nachgelagert die Nichtigkeit erreichen zu wollen, sei rechtsmissbräuchlich. Es liege kein Nichtigkeitsgrund vor. Ohne Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit gebe es keine Nichtigkeit der Satzungsregelung. Sittenwidrige Begleitumstände genügten nicht. Die Verwerflichkeit müsse sich aus dem Inhalt der Satzung selbst ergeben. Die Satzungsregelung verstoße weder gegen das Gesetz noch gegen die guten Sitten. Zudem sei die bestrittene Nichtigkeit der Satzungsregelung durch die Eintragung der formwechselnden Umwandlung in das Handelsregister am 26.01.2016 geheilt worden.

Im Jahresabschluss 2013 sei keine Rückstellung für Teilgewinnabführungen zu bilden gewesen. Es sei keine ex-post Betrachtung anzustellen. Maßgeblich sei, ob die Geschäftsführung aus ihrer ex-ante Sicht von der Teilgewinnabführungsverpflichtung überzeugt war. Die Geschäftsführung sei davon ausgegangen und gehe weiter davon aus, dass die Teilgewinnabführungsverpflichtung nicht wirksam begründet bzw. zwischenzeitlich durch Kündigungen beendet worden sei. Im Übrigen tangiere eine geringfügige Unter- oder Überbewertung den Schutzzweck der Norm nicht und führe nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.

Nach dem Urteil des BGH vom 16.07.2019, II ZR 426/17, sei weiterhin von der Wirksamkeit der Grundstückskaufverträge auszugehen, so dass auch der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat die Entlastung erteilt werden durfte.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt mit ihrer Berufung,

I.

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 06.07.2017, Az. HK O 9/15,

1.

die Klagen abzuweisen und

2.

Herrn H. W. aus der Beklagten, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Jena, HRB …, unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Beklagte innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Urteils Herrn W. 39.440.- Euro als Abfindung zahlt, auszuschließen und seiner Aktien dergestalt für verlustig zu erklären, dass die Beklagte befugt ist, nach ihrer wahl die Einziehung oder die Abtretung der Aktien des Herrn W. an sich oder an einen Dritten vorzunehmen,

3.

hilfsweise,

das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 06.07.2017, Az. HK O 9/15, aufzuheben und den Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

II.

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 26.10.2017, Az. HK O 16/15, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin trägt vor,

der Kläger R. habe nach der Abtretung seiner Geschäftsanteile kein berechtigtes Interesse an der Weiterführung des Rechtsstreites. Der Kläger R. könne nur dann ein berechtigtes Interesse an der Fortführung des Prozesses haben, wenn der Ausgang des Verfahrens erhebliche rechtliche Auswirkungen auf den Kaufpreis der Aktien habe. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger einen festen Kaufpreis vereinbart habe, der unabhängig von dem Ausgang dieses Rechtsstreites sei.

Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die durch den Kläger R. angegriffenen Beschlüsse nicht nichtig seien. Eine Verletzung des Teilnahmerechts eines GmbH-Gesellschafters begründe nur dann die Nichtigkeit der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse, wenn die Versammlung vom Einberufungsorgan bewusst auf den Zeitpunkt der Verhinderung bestimmter Gesellschafter gelegt werde. Es gebe keine per se für eine Gesellschafterversammlung unzulässige Zeit. Die wahl eines Zeitpunktes könne daher nur dann in Relation zu einem Gesellschafter als zur Unzeit angesehen werden, wenn dem Einberufungsorgan zum Zeitpunkt der Ladung dessen Verhinderung positiv bekannt ist. Dass dem Einberufungsorgan der Beklagten die Verhinderung des Klägers R. am 09.12.2014, als die Einladung verschickt wurde, bekannt gewesen wäre, habe der Kläger nicht einmal behauptet. Bei dem 29.12. handele es sich nicht um eine typische Urlaubszeit; es gebe überhaupt keine typische Urlaubszeit. Dieser Termin sei gerade gewählt worden, weil bekanntlich viele Gesellschafter hier die Zeit zur Teilnahme hätten. Der Gesetzgeber habe davon abgesehen, Regelungen über die Versammlungszeit zu treffen; in § 121 Abs. 7 AktG gehe er sogar ausdrücklich davon aus, dass Versammlungen an Sonntagen, Sonnabenden oder Feiertagen stattfinden dürften. Der Vortrag des Klägers R. zum Zeitablauf, zur Rechtsunkundigkeit und zur Überrumpelung werde bestritten. Er sei mehr als zwei Wochen vor der Versammlung geladen worden. Eine darüber hinausgehende Vorbereitungszeit sei nicht erforderlich gewesen. Auch seine Behauptungen zur Verhinderung seien widersprüchlich.

Der Kläger R. habe die Anfechtungsfrist nicht gewahrt. Die einmonatige Anfechtungsfrist beginne mit der Beschlussfassung zu laufen und sei am 29.01.2015 abgelaufen. Den Kläger habe eine Erkundigungspflicht getroffen, der er nicht genügt habe, so dass die Anfechtungsfrist jedenfalls am 13.01.2015 begonnen und am 12.02.2015 geendet habe. Der Kläger habe seine Mitgesellschafter nach den gefassten Beschlüssen fragen müssen, habe aber nur die Beklagte um die Übersendung des Protokolls bis zum 15.01.2015 gebeten. Dieser Forderung habe die Beklagte nicht nachkommen können, weil der Notar die Niederschrift anhand seiner Notizen erst am 26.01.2015 errichtet habe. Der Kläger habe auch davon abgesehen, bei der Beklagten einfach nach dem Inhalt der gefassten Beschlüsse zu fragen.

Der Kläger R. sei schon tatsächlich nicht an der Teilnahme verhindert gewesen. Sein Vortrag sei substanzlos und widersprüchlich; Belege habe er nicht vorgelegt. Selbst im Falle einer tatsächlichen Verhinderung des Klägers wäre die Beklagte aber auch nicht verpflichtet gewesen, die Versammlung zu verlegen. Der Kläger habe seine Verhinderung nicht rechtzeitig mitgeteilt. Sein Schreiben sei am 23.12.2014 erst außerhalb der Geschäftszeiten in den Briefkasten gelangt und erst am 29.12.2014 zur Kenntnis genommen worden.

Die in der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 vorgetragenen Ausschlussgründe rechtfertigten den Ausschluss des Klägers Dr. W. Mit dem in Anlage B 10 vorgelegten Schreiben vom 18.12.2014 an die Landverpächter habe der Kläger Dr. W. sich Geschäftsführungsbefugnisse angemaßt und den wirtschaftlichen Ruf der Beklagten geschädigt. Dies habe dazu geführt, dass Landverpächter ihre Verträge mit der Beklagten nicht verlängerten. Der Kläger Dr. W. habe für die von ihm vertretene P. M. GmbH & Co KG verschiedene Pfändungs- und Arrestbeschlüsse erwirkt, die zu Kontensperrungen und Geldhinterlegungen bei Gericht führten. Insoweit wird auf Ziffer 2. des Schriftsatzes der Beklagten vom 12.10.2017 (2 U 492/17, Blatt 1596-1600 d.A.) Bezug genommen. Der Kläger habe des Weiteren die Freigabe von unrechtmäßig erwirkten Arresten und die Aufhebung von Pfändungsmaßnahmen verhindert. Insoweit wird auf Ziffer 3. des Schriftsatzes der Beklagten vom 16.01.2023 (2 U 492/17, Blatt 1952-1962 d.A.) Bezug genommen. Das schadenstiftende Verhalten des Klägers Dr. W. werde dadurch unterlegt, dass er den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Satzung gestellt habe, was zur Liquidation der Beklagten führen würde. Der Kläger Dr. W. habe für die von ihm vertretene P. M. GmbH & Co KG unrechtmäßig Teilgewinnabführungsbeträge eingefordert und durch dingliche Arreste sichern lassen, obwohl er die Beträge nicht zur Altschuldentilgung verwende, sondern zweckwidrig in der P. M. behalte. Die Beklagte habe bereits 79.267,69 Euro an Teilgewinnabführungen an die P. M. bezahlt, welche zur Altschuldentilgung zu verwenden gewesen seien. Der Kläger habe aber im Verfahren vor dem OLG mit dem Aktenzeichen 2 U 168/16 am 03.08.2016 erklärt, dass keine Altschulden getilgt würden. Die Teilgewinnabführungsvereinbarung vom 05.10.1992 sei zudem unwirksam. Die von dem Kläger vertretene P. M. weigere sich beharrlich, Auskunft darüber zu erteilen, welche Beträge sie aus den vereinnahmten Geldern aus Teilgewinnabführungen, Verkauf von Wirtschaftsgütern sowie Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern erhalten habe und ob sie diese verwende, um die Altschulden zu bedienen. Dadurch könne nicht festgestellt werden, ob die Beklagte noch zur Teilgewinnabführung verpflichtet ist. Der Kläger benachteilige die Beklagte, indem er ausschließlich die Beklagte auf genau 20% in Anspruch nehme. Bis 2004 habe die Beklagte hingegen nie genau 20% abführen müssen. Die P. L. A. GmbH … habe in den letzten Jahren trotz gleichlautender Teilgewinnabführungserklärung ohne sachliche Rechtfertigung weniger als 4% ihres Gewinns an die P. M. abgeführt und die Betriebsmittel und Immobilien GmbH nur 6,18 % ihres Gewinns. Damit habe der Kläger die Beklagte schuldhaft wirtschaftlich geschädigt. Ein Verschulden sei zudem nicht einmal erforderlich, es lägen genügend Sachverhaltselemente vor, die zeigten, dass der Kläger zum Nachteil der Beklagten handele. Der Kläger Dr. W. habe eine Strafanzeige gegen Herrn H. eingebracht, was ebenfalls Ausschlussgrund sei. Das Verhalten des Klägers Dr. W. habe zu einer dauerhaften Zerrüttung zwischen ihm und den anderen Mitgesellschaftern geführt. Die Mitgesellschafter und der Kläger seien wegen der unberechtigten Klageflut des Klägers und deren Ausmaße, den Anschreiben an die Landverpächter, der Strafanzeigen gegen die Geschäftsführung und der Unverfrorenheit, Teilgewinnabführungen nicht zur Altschuldentilgung zu verwenden, derart zerstritten, dass eine sachgerechte Zusammenarbeit ausgeschlossen sei.

Da der Ausschluss des Klägers Dr. W. im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 29.12.2014 wirksam erfolgt sei, sei auch die Abweisung der Widerklage fehlerhaft. Der Betrag von 39.440.- Euro entspreche dem Verkehrswert der Beteiligung des Klägers.

Die Anfechtung des Beschlusses, die genannten Kaufverträge und Unterpachtverträge der Beklagten mit der L. U. GmbH … und der Agrarp. … GmbH zu genehmigen, sei gegenstandslos. Da der zu Tagesordnungspunkt 7 am 29.12.2014 gefasste Beschluss, mit dem die Rückabwicklung der Verträge abgelehnt wurde, unanfechtbar wirksam sei, sei die Rückabwicklung der Verträge ausgeschlossen. Darin stecke zugleich die Genehmigung der Verträge. Dies sei mit jenen Konstellationen vergleichbar, in denen ein bestätigender oder wiederholender Beschluss gefasst werde, der seinerseits nicht angefochten werde. Dem Antrag fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis. Zudem sei durch § 6b) und 6c) des Gesellschaftsvertrages die Kompetenz zur Zustimmung auf den Aufsichtsrat verlagert worden und die erforderliche Zustimmung liege mit dem Beschluss des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschluss
Beschluss des Aufsichtsrats
vom 30.12.2013 vor. Die Gesellschafterversammlung sei in ihrer Abstimmungsentscheidung frei gewesen, zumal sogar ein Auflösungsbeschluss grundfrei erfolgen könne. Der Beschluss verstoße nicht gegen die Teilgewinnabführungsverpflichtung. Es werde bestritten, dass es sich bei den Vertragspartnern um „Parallelgesellschaften“ der Beklagten handele. Zu deren behaupteter Gewinnentwicklung erkläre sich die Beklagte mit Nichtwissen. Bei der Agrarp. GmbH habe es jedenfalls ausweislich der Jahresabschlüsse keine exorbitante Gewinnexplosion gegeben.

Im Jahresabschluss 2013 sei keine Rückstellung für Teilgewinnabführungen zu bilden gewesen. Es dürfe keine ex-post Betrachtung angestellt werden, sondern es sei maßgeblich, ob die Geschäftsführung aus ihrer ex-ante Sicht von dieser Verpflichtung überzeugt gewesen sei. Die Geschäftsführung sei davon ausgegangen, dass die Teilgewinnabführung nicht wirksam begründet worden bzw. zwischenzeitlich durch Kündigungen beendet worden sei. Ein diesbezüglicher Fehler sei für die Darstellung aber jedenfalls nicht erheblich.

Die Entlastungen seien wirksam. Es sei auch nach der Entscheidung des BGH im Verfahren II ZR 426/17 von der Wirksamkeit der Grundstückskaufverträge auszugehen. Damit habe der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat die Entlastung erteilt werden dürfen. Der Antrag, dem Kläger R. die beschränkte Erbenhaftung vorzubehalten, sei abzuweisen. Voraussetzung für einen Vorbehalt sei, dass der Erbe wegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit in Anspruch genommen werde. Bei den Kosten des vom Erben aufgenommenen Rechtsstreites handele es sich um Eigenschulden und nicht um Nachlassverbindlichkeiten.

Die Kläger und Berufungsbeklagten beantragen zur Berufung der Beklagten,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger tragen zur Berufung der Beklagten vor,

die in der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 gefassten Beschlüsse seien nichtig, weil sie unter Verletzung der Mitwirkungs- und Teilnahmerechte des Klägers R. zustande gekommen seien. Der Kläger R. sei urlaubsbedingt ortsabwesend gewesen. Ein zur Nichtigkeit der Beschlussfassung führender Einberufungsmangel liege vor, wenn er der Nichtladung des Gesellschafters gleichkomme. Mit der außerordentlichen Gesellschafterversammlung habe nicht gerechnet werden müssen und das Datum liege in einem Zeitraum, welcher erfahrungs- und erwartungsgemäß zur Urlaubs- und Familienzeit genutzt werde. Der Kläger R. sei dadurch an der Teilnahme gehindert worden. Nach der Satzung sei eine Vertretung durch einen Dritten nicht zulässig. Dem Kläger wäre es auch unmöglich gewesen, sich im Vorfeld in angemessenem Umfang auf die Versammlung vorzubereiten. Er sei bis einschließlich 23.12.2014 als Einzelhändler auf diversen Märkten tätig gewesen, was der Beklagten bekannt gewesen sei. Am 24.12. habe er seinen Urlaub begonnen, welcher bis zum 30.12. angedauert habe. Da in der Gesellschafterversammlung eine vollständige Neuausrichtung der Gesellschaft beschlossen werden sollte, hätte die Versammlung verlegt werden müssen. Er habe der Beklagten seine Verhinderung rechtzeitig mitgeteilt, da er das Schreiben am 23.12.2014 um 15 Uhr 10 durch den Gerichtsvollzieher habe zustellen lassen.

Der Kläger R. habe die Anfechtungsfrist gewahrt. Für die Frist sei auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von den konkreten Beschlussinhalten abzustellen. Der Kläger habe alles Zumutbare unternommen, um den Beschlussinhalt in Erfahrung zu bringen. Er habe sowohl mehrfach die Gesellschaft als auch die Mitgesellschafter aufgefordert, mitzuteilen, welche Beschlüsse mit welchem Inhalt gefasst wurden. Die Erbschaft und die Abtretung der Aktien habe gemäß § 265 Abs. 2 ZPO keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren. Das rechtliche Interesse bestehe fort. Es werde versucht, die Kläger daran zu hindern, ihre berechtigten interessen im Zusammenhang mit der kalten Liquidation der Beklagten geltend zu machen, beispielsweise die Initiierung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Vorstand.

Ein Grund für den Ausschluss des Klägers Dr. W. bestehe nicht im Ansatz. Es werde bestritten, dass Landverpächter der Beklagten in Folge des Schreibens des Klägers Dr. W. vom 18.12.2014 die Pachtverträge nicht verlängert hätten. Tatsächlich hätten die Organvertreter der Beklagten im kollusiven Zusammenwirken alles unternommen, um auf die rechtswidrige Überlassung von Pachtflächen durch den Abschluss der Unterpachtverträge und sodann Übertragung der Pachtverträge auf die Parallelgesellschaften hinzuwirken. Die Teilgewinnabführungsvereinbarung sei wirksam und die Beklagte sei zur Abführung ihres anteiligen Jahresüberschusses verpflichtet. Der Kläger Dr. W. habe in Wahrnehmung seiner Pflichten als Geschäftsführer der Komplementärin der P. M. die Rechte aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung durchgesetzt. Es werde bestritten, dass die gezahlten Beträge nicht für die Rückführung der Altschulden eingesetzt würden. Die Tilgungsverpflichtung der P. M. ergäbe sich allein aus der mit der Bank abgeschlossenen Rangrücktrittsvereinbarung. Namentlich sei die P. M. allein dann zur Tilgung von Altschulden verpflichtet, wenn ihrerseits ein Jahresüberschuss entstehe und aus diesem dann anteilig ein Betrag zur Tilgung der Altschulden an die Bank abzuführen sei. Da Herr H. auf die Strafanzeige des Klägers Dr. W. hin im Juli 2014 wegen versuchten Prozessbetrugs rechtskräftig verurteilt worden sei, stehe fest, dass der Kläger mit der Einreichung der Strafanzeige keine Pflichten als Gesellschafter der Beklagten verletzt habe. In der Gesellschafterversammlung sei ausschließlich diese Strafanzeige thematisiert worden. Zudem sei Herr H. im Juli 2014 kein Mitglied der Geschäftsführung der Beklagten gewesen. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger Dr. W. habe die Freigabe arrestierter Forderungen verhindert, beziehe sich auf die Zeit ab 2018. Dies könne als Grund für den Ausschluss nicht nachgeschoben werden. Der Kläger habe bezüglich der Erwirkung von Arresten und einstweiligen Verfügungen seine Pflichten als Geschäftsführer der P. M. wahrgenommen. Arrestanspruch und Arrestgrund seien gerichtlich bestätigt worden. Ihr Erlass sei zu keinem Zeitpunkt unter Darstellung falscher Tatsachen oder in sonstiger Weise unrechtmäßig erwirkt worden. Eine Übersicherung habe niemals vorgelegen.

Die Ausführungen der Beklagten zur vorgeblich durch den Kläger Dr. W. verursachten Zerrüttung seien zurückzuweisen. Die organschaftliche Vertretung der Beklagten sei mindestens seit 2005 nicht mehr der Pflicht nachgekommen, sich vertragskonform zu verhalten. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Großteil der Mitgesellschafter Gesellschafter der parallel gegründeten L. GmbH geworden seien, welche von den rechtswidrigen Transaktionen profitiere. Die Beklagte versuche, den wahren Hintergrund zu verschleiern, dass nämlich durch die fortwährende Verletzung der Legalitätspflicht unter Missachtung der Eigeninteressen der Beklagten allein in den Geschäftsjahren 2014 und 2015 ein Verlust in Höhe von 637.901,94 Euro entstanden sei, welchem Rechts- und Beratungskosten in Höhe von 458.846,01 Euro gegenüberstünden.

Die Behauptung sei absurd, der Kläger Dr. W. verfolge die Liquidation der Beklagten. Es sei umgekehrt so, dass der Kläger die interessen der Beklagten wahrnehme. Es sei die kompensationslose Verlagerung des Geschäftsbetriebes der Beklagten auf Parallelgesellschaften beabsichtigt. Die Beklagte habe sich in den zurückliegenden Geschäftsjahren selbst geschädigt. Insbesondere hätten im Jahre 2014 erhebliche Transaktionen zu Lasten der Beklagten und zu Gunsten der gegründeten Parallelgesellschaften, der L. U. GmbH und der Agrarp. … GmbH, stattgefunden. Es seien landwirtschaftliche Grundlagen und für die Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Geschäftsbetriebs notwendige Wirtschaftsgüter und Rechte auf der Grundlage nichtiger Verträge und diesbezüglicher Auflassungen auf die Parallelgesellschaften übertragen worden. Den Verlusten der Beklagten stünden für die Jahre 2014 und 2015 Gewinne der Parallelgesellschaften gegenüber. Die Beklagte sei nach der Verlagerung der Wirtschaftsgüter als leere Hülle zurückgeblieben. Bei Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs ohne die kompensationslosen Verlagerungen auf die Parallelgesellschaften würde die Beklagte einen Wert von mindestens 4,5 Mio. Euro aufweisen.

Es stehe fest, dass die Beklagte trotz der formwechselnden Umwandlung an den Teilgewinnabführungsvertrag gebunden sei und auf dieser Grundlage 20% ihres Jahresüberschusses an die P. M. abzuführen habe. Deswegen sei im Jahresabschluss 2013 eine Rückstellung in Höhe von 20% des Jahresüberschusses zu bilden gewesen. Es handele sich um eine wesentliche Beeinträchtigung des Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, da die Rückstellung ins Verhältnis zu dem ausschüttbaren Gewinn zu bringen sei. Eine Heilung des Mangels sei ausgeschlossen, da die Klage rechtzeitig anhängig gemacht worden sei.

Die Abweisung der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Grundstückskaufverträge entfalte keine präjudizielle Wirkung, da die Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages an gänzlich andere Voraussetzungen geknüpft sei als die Feststellung der Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen. Mit der Genehmigung der Verträge gemäß der Beschlussfassung zu TOP 9 werde gegen die Teilgewinnabführungsvereinbarung verstoßen. Der Geschäftsbetrieb der Beklagten werde kompensationslos, da ohne Realisierung des Firmenwertes, verlagert. Mit der Beschlussfassung werde gegen den Unternehmensgegenstand verstoßen. Das vermeintliche neue Geschäftsmodell der Beklagten sei von vorneherein ungeeignet gewesen, da keine Gewinnerzielungsmöglichkeit bestanden habe. Insoweit wird ergänzend auf die Darlegungen im Schriftsatz der Kläger vom 24.01.2023, Seiten 18ff. (BI. 1989ft. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger R. beantragt des Weiteren,

ihm die Beschränkung der Erbenhaftung vorzubehalten.

Hierzu beantragt die Beklagte, den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, der Vorbehalt käme nicht in Betracht, da es sich bei den Kosten des durch den Erben aufgenommenen Rechtsstreites nicht um Nachlassverbindlichkeiten handele, sondern um Eigenschulden des Erben.

Mit Beschluss vom 05.12.2018 (Blatt 1912 -1917 der Akte) hat der Senat die Verhandlung bis zur Entscheidung des BGH über die Nichtzulassungsbeschwerden bzw. Revisionen in den Verfahren II ZR 426/17 (betreffend 2 U 89/17) und II ZR 175/18 (betreffend 2 U 79/15) ausgesetzt. Nach Zulassung der Revision hat der BGH die Revision gegen das Urteil des Senats vom 16.08.2015 (2 U 79/15) zurückgewiesen. Nach Zulassung der Revision hat der BGH das Urteil des Senats vom 06.12.2017 (2 U 89/17) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Mit Urteil vom 25.08.2021 hat der Senat das angefochtene Urteil des Landgerichts Mühlhausen abgeändert und die Klage abgewiesen (2 U 89/17). Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 24.05.2022, Az. II ZR 154/21) zurückgewiesen. Das vorliegende Verfahren wurde mit Terminsbestimmung vom 01.07.2022 (Blatt 1924 der Akte) wieder aufgenommen.

II.

Auf die Berufungen des Klägers Dr. W. und der Beklagten sind die angefochtenen Urteile abzuändern.

1.

Herr M. G. R. wurde mit dem Erbfall am 01.12.2021 als Alleinerbe des verstorbenen Herrn S. R. dessen Gesamtrechtsnachfolger (§ 1922 Abs. 1 BGB). Da kein Aussetzungsantrag gestellt worden ist, ist keine Unterbrechung des Rechtsstreites eingetreten (§ 246 Abs. 1 ZPO). Der Alleinerbe ist als Gesamtrechtsnachfolger auch Partei im vorliegenden Rechtsstreit geworden und die mündliche Verhandlung ist ohne einen ausdrücklichen Ausspruch über die Rechtsnachfolge fortgesetzt worden. Die Rechtsnachfolge ist durch die Aufnahme des Erben in das Rubrum berücksichtigt worden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 34. A., § 239 ZPO, Rn. 11 ).

Die Abtretung der ererbten Aktien an Frau T. R. und Herrn T. R. hat auf den Rechtsstreit im vorliegenden Fall keinen Einfluss; der Kläger R. ist zur Fortführung des Prozesses befugt. Unstreitig trat Herr R. das verbriefte Recht nach dem Erbfall und damit im Laufe des anhängigen Rechtsstreites ab. In der GmbH ist jeder im Zeitpunkt der Klageerhebung in der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste genannte Gesellschafter klagebefugt (Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, 20. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 70). Die Klagebefugnis des verstorbenen Herrn R. stand außer Streit; sie ging auf den Alleinerben als den Gesamtrechtsnachfolger über. Mit dem Verlust der Gesellschafterstellung geht im Grundsatz der Verlust der Klagebefugnis einher (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006-11 ZR 46/05-, BGHZ 169, 221-232, Rn. 20). Die Rechtsfolge der fehlenden Klagebefugnis ist die Unbegründetheit der Klage (BGH, Urteil vom 24. April 2006-11 ZR 30/05-, BGHZ 167, 204-214, Rn. 15). Soweit ein Anfechtungsberechtigter alle seine Anteile veräußert, geht das Anfechtungsrecht auf den Erwerber über (BGH, Urteil vom 25. Februar 1965 – II ZR 287/63 -, BGHZ 43, 261-269, Rn. 43; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. März 2000 – 5 U 244/97 -, Rn. 30, juris). Bei Abtretung eines Geschäftsanteils während der Rechtshängigkeit der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- und/oder Nichtigkeitsklage gilt aber der Rechtsgedanke des§ 265 ZPO (Lutter/Hommelhoff – Bayer, GmbHG, 20. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 30, 72). Sowohl in der GmbH als auch in der AG kann ein Gesellschafter, der einen Beschluss mit der Nichtigkeits- und/oder Anfechtungsklage angegriffen hat, den Rechtsstreit nach § 265 ZPO auch nach der Veräußerung seines Geschäftsanteils fortsetzen, sofern er daran noch ein rechtliches Interesse hat. Da die Anfechtungsbefugnis ein aus der Mitgliedschaft unmittelbar folgendes Verwaltungsrecht ist und nach dem Normzweck des § 265 Abs. 2 ZPO außer der verklagten Partei zumindest auch das Interesse des ursprünglichen Rechtsinhabers und Klägers an der Weiterführung des Prozesses geschützt werden soll, ist der Rechtsgedanke dieser Vorschrift gleichermaßen im GmbH-Recht wie im Aktienrecht auf den Fall der Veräußerung der Mitgliedschaft während des laufenden Prozesses anzuwenden (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006 – II ZR 46/05, BGHZ 169, 221-232, Rn. 15). Das rechtliche Interesse des Veräußerers an der Fortsetzung des Rechtsstreites kann nicht allein auf die Verletzung von Gesetz und/oder Satzung gestützt werden (Münchener Kommentar zum AktG – Schäfer, 5. A., § 245 AktG, Rn. 27). Andererseits sind an die Begründung des rechtlichen Interesses auch keine hohen Anforderungen zu stellen (Bayer, GmbHG 2015, 505, 511 ). Die bloße Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs reicht aus, um darzutun, dass der Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Rechtsstreits hat (BGH, Urteil vom 25. Februar 1965-11 ZR 287/63-, BGHZ 43, 261-269, Rn. 48). Die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Behauptung der Kläger, es seien bereits in den Geschäftsjahren zuvor Gewinne der Beklagten treuwidrig auf Parallelgesellschaften verlagert worden, an denen nur sie nicht beteiligt wurden. Auch Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit finden Beachtung (vgl. (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2006 – II ZR 46/05-, BGHZ 169, 221-232, Rn. 24); die Regelung in§ 265 Abs. 2 ZPO dient auch der prozessökonomie (OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Koblenz
, Urteil vom 27. Januar 2005 – 6 U 342/04 -, Rn. 12, juris; Nietsch, NZG 2007, 451, 453). Um dem Erfordernis der Prozesswirtschaftlichkeit gerecht zu werden, ist auch die Sachdienlichkeit der Prozessfortführung zu beurteilen. Sie liegt nach allgemeiner Definition vor, wenn die Fortsetzung des Prozesses dazu beiträgt, den sachlichen Streitstoff zwischen den Parteien im Rahmen des anhängigen Verfahrens auszuräumen und einen weiteren prozess zu vermeiden, wenn Zusammengehörendes in demselben prozess verhandelt und nicht auseinandergerissen wird (Nietsche, aaO). Deswegen ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass der Rechtsstreit zur Entscheidungsreife gelangt ist.

2.

Beschlussmängel, die nicht zur Nichtigkeit der angegriffenen Beschlüsse entsprechend §§ 249, 241 AktG führen, sondern zur Anfechtbarkeit entsprechend §§ 246, 243 AktG, mussten vorliegend fristgerecht mit der Anfechtungsklage geltend gemacht werden.

a)

Die hier streitgegenständlichen Beschlüsse wurden in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 29.12.2014 gefasst, als die Beklagte noch die Rechtsform der GmbH hatte.

Unter Punkt 12.1 der Tagesordnung wurde der Beschluss gefasst, die Gesellschaft formwechselnd in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln (Niederschrift der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014, Anlage K 14, Seiten 33 – 42). Die formwechselnde Umwandlung wurde am 26.01.2016 in das Handelsregister eingetragen (Verfahrensakte zu HK O 16/15, Anlage B 16, BI. 475, 476 d.A.). Die Eintragung hat konstitutive Wirkung; die Umwandlung wurde daher mit ihrer Eintragung wirksam, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG (Lutter-Hoger, UmwG, 6. A., § 202 UmwG, Rn. 5, 6). Mit der Wirksamkeit des Formwechsels besteht der formwechselnde Rechtsträger in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter. Es besteht eine Identität des Rechtsträgers; eine Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge findet nicht statt. Das Vermögen des formwechselnden Rechtsträgers ist nach dem Formwechsel Vermögen des Rechtsträgers neuer Rechtsform (Lutter – Hoger, aaO, § 202 UmwG, Rn. 7). Er bleibt Inhaber des Vermögens mit allen Rechten und Pflichten (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 175/18 -, Rn. 30, juris). Fehlerhafte Gesellschaftsakte werden grundsätzlich durch einen Formwechsel nicht geheilt, sondern die Fehler bestehen fort (Lutter – Hoger, aaO, § 202 UmwG, Rn. 30). Die Anfechtbarkeit und/oder Nichtigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse richtet sich daher nach den für die Beklagte als GmbH geltenden Normen.

b)

Wenn weder eine verbindliche Beschlussfeststellung vorliegt, noch das Ergebnis der Abstimmung klar ist, weil sich die Gesellschafter insoweit nicht einig sind, ist eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zur Feststellung des Zustandekommens oder Nichtzustandekommens eines Beschlusses anerkannt, als positive Beschlussfeststellungsklage oder als negative Ergebnisfeststellungsklage (Noack – Noack, GmbHG, 23. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 19, 124, 181f.; BGH, Urteil vom 01. März 1999, II ZR 205/98, GmbH-Recht 1999, 477; BGH, Urteil vom 13. November 1995 – II ZR 288/94-GmbH-Recht 1996, 48). Diese Feststellungsklage unterliegt nicht einer mit § 246 AktG vergleichbaren materiellen Ausschlussfrist, sondern den allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008, NZG2008, 317; BGH, Urteil vom 01. März 1999, NJW 1999, 2268). Im vorliegenden Fall sind aber die §§ 243ff. AktG entsprechend anzuwenden, weil jedenfalls das Ergebnis der Abstimmung klar ist.

aa)

Ob eine verbindliche Beschlussfeststellung durch Herrn F. vorliegt, ist zweifelhaft. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten (2 U 492/17, Anlage K11) enthält keine Regelung zur Versammlungsleitung. Ausweislich der notariellen Niederschrift wurde Herr F. zwar mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen wirksam zum Versammlungsleiter gewählt, weil insoweit eine Wahl mit einfacher Mehrheit ausreichend und wirksam ist (Noack – Noack, aaO, § 48 GmbHG, Rn. 16; Lutter/Hommelhoff -Bayer, GmbHG, 20. A., § 48 GmbHG, Rn. 17a; BGH, Urteil vom 04. Mai 2009 – II ZR 166/07-, Rn. 7, juris). Es ist aber streitig, ob mit dieser wahl bereits die Kompetenz zur verbindlichen Beschlussfeststellung verbunden ist (dagegen: Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 120; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Beschluss vom 04. Dezember 1998 – 5 W 33/98 -, Rn. 11, juris; dafür: Münchener Kommentar zur GmbH/Liebscher, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 48 Rn. 107b; Henssler/Strohn/Hillmann, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, GmbHG § 48 Rn. 14). Zudem erklärte Rechtsanwalt Sch. namens des Klägers Dr. W. mehrfach, dass dieser die Beschlussfeststellung durch Herrn F. nicht akzeptierte. Es liegt daher auch keine widerspruchslose Feststellung vor (dazu: Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 38; § 48 GmbHG, Rn. 17a).

bb)

Die § 243 ff. AktG sind aber auch dann entsprechend anzuwenden, wenn es ohne eine förmliche Beschlussfeststellung durch einen Versammlungsleiter keine Unklarheit über das Ergebnis der Beschlussfeststellung gibt (Lutter/Hommelhoff- Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 38; Noack- Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 120a, 124; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 14. August 2014-23 U 4744/13-, Rn. 76, juris; OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Celle
, Urteil vom 15. Mai 1996 – 9 U 185/95 -, Rn. 20, juris). Ein förmliches Festhalten der Beschlussfassung ist auch auf andere Weise möglich, soweit das Ziel, Unsicherheit über die Fassung eines Beschlusses zu beseitigen, erreicht wird (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 – II ZR 187/06 -, Rn. 24, juris).

Das in Anlage K5 vorgelegte Protokoll der Gesellschafterversammlung enthält die Feststellung des Abstimmungsverhaltens und des konkreten Inhaltes der mit den Stimmen der anwesenden Gesellschafter gefassten Beschlüsse. Damit ist das Abstimmungsverhalten und der Beschlussinhalt im Einzelnen dokumentiert worden. Durch den Inhalt des über den Ablauf der Gesellschafterversammlung gefertigten Protokolls ist zweifelsfrei ersichtlich, mit wessen Stimmen welcher Beschluss mit welchem konkreten Inhalt gefasst wurde. Es haben sich insoweit auch für die Parteien keine Unklarheiten ergeben. In diesem Falle sind Beschlussmängel durch die gesellschaftsrechtliche Anfechtungs- und/ oder Nichtigkeitsklage geltend zu machen (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 120; Lutter/Hommelhoff-Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 38; Rohwedder – Koppensteiner, GmbHG, 4. A., § 47 GmbHG, Rn. 10). Da das GmbHG keine eigenständige Regelung über die Geltendmachung von Beschlussmängeln enthält – ebenso wenig wie der Gesellschaftsvertrag der Beklagten als GmbH – sind die aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend heranzuziehen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 – II ZR 187/06 -, Rn. 22, juris).

c)

Bei Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH ist die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG – sofern die Satzung, wie hier, keine abweichende Regelung enthält – grundsätzlich einzuhalten. Innerhalb dieser Frist müssen auch die Anfechtungsgründe in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern in den Rechtsstreit eingeführt werden. Wird die Monatsfrist überschritten, kommt es darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren klageweisen Geltendmachung des Anfechtungsgrundes gehindert haben (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2009- II ZR 272/08 -, juris). Binnen der Anfechtungsfrist muss der maßgebliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Anfechtbarkeit des Beschlusses herleiten will, vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 14. März 2005-11 ZR 153/03-, Rn. 17, juris).

3.

Durch den Kläger Dr. W. sind Anfechtungsgründe fristgerecht vorgetragen worden, soweit sie bereits in der Klageschrift vom 29.01.2015 in ihrem wesentlichen Kern hinreichend dargestellt wurden. Soweit dies aber erst mit der Klageerweiterungsschrift vom 02.03.2015 erfolgt ist, ist der Vortrag verfristet und sind diese Anfechtungsgründe im Rahmen der Begründetheit der Anfechtungsklage nicht zu berücksichtigen.

a)

Vortrag in der Klageschrift vom 29.01.2015 ist fristgerecht.

Nach der Beschlussfassung am 29.12.2014 lief die in § 246 Abs. 1 AktG benannte Monatsfrist mit dem 29.01.2015 ab. Die Klage wurde am 30.01.2015 um 3.36 Uhr anhängig (2 U 492/17, Blatt 1 der Akte) und der Beklagten am 18.02.2015 zugestellt (2 U 492/17, Blatt 145 der Akte). Die Zustellung wirkt gemäߧ 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurück, weil dem Kläger keine Verzögerung der KlagezustellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Klagezustellung
Verzögerung der Klagezustellung
zuzurechnen ist. Die Zahlung des Gerichtskostenvorschusses musste durch den Kläger nicht schon mit der Klageeinreichung erfolgen (Zöller – Greger, ZPO, 32. A., § 167 ZPO, Rn. 15). Der Vorschuss wurde durch das Landgericht mit Verfügung vom 04.02.2015 angefordert (2 U 492/17, Blatt I der Akte) und vom Kläger am 05.02.2015 eingezahlt (2 U 492/17, Blatt 11 der Akte). Der übrige Zeitablauf bis zur Zustellung beruhte auf gerichtsinternen Vorgängen.

Es ist unschädlich, dass die Klage 3 Stunden und 36 Minuten nach Fristablauf anhängig gemacht wurde. Der Zweck der Anfechtungsfrist liegt darin, eine Gefährdung der Zweckverfolgung durch die Gesellschaft durch eine lange Unsicherheit über den Bestand von Gesellschafterbeschlüssen zu vermeiden (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 8).

Der Zeitraum der vermeidbaren Unsicherheit wurde durch die Fristüberschreitung um wenige Stunden nicht verlängert, weil Maßnahmen des Gerichtes zur Förderung des Verfahrens sowieso erst im Verlauf des 30.01.2015 getroffen werden konnten. Die Fristüberschreitung ist daher unwesentlich (s.a. Scholz-Schmidt, GmbHG, 12. A., § 45 GmbHG, Rn. 143).

b)

Vortrag in der Klageerweiterung vom 02.03.2015 ist hingegen verspätet.

Die Klageerweiterungsschrift vom 02.03.2015 wurde am 11.03.2015 anhängig (2 U 492/17, Blatt 147 der Akte). Zwar hat die Zustellung, die am 16.03.2015 erfolgt ist, gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurückgewirkt, weil bis zur Zustellung kein wesentlicher Zeitraum verflossen war, aber die Klageerweiterung ist schon verspätet anhängig gemacht worden, denn die Anfechtungsfrist, die unter Zugrundelegung der Frist des§ 246 Abs. 1 AktG am 29.01.2015 ablief, ist um etwa 6 Wochen überschritten worden und zwingende Gründe für die erhebliche Überschreitung der Anfechtungsfrist liegen nicht vor.

aa)

Eine Überschreitung der Monatsfrist kann gerechtfertigt sein, wenn die zu klärenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen von erheblicher Schwierigkeit sind (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1992 – II ZR 286/91-, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 14. Mai 1990 – II ZR 126/89, Rn. 9, juris). Solche Fälle sind aber nur in eng begrenzter Ausnahme anzuerkennen (BGH, Urteil vom 18. April 2005 – II ZR 151/03-, Rn. 13, juris). Dies ist hier nicht der Fall.

Die Beklagte lud den Kläger mit Schreiben vom 09.12.2014 unter weitgehend wörtlicher Benennung der Beschlussvorlagen und unter Beifügung von Anlagen zur Gesellschafterversammlung ein. Ergänzungswünsche brachte der Kläger nicht an. Die Zeit seit dem Erhalt der Einladung bis zur Durchführung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Durchführung der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung
ist zu berücksichtigen, da der Kläger sie zur Vorbereitung auf die Beschlussgegenstände nutzen konnte. Die Beschlussgegenstände waren, soweit sie Gegenstand der Anfechtung sind, für die Beklagte als GmbH nicht ungewöhnlich, sondern zur regelmäßig wiederkehrenden Befassung durch die Gesellschafter gehörend. Der Kläger ist insoweit nicht unerfahren, sondern hat, wie dem Senat aus den vorangegangenen Berufungsverfahren dienstlich bekannt ist, bereits verschiedentlich Beschlussfassungen der Beklagten angefochten und wurde zudem in der Gesellschafterversammlung durch seinen Prozessbevollmächtigten betreut, der ausweislich der Niederschrift zu verschiedenen Gegenständen auch Fragen stellte und Erklärungen abgab, mithin in Bezug auf die Beschlussgegenstände handlungsfähig war. Zudem macht der Kläger selbst geltend, seinen Willen zur Anfechtung der Beschlüsse bereits in der Gesellschafterversammlung kundgetan zu haben.

bb)

Der Kläger war auch nicht auf den Erhalt der notariellen Niederschrift angewiesen, um den Inhalt der Beschlussfassung festzustellen.

Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter waren auf der Versammlung anwesend und konnten die Lage, den Ablauf und den Inhalt der Beschlussfassung unmittelbar wahrnehmen. Die Beschlussvorlagen waren in der Einladung im Wortlaut angekündigt worden und wurden weit überwiegend auch nur mit diesem Wortlaut zur Abstimmung gestellt. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter konnten den Inhalt der Beschlussfassung daher durch den laufenden Vergleich mit der Einladung in der Art eines eigenen Protokolls festhalten. Die Abweichungen durch die ergänzend und hilfsweise zur Abstimmung gestellten Beschlussvorschläge waren vor diesem Hintergrund nicht zu komplex und konnten ebenfalls in zumutbarer und sicherer Weise durch eine entsprechende Notiz auf der Einladung festgehalten werden. Damit konnte das jeweilige Beschlussergebnis sicher festgehalten werden; der Erhalt der gesellschaftsvertraglich nicht vorgeschriebenen notariellen Niederschrift war dafür keine Voraussetzung mehr. Tatsächlich hat auch der Bevollmächtigte des Klägers ein eigenes Protokoll erstellt und anhand dessen Fehler in der notariellen Niederschrift gerügt. Nach Allem ist nichts dafür ersichtlich, dass Unklarheiten und Dokumentationsschwierigkeiten bestanden hätten, die eine Kenntnis der Feststellungen in der notariellen Niederschrift erforderlich gemacht hätten.

cc)

Der Kläger ist auch nicht erst nachträglich von Tatsachen in Kenntnis gesetzt worden, die eine Anfechtung begründen.

Der Aufsichtsratsbeschluss vom 30.12.2013 wurde in der Gesellschafterversammlung thematisiert. Der Gegenstand der Beschlussfassung konnte daher in die Geltendmachung von Anfechtungsgründen eingearbeitet werden. Dass der konkrete Wortlaut hierfür erforderlich war, ergibt sich aus den vorgetragenen Anfechtungsgründen nicht. Der Kläger erläutert auch nicht weiter, wofür genau diese Kenntnis erforderlich war. Eine Vertiefung von Anfechtungsgründen, die in ihrem wesentlichen Kern bereits eingeführt worden waren, hätte anhand des konkreten Wortlautes im Übrigen auch nachgereicht werden können. Darüber hinaus erhielt der Kläger den Beschluss in seinem Wortlaut nach seinem eigenen Vortrag mit der notariellen Niederschrift am 31.01.2015. Die Frist für eine auf diesen Beschluss in seinem Wortlaut gestützte Anfechtung lief daher regelmäßig mit dem 02.03.2015 ab,§§ 187, 193 BGB. Die Klageerweiterung wurde aber erst am 11.03.2015 anhängig (s.o.) und war daher selbst mit Blick auf den Zustellungszeitpunkt noch verspätet.

4.

Durch den Kläger R. sind Anfechtungsgründe, die in seiner Klageschrift vom 02.03.2015 in ihrem wesentlichen Kern dargestellt wurden, rechtzeitig vorgetragen worden, da zwingende Gründe den Kläger an einer früheren Geltendmachung hinderten, denn der Kläger R. hatte vor dem Erhalt der notariellen Niederschrift über den Ablauf der Gesellschafterversammlung keine hinreichende Kenntnis von dem Inhalt der gefassten Beschlüsse, ohne dass dies auf seinem eigenen Versäumnis beruhte.

a)

Um die schützenswerten interessen des Gesellschafters angemessen zu berücksichtigen, ist für die Beurteilung, ob und gegebenenfalls wie lange die Unkenntnis des Gesellschafters von dem Inhalt der gefassten Beschlüsse einen zwingenden Grund für die Überschreitung der Monatsfrist des § 246 AktG im Sinne der Rechtsprechung des BGH abgibt, auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Dabei ist zu bedenken, dass die tatsächlich gefassten Beschlüsse als Ergebnis des Meinungs- und Informationsaustausches der Gesellschafter von den angekündigten Beschlussvorlagen erheblich abweichen können, und den Gesellschafter das Kostenrisiko trifft, wenn er gezwungen wäre, selbst bei unverschuldeter Unkenntnis von der konkreten Beschlussfassung auf der Grundlage der versendeten Tagesordnung oder innerhalb eines Monats ab der Gesellschafterversammlung Klage zu erheben. Es ist daher darauf abzustellen, wann der Gesellschafter entweder tatsächlich Kenntnis von den gefassten Beschlüssen erlangte oder ab wann ihm unter Berücksichtigung seiner Pflicht zur Erkundigung über die gefassten Beschlüsse eine schuldhafte Unkenntnis zuzurechnen war; solange der Gesellschafter unverschuldet in Unkenntnis von dem konkreten Inhalt der Beschlussfassung ist, ist es ihm hingegen nicht zuzumuten, eine Anfechtungsklage zu erheben (Scholz-Schmidt, GmbHG, 12. A., § 45 GmbHG, Rn. 143, 145). Erst damit wird der Gesellschafter in die Lage versetzt, die Beschlüsse ggf. nach Einholung von Rechtsrat zu prüfen und sinnvoll über eine eventuelle Anfechtung zu entscheiden. Die Wahrung des Interesses der Gesellschaft an einer beschleunigten Ausführung des Gesellschafterbeschlusses und Rechtssicherheit kann dadurch gewährleistet werden, dass die Geschäftsführung für eine zügige Übermittlung des Versammlungsprotokolls sorgt und damit die Frist in Lauf setzt (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 U 110/02 -, Rn. 16, juris). Den Gesellschafter, der trotz Kenntnis von der Gesellschafterversammlung und der in der Einladung enthaltenen Tagesordnungspunkte nicht an der Gesellschafterversammlung teilnimmt, trifft aber zur Vermeidung von Rechtsnachteilen die Pflicht, sich über den Inhalt eventueller Beschlussfassungen in Kenntnis zu setzen (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 U 110/02 -, Rn. 17, juris ; Lutter/Hommelhoff- Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 62; Scholz-Schmidt, aaO).

b)

Der Kläger war weder persönlich auf der Gesellschafterversammlung anwesend, noch vertreten, hatte also zunächst keine Kenntnis von den tatsächlich auf der Versammlung gefassten Beschlüssen.

Es ist auch nicht etwa deswegen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen, weil der Kläger unter Berücksichtigung der schützenswerten Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Interessen der Gesellschaft
und der Mitgesellschafter auf der Grundlage seiner gesellschafterlichen Treuepflichten verpflichtet gewesen wäre, sich auf der Gesellschafterversammlung vertreten zu lassen. Das Recht zur Teilnahme oder Vertretung auf der Gesellschafterversammlung übt der Gesellschafter eigennützig unter dem Gesichtspunkt aus, ob ihm in seinem eigenen Interesse die Teilnahme oder die Vertretung auf der Versammlung von entsprechender Wichtigkeit ist. Eine durch die Mitgliedschaft begründete Treuepflicht, selbst teilzunehmen oder aber sich vertreten zu lassen, kann unter Berücksichtigung der schützenswerten interessen der Mitgesellschafter und/oder der Gesellschaft nur dann begründet werden, wenn die auf der Versammlung zu behandelnden Beschlussgegenstände von einer entsprechenden Wichtigkeit und von einer entsprechenden Eilbedürftigkeit sind. Bei den angekündigten Beschlussgegenständen handelte es sich zwar um solche von Bedeutung für die Fortführung der Gesellschaft, es ergab sich aber weder aus der Einladung, noch ergibt es sich aus dem Vortrag der Beklagten, dass deren Behandlung auch von besonderer Eilbedürftigkeit war. Eine etwa beschlussunfähige Versammlung konnte auf der Grundlage von § 19 Ziffer 4 und 5 des Gesellschaftsvertrages zügig neu anberaumt werden. Zudem ist nicht ersichtlich, dass es im Vorfeld Anzeichen für eine mögliche Beschlussunfähigkeit der Versammlung gegeben hätte, die tatsächlich auch beschlussfähig war.

Dem Kläger ist weder die Kenntnis des Mitgesellschafters Dr. W. noch die Kenntnis seines jetzigen Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Zwischen dem Kläger und dem Mitgesellschafter Dr. W. bestand kein rechtliches Verhältnis, welches eine Zurechnung entsprechend § 166 BGB ermöglichen würde. Wenn und solange keine besonderen Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern bestehen, nimmt jeder der Mitgesellschafter seine interessen eigenständig und unabhängig wahr. Auch die Kenntnis des Rechtsanwaltes Sch. wäre dem Kläger entsprechend § 166 BGB nur auf der Grundlage und im Rahmen eines konkreten Mandates zuzurechnen. Dieses wurde von dem Kläger, wie durch die Vorlage der Vollmachtserteilung belegt ist (2 U 673/17, Blatt 668 der Akte), aber erst am 27.02.2015 erteilt.

c)

Der Kläger genügte seiner Erkundigungspflicht, indem er seinen damaligen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 07.01.2015 (2 U 673/14, Anlagen K 7, K 8) bei der Beklagten nach dem Ergebnis der Beschlussfassung fragen ließ.

Die gesellschafterliche Treuepflicht erfordert es nicht, sich gleichzeitig bei einigen oder allen Mitgesellschaftern nach dem Ergebnis der Versammlung zu erkundigen. Wirkung und Inhalt der Treuepflichten sind im Einzelnen weitgehend von einer Abwägung der Eigeninteressen des handelnden Gesellschafters und dem Gesellschaftsinteresse sowie den mitgliedschaftlichen interessen der anderen Gesellschafter abhängig (Noack – Fastrich, aaO, § 13 GmbHG, Rn. 23). Es ist für den Gesellschafter naheliegend, sich an die Gesellschaft zu wenden, um die erforderliche Auskunft über den Versammlungsablauf zu erhalten, da die Geschäftsführung zentraler Ansprechpartner in Angelegenheiten der .Gesellschaft ist, wie auch § 51a Abs. 1 GmbHG zeigt. Solange der Gesellschafter nicht wissen muss, dass der Gesellschaft die notwendigen Informationen nicht vorliegen, hat er damit das Notwendige und Ausreichende unternommen und ist den schützenswerten interessen der Mitgesellschafter an einer zügigen Erlangung von Rechtssicherheit Genüge getan, denn die Gesellschaft hat es damit in der Hand, dem Gesellschafter die erforderliche Kenntnis unverzüglich zu vermitteln oder aber die Hinderungsgründe zu benennen. Die Beklagte gab dem Kläger keine Antwort, ohne dass hierfür ein tragender Grund ersichtlich wäre. Das in Anlage B 2 vorgelegte Schreiben der Bevollmächtigten der Beklagten befasst sich nicht mit der Anfrage des Klägers und erwähnt nur eine Beschlussfassung über die Umwandlung der Beklagten, die ihrerseits nicht streitgegenständlich ist. Dieses Verhalten ist treuwidrig. Der Gesellschafter darf darauf vertrauen, dass die Gesellschaft und seine Mitgesellschafter ihn fair behandeln und die nachgefragten Informationen übermitteln, sobald sie vorliegen. Solange ihm keine Hinderungsgründe mitgeteilt werden, muss er nicht damit rechnen, dass sein Informationsverlangen auf Widerstand oder Hindernisse stößt. Solange muss er sich daher auch nicht an andere Ansprechpartner wenden. Es ist daher frühestens auf den Zugang der notariellen Niederschrift beim Kläger am 31.01.2015 abzustellen. Hiervon ausgehend lief die Monatsfrist des§ 246 Abs. 1 AktG mit dem 02.03.2015 ab (§§ 187 Abs. 1, 193 BGB), so dass die Anfechtungsgründe in der Klageschrift vom 02.03.2015 rechtzeitig geltend gemacht wurden. Es ist daher auch unerheblich, dass der Beklagten sogar die weitere Verzögerung der Kenntnisnahme durch den Kläger bis zum 14.02.2015 (2 U 673/17, Blatt 665 der Akte) zuzurechnen wäre, da sie die Niederschrift entgegen der Anforderung durch den Bevollmächtigten des Klägers (Anlage K 7) nicht an diesen übersandte.

5.

Die in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse sind nicht schon deswegen nichtig oder anfechtbar, weil – wie die Kläger geltend machen – das Recht des Klägers R. auf Teilnahme an der Versammlung verletzt worden wäre.

a)

Nichtig sind die Beschlüsse analog § 241 Nr. 1 AktG, wenn überhaupt keine Einberufung stattgefunden hat, die Gesellschafterversammlung von einem Nichtberechtigten einberufen wurde, oder wenn nicht sämtliche Gesellschafter geladen wurden. Der Nichtladung eines Gesellschafters steht es gleich, wenn die Ladung derart schwer wiegende Form- -und Fristmängel aufweist, dass ihm die Teilnahme faktisch unmöglich gemacht wird (Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 51 GmbHG, Rn. 28). Solches ergibt sich aus dem Klägervortrag nicht. Insbesondere wurde die schriftliche Einladung auch an die Kläger versandt und mit einer ausreichenden inhaltlichen Ankündigung der Tagesordnung versehen. Auch machen die Kläger nicht geltend, dass die Einladungsfrist, § 19 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages, nicht gewahrt wurde. Die Teilnahme kann zwar auch dadurch faktisch unmöglich gemacht werden, dass die Gesellschafterversammlung zu einem Zeitpunkt einberufen wird, an dem der Gesellschafter, wie das Einberufungsorgan von vornherein weiß, verhindert ist (BGH, Urteil vom 28. Januar 1985 – II ZR 79/84 -, Rn. 10, juris). Diese Kenntnis hatte die Geschäftsführung der Beklagten bei Versendung der Einladung aber nicht.

b)

Es liegt auch keine die Anfechtung begründende Verletzung des Teilnahmerechtes vor.

aa)

Eine Verletzung des aus der Mitgliedschaft rührenden Rechtes des Gesellschafters, seine interessen auf der Gesellschafterversammlung wahrzunehmen, kann unter dem Gesichtspunkt einer etwa trotz Einhaltung der Ladungsfrist nicht ausreichenden Möglichkeit zur Vorbereitung auf die Behandlung bestimmter Tagesordnungspunkte oder einer zu berücksichtigenden Verhinderung des Gesellschafters unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht bedeutsam werden (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 31. Juli 2014 – 23 U 3842/13 -, Rn. 41, juris). Es kann nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere bei geringer Gesellschafterzahl, geboten sein, auf das Teilnahmerecht eines Gesellschafters auch dann Rücksicht zu nehmen, wenn sich erst nach der Einladung der Gesellschafter herausstellt, dass einer von ihnen verhindert ist und durch Dritte nicht sachgemäß vertreten werden kann (BGH, Urteil vom 28. Januar 1985 – II ZR 79/84 -, Rn. 10, juris). Die Terminauswahl darf nicht willkürlich oder schikanös oder für einen Gesellschafter aus anderen Gründen unzumutbar sein (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 10. Oktober 2006 – 4 U 382/05 – 169, Rn. 58, juris). Dies kann einen Anfechtungsgrund bieten (Noack – Noack, aaO, § 51 GmbHG, Rn. 28; Anh. § 47 GmbHG, Rn. 45 Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 51 GmbHG, Rn. 15), der, da es sich um den Kernbereich des Mitgliedschaftsrechtes handelt, als Verfahrensfehler bei wertender Betrachtung auch von Relevanz wäre. Denn es ist die „Relevanz“ des Verfahrensverstoßes für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht des Aktionärs im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits maßgeblich, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt. In einer angesichts der zu behandelnden Beschlussgegenstände und der Art der Verhinderung treuwidrigen Durchführung einer Gesellschafterversammlung läge damit ein „relevanter“ Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des betreffenden Gesellschafters, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beitrag des verhinderten Gesellschafters einen objektiv urteilenden Mitgesellschafter von der Zustimmung zu der Beschlussvorlage abgehalten hätte oder die Stimmen des verhinderten Gesellschafters den Ausschlag gegeben hätten. Kausalitätserwägungen sind insoweit nicht anzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 – 11 ZR 250/02-, Rn. 14, juris).

bb)

Ein Anfechtungsgrund liegt aber nicht vor.

(1)

Der Kläger R. erwähnt, es habe angesichts der Komplexität der zu behandelnden Beschlussgegenstände keine ausreichende Zeit zur Vorbereitung gegeben. Es ergibt sich aus dem Vortrag aber nicht, aus welchen Gründen und in Bezug auf welche der zu behandelnden Beschlüsse weitere Zeit zur Vorbereitung erforderlich gewesen wäre. Dies kann der Kläger auch nicht vortragen, da er nach seinem Vortrag urlaubsbedingt abwesend war und sich schon aus diesem Grunde nicht auf die Versammlung vorbereitete. Soweit der Kläger sich dabei auf die Komplexität der Umwandlungsmaterie bezieht, ist zudem zu beachten, dass die Umwandlung an sich gerade nicht angegriffen wird.

(2)

Die behauptete urlaubsbedingte Verhinderung begründet die Anfechtung nicht.

(2.1)

Eine Verletzung des Teilnahmerechtes des Gesellschafters im Falle dessen Verhinderung kann vorliegen, wenn die Verhinderung rechtzeitig mitgeteilt worden ist, lediglich kurzfristig war und nachvollziehbare Gründe für das Erfordernis einer Beschlussfassung gerade zu dem anberaumten Termin nicht ersichtlich sind (OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Beschluss vom 24. Mai 2016 – 18 U 113/15 -, Rn. 15, juris ). Soweit der Gesellschaftsvertrag keine ausdrücklichen Vorgaben enthält, ist das Einberufungsorgan zwar in der Zeitwahl grundsätzlich frei; jedoch darf die Teilnahme der Gesellschafter nicht unzumutbar erschwert werden. Der Zeitpunkt der Versammlung muss den Gesellschaftern zumutbar, d.h., verkehrsüblich und angemessen sein. Für das Einberufungsorgan muss dabei der entscheidende Gesichtspunkt sein, dass möglichst allen Gesellschaftern die Teilnahme an der Versammlung ermöglicht wird (vgl. BayObLG, Beschluss vom 16. Juli 2004 – 3Z BR 100/04-, Rn. 34ff, zum Verein).

(2.2)

Die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung ist nicht schon deswegen angreifbar, weil sie auf den 29.12. angesetzt wird. Dieser Werktag ist ebenso gut zur Abhaltung einer Gesellschafterversammlung geeignet, wie andere Tage des Jahres. Dass dieser Tag in den Zeitraum von Schulferien fällt oder gerne für Urlaub genutzt wird, steht dem nicht entgegen, denn ein negativer Einfluss auf die Möglichkeit der Gesellschafter, an der Versammlung teilzunehmen, ist nicht von vorneherein ersichtlich. Tatsächlich waren auf der Versammlung auch, wie sich aus der Feststellung unter B 9. der Niederschrift (Anlage K14) ergibt, 98,20% des Stammkapitals vertreten. Die Beklagte hat einen Gesellschafterbestand von 21 Personen, ohne dass ein besonderes Näheverhältnis auch eine besondere Rücksichtnahme auf die persönlichen Verhältnisse der Mitgesellschafter gebieten würde. Eine Rücksichtnahme auf das Urlaubsbedürfnis der Gesellschafter würde bei 21 Personen schon dann, wenn jeder nur 2 Wochen Urlaub in Anspruch nähme, zu einer unzumutbaren Einschränkung der möglichen Termine für die Abhaltung von Versammlungen führen.

(2.3)

Die Berufung des Klägers auf die behauptete Verhinderung ist zudem nach den besonderen Umständen des vorliegenden Sachverhaltes als treuwidrig anzusehen und seine Berufung auf diesen Anfechtungsgrund daher auch unzulässig.

Die Einladung stammt vom 09.12.2014, das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten des Klägers hingegen erst vom 19.12.2014 (Anlage K 3), und es ging auch nach dem Vortrag des Klägers der Beklagten erst am 23.12.2014 um 15 Uhr 10 zu. Das Büro der Beklagten war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr besetzt und wegen des Betriebsurlaubs war der erste Arbeitstag erst wieder der 29.12.2014 (2 U 673/17, Blatt 356 der Akte). Dass diese Umstände dem Kläger bekannt waren, hat der Kläger nicht bestritten. Der Kläger trug zwar vor, bis zum 23.12.2014 mehrtägig ortsabwesend gewesen zu sein (2 U 673/17, Blatt 661 der Akte), dies kann die Verzögerung angesichts dessen, dass er seinem Bevollmächtigten die Einladung spätestens am 19.12.2014 übergeben haben muss, nicht erklären. Der Kläger hat auch keine Erklärung dafür gegeben, dass er der Beklagten nicht zuvor bereits auf anderem Wege Bescheid gab. Diese Umstände sprechen dafür, dass der Kläger seinerseits – wie die Beklagte auch geltend macht – auf die Schaffung eines Anfechtungsgrundes aus war und damit treuwidrig handelte. Zudem machte es dieser Zeitablauf der Beklagten unmöglich, mit den Gesellschaftern in Kontakt zu treten, die von dem Kläger vorgebrachten Gründe zu verifizieren, das Gewicht der interessen des Klägers unter Berücksichtigung der übrigen Beteiligten abzuwägen und eine geordnete Verlegung durchzuführen. Auf den Hinweis des Senats hat der Kläger zwar ergänzend vorgetragen (Blatt 1892 der Akte). Demnach erlangte der Kläger erst am 14.12.2014 Kenntnis von der Einladung, was der Kläger aber nicht weiter begründet hat und wofür der Kläger auch keine Belege vorgelegt hat. Der Vortrag erklärt zudem nicht, warum der Kläger nicht bereits am 15.12.2014 die Beklagte darauf hinwies, an der Teilnahme verhindert zu sein. Gerade dann, wenn der Kläger von der Thematik überfordert war, lag es nahe, den Hinderungsgrund sofort geltend zu machen. Es wird auch nicht verständlich, warum nicht wenigstens am 19.12.2014 die Verhinderung durch Fax, Telefonanruf oder Email bekannt gegeben wurde.

6.

Der Beschluss vom 29.12.2014 zur Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
zum 31.12.2013 ist nichtig, da Rückstellungen für Verbindlichkeiten der Beklagten aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung mit der P. M. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
hätten gebildet werden müssen und deren Unterlassung die Darstellung wegen des Einflusses auf den Ausweis des Jahresüberschusses wesentlich verfälscht.

a)

In der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 29.12.2014 wurde der Beschluss zur Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gefasst, wie er unter Ziffer 1. des landgerichtlichen Urteils vom 26.10.2017 inhaltlich dargestellt ist.

Aus der insoweit nicht angegriffenen notariellen Niederschrift (Anlage K 5 in 2 U 673/17 = Anlage K 14 in 2 U 492/17) ergibt sich, dass zunächst ohne den Kläger Dr. W. abgestimmt und für den Beschluss 3.857 Stimmen und gegen den Beschluss 337 Stimmen abgegeben wurden, woraufhin Herr F. in – vom Kläger Dr. W. gerügter – Stellung als Versammlungsleiter feststellte, dass der Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 festgestellt worden sei. Sodann wurde ausweislich der Niederschrift hilfsweise nochmals mit Herrn Dr. W. über die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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abgestimmt. Für den Beschlussvorschlag stimmten wiederum 3.857 Stimmen, gegen den Beschlussvorschlag nunmehr 453 Stimmen. Wiederum stellte Herr F. fest, dass der Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2013 festgestellt worden sei. Rechtsanwalt Sch. erklärte namens des Klägers Dr. W., dass dieser die Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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durch Herrn F. nicht akzeptiere. Nach weiterer Aussprache wurde dann der unter Ziffer 1. des angefochtenen Urteils nach „hilfsweise“ dargestellte Beschlussvorschlag im nämlichen Prozedere zur Abstimmung gestellt und festgestellt.

b)

Es liegt kein Stimmzählungsfehler wegen der Berücksichtigung der Stimmen von Nichtgesellschaftern bei der Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Feststellung des Beschlussergebnisses
vor. Aus dem Vortrag der Parteien ergibt sich, dass ein Streit darum besteht, ob die Gesellschafter H., M. und G. ihre Gesellschaftsanteile wirksam erlangten. Es handelt sich daher um einen etwaigen Fehler bei der Bewertung der Gültigkeit abgegebener Stimmen, der eine Beschlussfassung anfechtbar machen kann, wenn bei richtiger Bewertung ein anderes Beschlussergebnis hätte festgestellt werden müssen (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 116, 117). Der Kläger Dr. W. hat nur die Bewertung der Stimmen des Herrn H. rechtzeitig mit seiner Klageschrift gerügt. Der Kläger R. hat aber darüber hinaus die Bewertung der Stimmen auch der Herren M. und G. rechtzeitig gerügt. Ein Stimmzählungsfehler liegt nicht vor, da die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste vom 07.10.2014 (2 U 673/17, Anlage K1) die Herren H., M. und G. als Gesellschafter der Beklagten auswies. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Gesellschafter, der in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Bei unwirksamer Übertragung eines Gesellschaftsanteils hat diese Vorschrift materielle Wirkung und begründet eine die Gesellschaft bindende relative Gesellschafterstellung (Noack – Fastrich, aaO, § 16 GmbHG, Rn. 16). Die Stimmen dieser Gesellschafter waren daher bei Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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als wirksam zu bewerten.

Der Hinweis der Kläger, es fehle an einer wirksamen Beschlussfeststellung, ist unerheblich, denn Beschlüsse einer GmbH erfordern keine Feststellung, um wirksam zu sein.

Mit der hilfsweisen Wiederholung der Abstimmung unter Beteiligung auch des Klägers Dr. W. liegt keine unzulässige bedingte Beschlussfassung vor. Es handelt sich nicht um eine die Beschlussfassung intransparent und unbestimmt machende Bedingung, denn der Inhalt des Beschlusses ist nicht tangiert. Es handelt sich lediglich um eine Gestaltung des Abstimmungsverfahrens, um das Beschlussergebnis auch für den Fall nachzuweisen, dass Dr. W. entgegen der Auffassung der Beklagten als Gesellschafter zur Abstimmung zuzulassen war.

c)

Der Beschluss ist aber entsprechend § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AktG iVm §§ 249 Abs. 1 Satz 1, 253 Abs. 1 Satz 2 HGB nichtig, da Rückstellungen für Verbindlichkeiten der Beklagten aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung mit der P. M. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
(im Folgenden: die P. M.) hätten gebildet werden müssen und deren Unterlassung die Darstellung wegen des Einflusses auf den Ausweis des Jahresüberschusses wesentlich verfälscht. Inhaltliche Mängel eines festgestellten Jahresabschlusses führen in entsprechender Anwendung des § 256 AktG unter den dort aufgestellten Voraussetzungen zur Nichtigkeit der Feststellung (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 63, 63a; Lutter/Hommelhoff- Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 57; BGH, Urteil vom 12. Januar 1998 – II ZR 82/93 -, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1999 – II ZR 120/98 -, Rn. 7, juris). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

aa)

Für die von der P. M. aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung mit der Beklagten geltend gemachten Beträge musste angesichts der bekannten Gerichtsentscheidungen und der Ungewissheit, ob die Beklagte mit ihren Einwänden gegen den  Bestand der Vereinbarung durchdringen werde, eine Rückstellung gebildet werden.

(1)

Rückstellungen bilden eine Bilanzposition, § 266 Abs. 3, lit. B HGB. Sie sind u.a. für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, und in der Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung erforderlichen Erfüllungsbetrages anzusetzen, § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB.

Es sind Passivposten mit dem Zweck, Aufwendungen, deren Existenz oder Höhe am Abschlussstichtag noch nicht sicher sind und die erst später zu einer Auszahlung führen, der Periode der Verursachung zuzurechnen (Baumbach/Hopt – Merkt, HGB, 42. A., § 249 HGB, Rn. 1 ). Eine ungewisse Verbindlichkeit im Sinne des § 249 HGB liegt vor, wenn sie in Grund oder Höhe oder in Bezug auf den Zeitpunkt ihres Entstehens nicht feststeht, einerlei, ob aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen. Es besteht eine Pflicht zur Bildung erforderlicher Rückstellungen. Ist die Inanspruchnahme gewiss, ist die Verbindlichkeit zu passivieren, wird sie gewiss, ist entsprechend umzubuchen (Baumbach/Hopt-Merkt, aaO, § 249 HGB, Rn. 2/ 4). Das Bestehen der Verbindlichkeit und die tatsächliche Inanspruchnahme müssen objektiv wahrscheinlich sein (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Urteil vom 07. November 2006- 5 U 109/05-, Rn. 19, juris). Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sind bei der Bewertung der im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden alle voraussehbaren Risiken und Verluste zu berücksichtigen; dies gilt auch bei der Entscheidung über die Bildung von Rückstellungen (BGH, Urteil vom 28. Januar 1991 – II ZR 20/90 -, Rn. 13, juris). In einem solchen Fall ist eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung erforderlich. Die Wahrscheinlichkeit, ob der geltend gemachte Anspruch in relevantem Umfang besteht, ist nach dem jeweiligen Erkenntnisstand vonJahr zu Jahr zu beurteilen (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Urteil vom 24. Juni 2009 – 23 U 90/07-, Rn. 106, juris). Maßgeblich ist, welche Tatsachen am Bilanzstichtag vorlagen und bis zu dem Zeitpunkt erkennbar waren, zu dem die Bilanz spätestens aufzustellen war (Baumbach/Hopt – Merkt, aao, § 249 HGB, Rn. 2). Eine Rückstellungsbildung ist erforderlich, wenn mehr Gründe für eine als gegen eine Inanspruchnahme der Gesellschaft sprechen. In diesem Zusammenhang ist eine sorgfältige Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände erforderlich, weshalb es gegebenenfalls tatsächlicher Feststellungen und rechtlicher Wertungen bedarf. Hierbei ist die Beklagte nicht frei, sondern muss der Pflicht zur Bildung vonRückstellungen folgen, sobald die Tatbestandsvoraussetzungen hierfür vorliegen. Ihre subjektive Erwartung eines günstigen Prozessausgangs ist nicht entscheidend. Es kommt allein auf objektive Kriterien an. Die Frage, ob mehr Gründe für als gegen das Bestehen einer Verbindlichkeit in relevanter Höhe sprechen, ist demgemäß auf Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen (vgl. § 252 Abs. 1 Ziff, 4 HGB) aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmannes zu beurteilen. Dabei darf weder die optimistischste, noch die pessimistischste Schätzungsalternative gewählt werden. Vernünftiger kaufmännischer Beurteilung entspricht es vielmehr, den eine Rückstellung begründenden Sachverhalt mit allen positiven und negativen Aspekten zu berücksichtigen. Die Beklagte musste also die Forderung in der Höhe ansetzen, in der mit ihr gerechnet werden musste, wobei vor allem die für sie erkennbaren Vorstellungen des Anspruchsstellers maßgeblich waren. Sie hatte dabei dem in § 252 Abs. 1 Ziff. 4 HGB enthaltenen Grundsatz der vorsichtigen Bewertung zu entsprechen. Auch der Grundsatz der Bilanzvollständigkeit als Ausprägung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit spricht für eine möglichst vollständige Einstellung von Risiken in die Bilanz. Ein Ermessensspielraum kommt dabei dem Bilanzierenden nicht zu. Der Begriff des „Ermessens“ würde einen objektiv nicht überprüfbaren Entscheidungsfreiraum und damit ein gewisses Passivierungswahlrecht suggerieren. Eine Bilanz ist vielmehr aus objektivierter Perspektive zu betrachten, wobei eine Abwägung aller Umstände aber mitunter dazu führen kann, dass mehr als ein Ergebnis vertretbar erscheint (hierzu: OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 24. Juni 2009 – 23 U 90/07 -, Rn. 109, juris).

Dem Grunde nach unsicher ist eine Verbindlichkeit, wenn die Merkmale ihres Entstehungstatbestandes noch nicht (vollständig) erfüllt und ihre Vollendung auch nicht als sicher zu gelten hat oder wenn begründeter Streit über den Bestand der Verbindlichkeit besteht. Rückstellungsfähig ist eine solche Verbindlichkeit aber nur, wenn die Verbindlichkeit nach den am Bilanzstichtag objektiv gegebenen Verhältnissen mit einiger Wahrscheinlichkeit besteht oder entstehen wird, wenn der Bilanzierende mit ihrem Be- oder Entstehen ernsthaft zu rechnen hat. Diese objektivierenden Kriterien müssen auch für das Handelsbilanzrecht gelten. Sie sind freilich nicht im Sinne einer statistischen Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % o.ä. zu verstehen, sondern erfordern eine am Vorsichtsprinzip orientierte Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns (Staub – Kleindiek, HGB, 5. Aufl. 2014, § 249 HGB, Rn. 35).

(2)

Der Jahresabschluss der Beklagten zum 31.12.2013 enthält unter den Passiva, ,,C. Rückstellungen“ einen Ansatz für Steuerrückstellungen in Höhe von 12.620.- Euro und für sonstige Rückstellungen in Höhe von 427.909,37 Euro (2 U 673/17, Anlage K 2, Erstellungsbericht Seite 54). Wie die „sonstigen Rückstellungen“ sich zusammensetzen, ergibt sich aus Seite 32, 33 des Erstellungsberichtes. Eine Rückstellung für etwaige Verbindlichkeiten der Beklagten gegenüber der P. M. aus der umstrittenen Teilgewinnabführungsvereinbarung ist nicht enthalten.

(3)

Die Beklagte und die P. M. stritten über viele Jahre über die Verpflichtung der Beklagten, jährlich einen Teil ihres Jahresüberschusses an die P. M. abzuführen.

Die P. M. und die Beklagte führten bereits in Bezug auf den Gewinnanteil für das Jahr 2003 einen Rechtsstreit vor dem Landgericht Mühlhausen, welches die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilte. Die Berufung gegen diese Verurteilung wies der 1. Senat des Thüringer Oberlandesgerichts mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 04.09.2008 (Az. 1 U 954/07) zurück. Eine weitere Verurteilung der Beklagten durch das Landgericht Mühlhausen (Az. 1 HK O 94/08) bezüglich der anteiligen Gewinnabführung für die Jahre 2004 und 2005 blieb unangefochten. Auch den Gewinnanteil für das Jahr 2008 klagte die P. M. vor dem Landgericht Mühlhausen ein. Mit Urteil vom 26.08.2010 gab das Landgericht der Klage statt. Mit Urteil vom 06.03.2013 (Az. 2 U 782/10) wies der Senat die Berufung der Beklagten zurück. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wurde zurückgewiesen (BGH, Az. II ZR 139/13). Anhängig war noch das Verfahren auf Zahlung der Teilgewinnabführung für das Jahr 2009 (Landgericht Mühlhausen, Az. 1 HK O 77/13). Im Jahre 2012 bezahlte die Beklagte die eingeforderten Beträge für die Jahre 2008 und 2009 in Höhe von zusammen 35.867,58 Euro (vgl. 2 U 492/17, Blatt 968).

Für die Jahre 2010 und 2011 machte die P. M. Gewinnabführungsansprüche in Höhe von 35.972,22 Euro und 17.021,96 Euro geltend und forderte die Beklagte zur Zahlung der Beträge bis zum 19.10.2012 bzw. bis zum 27.03.2013 auf. Da die Beklagte die Zahlung verweigerte, klagte die P. M. die Beträge im Jahre 2014 ein. Widerklagend und hilfswiderklagend begehrte die Beklagte die Feststellung, dass die Teilgewinnabführungsvereinbarung aus einer Reihe von Gründen unwirksam sei. Mit Urteil vom 22.01.2015, Az. 1 HK O 9/14, wies das Landgericht Mühlhausen die Klage als derzeit unbegründet sowie die Widerklage und Hilfswiderklagen als unbegründet ab. Mit Urteil vom 16.05.2018 (2 U 79/15) änderte der Senat das Urteil zu Gunsten der Klägerin ab und verurteilte die Beklagte zur Zahlung der eingeklagten Beträge. Die Widerklage der Beklagten wies der Senat ab und ihre Berufung zurück. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, auf die der BGH die Revision zugelassen hat. Mit seinem Urteil vom 16.07.2019 (Az. II ZR 175/18) hat der BGH die Revision zurückgewiesen. Mit der Zurückweisung der Revision gegen das Urteil des Senats vom 16.05.2018 steht mittlerweile rechtskräftig fest, dass die Teilgewinnabführungsvereinbarung wirksam ist.

Die Beklagte hatte also bereits in den Vorjahren die Unwirksamkeit der Teilgewinnabführungsvereinbarung aus einer Reihe von Gründen geltend gemacht, die mit den Rechtsstreiten befassten Gerichte aber die Vereinbarung als wirksam und die Beklagte als zur Zahlung von 20% des Jahresüberschusses verpflichtet angesehen. Auch für die Jahre 2010 und 2011 hatte die P. M. die Zahlung außergerichtlich eingefordert. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit musste die Beklagte davon ausgehen, dass die P. M. die Beträge ernstlich einfordert und gerichtlich geltend machen wird. Damit knüpfte die streitige Verbindlichkeit an Vergangenes an und galt Vergangenes ab, so dass die Verpflichtung rückstellungsfähig war (BGH, Urteil vom 28. Januar 1991 – II ZR 20/90 -, Rn. 12, juris ). Die P. M. hatte die jeweiligen Gewinnabführungsverträge für die Jahre bis 2009, soweit erforderlich, bereits erfolgreich eingeklagt. Im Vorjahr hatte die Beklagte ausstehende Beträge für diese Jahre nachgezahlt. Soweit Rechtsstreitigkeiten geführt worden waren, hatten die beteiligten Gerichte die Position der P. M. zum Bestand und zur Höhe der Gewinnabführung bestätigt. Zwar hat auch die Qualifizierung einer streitbefangenen Verbindlichkeit grundsätzlich unter Zugrundelegung des Rechtsstandpunkts des Kaufmanns zu erfolgen (BFH·, Urteil vom 30. Januar 2002 -1 R 68/00 -, Rn. 8, juris), aber die Beklagte musste nach allem trotz ihrer abweichenden Rechtsauffassung mit einer weiteren erfolgreichen Inanspruchnahme durch die P. M. ernsthaft rechnen.

bb)

Die Rückstellung musste in Höhe von 20% des Jahresüberschusses angesetzt werden.

Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind Rückstellungen mit dem Betrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Auch hier ist gemäß § 25.2 Abs. 1 Nr. 4 HGB vorsichtig zu bewerten (Staub – Kleindiek, aaO, § 253 HGB, Rn. 35).

Die Unterstellung unwahrscheinlicher oder besonders negativer Geschehensabläufe ist nicht zulässig. Der Wertansatz aus dem Intervall denkbarer Werte muss vielmehr so bemessen sein, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit gegen eine höhere Belastung spricht (Staub – Kleindiek, aaO, § 253 HGB, Rn. 35). Bei Ungewissheit des Grundes, aber Gewissheit der Höhe ist in der Regel der volle Betrag anzusetzen (Baumbach/Hopt – Merkt, aaO, § 253 HGB, Rn. 3).

Dass die von den Klägern benannten Beträge 20% des für die Jahre 2010 und 2011 durch die Beklagte erwirtschafteten Jahresüberschusses ausmachten, ist nicht streitig. Bis zur Erstellung und Feststellung des Jahresüberschusses hatten die beteiligten Gerichte gegen die Beklagte auch auf der Grundlage einer Pflicht zur Abführung von 20% des Jahresüberschusses entschieden. Die Beklagte griff zwar auch die Berechnung des abzuführenden Betrages an, es war aber deswegen noch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass zukünftig eine geringere Belastung bestehen werde. Zwar äußerte der Senat im Verlauf des Rechtsstreites 2 U 79/15 zwischenzeitlich Zweifel an der Berechnung durch P. M., aber dies erfolgte nach der Erstellung und Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und war deswegen nicht in die Entscheidung über die Bildung der Rückstellung einzubeziehen. Nach allem war zur Bildung der erforderlichen Rückstellung der volle Betrag von zusammen 52.994,18 Euro einzustellen.

cc)

Gemäß § 256 Abs. 5 Satz 2 AktG ist die unterbliebene, aber gebotene Rückstellung einer Überbewertung gleichzustellen (Hüffer, AktG, 10. A., § 253 HGB, Rn. 25). Die auf die Überbewertung von Posten des Jahresabschlusses bezogene Bestimmung des § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG ist daher auch in diesem Falle heranzuziehen (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Urteil vom 07. November 2006 – 5 U 109/05-, Rn. 19, juris).

Zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt die Überbewertung dann, wenn sie die Darstellung wesentlich beeinträchtigt (Hüffer, aaO, § 256 AktG, Rn. 25; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 17. April 1991 – 8 U 173/90 -, Rn. 5, juris). Für die Frage der Wesentlichkeit kommt es zum einen auf die Bedeutung der verletzten Norm, zum anderen auf die Auswirkungen des Verstoßes auf das Zahlenwerk insgesamt, insbesondere auf die Erheblichkeit des Betrags an, um den die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu gut oder zu schlecht dargestellt wird (Schmidt, K./Lutter – Schwab, AktG, 3. A., § 256 AktG, Rn. 15). Die Überbewertung beeinträchtigt hier die Darstellung wesentlich. Das Verhältnis des Betrages von 52.994,18 Euro zu dem ausgewiesenen Betrag des Bilanzpostens „Rückstellungen“ in Höhe von 440.549,37 Euro beträgt 12,02 %, zur ausgewiesenen Bilanzsumme von 2.202.459,22 Euro 2,40 % und zu dem ausgewiesenen Jahresüberschuss von 23.382,84 Euro 226,63 %. Das Verhältnis ist zwar im Vergleich zur Bilanzsumme gering, die Rückstellung wirkt sich aber auf den auszuweisenden Jahresüberschuss ganz erheblich aus, denn bei Bildung der entsprechenden Rückstellung ist kein Jahresüberschuss mehr auszuweisen, sondern ein Jahresfehlbetrag. Der ausschüttbare Gewinn liefert über die Ertragslage eine wesentlich stichhaltigere Aussage als die Bilanzsumme als solche (Schmidt, K./Lutter – Schwab. aaO, § 256 AktG, Rn. 16). Ein erheblicher Fehler liegt daher bei einer wesentlichen Auswirkung auf den auszuweisenden Gewinn vor (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 17. April 1991 – 8 U 173/90-, Rn. 13).

d)

Damit ist auch der Beschluss zur hilfsweisen Korrektur der Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nichtig. Der Korrekturbeschluss steht und fällt mit dem Feststellungsbeschluss in seiner Gänze: da der Beschluss zur Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aus den oben genannten Gründen nichtig ist, ist es auch die damit untrennbar verbundene Korrektur.

7.

Die Beschlussfassung über die Verwendung des Jahresüberschusses ist ebenfalls nichtig, da die Beschlussfassung über die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nichtig ist (Noack – Fastrich, aaO, § 29 GmbHG, Rn. 8; – Haas, aaO, § 42a GmbhG, Rn. 37; OLG. Frankfurt, Urteil vom 07. November 2006 – 5 U 109/05 -, Rn. 19, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 11. Februar 2004 – 14 U 23/03 -, Rn. 15, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 14. Mai 2003 – 20 U 31/02 -, Rn. 53, juris).

8.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend den Ausschluss des Klägers Dr. W. ist auf die Anfechtungsklagen beider Kläger hin für nichtig zu erklären, weil die gesellschaftsvertraglich erforderte Voraussetzung für den Ausschluss – eine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten – nicht vorliegt.

a)

Der Gesellschaftsvertrag kann den Ausschluss eines Gesellschafters durch gestaltenden Beschluss der Gesellschafterversammlung vorsehen und nach Voraussetzungen und Verfahren näher regeln (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, Rn. 4, juris).

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sieht unter § 17 (2 U 492/17, Blatt 138 der Akte) den zwangsweisen Ausschluss durch einen gestaltenden Beschluss der Gesellschafterversammlung vor. Gemäß § 20 Ziffer 2 können Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen gefasst werden, soweit nicht das Gesetz eine größere Mehrheit vorsieht. Ob entsprechend § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG auch für den gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Ausschlussbeschluss eine Mehrheit von 75 % erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2003 – II ZR 227/00-, Rn. 7, juris, zur Beschlussfassung über die Erhebung einer Ausschlussklage) kann vorliegend offen bleiben. Die Gesellschafterversammlung hat nämlich nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen In der notariellen Niederschrift (2 U 492/17, Anlage K14, Seiten 16, 17) mit einer Mehrheit von 91,96% der ohne den betroffenen Gesellschafter Dr. W. abgegebenen Stimmen für den Ausschluss gestimmt.

b)

Beide Kläger haben die jeweiligen Anfechtungsgründe fristgerecht in ihren Klageschriften geltend gemacht.

Beide Kläger sind anfechtungsbefugt entsprechend § 245 GmbHG. Für den Kläger Dr. W. gilt dies ungeachtet der Tatsache, dass er in der zur Zeit der Gesellschafterversammlung und der vorliegenden Klageerhebung beim Handelsregister befindlichen Gesellschafterliste nicht mehr aufgeführt wird. Denn Dr. W. ist als zur Führung des Rechtsstreites klagebefugt anzusehen, um ihm den angemessenen Rechtsschutz zur Verteidigung seiner streitigen Mitgliedschaft zu gewähren. Der Zugang zur gerichtlichen Prüfung des Ausschlussbeschlusses darf nicht unzumutbar und verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar erschwert werden. Die Bejahung der Anfechtungsbefugnis kann durch eine erweiternde Auslegung des§ 245 Nr. 1 AktG eröffnet werden (BVerfG, Beschluss vom 09. Dezember 2009 – 1 BvR 1542/06-, Rn. 22, 26, juris). Für die Wahrnehmung der Rechte gegen den Beschluss selbst ist daher von einer weiteren Rechtsinhaberschaft auszugehen, um der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit Geltung zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 – II ZR 109/11-, Rn. 24, juris; BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 229/09-, Rn. 8, juris).

Der verstorbene Kläger R. war als Gesellschafter der Beklagten ungeachtet dessen, dass er auf der Gesellschafterversammlung nicht anwesend war, anfechtungsbefugt. § 245 Satz 1 Nr. 1 – 3 AktG ist auf die GmbH nicht analog anwendbar. Anfechtungsbefugt ist jeder Gesellschafter, gleichgültig, ob er an der Gesellschafterversammlung teilgenommen hat und gleichgültig ob er bei der Teilnahme Widerspruch erhoben hat (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 136). Dem Kläger R. fehlte insoweit nicht das Rechtsschutzbedürfnis, auch wenn der Ausschluss des Dr. W. keine unmittelbaren Folgen für seine eigene Stellung als Gesellschafter der Beklagten hatte. Zum einen war der Kläger R. in der Wahrnehmung seiner mitgliedschaftlichen interessen insoweit betroffen, als sich im Falle des erfolgreichen Ausschlusses die Zusammensetzung der Gesellschafterversammlung verändert, was auf die Beratung und Stimmabgabe von Einfluss sein kann. Zudem ist die gesellschaftsrechtliche Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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als Instrument zur Kontrolle der Gesetz- und Rechtmäßigkeit des Organhandelns einer Kapitalgesellschaft ausgestaltet und in die Hände der Gesellschafter gelegt, so dass sich das Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage bereits daraus ergibt, dass ihre Erhebung der Herbeiführung eines Gesetz und Satzung entsprechenden Rechtszustandes dient (BGH, Urteil vom 22. Mai 1989 – II ZR 206/88-, Rn. 24, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Januar 2004 – 20 U 3/03-, Rn. 3, juris). Zumindest dann, wenn, wie vorliegend, der weitere Gesellschafter sich damit nicht in Widerspruch zu dem mitgliedschaftlichen Recht des betroffenen Gesellschafters setzt, eigenständig über sein Ausscheiden aus der Gesellschaft zu entscheiden – und deswegen gegebenenfalls den Ausschlussbeschluss nicht anzugreifen – steht seiner Anfechtungsklage nichts entgegen. Dass der Erbfall und die Abtretung des Gesellschaftsanteiles der Fortführung der Klage nicht entgegenstehen, wurde bereits dargelegt.

c)

Ein Ladungsmangel, wie ihn die Kläger geltend machen, liegt nicht vor.

Wenn die Versammlung nicht ordnungsgemäß unter Ankündigung des Zweckes der Versammlung einberufen wurde, können Beschlüsse nur in einer Vollversammlung gefasst werden, § 51 Abs. 2 – 4 GmbHG. Eine Vollversammlung lag nicht vor, da der Kläger R. und weitere Gesellschafter nicht anwesend waren. Fehler der Ankündigung machen die Beschlussfassung anfechtbar (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, § 51 GmbHG, Rn. 28). Ein Ladungsmangel liegt aber nicht vor. Das Einladungsschreiben vom 09.12.2014 liegt vor (2 U 492/17, Anlage K4, Blatt 76 ff. der Akte). Die Ankündigung muss so deutlich sein, dass sich die Gesellschafter auf die Erörterung und Beschlussfassung vorbereiten können und sie vor einer „Überrumpelung“ geschützt werden (BGH, Urteil vom 25. November 2002 – II ZR 69/01 -, Rn. 23, juris). Dies ist hier der Fall. Die Einladung enthielt unter Teil II, Ziffer 6. die konkrete und umfassende Ankündigung des Beschlussthemas, was es den Gesellschaftern ermöglichte, sich auf die Beratung und Beschlussfassung vorzubereiten. Mit ihrer Beschlussfassung hielten sich die Gesellschafter im Rahmen der Ankündigung.

d)

Die Beschlussfassung ist aber anfechtbar, weil der gesellschaftsvertraglich vorgesehene Ausschlussgrund fehlt.

aa)

Die Beschlussfassung ist anfechtbar, wenn die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Ausschließung nicht vorliegen (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89-, Rn. 4, juris).

Als satzungsmäßige Voraussetzung kommt hier nur der in § 17 Ziffer 1 c) vorgesehene Ausschlussgrund in Betracht. Demnach ist ein Ausschluss von Gesellschaftern zulässig, wenn ein Gesellschafter seine Gesellschaftspflichten grob schuldhaft verletzt.

bb)

Eine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten durch den Kläger Dr. W. liegt nicht vor.

(1)

Mit dem Begriff „grob schuldhaft“ haben die Gesellschafter einen zivilrechtlich definierten Begriff verwendet; es ist daher auf dieses rechtliche Begriffsverständnis abzustellen. Der Begriff des Verschuldens ist Oberbegriff für die in § 276 BGB definierten Begriffe von Vorsatz und Fahrlässigkeit. Schuldhaft ist das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten (Grüneberg – Grüneberg, BGB, 82. A., § 276 BGB, Rn. 5). Grob schuldhaft handelt derjenige, der die im Verkehr erforderlich Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (Grüneberg – Grüneberg, aaO, § 277 BGB, Rn. 5). Dieser Maßstab ist daher an die behaupteten Pflichtverletzungen anzulegen.

Es ist dabei auf diejenigen Ausschlussgründe abzustellen, die der Beschlussfassung zu Grunde lagen. Es ist grundsätzlich unzulässig, Ausschlussgründe nachzuschieben, zu denen das Ausschließungsorgan noch nicht hat Stellung nehmen können. Das gilt nur nicht für solche später eingetretenen Umstände, die mit den für die Ausschließung maßgebenden Gründen eng zusammenhängen und nur noch den Tatbestand abrunden, von dem die Gesellschafterversammlung ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, Rn. 10, juris).

(2)

Mit der Ausbringung von Arresten und einstweiligen Verfügungen gegen die Beklagte verletzte der Kläger Dr. W. seine Gesellschaftspflichten nicht grob schuldhaft.

Ein Gesellschafter kann aufgrund der ihm gegenüber Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern obliegenden Treuepflicht gehalten sein, von ihm an sich zustehenden Rechten keinen Gebrauch zu machen. Er braucht dabei aber nicht ohne weiteres seine eigenen Belange hinter diejenigen der Gesellschaft zurückzustellen; es kommt vielmehr auf eine Abwägung der beiderseitigen interessen an (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89-, Rn. 7, juris). Die Beklagte stellt insoweit auf Verhaltensweisen des Dr. W. als Vertreter der P. M. ab (2 U 492/17, Blatt 414 – 416 der Akte; Blatt 688 – 691 der Akte). Es kommt daher auf die Abwägung der interessen der P. M. und der Beklagten an. Die Wurzel der Ausbringung von Arresten und einstweiligen Verfügungen durch den Kläger liegt in dem Schuldverhältnis zwischen der P. M. und der Beklagten begründet, welches durch die Teilgewinnabführungsvereinbarung gestaltet wurde. Am 05.10.1992/23.07.1993 schloss die P. M. mit der DG Bank Deutsche Genossenschaftsbank eine Rangrücktrittsvereinbarung. Am 05.10.1992 unterschrieb der damalige Geschäftsführer der Beklagten die „Anlage zur Rangrücktrittserklärung“, mit der sich die Beklagte verpflichtete, der Verpflichtung zur Gewinnabführung, die sich aus der zwischen der P. M. und der DG Bank geschlossenen Vereinbarung ergab, in der näher beschriebenen Weise beizutreten. Hintergrund dessen war die Umstrukturierung der ehemaligen LPG … . Es wird insoweit auf die Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Senats vom 16.05. 2018, 2 U 79/15, Seiten 3, 33 – 37 Bezug genommen. Auf der Grundlage dieses Urteils steht auch fest, dass die Teilgewinnabführungsverpflichtung wirksam ist und die Beklagte verpflichtet war, einen Teil ihres Gewinns von 20% des Jahresüberschusses an die P. M. abzuführen. Dadurch war es im Verhältnis zwischen der P. M. und der Beklagten angelegt, dass Dr. W. als Geschäftsführer der Komplementärin der P. M. und als Gesellschafter der Beklagten im Einzelfall auch gegensätzliche interessen zu berücksichtigen hatte. Interessenkonflikte, die Dr. W. auf der Grundlage der Teilgewinnabführungsverpflichtung zu Gunsten der von ihm vertretenen P. M. löste, indem er Maßnahmen ergriff, die zu Gebote standen, um die Abführungsverpflichtung durchzusetzen, können im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung nicht zu einer Pflichtverletzung führen. Hierauf hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 07.10.2015, Az. 2 U 317/14, Seiten 10, 11, abgestellt. Allenfalls dann, wenn der Kläger sein Verhalten in Vertretung der P. M. nicht mehr zur Durchsetzung von deren Interesse an der Gewinnabführung, sondern zweckwidrig als Werkzeug eingesetzt hätte, nur um der Beklagten zu Schaden, würde dieses Verhalten gegen seine Pflichten als Gesellschafter der Beklagten verstoßen. In dieser Konstellation könnte er sich dann auch nicht mehr auf seine Stellung als Geschäftsführer der P. M. und auf die hieraus resultierenden Pflichtenbindungen berufen, da er dann auch aus deren Sicht gesellschaftsfremde Zwecke verfolgt hätte. Solches liegt hier aber nicht vor. Soweit die Beklagte Arreste vom 10.02.2014 und 10.03.2014 in Bezug nimmt, handelt es sich um gemäß § 17 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrages zur Zeit der Beschlussfassung bereits verfristete Tatsachen. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, der Kläger habe eine Zahlungsforderung der P. M. bewusst unrichtig geltend gemacht, dies aber nicht untersetzt. Die Durchsetzung der Zahlungsansprüche aus der Teilgewinnabführung ist nach dem oben dargestellten eben nicht zweckwidrig. Weiter hat die Beklagte geltend gemacht, dass die durch die ausgebrachten Arreste eingefrorenen Vermögenswerte die möglichen Forderungen der P. M. um das Doppelte übersteigen würden. Auch aus diesem Vortrag ergibt sich keine grob schuldhafte Pflichtverletzung durch Dr. W. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Arrest eine Maßnahme der vorläufigen Sicherung ist, § 916 Abs. 1 ZPO, und keine Befriedigung gewährt. Anlass für die vorläufige Sicherung war die zwischen der P. M. und der Beklagten streitige Problematik der Vermögensverlagerung. Mit den durch die Beklagte geschlossenen Kauf-, Pacht- und Übertragungsverträgen war auch aus Sicht eines verständigen Dritten jedenfalls ein hinreichender Anlass gegeben, die interessen der P. M. an der weiteren Erfüllung der Teilgewinnabführungsvereinbarung zu sichern. Die Beklagte konnte den Arrest zudem jeweils abwenden,§ 923 ZPO, und damit die beeinträchtigenden Folgen mindern. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich auch nicht, dass Dr. W. den Überblick über den Wert des durch die Arreste jeweils betroffenen Vermögens haben musste. Die Vorwürfe der Beklagten, der Kläger Dr. W. habe pflichtwidrig die Freigabe von unrechtmäßig erwirkten Arresten verhindert, können nicht zur Begründung des Ausschlusses am 29.12.2014 nachgeschoben werden. Dies scheitert schon daran, dass die Umstände, die nachgeschoben werden sollen, im Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits bestanden haben müssen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. Oktober 1991 – II ZR 239/90-, Rn. 12, juris), was in Bezug auf den Vortrag zur Verhinderung der Freigabe nicht der Fall ist. Es handelt sich nicht um Umstände, die mit den für die Ausschließung maßgebenden Gründen eng zusammenhängen und nur noch den Tatbestand abrunden, von dem die Gesellschafterversammlung ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89-, Rn. 10, juris). Gegenstand der Gesellschafterversammlung war das Verhalten des Klägers bei Erwirkung der Arreste und einstweiligen Verfügungen, mit dem nicht bestehende Forderungen bewusst unrichtig geltend gemacht worden sein sollen. Für diesen Sachverhaltskomplex hatte die Gesellschafterversammlung daher darüber zu urteilen, ob die fraglichen Forderungen bestanden oder nicht. Bestanden die Forderungen, gab es zum Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung auch aus Sicht der Gesellschafterversammlung die dem Kläger vorgeworfene Pflichtverletzung eben nicht. Davon zu unterscheiden ist ein Verhalten, mit dem nicht mehr angeblich unberechtigte Forderungen verfolgt werden, sondern rechtmäßig ausgebrachte Arrest- und Pfändungsmaßnahmen unrechtmäßig aufrechterhalten worden sein sollen. Dieser Sachverhalt erforderte eine erneute Untersuchung und Entscheidung durch die Gesellschafterversammlung.

(3)

Auch durch die Übersendung des Schreibens vom 18.12.2014 (2 U 492/17, Blatt 467 – 470 der Akte) an die Verpächter von Grundstücken verletzte der Kläger Dr. W. seine gesellschafterlichen Pflichten nicht grob schuldhaft.

Die Geschäftsführung der Beklagten maßte sich der Kläger damit nicht an. Wie schon aus dem Briefkopf des Schreibens hervorging, wendete sich der Kläger als Geschäftsführer der P. M. an die Verpächter der … GmbH und der Beklagten. Wie aus den Ausführungen weiter hervorgeht, sollte das Schreiben die wirtschaftlichen Interesse der P. M. und der Beklagten schützen, die der Kläger durch eine Verlagerung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auf die L. GmbH gefährdet sah. Die interessen der P. M. durfte der Kläger als deren Geschäftsführer gegenüber den Verpächtern vertreten. Er war daran nicht auf der Grundlage seiner Treuepflichten als Gesellschafter der Beklagten gehindert, weil er sich auf die in dem Schreiben zitierte einstweilige Verfügung des Landgerichts M. stützen konnte, mit der der L. GmbH der Abschluss der dort genannten Pachtverträge und/oder Nutzungsverträge untersagt wurde. Es handelt sich damit um eine aus dem Lebenssachverhalt hinreichend begründete Wahrnehmung von interessen der P. M. und nicht um eine grob schuldhafte Pflichtverletzung. Dass der Kläger dabei auch auf die interessen der Beklagten Bezug nahm, begründet ebenfalls keine grob schuldhafte Pflichtverletzung, weil der Kläger eindeutig als Geschäftsführer der P. M. handelte und das Schreiben auch ohne Erwähnung der interessen der Beklagten inhaltsgleich formuliert werden konnte, so dass deren Erwähnung für den Inhalt und das Gewicht des Schreibens keine Rolle spielte.

(4)

Dr. W. erhob gegen Herrn H. eine Strafanzeige wegen Prozessbetruges, die zu dem seit dem 01.04.2015 rechtskräftigen Strafbefehl des AG M. führte (2 U 492/17, Blatt 842 – 844 der Akte).

Auch diese Tatsache ist gemäߧ 17 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrages verfristet. Im Übrigen reicht die Treuepflicht des Gesellschafters nicht soweit, dass sie einen Gesellschafter daran hindert, gegebenenfalls auch mit strafprozessualen Mitteln gegen ein nach seiner Ansicht strafbares Verhalten der Gesellschaftsorgane vorzugehen. Bereits der Umstand, dass auch die Staatsanwaltschaft den für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens notwendigen Anfangsverdacht bejaht hat, steht der Annahme entgegen, dass das Vorgehen des Klägers offensichtlich haltlos war (vgl. a. Diemer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 13. Aufl. 2013, § 152 Rdnr. 7 sowie Griesbaum, aaO, § 160 Rdnr. 11; s.a. Urteil des Senats vom 07.01.2015, 2 U 89/17, Seite 10). Dies gilt erst Recht angesichts des Erlasses des Strafbefehls durch das Amtsgericht.

(5)

Für die Ausbringung von Zahlungsverboten durch Dr. W. gilt das zu den Arresten bereits Ausgeführte.

(6)

Die Geltendmachung der Zahlungsansprüche der P. M. aus dem Teilgewinnabführungsvertrag ist schon deswegen nicht pflichtwidrig, weil die Zahlungsansprüche begründet sind. Insoweit wird auf das Urteil des Senats im Verfahren 2 U 79/15 und des BGH im Verfahren II ZR 175/18 verwiesen.

(7)

Die Erhebung der Feststellungsklage hinsichtlich der Nichtigkeit von § 2 der Satzung war nicht Gegenstand der Beschlussfassung über den Ausschluss des Klägers. Es ist grundsätzlich unzulässig, Ausschlussgründe nachzuschieben, zu denen das Ausschließungsorgan noch nicht hat Stellung nehmen können (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1991 – II ZR 239/90 -, Rn. 14, juris). Einziehungsgründe können nachgeschoben werden, wenn die Gesellschaft im Gerichtsverfahren durch die geschäftsführenden Gesellschafter vertreten wird, mit deren Stimmen der Beschluss gefasst worden ist (BGH, Urteil vom 20. Februar 1995-11 ZR 46/94 -, Rn. 14, juris) oder es sich um solche später eingetretenen Umstände handelt, die mit den für die Ausschließung maßgebenden Gründen eng zusammenhängen und nur noch den Tatbestand abrunden, von dem die Gesellschafterversammlung ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, Rn. 10, juris). Beides ist hier nicht der Fall; die Erhebung der Feststellungsklage hat mit den Sachverhalten, die zum Gegenstand der Gesellschafterversammlung gemacht wurden, inhaltlich nichts zu tun.

(8)

Auch in der behaupteten Ungleichbehandlung der Beklagten gegenüber den übrigen zur Teilgewinnabführung verpflichteten Gesellschaften liegt keine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten durch den Kläger Dr. W..

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass dieser Sachverhalt nicht Gegenstand der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 war (2 U 492/17, Blatt 1145 d.A.) und die Beklagte ist dem in der Folge nicht entgegengetreten; im Gegenteil ergibt sich aus der Darstellung der Beklagten zum Inhalt der Gesellschafterversammlung (2 U 673/17, BI. 398 d.A.; 2 U 492/17, Blatt 1592, 1593 d.A.) ebenfalls, dass dieser Sachverhalt nicht zum Gegenstand der Beratung gemacht worden war.

Der Sachverhalt kann nicht zur Begründung des Ausschlussbeschlusses nachgeschoben werden, da die Gesellschafterversammlung damit bei der Beratung über den Ausschluss des Klägers nicht befasst war und es sich auch nicht um einen Sachverhalt handelt, der mit den für die Ausschließung maßgebenden Gründen eng zusammenhängt und nur noch den Tatbestand abrundet, von dem die Gesellschafterversammlung ausgegangen wurde. Die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Kläger die übrigen zur Teilgewinnabführung verpflichteten Gesellschaften im Vergleich zur Beklagten ungerechtfertigt in einem geringeren Ausmaß heranzieht, ist von der Frage, ob und in welchem Ausmaß der Kläger Forderungen gegen die Beklagte auf der Grundlage der Teilgewinnabführung berechtigt oder unberechtigt geltend macht, zu unterscheiden, denn sie erfordert gänzlich andere Feststellungen zum Verhalten des Klägers und zudem, wie auch der Beklagtenvortrag deutlich macht (2 U 673/17, BI. 585 ff. d.A. und 2 U 492/17, BI. 1354 ff. d.A.) auch noch Feststellungen dazu, welche zwischenzeitlichen Kapitalerhöhungen in welchen der beteiligten Gesellschaften zu einer Verringerung der abzuführenden Beträge führen oder nicht.

(9)

Die Beklagte hat auch keine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten durch die mangelnde Tilgung von Altschulden seitens der P. M. dargelegt.

Dieser Sachverhalt war Gegenstand der Beratung in der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 (2 U 673/17, BI. 398,567 d.A.; 2 U 492/17, BI. 1593 d.A.). Die Beklagte macht geltend, dass der Kläger keine Auskunft zur Verwendung der an die P. M. gezahlten Gelder erteile (2 U 673/17, BI. 589 d.A.) und der Bevollmächtigte des Klägers in der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 erklärt habe, dass die P. M. in den letzten Jahren durchgängig Jahresfehlbeträge erwirtschaftet habe, so dass sie weder zur Schuldentilgung verpflichtet gewesen sei, noch Schulden habe tilgen können (2 U 673/17, BI. 401, 576 d.A.). Die Beklagte meint, der Kläger verwende die gezahlten Beträge zweckwidrig, ohne aber konkret etwas dazu vorzutragen, wie der Kläger die Gelder verwendete.

Zu Recht steht die Beklagte auf dem Standpunkt, dass die Teilgewinnabführung dazu dient, im Interesse der die Altschulden verwaltenden Bank zur Altschuldentilgung verwendet zu werden. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil des Senats vom 16.08.2015 (2 U 79/15) auf Seiten 3, 34 – 37, 50 und 54 verwiesen. Selbst wenn aber P. M. an die …-Bank in der Vergangenheit keine Zahlungen leistete, die zu einer Verminderung der Altschulden führten, beinhaltet dieser Umstand noch keine Verletzung der Pflichten aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung. Denn die P. M. ist nicht verpflichtet, die Zahlungen der Beklagten 1:1 an die Bank durchzuleiten. Vielmehr ergeben sich die Zahlungspflichten der P. M. gegenüber der Bank aus der Rangrücktrittsvereinbarung und setzen einen Jahresüberschuss, Liquidationsüberschüsse oder Verkaufserlöse voraus. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil des Senats vom 16.08.2015 (2 U 79/15); Seiten 54 und 55 verwiesen. Tatsächlich haftete der zur Erlangung des Rangrücktrittes gewählten Konstruktion zur Altschuldentilgung von Anfang an – auch angesichts der Kopplung der Abführungspflichten an die Tilgung der Altschulden und deren Höhe von über 14 Mio. DM – das Risiko an, dass die Beklagte auf unabsehbare Zeit mit der Verpflichtung zur Gewinnabführung belastet werden könnte (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 175/18 -, Rn. 39, juris).

Eine konkrete zweckwidrige Verwendung der abgeführten Beträge trägt die Beklagte nicht vor. Es verbleibt daher letztlich nur der Vorwurf, der Kläger habe der Beklagten keine Auskunft zur konkreten Verwendung der Mittel erteilt. Dieser Vorwurf beinhaltet keine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschafterpflichten durch den Kläger. Zur Erteilung der Auskunft ist der Kläger nicht als Gesellschafter der Beklagten verpflichtet, sondern allenfalls als Geschäftsführer der Komplementärin der P. M.. Der Streit über die Erteilung der Auskunft ist auch nicht zwischen dem Kläger als Gesellschafter der Beklagten und der Beklagten zu führen, sondern zwischen der P. M. und der Beklagten. Die Durchsetzung der Auskunftspflichten muss daher in diesem Rechtsverhältnis erfolgen.

(10)

Wie bereits dargelegt, kommt es nach der Satzung der Beklagten für den Ausschluss des Klägers darauf an, dass dieser seine Pflichten als Gesellschafter der Beklagten grob schuldhaft verletzte. Die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses, auf die die Beklagte abschließend Bezug genommen hat, kann daher auch nur unter diesem Gesichtspunkt maßgeblich sein. liegen keine grob schuldhaften Pflichtverletzungen des Klägers vor – hierzu bereits oben – begründet auch die behauptete Zerrüttung nicht den Ausschluss.

9.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend die Erhebung einer Ausschlussklage gegen den Kläger Dr. W. ist weder nichtig, noch anfechtbar.

a)

Die Zulässigkeit des Ausschlusses von Gesellschaftern aus wichtigem Grund ist auch ohne eine besondere Satzungsregelung anerkannt (Baumbach/Hueck – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 2). Die ist durch § 17 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrages nicht abbedungen worden. Die Satzungsregelung befasst sich von vorneherein nicht mit der Erhebung einer Ausschlussklage. Die Aufzählung einzelner Ausschließungsgründe kann im Zweifel nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Ausschließung in anderen Fällen nicht möglich sein soll ( Scholz-Seibt, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 55). Zudem kann die Satzung zwar Ausschlussgründe präzisieren und erweitern und dadurch auch einen mehr oder minder strengen Beurteilungsmaßstab vorgeben, jedoch die Geltendmachung weiterer Ausschlussgründe nicht ganz abschneiden, weil der Ausschluss aus wichtigem Grund im Voraus nicht abdingbar ist (Noack – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 16; Henssler/Strohn – Fleischer, aaO, § 34 GmbHG, Rn. 27; Scholz – Seibt, aaO, Anh. § 34  GmbHG, Rn. 55).

b)

Die Beschlussfassung kann wegen formellen Mängeln angefochten werden, im Anfechtungsprozess kann aber nicht bereits geltend gemacht werden, es fehle an einem wichtigen Grund für den Ausschluss (Noack – Fastrich, aaO, Anh. § 3~ GmbHG, Rn. 9; Mayer/Elfring, GmbHR 2004, 869, 875, 876; BGH, Urteil vom 13. Januar 2003 – II ZR 227/00-, Rn. 4, juris). Formelle Mängel haften dem Beschluss nicht an. Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Beschlussfassung eine Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen erforderlich, welche vorliegend überschritten wurde. Zur Verletzung des Teilnahmerechtes des Klägers R., Stimmzählungsfehlern wegen der Bewertung von Stimmen mehrerer Nichtgesellschafter und Fehlens einer wirksamen Beschlussfeststellung wird auf obige Ausführungen verwiesen. Der Beschluss ist auch nicht in unzulässiger Weise intransparent oder bedingt. Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung kann in zulässiger Weise mit einer Bedingung versehen werden, soweit der Beschlussgegenstand als solches dem nicht entgegensteht. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Ablauf der Beschlussfassung (2 U 492/17, Anlage K 14, Seiten 17, 18) deutlich, dass der Beschluss unter die Bedingung gestellt wurde, dass der zuvor gefasste Ausschließungsbeschluss nichtig oder angefochten ist. Unter diese Bedingung gestellt, ist auch nicht unklar, unter welchen Voraussetzungen die Ausschlussklage nach dem Willen der Gesellschafter erhoben werden soll.

c)

Nichtigkeitsgründe ergeben sich aus dem Parteivortrag nicht.

10.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend die Änderung des § 2 der Satzung ist weder nichtig, noch anfechtbar.

a)

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten enthielt ursprünglich als Benennung des Unternehmensgegenstandes unter § 2:

„Gegenstand des Unternehmens ist die Tier- und Pflanzenproduktion, die Erzeugung tierischer und pflanzlicher Produkte und ihre Vermarktung sowie das Handeln mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Geräten als solchen, die für die Landwirtschaft benötigt werden. Die Gesellschaft darf Zweigniederlassungen entwickeln, sich an anderen Gesellschaften beteiligen oder solche erwerben sowie alle Handlungen vornehmen, die geeignet sind, den Gesellschaftszweck zu fördern.“

In der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 fassten die Gesellschafter ausweislich der insofern nicht angegriffenen notariellen Niederschrift (2 U 492/17, Anlage K 14, Seiten 21, 22) den Beschluss zur Änderung des § 2 der Satzung, und zwar ohne Berücksichtigung der Stimmen des Dr. W. mit allen abgegebenen Stimmen, unter Berücksichtigung der Stimmen des Dr. W. noch mit einer Mehrheit von 97,30 % der abgegebenen Stimmen.

Die geänderte Satzungsregelung lautete sodann so, wie unter Ziffer 7 des Urteils des Landgerichts vom 26.10.2017 (2 U 673/17) zitiert:

„1. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, die Veräußerung und die Verwaltung eigenen Vermögens, die Gründung von Unternehmen sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen und die Vermietung, die Verpachtung und die Verwaltung von mobilem und immobilem Vermögen.

2. Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen. Sie kann ihre Tätigkeit auf einen Teil der in Absatz 1 bezeichneten Tätigkeitsgebiete beschränken. Unternehmen, an denen sie mehrheitlich beteiligt ist, kann sie unter ihrer Leitung zusammenfassen oder sich auf die Verwaltung der Beteiligung beschränken.“

b)

Anfechtungsgründe wurden durch den Kläger Dr. W. nicht rechtzeitig geltend gemacht und ergeben sich auch aus der Anfechtungsklage des Klägers R. nicht (zu denjenigen, die sämtliche Beschlussfassungen betreffen, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen). Insbesondere wurden die Anforderungen an eine Beschlussfassung zur Änderung der Satzung,§§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 53 GmbHG, gewahrt. Die erforderliche Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen, § 53 Abs. 2 GmbHG, wurde auch dann erreicht, wenn die Gegenstimmen des Klägers mitgezählt werden.

c)

Die Beschlussfassung ist auch nicht nichtig. In Betracht käme insoweit nur ein Verstoß gegen § 241 Nr. 4 AktG, nach dem ein Beschluss nichtig ist, der durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt.

aa)

Im gedanklichen Ausgangspunkt knüpft die Vorschrift an § 138 Abs. 1 BGB an, setzt also voraus, dass eine Norm verletzt wird, auf deren Beachtung nach dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“, d. h. in objektiv-ethischer Betrachtung nicht verzichtet werden kann. Indem die Norm gerade auf den Inhalt abhebt, fasst sie den Tatbestand allerdings enger als § 138 Abs. 1 BGB. Das bezweckt und bewirkt eine Einschränkung der Nichtigkeitsfälle (Koch, 17. Aufl. 2023, AktG § 241Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 241
Rn. 21 ). Die Feststellung eines inhaltlichen Sittenverstoßes im Sinne des § 241 Nr. 4 AktG erfordert, dass der Verstoß gegen die guten Sitten durch den Beschlussinhalt an sich erfolgt, nicht durch dessen Zustandekommen oder Zweck. Beschlüsse, bei denen nicht der eigentliche Beschlussinhalt, sondern nur Beweggrund oder Zweck unsittlich sind, oder bei denen die Sittenwidrigkeit in der Art des Zustandekommens liegt, sind lediglich anfechtbar (BGH, Urteil vom 01. Juni 1987 – II ZR 128/86-, Rn. 5, juris; BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – II ZR 187/21 -, Rn. 29, juris). Das hat dazu geführt, dass die Vorschrift im Wesentlichen nur noch Bedeutung in Fällen der Gläubigerschädigung erlangt. Nur bei derartiger Drittbeteiligung ist zwingende und damit vom Willen der übrigen Aktionäre losgelöste Nichtigkeit erforderlich, während andere Fälle wie Treupflichtverletzung, Ungleichbehandlung und Rechtsmissbrauch zweckmäßiger der Anfechtung zu unterwerfen sind, bei der Aktionäre auf Schutzfunktion im Einzelfall auch verzichten können (Koch, aaO,AktG § 241Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 241
Rn. 21 ).

bb)

Der Beschluss ist nach seinem Beschlussinhalt nicht Sittenwidrig. Es handelt sich um eine zulässige Definition des erwerbswirtschaftlichen Unternehmensgegenstandes, über dessen Bestimmung die Gesellschafterversammlung mit der erforderlichen satzungsändernden Mehrheit befinden kann (Noack – Fastrich, aaO, § 3 GmbHG, Rn. 4; § 53 GmbHG, Rn. 30).

cc)

Inhaltlich Sittenwidrig kann der Beschluss einer Gesellschafterversammlung einer GmbH nach dem oben Ausgeführten auch dann sein, wenn der Beschluss seinem Wortlaut nach keine Sittenwidrigkeit beinhaltet, aber nach seinem inneren Gehalt in einer sittenwidrigen Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Personen besteht (OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, Urteil vom 14. Juli 1999-12 U 679/99-, Rn. 3, juris). Bezweckt der Beschluss die Schädigung Dritter, nicht anfechtungsberechtigter Personen, und ist er deswegen nach seinem inneren Gehalt als Sittenwidrig einzustufen, ist er nichtig (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 55; Lutter/Hommelhoff- Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 20). Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögenschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – II ZR 187/21 ‚-, Rn. 23, juris).

(1)

Auf eine etwaige Schädigung der Vermögensinteressen der Kläger ist nicht abzustellen, da diese im Grundsatz anfechtungsberechtigt waren.

(2)

Die Kläger stellen auf eine sittenwidrige Schädigung der P. M. ab, da nach ihrer Behauptung die Beklagte „kalt“ liquidiert werden solle, um sich der Verpflichtung zur Abführung eines Teiles des Jahresüberschusses gemäß der zwischen der P. M. und der Beklagten geschlossenen Teilgewinnabführungsverpflichtung zu entziehen. Aus dem hierzu vorgetragenen Sachverhalt ergibt sich die Sittenwidrigkeit der Beschlussfassung nicht.

(2.1)

Bei einem sittenwidrigen Verhalten gegenüber Dritten muss das Rechtsgeschäft objektiv nachteilig für den Dritten sein und die Beteiligten müssen subjektiv Sittenwidrig handeln. Die Sittenwidrigkeit kann darin begründet sein, dass die Beteiligten mit einem Rechtsgeschäft den Zweck verfolgen, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken schuld rechtliche Ansprüche Dritter zu vereiteln (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 426/17 -, Rn. 25, juris ).

Soweit in Bezug auf die Änderung des Unternehmensgegenstandes eine Sittenwidrigkeit in Betracht kommt, so nur im Zusammenhang mit den Veräußerungen und Verpachtungen von Vermögensgegenständen durch die Beklagte, wenn und soweit die Beschlussfassung zum Unternehmensgegenstand in diesem Zusammenhang als Bestandteil einer Gesamtstrategie anzusehen ist. Der auch hier erhobene Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung war bereits Gegenstand der Entscheidungen des Senats im Verfahren 2 U 89 /17 und des BGH im Verfahren II ZR 426/17. Mit Urteil vom 16. Juli 2019 stellte der BGH speziell zur Frage des sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten gegenüber der P. M. darauf ab, ob die Beklagte angemessene oder unangemessene Gegenleistungen erhielt und diese von der Beklagten zukünftig für die Erwirtschaftung von Gewinnen eingesetzt werden sollten oder solche für die Zukunft erwarten ließen. Des Weiteren stellte der BGH darauf ab, welchen Anteil der Altschulden die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtung im Hinblick auf die von ihr übernommenen Wirtschaftsgüter zu tragen hat und welcher Anteil angesichts der bisherigen Gewinnabführungen bereits getragen wurde (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 426/17 -, Rn. 29, juris).

(2.2)

Von der Entscheidung des BGH ausgehend ist nicht festzustellen, dass die Beklagte die P. M. Sittenwidrig schädigt.

Eine Sittenwidrigkeit der Verkäufe und Verpachtungen kann nicht bereits daraus hergeleitet werden, dass nach Auffassung der Kläger von sonstigen Dritten weit höhere Preise hätten erzielt werden können. Ein Sachverständigengutachten zu dieser Behauptung ist deswegen nicht einzuholen. Eine sittliche Verpflichtung, ihr selbst erwirtschaftetes Eigentum einer Auktion zuzuführen und zu Höchstpreisen an Interessenten zu verkaufen, bestand nicht. Verkauf und Verpachtungen waren für die P. M. nachteilig, weil nunmehr auf diesen Flächen nicht mehr die teilgewinnabführungspflichtige Beklagte selbst die Landwirtschaft betreibt und aus der Bewirtschaftung dieser Flächen und den damit verbundenen staatlichen Zuwendungen Einkünfte erzielt. Dementsprechend hatte die P. M. im vorangegangenen Rechtsstreit den Verkauf der Grundstücke deshalb angegriffen, weil dadurch ihre Rechte aus der Teilgewinnabführungsverpflichtung verletzt würden. Dies reicht aber nach der zitierten Entscheidung des BGH nicht aus, um eine Sittenwidrigkeit zu begründen. Soweit die Kläger eine Sittenwidrigkeit daraus herleiten will, dass bei den Kaufverträgen Gesellschafter. bzw. Aktionäre der Beklagten benachteiligt worden seien, ist dies im Verhältnis P. M. – Beklagte irrelevant. Die P. M. hat nicht die Rechte der Gesellschafter/ Aktionäre innerhalb der Beklagten zu wahren.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass ein wucherähnliches Geschäft vorliege, wenn der Verkehrswert um 90 % unterschritten werde und dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zulasse, soll den benachteiligten Vertragspartner schützen und kann deshalb nicht angewendet werden, wenn der Verkäufer selbst geschäftserfahren ist und in Kenntnis des heiß umkämpften Marktes für landwirtschaftliche Flächen diese Vertragsgestaltung selbst wählt.

Wesentlich für diese Beurteilung, ob die Beklagte mit den Verkäufen Sittenwidrig gehandelt hat, ist, dass im Verlauf des vorangegangenen Rechtsstreits zwischen der P. M. und der Beklagten klargestellt wurde, dass der Beklagten bei der Umstrukturierung der LPG überhaupt kein Vermögen zu Eigentum übertragen wurde, sondern sie nur über Pacht- und Mietverträge ihren Betrieb führte. Sie zahlte hierfür Mieten und Pachten an die Klägerin. Die mit den Kaufverträgen weiterveräußerten Grundstücke musste sie somit aus eigenen Mitteln erworben haben. Insoweit ist es auch nicht möglich, aus einem übertragenen Vermögen und dem Gesamtvermögen der LPG einen Anteil zu errechnen, welchen die Beklagte vom LPG-Vermögen erhalten hat, und daraus einen prozentualen Anteil an den Altschulden zu ermitteln. Es kann entgegen den Vorstellungen der Kläger auch nicht darauf abgestellt werden, zu welchen Prozentanteilen der Betrieb der ehemaligen LPG von der neuen Gesellschaft weitergeführt worden ist und dabei zu vernachlässigen, dass sie hierfür neben der Gewinnabführung Gegenleistungen in Form von Miet- und Pachtzahlungen leisten musste.

Die von den Klägern behaupteten günstigen Konditionen der Pacht-, Unterpachtverträge und Mietverträge stehen einer Eigentumsübertragung nicht gleich. Die Kläger berücksichtigen nicht, dass es immer vom Einzelfall abhängig ist, zu welchen Konditionen solche Verträge abgeschlossen werden können. Zudem war die Vermietung an die neu gegründete ortsansässige Beklagte bereits Grundlage des von der LPG-Versammlung beschlossenen Konzeptes und kein einseitiges Entgegenkommen der P. M.. Die Kläger können deshalb nicht damit gehört werden, dass das Verhalten der Beklagten schon deshalb Sittenwidrig sei, weil der Beklagten ohne die Mitwirkung der P. M. bei Abschluss der Verträge die Grundlage für die Aufnahme des Betriebes gefehlt hätte und sie deshalb Sittenwidrig handele, wenn sie vor Tilgung der Altschulden ihr Grundeigentum nicht zur Erzielung von Einkünften aus der Landwirtschaft einsetze. Die P. M. und ihre Gesellschafter haben sich seinerzeit bewusst dafür entschieden, den ehemaligen Betriebsteil nicht weiterzubetreiben, sondern ihn im Rahmen der Umstrukturierung von einer der aus den Reihen der ehemaligen Gesellschafter bestehenden neu gegründeten Gesellschaft über Pacht- und Mietverträge bewirtschaften zu lassen, in der Folgezeit wurde dann sukzessive von der Beklagten dort Eigentum erworben. Dadurch hat sich die P. M. der dort bestehenden Chancen begeben, andererseits aber auch sich der damit verbundenen Arbeit und Risiken entledigt.

Das gilt auch für die Auffassung, es sei zu berücksichtigen, dass die P. M. das Land auch an Dritte zu höheren Pachtzinsen hätte unterverpachten können und den von ihr bzw. ihrem Geschäftsführer W. und Herrn … abgeschlossenen zehnjährigen Pachtverträgen mit den Grundstückseigentümern sei ein hoher finanzieller Wert zuzurechnen, welcher der Beklagten bei der Neustrukturierung zugutegekommen sei. Selbst wenn die P. M. darauf verzichtet haben sollte, aus der Vermietung und Verpachtung Gewinne zu erzielen, steht dies einer Übertragung von Vermögen nicht gleich. Die Fortführung des Geschäftsbetriebes durch die von den Parteien als „ Betreibergesellschaften“ bezeichneten neuen Gesellschaften war Grundlage des ursprünglichen LPG-Beschlusses und an ihnen konnten sich die alten LPG-Mitglieder beteiligen.

Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte und die anderen Betreibergesellschaften nicht unerhebliche Gelder an die P. M. gezahlt haben, die ebenso wie die Mietzahlungen für Gebäude und Technik und Veräußerungserlöse

aus dem Verkauf ehemaligen LPG-Vermögens nicht in die Rückführung der Altschulden geflossen sind. Es wurde von der P. M. lediglich die jährliche Verwaltungspauschale gezahlt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass durch die vertraglichen Gestaltungen auch seinerzeit nicht sichergestellt worden ist, dass die Zahlungen aus den Teilgewinnabführungsverträgen der von den Parteien als „Betreibergesellschaften“ genannten Gesellschaften zur Tilgung von Altschulden eingesetzt werden. Es ist auch keine Obergrenze vereinbart worden, bis zu welchem Betrag sie sich an den Altschulden beteiligen sollen. Die P. M. ist gegenüber der Bank nicht zur Tilgung von Altschulden verpflichtet, solange sie Jahresfehlbeträge erwirtschaftet. Auf die Geschäftsführung der P. M. und die Verwendung der abgeführten Gelder im Betrieb der P. M. hat die Beklagte keinerlei Einfluss. Auch die Teilgewinnabführungen der anderen Gesellschaften und die Verwendung dieser Gelder im Betrieb der P. M. kann sie nicht beeinflussen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kommt einem Vertragsverstoß gegen die Gewinnabführungsverpflichtung nicht die Qualität einer sittenwidrigen Handlung zu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die P. M. es verschuldet hat, dass sie keine Gewinne erzielt hat, oder ob sie die Zahlungen zur Altschuldentilgung hätte einsetzen können.

An dieser Rechtsauffassung, die der Senat bereits seinem Urteil vom 25.08.2021 (2 U 89/17) zu Grunde gelegt hat, hält der Senat auch angesichts des im vorliegenden Verfahren neuerlich gehaltenen Vortrags fest. Da die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil zurückgewiesen wurde (Beschluss des BGH vom 24. Mai 2022 – II ZR 154/21), erkennt der Senat auch keinen Anhaltspunkt dafür, die vorangegangene Entscheidung des BGH falsch interpretiert zu haben.

d)

Darüber hinaus kommt eine Nichtigkeit der Beschlussfassung in Betracht, wenn die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter – also auch der Kläger und der weiteren abwesenden Gesellschafter – zu dessen Wirksamkeit erforderlich war. Auch dies ist nicht der Fall.

aa)

Ist eine Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zur Beschlussfassung erforderlich, ist der – nur – mit Mehrheit gefasste Beschluss zunächst schwebend unwirksam. Er ist aber endgültig unwirksam und damit nichtig, wenn feststeht, dass erforderliche Zustimmungen verweigert werden (Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 20 – 22; § 47 GmbHG, Rn. 29). Wenn die Zustimmung – auch – der Kläger Dr. W. und R. erforderlich war, ist der Beschluss nichtig, da feststeht, dass diese ihre Zustimmung nicht erteilen.

bb)

Für die Änderung – nur – des Unternehmensgegenstandes ist die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter nicht erforderlich, wohl aber für die Änderung des Zwecks der Gesellschaft (Noack – Noack, aaO, § 53 GmbHG, Rn. 30; – Fastrich, aaO, § 3 GmbHG, Rn. 7; § 1 GmbHG, Rn. 5). § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB formuliert insoweit einen allgemeinen Grundsatz des Gesellschaftsrechts (Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 53 GmbHG, Rn. 23).

cc)

Hier ist nicht der Gesellschaftszweck, sondern der Unternehmensgegenstand durch die Beschlussfassung betroffen.

Der Unternehmensgegenstand kennzeichnet den Bereich und die Art der Betätigung der Gesellschaft. Er beschränkt die Geschäftsführungsbefugnis und ist zur Information gegenüber Dritten über Art und Inhalt der Geschäftstätigkeit wesentlich (Noack – Fastrich, aaO, § 1 GmbHG, Rn. 5). Daher muss der Gesellschaftsvertrag den Unternehmensgegenstand angeben, § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG. Dies verpflichtet die Gesellschafter, den Gegenstand des Unternehmens im Gesellschaftsvertrag so bestimmt anzugeben, dass der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit für die beteiligten Wirtschaftskreise hinreichend erkennbar wird. Dem mit dieser Vorschrift verfolgten Hauptzweck, die interessierte Öffentlichkeit in groben Zügen über den Tätigkeitsbereich des neuen Unternehmens zu unterrichten, wird ausreichend Genüge getan, wenn die Zuordnung zu einem bestimmten Geschäftszweig als einem abgegrenzten Sachbereich des Wirtschaftslebens möglich ist. (BGH, Beschluss vom 03. November 1980-11 ZB 1/79-, Rn. 16, juris). Im Allgemeinen ist daher eine geschäftszweigmäßige Bezeichnung erforderlich und ausreichend (Noack – Fastrich, aaO, § 3 GmbHG, Rn. 8). Der Gesellschaftszweck ist dagegen das gemeinsame Ziel für den Zusammenschluss der Gesellschafter und für ihr Verhältnis zueinander maßgeblich (Noack – Fastrich, aaO; § 1 GmbHG, Rn. 5). Der Zweck beantwortet stets die Frage nach dem Wozu der GmbH: Soll Gewinn erzielt oder ein gesellschaftliches, karitatives oder anderes ideelles Ziel erreicht werden? (Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 1 GmbHG, Rn. 3). Bei der Zweckänderung handelt es sich um eine Entscheidung von so grundlegender Bedeutung für die Gesellschaft, dass sie von der Mehrheit grundsätzlich nicht beschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1985 – II ZB 5/85 -, Rn.12, juris).

Oftmals werden Unternehmensgegenstand und Zweck der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag nicht gesondert definiert. Auch der Gesellschaftsvertrag der Beklagten als GmbH (2 U 673/17, Anlage 86) enthält unter § 2 nur den „Gegenstand des Unternehmens“ und keine gesonderte Definition des Gesellschaftszweckes. Als Gesellschaftszweck ist im Zweifel nur das anzusehen, in dem der oberste Leitsatz für die Gesellschaftstätigkeit zum Ausdruck gebracht wird, und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Gesellschafter bei seinem Beitritt zur Gesellschaft rechnen kann. Als Zweck der Gesellschaft kann in der Regel nur die große Linie angesehen werden, um derentwillen sich die Gesellschafter zusammengeschlossen haben. Eine Zweckänderung liegt dann nur vor, wenn der Charakter der Gesellschaft sich ändert (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1985 – II ZB 5/85 -, Rn. 16, juris, zum Verein). Die angegriffene Beschlussfassung bezieht sich nur auf die Änderung des Unternehmensgegenstandes. Der erwerbswirtschaftliche Zweck der Gesellschaft wird nicht verändert.

11.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend die Ausweisung des Gesellschaftsanteils Dr. W. als eigenen Anteil der Beklagten ist nichtig.

Da dieser Beschluss der Umsetzung des Beschlusses über den Ausschluss des Klägers Dr. W. diente, ist er mit diesem untrennbar verbunden und als aus denselben Gründen wie der Ausschlussbeschluss selbst zumindest anfechtbar. Die Anfechtung wurde durch den Kläger R. fristgerecht geltend gemacht. Darüber hinaus aber ist diese Beschlussfassung nach Auffassung des Senats als dem Wesen der GmbH fremd und damit nichtig anzusehen, § 241 Nr. 3 AktG, weil damit die infolge der Anfechtbarkeit des Ausschlussbeschlusses bestehende Mitgliedschaft des Klägers Dr. W. ohne eine Grundlage im Recht der GmbH wegen der Wirkungen des § 16 GmbHG gefährdet wird, und der erforderliche Schutz der Mitgliedschaft die Nichtigkeit bedingt (vgl. Hüffer, AktG, 10. A., § 241 AktG, Rn. 18).

12.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend die Genehmigung von Verträgen ist durch die angefochtenen Urteile zutreffend für nichtig erklärt worden, weil die Beschlussfassung gegen den zum damaligen Zeitpunkt gesellschaftsvertraglich festgelegten Unternehmensgegenstand verstieß.

a)

Den Anfechtungsklagen fehlt nicht etwa deswegen das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Gesellschafterversammlung mit einem weiteren, ebenfalls am 29.12.2014 gefassten Beschluss die Rückabwicklung dieser Verträge abgelehnt hat, denn dies ist von der Genehmigung der Verträge zu unterscheiden.

Die Genehmigung ist die nachträgliche Zustimmung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes, §§ 184 Abs. 1, 182 BGB. Ist sie wirksam erteilt, wirkt sie auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes zurück. Durch die Genehmigung wird das Rechtsgeschäft, gleichgültig, ob es ein Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäft ist, mit rückwirkender Kraft vollwirksam (Grüneberg – Ellenberger, BGB, 82. A., § 184 BGB, Rn. 2). Diese Rechtswirkung ist von Bestand, denn die Genehmigung ist als rechtsgestaltende Erklärung nicht widerruflich (Grüneberg, aaO, Rn. 4). Die Ablehnung der Rückabwicklung hat hingegen keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Verträge und kann ihrerseits durch einen gegenläufigen Gesellschafterbeschluss aufgehoben werden.

b)

Die Beschlussfassung am 29.12.2014 verstieß gegen den gesellschaftsvertraglich festgelegten Unternehmensgegenstand und ist deswegen anfechtbar.

aa)

Nach § 2, erster Absatz der Satzung der Beklagten in der am 29.12.2014 gültigen Fassung (Anlage K 11, 2 U 4927/17; BI. 131 d.A.) war Gegenstand des Unternehmens der Beklagten die Tier- und Pflanzenproduktion, die Erzeugung tierischer und pflanzlicher Produkte und ihre Vermarktung sowie das Handeln mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Geräten und solchen, die für die Landwirtschaft benötigt werden.

Die abweichende Handhabung im Sinne einer dauerhaften Abweichung oder einer Aufgabe des Unternehmensgegenstandes verstößt gegen die Satzung und ist unzulässig (Noack – Servatius, aaO, § 3 GmbHG, Rn. 10). Eine förmliche Anpassung der Satzung ist nicht nur dann erforderlich, wenn das Betätigungsfeld ausgewechselt oder erweitert werden soll, sondern auch bei einer nicht nur vorübergehenden Einschränkung oder Aufgabe, da der Gegenstand nicht nur die Grenze für das Handeln der Geschäftsführung absteckt, sondern auch eine Pflicht zum Tätigwerden begründet. Im Fall der sogenannten faktischen Änderung des Gegenstands kann die Gesellschafterminderheit einen billigenden Beschluss der Mehrheit aufgrund des satzungsdurchbrechenden Charakters regelmäßig anfechten (Münchener Kommentar zum GmbHG/Wicke, 4. Aufl. 2022, GmbHG § 3 Rn. 23). Eine entsprechende Beschlussfassung ist daher satzungswidrig und entsprechend § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.

bb)

Die ebenfalls am 29.12.2014 beschlossene Änderung des Unternehmensgegenstandes war noch nicht wirksam, weil sie der Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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bedurfte § 54 Abs. 1, Abs. 3 GmbHG, welche erst deutlich später mit der Eintragung der Beklagten als Aktiengesellschaft erfolgte.

Der Beschlussmangel wurde nicht durch die Eintragung des neuen Unternehmensgegenstandes in das Handelsregister geheilt. Der geänderte Unternehmensgegenstand ist wiederum zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Handelsregister
anzumelden, §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. In entsprechender Anwendung des § 242 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AktG kommt als Folge der Eintragung eine Heilung von Beschlussmängeln in Betracht (Noack – Noack, aaO, § 54 GmbHG, Rn. 37; Anh. § 47 GmbHG, Rn. 73 – 75). Da das Gesetz die Heilung generell für Beschlüsse vorsieht, die wegen ihrer Bedeutung in das Handelsregister einzutragen sind, umfasst die Regelung auch Beschlüsse über Satzungsänderungen. Die Vorschrift des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG ist im GmbH-Recht entsprechend anzuwenden (BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 – II ZR 73/99 -, Rn. 11, 12, juris).

Eine Heilung durch die Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der Beklagten noch während ihrer Rechtsform als GmbH ist nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 24.11.2015 (2 W 310/15) hat der Senat das Verfahren über die Eintragung der Satzungsänderung betreffend die Änderung des Gesellschaftsvertrages der Beklagten als GmbH bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vorliegende Klage ausgesetzt. Es wird auch nicht behauptet, dass eine Handelsregistereintragung zur GmbH erfolgt sei; der unstreitige Vortrag der Parteien zur Eintragung des geänderten Unternehmensgegenstandes in der mündlichen Verhandlung am 29.08.2018 (Blatt 1866 der Akte) bezieht sich auf die Satzung der Beklagten als Aktiengesellschaft. Da die streitgegenständliche Beschlussmängelklage bereits rechtshängig war, bevor die Beklagte in einer Aktiengesellschaft umgewandelt wurde und damit zwingend auch, bevor die Änderung von§ 2 der Satzung als Unternehmensgegenstand der AG in das Handelsregister eingetragen wurde, greift§ 242 Abs. 2 Satz 2 AktG ein.

cc)

Die zu genehmigenden Verträge hatten die Veräußerung und Unterverpachtung landwirtschaftlicher Produktionsmittel zum Gegenstand. Es steht den Gesellschaftern zwar grundsätzlich frei, über die Zusammensetzung des Vermögens zu befinden, mit dem der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand verfolgt werden soll. Ein Verstoß gegen den Unternehmensgegenstand liegt aber dann vor, wenn mit den genehmigten Verträgen landwirtschaftliche Produktionsmittel in einem solchen Umfang veräußert werden sollen, dass es der Gesellschaft nicht mehr möglich ist, im Rahmen des – alten – Unternehmensgegenstandes tätig zu werden. Dies ist hier der Fall.

Die Kaufverträge, auf die sich die Beschlussfassung gemäß TOP 9 der Gesellschafterversammlung am 29.12.2014 bezog, liegen im Anlagenkonvolut K 4 a als „Anlage 2″ bis „Anlage 6″ vor. Sie umfassen eine Vielzahl von Grundstücken, Maschinen, Geräten und baulichen Anlagen sowie Zahlungsansprüche aus der Region Thüringen. Die Kläger haben hierzu vorgetragen, dass der Beklagten durch die Veräußerung sämtliche Wirtschaftsgüter entzogen würden, die sie benötige, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Über die Verträge würde das gesamte Sachanlagevermögen der Beklagten sowie sämtliche Zahlungsansprüche weggegeben. Durch den Abschluss der Grundstückskaufverträge würden sämtliche im Eigentum der Beklagten stehende Grundstücke übertragen. Die Unterpachtverträge beträfen den gesamten von der Beklagten gepachteten Flächenbestand. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten; vielmehr bestätigt der Inhalt des Beschlusses des Aufsichtsrates vom 30.12.2013 und der Vortrag der Beklagten zur Zulässigkeit der grundlegenden Umgestaltung des Gesellschaftszieles (2 U 492/17, BI. 426,427 der Akte) den klägerischen Vortrag.

c)

Dieser Anfechtungsgrund ist von beiden Klägerin in seinem wesentlichen Kern fristgerecht mit den Klageschriften geltend gemacht worden, weil beide vorgetragen haben, dass und warum die Beklagte unter Aufgabe des ursprünglichen Unternehmensgegenstandes durch die Überleitung des Geschäftsbetriebes auf die L. U. GmbH und die Agrarp. GmbH kalt liquidiert werde.

13.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil im Verfahren HK O 16/15 die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 betreffend die Entlastung der GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung der Geschäftsführer
Geschäftsführer
H. und F. sowie der genannten Aufsichtsratsmitglieder für das Geschäftsjahr 2013 wie auch die Entlastung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Geschäftsführers
F. und der Aufsichtsratsmitglieder für den Abschluss der unter den Punkten 7 und 9 der Tagesordnung genannten Verträge für nichtig erklärt hat.

a)

Die Gesellschafter billigen, wenn sie die Organmitglieder entlasten, deren Amtsführung für die Dauer der zurückliegenden Entlastungsperiode und sprechen ihnen gleichzeitig für die künftige Geschäftsführung ihr Vertrauen aus, falls nicht im Einzelfall die Umstände ergeben, dass nur eine Entscheidung für die Vergangenheit gewollt ist. Im Recht der GmbH hat die Entlastung ferner zur Folge, dass die GmbH mit Ersatzansprüchen und Kündigungsgründen ausgeschlossen ist, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar sind oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis haben. Die Gesellschafterversammlung befindet, wenn sie das Organmitglied entlastet, auch darüber, ob dieses innerhalb der Grenzen, die Gesetz, Satzung oder Einzelanweisung seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und Verantwortung ziehen, seine unternehmerischen Entschließungen zweckmäßig getroffen, ob es – mit anderen Worten – bei der Führung des Unternehmens eine „glückliche Hand“ gehabt hat. Bei der Beurteilung dieser Frage hat die Gesellschafterversammlung eine breite Spanne des Ermessens, die es ihr erlaubt, die Entlastung zu erteilen oder zu verweigern, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen (BGH, Urteil vom 20. Mai 1985-11 ZR 165/84 -, Rn. 5 – 6, juris).

Wegen des weiten Ermessensspielraums der Gesellschafter bei der Entlastung ist ein Entlastungsbeschluss anfechtbar, wenn keine andere Entscheidung als die Versagung denkbar ist und die Entlastung missbräuchlich ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Organmitglied schwere Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind und der Gesellschaft ein erheblicher Sch.n zugefügt wurde (BGH, Beschluss vom 04. Mai 2009 – II ZR 169/07 -, Rn. 20, juris). Ein Entlastungsbeschluss ist anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten ist, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt. Ansonsten könnte eine zur Billigung rechtsbrechenden Verhaltens entschlossene Mehrheit gegen den Widerstand einer gesetzes- und satzungstreuen Minderheit eine Entlastung der Verwaltung jederzeit durchsetzen. Das widerspricht nicht nur der Regelung des § 243 Abs. 1 AktG, sondern wäre auch mit dem Gesichtspunkt der Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit nicht vereinbar. Ein Beschluss, der den Verwaltungsmitgliedern trotz eines schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoßes Entlastung erteilt, ist daher selbst gesetzwidrig ist und kann nach § 243 Abs. 1 AktG angefochten werden (BGH, Urteil vom 25. November 2002 – II ZR 133/01 -, BGHZ 153, 47-61, Rn. 15, 18). Wegen der Verzichtswirkung ist eine Entlastungsentscheidung auch treuwidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt getroffen wird, zu dem die Gesellschafter zwar von der Pflichtverletzung erfahren haben, aber noch nicht in der Lage sind, zu beurteilen, ob der Gesellschaft ein Schaden zugefügt wurde, und sie nur dazu dient, den Geschäftsführer der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern (BGH, Beschluss vom 04. Mai 2009 – II ZR 169/07 -, Rn. 20, juris).

b)

Beide Kläger machen geltend, dass die Geschäftsführer H. und F. sowie die Aufsichtsratsmitglieder sich an einem Gesetzesverstoß beteiligt hätten, indem sie an der rechtswidrigen Verlagerung von Vermögensgegenständen der Beklagten auf die Agrarp. GmbH und auf die L. …. GmbH  mitwirkten.

Durch den Kläger Dr. W. wurden die Anfechtungsgründe erst mit der Klageerweiterung vorgebracht, so dass dieser die Anfechtungsgründe nicht fristgerecht geltend gemacht hat. Der Kläger R. hingegen hat die von ihm benannten Anfechtungsgründe fristgerecht bereits mit seiner Anfechtungsklageschrift vorgetragen. Für die weitere Prüfung ist daher – nur – auf den Vortrag des Klägers R. abzustellen.

c)

Der Vortrag des Klägers R. zu den Vertragsabschlüssen (2 U 673/17, Blatt 100, 101 der Akte) ist unstreitig. Des Weiteren ist unstreitig, dass Herr H. Geschäftsführer der beiden Gesellschaften war, die die Verträge mit der Beklagten schlossen und dass die L. U. GmbH am 12.12.2013 unter Beteiligung der Mehrzahl der Gesellschafter der Beklagten gegründet und am 03.03.2014 in das Handelsregister eingetragen wurde.

Die Verträge der Beklagten mit der Agrarp. GmbH und der L. U. GmbH wurden zwischen dem 02.01.2014 und dem 06.06.2014 geschlossen. Der Aufsichtsrat der Beklagten wurde bereits im Jahre 2013 mit der Angelegenheit befasst, wie sich an der Beschlussfassung vom 30.12.2013 zeigt, in der es u.a. um die Übertragung der Flächenbewirtschaftung an die L. U. ging (2 U 673/17, Anlage K14). Herr F. war als Geschäftsführer der Beklagten in den Abschluss der Verträge eingebunden. Die Beklagte wendet zwar ein, dass Herr H. am 12.12.2013 nicht mehr ihr Geschäftsführer gewesen sei. Aus der Einladung der Beklagten vom 21.11.2013 (2 U 673/17, Anlage B5) ergibt sich aber, dass Herr H. noch am 21.11.2013 Geschäftsführer der Beklagten war. Aus dem Beschluss des Aufsichtsrates vom 30.12.2013 ergibt sich des Weiteren, dass die Gesellschafterversammlung am 10.12.2013 Beschlüsse zur Aufgabe des Geschäftsbetriebes der Beklagten fasste, auf denen der Aufsichtsratsbeschluss gründete. Schon diese Beschlüsse müssen vorbereitet worden sein. Dies alles zusammengenommen, kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass auch Herr H. noch als Geschäftsführer der Beklagten in die Vorbereitung der Veräußerungen eingebunden war.

d)

Da der Abschluss der Verträge, wie oben bereits ausgeführt wurde, zu damaligen Zeitpunkt gegen den zum damals gültigen, gesellschaftsvertraglich festgelegten Unternehmensgegenstand verstieß, liegt ein Verstoß gegen die Satzung vor. Der Verstoß gegen die Satzung ist wegen des Umfanges, den die abgeschlossenen Verträge hatten, und wegen der Deutlichkeit, mit der dadurch gegen den Unternehmensgegenstand verstoßen wurde, auch eindeutig und schwerwiegend.

e)

In Bezug auf die Entlastung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Entlastung
Entlastung des Geschäftsführers
F. für das Jahr 2013 hat der Kläger R. des Weiteren geltend gemacht, dass mit der Aufstellung des fehlerhaften Jahresabschlusses 2013 eine Pflichtverletzung vorliege, die der Entlastung entgegenstehe. Dieser Auffassung tritt der Senat bei.

Nach dem oben bereits Dargelegten liegt ein Fehler des Jahresabschlusses darin, dass keine Rückstellung für Gewinnabführungsansprüche in Höhe von 35.972,22 Euro und 17.021,96 Euro gebildet wurden, die die P. M. für die Jahre 2010 und 2011 geltend machte. Aus den obigen Darlegungen ergibt sich zugleich, dass der Verstoß trotz des Streites zwischen der Beklagten und der P. M. um die Pflichten aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung eindeutig war, da angesichts der bereits vorliegenden Entscheidungen und des Vorverhaltens der beiden Gesellschaften jedenfalls eine Rückstellung zu bilden war.

14.

Die gegen den Kläger Dr. W. erhobene WiderklageAusschlussklage – ist unbegründet.

a)

Die Ausschlussklage ist zulässig.

Zwar fehlt es für die Erhebung einer Ausschlussklage an einem Rechtsschutzbedürfnis, soweit eine Satzungsregelung einen Ausschluss durch die Fassung eines gestaltenden Gesellschafterbeschlusses vorsieht (Noack – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 1, 16; Tschernig, GmbHG 1999, 691, 692; OLG Stuttgart, Urteil vom 23. März 1989 – 2 U 36/88-, LS nach juris). Hier stellt der Gesellschaftsvertrag aber den Ausschluss eines Gesellschafters durch Beschluss der Gesellschafterversammlung unter das Erfordernis einer grob schuldhaften Pflichtverletzung und engt damit den Anwendungsbereich des Ausschlusses gegenüber demjenigen der Ausschlussklage, die im Grundsatz keine grob schuldhafte Pflichtverletzung, sondern einen wichtigen Grund erfordert, ein. Da das Recht auf Erhebung einer Ausschlussklage unabdingbar ist (siehe oben; Lutter/Hommelhoff – Kleindiek, aaO, § 34 GmbHG, Rn. 52; Thüringer OLG in Jena, Urteil vom 05. Oktober 2005 – 6 U 162/05-, Rn. 8), bleibt die Erhebung der Ausschlussklage zur Geltendmachung eines wichtigen Grundes zulässig. Ob aber die Anforderungen an den wichtigen Grund wiederum durch die Satzung der Beklagten gestaltet wurden, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Ausschlussklage (hierzu sogleich).

b)

Mit der Beschlussfassung am 29.12.2014, die wirksam ist (siehe oben), liegt das entsprechende materiell rechtliche Erfordernis für die Erhebung der Klage vor. Die Ausschlussklage ist aber unbegründet, weil es an dem durch die Satzung der Beklagten wirksam näher ausgestalteten wichtigen Grund fehlt.

Mit ihrer gesellschaftsvertraglichen Regelung haben sich die Gesellschafter darauf geeinigt, dass ein Ausschluss eine grob schuldhafte Verletzung von Gesellschaftspflichten voraussetzt. Damit wurde für die Gesellschafter auch ein Vertrauenstatbestand geschaffen; die Gesellschafter dürfen darauf vertrauen, dass ein Ausschluss nur unter dieser Voraussetzung erfolgen kann, sei es durch Beschluss der Gesellschafterversammlung oder durch Ausschlussklage. Der Ausschluss kann hinsichtlich Voraussetzungen und Verfahren in der Satzung näher geregelt werden. Die Satzung kann auch die Ausschlussgründe präzisieren und dadurch einen mehr oder minder strengen Beurteilungsmaßstab vorgeben (Noack – Kersting, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 16). Das Erfordernis einer grob schuldhaften Pflichtverletzung ist daher auch bei der Ausfüllung des „wichtigen Grundes“ im Rahmen der Ausschlussklage anzuwenden (vgl. Scholz- Seibt, GmbHG, 12. A., Anh. § 34 GmbHG, Rn. 55). Die Voraussetzungen für den Ausschluss liegen daher aus den oben bereits genannten Gründen nicht vor.

c)

Aber selbst dann, wenn man entgegen der Rechtsauffassung des Senats für die Ausfüllung des wichtigen Grundes keine grob schuldhafte Pflichtverletzung forderte, wäre ein wichtiger Grund zu verneinen. Die Gründe für die Ausschlussklage sind dieselben, die die Beklagte bereits zur Begründung des Ausschlussbeschlusses vorgebracht hat. Diese rechtfertigen den Ausschluss nicht.

aa)

Ein Gesellschafter kann zwangsweise aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn in seiner Person ein diese Maßnahme rechtfertigender wichtiger Grund vorliegt.

Ein wichtiger Grund für den Ausschluss liegt vor, wenn den übrigen Gesellschaftern die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem betroffenen Mitglied infolge seines Verhaltens oder seiner Persönlichkeit nicht mehr zuzumuten ist, seine weitere Mitgliedschaft also den Fortbestand der Gesellschaft unmöglich macht oder doch ernstlich gefährdet (Noack – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 3). Dies bedarf einer umfassenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls und einer Gesamtabwägung der beteiligten interessen sowie des Verhaltens der übrigen Gesellschafter (BGH, Urteil vom 13. Februar 1995 – II ZR 225/93 -, Rn. 15, juris). Ein schuldhaftes Verhalten ist zwar nicht erforderlich, da es allein auf die objektiven Umstände ankommt, wobei allerdings eine Pflichtwidrigkeit oder ein sonst schuldhaftes Verhalten die Ausschließung regelmäßig eher rechtfertigen wird. Bei der Gesamtwürdigung geht es nicht allein um das Verhalten des Auszuschließenden, sondern ebenso um das der anderen Gesellschafter (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 12. November 2009 – 23 U 2754/09 -, Rn. 8, juris).

bb)

Bei der Ausbringung von Arresten und einstweiligen Verfügungen, Ausbringung von Zahlungsverboten und der Geltendmachung der Zahlungsansprüche handelte Herr Dr. W. als Geschäftsführer der P. M. zur Durchsetzung von nach seiner Auffassung entstandenen Zahlungsansprüchen aus der Teilgewinnabführungsvereinbarung.

Der Interessengegensatz, der zwischen der Beklagten und der P. M. entstand, beruht auf der Konstruktion der Verwendung der Betriebsmittel der ehemaligen LPG durch die P. M. und die übrigen Gesellschaften einschließlich der Beklagten. Wie sich den bereits vorliegenden gerichtlichen Entscheidungen zur Problematik der Gewinnabführung entnehmen lässt, handelt es sich jedenfalls nicht um eine willkürliche Handlungsweise des Herrn Dr. W., mit der die Schädigung der Beklagten verfolgt wird, sondern um die Verfolgung von interessen der P. M., die Herrn Dr. W. als deren Geschäftsführer obliegt. Ein Gesellschafter kann aufgrund der ihm der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern gegenüber obliegenden Treuepflicht gehalten sein, von ihm an sich zustehenden Rechten keinen Gebrauch zu machen. Er braucht dabei aber nicht ohne weiteres seine eigenen Belange hinter diejenigen der Gesellschaft zurückzustellen; es kommt vielmehr auf eine Abwägung der beiderseitigen interessen an (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89 -, Rn. 7, juris). Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger Dr. W. in seiner Stellung als Geschäftsführer der P. M. ständig Rechtsstreitigkeiten mit der Beklagten führt. Dies kann allerdings regelmäßig ein Indiz dafür sein, dass ein tiefgreifendes Zerwürfnis besteht. Jedoch handelt es sich hier nicht um ein schikanöses, nicht durch die Wahrung berechtigter eigener Belange gerechtfertigtes Vorgehen. Der Kläger Dr. W. leitet nicht etwa wahllos gerichtliche Streitigkeiten ein und wird dabei ständig abgewiesen. Vielmehr gehen die Rechtsstreitigkeiten auch zu seinen Gunsten aus. Dieser Befund kann sogar dafür sprechen, dass die hinter der prozessbeteiligten GmbH stehenden anderen Gesellschafter sich ihrerseits nicht gesellschaftstreu verhalten, sondern versuchen, den Kläger aus der Gesellschaft hinauszudrängen oder als Störenfried darzustellen (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 12. November 2009 – 23 U 2754/09-, Rn.11,juris).

cc)

Auch bei dem Schreiben vom 18.12.2014 (2 U 492/17, Blatt 467 – 470 der Akte) an die Verpächter von Grundstücken handelt es sich um eine hinreichend begründete Wahrnehmung der interessen der P. M. Dies wurde bereits ausgeführt.

dd)

Die bereits genannte Strafanzeige gibt aus den bereits genannten Gründen ebenfalls keinen

wichtigen Grund für den Ausschluss des Dr. W. aus der Beklagten ab.

Die gegen einen anderen Gesellschafter oder gegen das Organmitglied einer Mitgesellschafterin gerichtete Strafanzeige ist nicht in jedem Fall als ein Verhalten anzusehen, dass das Verbleiben des Anzeigeerstatters in der Gesellschaft unzumutbar macht. Jedenfalls dann, wenn eine solche Anzeige nicht leichtfertig oder gar wider besseres Wissen erhoben wird, sondern der sich an die Strafverfolgungsbehörden wendende Gesellschafter nach gewissenhafter Prüfung der Auffassung sein kann, es lägen strafbare Verhaltensweisen vor, ist es ihm nicht verwehrt, sich an die Ermittlungsbehörden zu wenden (BGH, Urteil vom 24. Februar 2003 – II ZR 243/02 -, Rn. 11, juris).

ee)

Das zwischen den Gesellschaftern bestehende tiefgreifende Zerwürfnis rechtfertigt als solches noch nicht die Ausschließung des Klägers Dr. W. (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 12. November 2009- 23 U2754/09-, Rn. 15, juris). Der Ausschluss eines Gesellschafters unter dem Gesichtspunkt eines tiefgreifenden Zerwürfnisses setzt voraus, dass das Zerwürfnis von ihm zumindest überwiegend verursacht worden ist und in der Person des oder der auf Ausschließung klagenden Gesellschafter nicht ebenfalls ein Ausschlussgrund vorliegt (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 – II ZR 234/89-, Rn. 13, juris). Dies ist aus den genannten Gründen nicht der Fall.

15.

Die Klage des Klägers Dr. W. auf Feststellung der Unwirksamkeit von § 2 der Satzung der Beklagten in der geänderten Fassung ist unzulässig.

a)

Ausweislich des insoweit nicht angegriffenen Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 29.12.2014 (2 U 492/17, Anlage K14, Seiten 33-44) wurden unter Punkt 12 der Tagesordnung die Beschlüsse zur formwechselnden Umwandlung der Beklagten von der Rechtsform der GmbH in die Rechtsform der AG gefasst. Den Gesellschaftern lag bei der Beschlussfassung der Entwurf der Satzung der AG als Anlagenkonvolut 8 vor. Der Wortlaut der Satzung wurde den anwesenden Gesellschaftern durch den Notar vorgelesen und als Anlage 11 zum Protokoll genommen. Die Feststellung dieser Satzung war Teil der Beschlussfassung zum Formwechsel.

b)

Der Kläger hat, wie sich aus der Formulierung des Klageantrages und der dazu abgegebenen Begründung wie auch der Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung am 29.08.2018 ergibt, bewusst nicht die Klage auf Nichtigerklärung der Gesellschaft erhoben, § 275 Abs. 1 AktG, sondern eine Feststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, mit der nur und ausschließlich das Rechtsschutzziel verfolgt werden soll, die Unwirksamkeit von § 2 der Satzung der Beklagten als AG festzustellen, die Gesellschaft in ihrem Bestand aber davon unberührt zu lassen.

c)

Die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO ist nicht zulässig. Ist die Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens nichtig, kann nach § 275 Abs. 1 Satz 1 AktG jeder Aktionär darauf klagen, dass die Gesellschaft für nichtig erklärt werde. § 275 AktG ist auch auf die durch Umwandlung entstandene Aktiengesellschaft anwendbar und schränkt zum Schutze des Rechtsverkehrs die Möglichkeiten ein, die Unwirksamkeit der Satzung geltend zu machen (Henssler/Strohn-Drescher, aaO, § 275 AktG, Rn. 1; Hüffer, aaO, § 275 AktG, Rn. 1, 2, 11 ). Die Feststellung der Nichtigkeit nach § 256 ZPO ist daher nur in Bezug auf fakultative Satzungsbestimmungen (§ 23 Abs. 5 Satz 2 AktG) möglich (Schmidt, K./Lutter – Riesenhuber, AktG, 3. A., § 275 AktG, Rn. 3), zu denen der Gegenstand des Unternehmens nicht gehört, § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG. Die Erhebung einer allgemeinen Feststellungsklage an Stelle der Klage auf Nichtigerklärung der Gesellschaft ist daher nicht statthaft.

16.

Dem Kläger R. ist auf seinen Antrag hin bezüglich der Kosten des Rechtsstreits, die bis zum 01.12.2021 entstanden sind, die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass des Erblassers vorzubehalten. Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten. Die §§ 1975 ff. BGB, 1990f. BGB sehen verschiedene Möglichkeiten der Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass vor. Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann der Erbe die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie im Urteil vorgesehen ist.

Der Antrag ist im Berufungsverfahren unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 82/09 -, Rn. 7, juris). Die Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung nach§§ 1975 ff. 1990f. BGB können offenbleiben. Für die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung bedarf es keines Sachvortrags. Es genügt, dass sich der Erbe im Erkenntnisverfahren darauf beruft. Der Vorbehalt bedarf keiner Begründung (BGH, Urteil vom 2. Februar 2010-VI ZR 82/09-, Rn. 7, juris; BGH, Urteil vom 25. Januar 2018 – III ZR 561/16 -, Rn. 5, juris). Das Prozessgericht kann sich auf die Aufnahme des Vorbehalts beschränken und die sachliche Klärung des Haftungsumfangs dem. besonderen Verfahren gemäß § 785 ZPO überlassen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 82/09-, Rn. 8, juris).

§ 780 gilt nur für Nachlassverbindlichkeiten, zu denen auch die Kosten eines Rechtsstreites gehören können (Kindl/Meller-Hannich – Handke, Gesamts Recht der Zwangsvollstreckung, 4. A., ZPO § 780, Rn. 4), insbesondere die in der Person des Erblassers entstandenen Prozesskosten (Grüneberg – Weidlich, aaO, § 1967 BGB, Rn. 6; Zöller – Geimer, ZPO, 34. A., § 780 ZPO; Rn: 12, 13). Nicht erfasst ist eine in Form einer durch ein Handeln des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses begründete Nachlasserbenschuld oder eine reine Eigenverbindlichkeit des Erben (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2020. – VIII ZR 261/18-, BGHZ 227, 198-213, Rn. 20). Die aufgrund der Fortführung eines Rechtsstreites durch den Erben entstandenen Kosten unterfallen daher der unbeschränkten Erbenhaftung (Grüneberg – Weidlich, aaO, § 1967 BGB, Rn. 6; Zöller – Geimer, aaO, § 780 ZPO, Rn. 13). Es ist daher zwischen den Kosten zu differenzieren, die Nachlassverbindlichkeiten sind, und denjenigen, welche der Erbe als Eigenschuld zu tragen hat und für die kein Vorbehalt ausgesprochen werden darf (Münchener Kommentar zum BGB/Küpper, 9. Aufl. 2022, BGB § 1967 Rn. 40).

Der Vorbehalt ist daher auf diejenigen Prozesskosten zu beschränken, die bis zum Tode des Erblassers und ursprünglichen Klägers am 01.12.2021 entstanden waren. Nachdem der Erblasser während des Berufungsverfahrens am 01.12.2021 verstorben ist, ist sein Alleinerbe als Kläger und Berufungsbeklagter in den Rechtsstreit eingetreten. Nach dem Wortlaut des § 780 Abs. 1 ZPO liegen die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Vorbehalts zwar nicht vor. Die Vorschrift ist im Streitfall allerdings entsprechend anzuwenden. Die Regelung des § 780 ZPO soll sicherstellen, dass der Titel bereits regelt, ob der Erbe sich in der Zwangsvollstreckung auf die Beschränkung seiner Haftung berufen kann. Der Erbe haftet nicht nur, wenn er als Beklagter zu einer Leistung verurteilt wird, sondern auch, wenn er als Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Ergeht gegen den Erben eine Kostengrundentscheidung, so kann er seine Haftung nur in den Fällen auf den Nachlass beschränken, in denen die Kostenentscheidung einen entsprechenden Vorbehalt vorsieht. Fehlt es an einem Vorbehalt, ist der Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren mit der Haftungsbeschränkung präkludiert. Denn im Kostenfestsetzungsverfahren, in dem die Kostengrundentscheidung bindend ist, kann der Vorbehalt nicht mehr erfolgen. Da der Erblasser am 01.12.2021 verstarb, sind die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Kosten als Nachlassverbindlichkeiten von dem Vorbehalt erfasst. Die später entstandenen Kosten fallen seinem Erben vorbehaltlos zur Last (zu Allem: BAG, Urteil vom 12. November 2013- 9 AZR 646/12-, Rn. 17 – 18, juris).

17.

Den nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz der Kläger vom 17.03.2023 hat der Senat zur Kenntnis genommen. Dieser gebietet nicht, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Es bestand kein Anlass, den Klägern einen weiteren Schriftsatznachlass zu gewähren und kein Grund, den Rechtsstreit im Hinblick auf die laufenden Ermittlungsverfahren auszusetzen.

18.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 2 ZPO.

Die Kläger Dr. W. und R. waren als Gesellschafter der GmbH notwendige Streitgenossen, ebenso wie als nunmehrige Aktionäre der Beklagten (Henssler/Strohn – Drescher, Gesellschaftsrecht, 2. A., § 246 AktG, Rn. 41; Zöller-Althammer, ZPO, 32. A., § 62 ZPO, Rn. 3, 4; BGH, Urteil vom 05. April 1993 – II ZR 238/91-, Rn. 77, juris; Noack – Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn.169; vgl. a. BGH, Beschluss vom 31. März 2008-11 ZB 4/07 -, Rn. 8, juris). Der Erbfall hat daran nichts geändert, weil der Alleinerbe als Gesamtrechtsnachfolger auch in die Stellung des Verstorbenen als Partei eingerückt ist. Auch die Abtretung des Gesellschaftsanteiles hat auf die notwendige Streitgenossenschaft der Kläger keinen Einfluss (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1999 – V ZR 141/98 -, Rn. 10, juris).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 100 Abs. 1 – 3 ZPO (Noack – Noack, aaO; Anh. § 47 GmbHG, Rn. 169; Zöller- Herget, aaO, § 100 ZPO, Rn. 1). Der Kostenerstattungsanspruch des einzelnen Streitgenossen bestimmt sich entsprechend den aus § 100 ZPO hergeleiteten Kostengrundsätzen nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2007 – II ZB 23/06 -, Rn. 8, juris). Auch insoweit wirkt sich wegen der notwendig einheitlichen Sachentscheidung der größte Prozesserfolg zu Gunsten des anderen Gesellschafters aus, soweit ein gemeinsames streitiges Rechtsverhältnis besteht (BGH, Urteil vom 05. April 1993 – II ZR 238/91-, Rn. 77, juris; BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 – II ZR 185/07-, Rn. 55, juris). Soweit dies nicht der Fall ist, kann der Prozesserfolg jedes der Anfechtungskläger trotz der Einheitlichkeit der Sachentscheidung unterschiedlich ausfallen. Zwar kann die Entscheidung über eine Beschlussanfechtung nur einheitlich ergehen. Das Urteil muss indessen nicht einheitlich ausfallen. Kläger, die die Klage- oder Begründungsfrist versäumt haben, können abgewiesen werden, während andere mit ihrer rechtzeitigen Klage durchdringen (BGH, Urteil vom 27. März 2009 – V ZR 196/08 -, Rn. 22, juris). Da jeder der angegriffenen Beschlüsse einen eigenen Streitgegenstand bildet, ist für jeden der Beschlüsse zu entscheiden, ob zwischen den beiden Anfechtungsklägern ein gemeinsames streitiges Rechtsverhältnis besteht, soweit beide rechtzeitig Anfechtungsklage gegen diesen bestimmten Beschluss erhoben haben. In diesem Falle kommen die – nur – von dem anderen Anfechtungskläger geltend gemachten erfolgreichen Anfechtungsgründe beiden zu Gute und haben beide gleichermaßen Erfolg (Münchener Kommentar zum AktG – Hüffer/Schäfer, 4. A., § 246 AktG, Rn. 7, 37). Soweit hingegen nur einer diesen Beschluss rechtzeitig angefochten hat, liegt kein gemeinsames streitiges Rechtsverhältnis vor und können sich Obsiegen und Unterliegen des jeweiligen Klägers im Verhältnis zur Beklagten unterscheiden.

Für die Verteilung der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Berufungsverfahren war ein „fiktiver“ Gesamtstreitwert zu bilden, der sich aus der Summe der Einzelangriffe ergab, da Obsiegen und Unterliegen in den einzelnen Prozessrechtsverhältnissen zusammenzufassen war. In Bezug auf diesen Gesamtstreitwert unterliegt die Beklagte mit einem Anteil von – gerundet – 65%. An dem Unterliegen der Kläger ist der Kläger Dr. W. gegenüber dem Kläger R. mit einem höheren Anteil beteiligt, der sich aus dem Wert der Feststellungsklage ergibt und gerundet 12% des „fiktiven“ Gesamtstreitwertes erreicht. Daraus ergibt sich, dass von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten die Kläger nach Kopfteilen 23%, der Kläger Dr. W. weitere 12% und die Beklagte 65% zu tragen hat. Die Tragung der außergerichtlichen Kosten der Kläger richtet sich nach dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen im einzelnen Prozessrechtsverhältnis. Das führt zu einer Kostentragung durch die Beklagte im Verhältnis zum Kläger R. in Höhe von 77% und im Verhältnis zum Kläger Dr. W. in Höhe von 52%.

Bezogen auf den Streitwert im erstinstanzlichen Verfahrendes Herrn Dr. W. gegen die Beklagte (HK O 9/15) obsiegt Herr Dr. W. mit seinen Anträgen im Umfang von gerundet 48%. Obsiegen und Unterliegen der Parteien halten sich daher die Waage, so dass die Kosten auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufgehoben werden.

Bezogen auf den Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens des Herrn R. gegen die Beklagte (HK O 16/15) obsiegt Herr R. mit seinen Anträgen im Umfang von 73%, so dass von den Kosten dieses Rechtsstreites der Kläger 27% und die Beklagte 73% zu tragen hat.

19.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles ohne grundsätzliche Bedeutung handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert,§ 543 Abs. 2 ZPO.

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Schlagworte: Allgemeines zu Beschlussmängelstreitigkeiten, Angaben in der Gesellschafterliste, Anwalt bei Gesellschafterstreit, Anwesenheitsrecht in Gesellschafterversammlung, Ausschluss- oder Einziehungsbeschluss, Befugnis zur Einreichung der Gesellschafterliste, Behinderung der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, Bei inhaltlichen Fehlern der Gesellschafterliste, Beschlussmängelstreit, Beschlussmängelstreitigkeit, Beschlussmängelstreitigkeiten, Beschlusszuständigkeiten der Gesellschafterversammlung, Check Gesellschafterstreit, Corporate Litigation Gesellschafterstreit, Durchführung der Gesellschafterversammlung, Einberufung der Gesellschafterversammlung, Einberufung der Hauptversammlung, Einreichung einer neuen Gesellschafterliste zur Aufnahme in das Handelsregister, Einreichungspflicht einer geänderten Gesellschafterliste durch Geschäftsführer, Einstweiliger Rechtsschutz auf Änderung der Gesellschafterliste, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Gesellschafterliste, Einstweiliger Rechtsschutz und Gesellschafterliste, Einziehung, Einziehung des Geschäftsanteils, Einziehung scheitert, Einziehung von Geschäftsanteilen, Einziehung von Geschäftsanteilen/ Aufstockung, Einziehungsbeschluss, Einziehungsbeschluss nur zum Schein, Einziehungserklärung, Einziehungswirkung sofort mit Bekanntgabe des Beschlusses, Formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG, Gesellschafterliste, Gesellschafterliste bei Ausschlussvorgängen, Gesellschafterliste bei Übertragungsvorgängen, Gesellschafterliste Recht auf Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, Gesellschafterlisten, Gesellschafterstreit, Gesellschafterstreit GmbH, Gesellschafterstreit vor Gericht, Gesellschafterstreitigkeiten, Gesellschafterstreitigkeiten sicher vermeiden oder schnell gewinnen, Gesellschafterversammlung, GmbhG § 16, GmbhG § 16 Abs. 1, GmbHG § 34, GmbHG 16, Kapitalerhaltung und Einziehung nach § 34 GmbHG, Kein wichtiger Grund, Korrektur der Gesellschafterliste, Legitimationswirkung der Gesellschafterliste, Liste der Gesellschafter, Lösung von Gesellschafterstreit, Maßgeblicher Zeitpunkt i. S. d. § 34 Abs. 3, Nach Veröffentlichung der geänderten Gesellschafterliste im Handelsregister – Listenkorrektur, negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, Rechtsscheinwirkung der Gesellschafterliste, Rechtsstreit zwischen Rechtsinhaber und Listengesellschafter, Sämtliche Gesellschafter im Sinne des § 16 Abs. 1 GmbHG, Teilnahme an Gesellschafterversammlungen des ausscheidenden Gesellschafters, Teilnahmerecht in Gesellschafterversammlungen, Verbleibende Gesellschafter die Einziehungsbeschluss gefasst haben haften dem ausgeschiedenen Gesellschafter, Versammlungsleiter, Voraussetzung des § 34 GmbHG müssen erfüllt sein, Voraussetzungen der Zwangseinziehung, Voraussetzungen für vorläufigen Rechtsschutz gegen Gesellschafterliste, Vorläufig verbindliche Feststellungen der Beschlussergebnisse durch Versammlungsleitung, Wahl des Versammlungsleiters, Wichtige Gründe für Einziehung, Wichtiger Grund, wichtiger Grund in der Rechtsprechung, wichtiger Grund liegt tatsächlich vor, Widerspruchslose Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, Wirkung der Einziehung, Zwangseinziehung des Geschäftsanteils

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OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.03.2018 – 11 U 35/17

14. März 2018

§ 51 ZPO, § 62 AktG, § 117 AktG, § 136 AktG, § 147 AktG, § 241 Nr 3 AktG, § 139 BGB

1. Die von der Rechtsprechung zur gesetzlichen Vertretung bei der Prozessführung (§ 51 ZPO) entwickelten Grundsätze kommen auch dann zur Anwendung, wenn die wirksame Vertretung einer Aktiengesellschaft durch einen von der Hauptversammlung bestellten besonderen Vertreter (§ 147 AktG) in Streit steht.

2. Der Geltendmachungsbeschluss nach § 147 AktG muss die zu verfolgenden Ansprüche konkretisieren. Es ist insoweit nicht Aufgabe des besonderen Vertreters, die Voraussetzungen nur möglicher, allein nach der Anspruchsgrundlage bezeichneter Ersatzansprüche erst festzustellen. Hierfür sieht das Gesetz die Sonderprüfung vor.

3. Die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Aktionäre (allein) wegen zu Unrecht ausbezahlter Dividenden, insbesondere aus § 62 AktG, kann die Hauptversammlung nicht nach § 147 AktG beschließen. Ein gleichwohl gefasster Beschluss ist in diesem Punkt nichtig (§ 241 Nr. 3 AktG).

4. Bei der Anwendung von § 139 BGB auf teilweise nichtige Geltendmachungsbeschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ist für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens der Hauptversammlung zu berücksichtigen, ob ein ursprünglich bestehendes Stimmverbot bei einer gedachten Abstimmung nur über die nicht unmittelbar fehlerbehafteten Teile entfiele.

5. Ein wegen zu Unrecht ausbezahlter Dividenden in Anspruch genommener (Mehrheits-)Aktionär ist von der isolierten Abstimmung über deswegen geltend zu machende Ansprüche gegen Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats nicht ausgeschlossen, wenn die anspruchsbegründenden Pflichtverletzungen verschiedener Natur sind.

6. Ist der Beschluss über die Bestellung eines besonderen Vertreters nichtig, so ist eine von diesem im Namen der Gesellschaft erhobene Klage aus prozessualen Gründen abzuweisen, wenn nicht die originär zuständigen Organe das Verfahren aufnehmen und die Prozessführung des besonderen Vertreters genehmigen.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 21.03.2017, Az. 11 O 11/16 KfH, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Heidelberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

1

Die Klägerin macht, vertreten durch einen von der Hauptversammlung bestellten besonderen Vertreter (§ 147 Abs. 2 Satz 1 AktG), gegen die Beklagten Ersatzansprüche im Zusammenhang mit der Auszahlung von Dividenden geltend. Die Parteien streiten unter anderem über die Befugnis des besonderen Vertreters, die Klägerin für die Geltendmachung dieser Ansprüche zu vertreten.

2

Die Klägerin ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Gelatine, Gelatine-​Erzeugnissen und anderen chemischen Produkten befasst. Ihr Grundkapital ist eingeteilt in vinkulierte Namensaktien, die sich in Familienbesitz befinden.

3

Der Beklagte zu 1) ist seit 1996 Aktionär der Klägerin und seit 2004 Kommanditist der R. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
. Bis 2013 war er ferner alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Komplementärin.

4

Bei Bestellung des besonderen Vertreters im Oktober 2015 besaß der Beklagte zu 1) rund 52,2 % der Aktien der Klägerin. Ein zweiter Familienstamm, zu dem der Onkel des Beklagten zu 1) K. und dessen Tochter, die Aktionärin O. gehören, hielt zu diesem Zeitpunkt rund 32,3 % der Aktien und ein dritter Familienstamm rund 12,5 %. Letzterem gehört der Beklagte zu 2) an, welcher seit 2006 Aktionär der Klägerin ist und überdies im Juli 2011 ein Gewerbe zum An- und Verkauf von Fahrzeugen angemeldet hat. Die restlichen rund 3 % der Aktien befanden sich in den Händen weiterer Familienmitglieder.

5

Der Beklagte zu 3) ist seit Januar 2010 und der Beklagte zu 4) seit dem Jahr 2002 Mitglied des Vorstands der Klägerin. Die Beklagten zu 5) bis 8) sind Mitglieder ihres Aufsichtsrats, aus dem der Beklagte zu 8) im Jahr 2014 ausgeschieden ist. Die Beklagte zu 6) ist zudem die Mutter des Beklagten zu 1).

6

Zwischen den Mitgliedern der drei Familienstämme besteht ein „Schutzgemeinschaftsvertrag“ (Anlage HM 19, im Folgenden: SGV), der eine einheitliche Rechtsausübung aus den Beteiligungen der Mitglieder an den Familienunternehmen sichern soll (§ 1 Nr. 2 SGV). Gemäß § 5 Nr. 2 SGV ist jedes Mitglied der Schutzgemeinschaft verpflichtet, sein Stimmrecht in den Gesellschafterversammlungen der Vertragsunternehmen so auszuüben, wie dies in den jeweils zuvor abzuhaltenden Mitgliederversammlungen der Schutzgemeinschaft mit einfacher Mehrheit beschlossen worden ist.

7

Der Beklagte zu 1) teilte der Klägerin im September 2011 schriftlich mit, dass ihm seit dem 02.05.2006 mehr als der vierte Teil der Aktien der Klägerin gehöre. Für die Jahre 2006 bis 2010 hatte er Dividenden in Höhe von insgesamt 8.156.425,00 EUR erhalten. Die Auszahlung der darin enthaltenen Ausschüttung in Höhe von 1.901.080,00 EUR für das Jahr 2010 veranlassten die Beklagten zu 3) und 4).

8

Der ursprünglich mit drei Aktien an der Klägerin beteiligte Beklagte zu 2) zeigte dieser im August 2015 schriftlich an, dass ihm mit Wirkung vom 26.09.2011 mehr und ab dem 01.12.2012 weniger als ein Viertel der Aktien der Klägerin gehört habe. Hintergrund war der Erwerb eines aus dem Nachlass seiner Großmutter stammenden, später an den Beklagten zu 1) übertragenen und von diesem an den Beklagten zu 2) verpfändeten und zur Sicherheit abgetretenen Aktienpakets sowie der Erwerb eines weiteren, mit einem Ertragsnießbrauch zugunsten der Mutter des Beklagten zu 2) belasteten Aktienpakets. Für das Geschäftsjahr 2011 wurde an den Beklagten zu 2) ein Betrag in Höhe von 195,00 EUR und an seine Mutter aufgrund des Nießbrauchrechts ein Betrag in Höhe von 7.386.080,00 EUR ausgeschüttet.

9

Wegen der Ausschüttungen an die Beklagten zu 1) und 2) wurde am 06.10.2015 eine außerordentliche Hauptversammlung abgehalten, auf der rund 97 % des Grundkapitals vertreten waren und auf der die folgenden Beschlussvorschläge der Aktionärin O. beraten wurden:

10

– zu TOP A die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Klägerin gegen den Beklagten zu 1), die „verantwortlichen Mitglieder des Vorstands“, insbesondere die Beklagten zu 3) und 4), sowie die namentlich als Aufsichtsratsmitglieder benannten Beklagten zu 5) bis 8) wegen unberechtigter Dividendenauszahlungen an den Beklagten zu 1) sowie die Bestellung des besonderen Vertreters zur Geltendmachung dieser Ansprüche,

11

– zu TOP B die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Klägerin gegen die Beklagten zu 1) und 2), die Beklagten zu 3) und 4) als Mitglieder des Vorstands sowie die Beklagten zu 5) bis 8) als Aufsichtsratsmitglieder wegen unberechtigter Dividendenauszahlungen an den Beklagten zu 2) sowie die Bestellung des besonderen Vertreters zur Geltendmachung dieser Ansprüche.

12

Wegen des Wortlauts der Beschlussvorschläge im Einzelnen wird auf die Anlage 4 zum Protokoll der Hauptversammlung vom 06.10.2015 und den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen.

13

Vor der Abstimmung über die Beschlussanträge wies der Beklagte zu 5) in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender und Versammlungsleiter auf Zweifel an der Rechtmäßigkeit der jeweils beantragten Beschlussfassung hin. Hierzu gab der für die Aktionärin O. anwesende Aktionärsvertreter Rechtsanwalt H. eine Erklärung ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Versammlungsniederschrift vom 06.10.2015 und den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen.

14

Nachdem sich der Bevollmächtigte des Beklagten zu 1) für die Abstimmung zu TOP A und B und der Bevollmächtigte des Beklagten zu 2) für die Abstimmung zu TOP B von der Präsenz abgemeldet hatten, wurden der zu TOP A verlesene Beschlussvorschlag antragsgemäß mit einer Präsenz von 44,783 % des Grundkapitals und der zu TOP B verlesene Beschlussvorschlag antragsgemäß mit einer Präsenz von 32,296 % des Grundkapitals angenommen. Wegen des Ganges der Hauptversammlung und der Beschlussfassung im Einzelnen wird auf die Versammlungsniederschrift vom 06.10.2015 nebst Anlagen sowie den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

15

Die zu TOP A und B gefassten Beschlüsse vom 06.10.2015 (im Folgenden: Geltendmachungsbeschlüsse) wurden nicht angefochten. Auf ihrer Grundlage hat der besondere Vertreter in erster Instanz im Namen der Klägerin Ersatzansprüche gegen die Beklagten zu 1) bis 8) geltend gemacht. Die jeweils aufgrund einer anderweitigen unternehmerischen Tätigkeit nach § 20 Abs. 1 AktG mitteilungspflichtigen Beklagten zu 1) und 2) seien zur Rückzahlung der Ausschüttungen in den Jahren 2006 bis 2010 bzw. 2011 verpflichtet, da sie die Klägerin nicht unverzüglich von der Überschreitung der 25 % – Schwelle informiert hätten. Die Beklagten zu 3) bis 8) seien schadensersatzpflichtig, da sie sorgfaltswidrig Dividendenzahlungen veranlasst beziehungsweise sie in diesem Zusammenhang treffende Aufsichtspflichten verletzt hätten. Der besondere Vertreter hat zudem die Auffassung vertreten, aufgrund der rechtmäßigen, zumindest aber nicht angefochtenen und damit bestandskräftigen Geltendmachungsbeschlüsse sei er wirksam bestellt worden und für die Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche gesetzlicher Vertreter der Klägerin (§ 51 ZPO). Zur Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse hat er unter anderem vorgetragen, diese müssten hinsichtlich einer Schadensersatzpflicht des Erst- und Zweitbeklagten aus § 117 AktG nicht explizit angeben, wie genau diese im Rahmen der Dividendenausschüttungen Einfluss genommen hätten. Zudem lägen potentielle Möglichkeiten der Einflussnahme aufgrund der familiären Verflechtungen bei der Klägerin mehr als nahe und die Klägerin habe ausgerechnet im Jahr 2012 eine „Superdividende“ ausgeschüttet, als der Beklagte zu 1) nach Übernahme der Mehrheit der Aktien des Beklagten zu 2) wegen der Bezahlung des Kaufpreises einen erheblichen Finanzierungsbedarf gehabt habe. Der den Anspruch aus § 117 AktG tragende Sachverhalt eröffne auch Ansprüche aus § 62 Abs. 1 AktG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 AktG, die vom Gericht schon aus diesem Grund zu prüfen seien. Zudem würden Ansprüche aus § 62 AktG nach dem Sinn und Zweck der Norm von § 147 Abs. 1 AktG erfasst, dessen Wortlaut insoweit nicht abschließend sei.

16

Die Klägerin hat, vertreten durch den besonderen Vertreter, in erster Instanz beantragt:

17

1. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 8.156.425,00 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

18

2. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 7.386.275,00 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

19

3. Die Beklagten zu 3) bis 8) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.287.355,00 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, dies in Höhe von 1.901.080,00 EUR als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1) und in Höhe von weiteren 7.386,275,00 EUR als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 2); darüber hinaus werden die Beklagten zu 5) bis 8) als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1) verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.255.345,00 EUR zu zahlen.

20

Die Beklagten zu 1) bis 8) haben jeweils beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Die Beklagten zu 3) und 4) haben hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den besonderen Vertreter aufgrund der Grundsätze des „faktischen Organs“ als prozessführungsbefugt ansehen sollte, im Wege der Zwischenfeststellungswiderklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) beantragt,

23

festzustellen, dass der besondere Vertreter K. nicht, insbesondere nicht durch den in der Hauptversammlung der G. AG am 06.10.2015 gefassten Beschluss, berechtigt ist, einen Anspruch der G. AG nach § 62 Abs. 1 AktG gegen die Beklagten Ziff. 1 und 2 geltend zu machen und/oder einen (möglichen) Anspruch aus § 62 Abs. 1 AktG gegen die Beklagten Ziff. 1 und 2 an die Beklagten Ziff. 3 und 4 abzutreten.

24

Die Klägerin hat die Abweisung der Zwischenfeststellungswiderklage beantragt.

25

Die Beklagten zu 1) bis 8) haben insbesondere vorgetragen, die Hauptversammlung habe kompetenzwidrig gehandelt, soweit sie die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gegen die Beklagten zu 1) und 2) beschlossen habe. Aufgrund eines inneren Zusammenhangs zu den anderen Beschlussteilen, der sich unter anderem aus der Bindung der Mitglieder des Aktionärsstammes K. an die vorangegangene Abstimmung in der Schutzgemeinschaft ergebe, seien die Geltendmachungsbeschlüsse wegen der Kompetenzüberschreitung insgesamt nichtig und die Klage nicht nur unbegründet, sondern unbeschadet der Rechtsfigur des faktischen Organs bereits unzulässig.

26

Mit dem angegriffenen Urteil vom 21.03.2017 hat das Landgericht Heidelberg die Klage mangels vorschriftgemäßer gesetzlicher Vertretung der Klägerin (§ 51 ZPO) als unzulässig abgewiesen. Die Geltendmachungsbeschlüsse seien dahin auszulegen, dass der besondere Vertreter nicht zur Verfolgung von Ansprüchen der Klägerin gegen die Beklagten zu 1) und 2) aus § 117 Abs. 1 AktG, sondern nur von Ansprüchen aus § 62 Abs. 1 AktG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 AktG ermächtigt worden sei. Insoweit würden die Beschlüsse allerdings den von § 147 AktG vorgegebenen rechtlichen Rahmen verlassen und in besonders schwerwiegender Weise in die Kompetenz des Vorstands eingreifen. Dies führe zur Nichtigkeit der entsprechenden Beschlussteile gemäß § 241 Nr. 3, Alt. 1 AktG und aufgrund inneren Zusammenhangs zu den übrigen Beschlussgegenständen zur Nichtigkeit der Beschlüsse insgesamt (§ 139 BGB). Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der fehlerhaften Bestellung eines Organs sei die Klägerin durch den besonderen Vertreter daher nicht wirksam vertreten. Da ihr Vorstand zudem den prozess weder aufgenommen noch die Prozessführung des besonderen Vertreters genehmigt habe, sei die Klage unzulässig. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts, der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien im Übrigen sowie der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

27

Gegen das ihr am 27.03.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin, vertreten durch den besonderen Vertreter, mit am 07.04.2017 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 27.06.2017 eingegangenem Schriftsatz innerhalb der bis zu diesem Tag verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

28

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre in erster Instanz zuletzt gestellten Sachanträge unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils in vollem Umfang weiter. Zur Begründung trägt sie insbesondere vor, das Landgericht gehe fehlerhaft davon aus, dass dem besonderen Vertreter nicht die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 117 AktG übertragen worden sei. Die mehrfache Nennung der Norm im Rahmen des Beschlussvorschlages genüge in Verbindung mit der Schilderung des Verstoßes gegen § 20 AktG, um den insoweit maßgeblichen Sachverhalt darzustellen. Weitere Angaben seien zur Bezeichnung des Anspruchs nicht erforderlich, da eine gesetzliche Vermutung der Einflussnahme bestehe, wenn der Vorteil des Aktionärs spiegelbildlich zum Schaden der Aktiengesellschaft geführt habe. Zu Unrecht habe das Landgericht ferner Ansprüche aus § 62 AktG vom Anwendungsbereich des § 147 Abs. 1 AktG ausgenommen und aufgrund der hieraus abgeleiteten Kompetenzüberschreitung eine (Gesamt-​)Nichtigkeit der Geltendmachungsbeschlüsse bejaht. Im Übrigen würde der vom Landgericht bejahte Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung auch angemessen durch die Anfechtungsregelungen sanktioniert, während die Feststellung der Nichtigkeit weder aus Gründen des Gläubigerschutzes noch wegen einer Verletzung der im öffentlichen Interesse vorgegebenen Struktur der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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erforderlich sei. Die Annahme des Landgerichts, dass die Ansprüche gegen die Beklagten aufeinander aufbauen würden mit der Folge, dass die Hauptversammlung den besonderen Vertreter zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Beklagten zu 3) bis 8) allein nicht ermächtigt hätte, finde in dem Wortlaut der Beschlüsse und den Beschlussbegründungen keine Stütze. Aus diesen ergebe sich vielmehr, dass die Ansprüche gegen Vorstand und Aufsichtsrat einerseits und Aktionäre andererseits nebeneinander und unabhängig voneinander geltend gemacht werden sollten. Fehlerhaft gehe das Landgericht schließlich unter Bezugnahme auf die ältere Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGHZ 135, 244 davon aus, dass die Nichtigkeit der Geltendmachungsbeschlüsse zur Unzulässigkeit der Klage führe. Es verkenne insoweit, dass unter anderem nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, AG 2011 S. 875) die Grundsätze der fehlerhaften Bestellung auf den besonderen Vertreter anzuwenden seien. Es komme nunmehr allein darauf an, ob das Amt des besonderen Vertreters wirksam durch einen Beschluss der Hauptversammlung als dem für den Widerruf allein zuständigen Organ oder durch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil beendet worden sei. Beides sei hier nicht der Fall. Auch habe das Landgericht verkannt, dass die Klägerin auf der Grundlage der den Prozessbevollmächtigten erteilten Prozessvollmacht wirksam vertreten wurde und eine Abweisung der Klage wegen fehlender Prozessfähigkeit nach § 51 ZPO bereits deshalb nicht möglich gewesen sei. Andernfalls habe das Landgericht den prozess nicht nach Maßgabe des § 246 ZPO fortsetzen dürfen.

29

Die Beklagten zu 1) sowie zu 5) bis 8) beantragen, die Berufung der Klägerin als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen; die Beklagten zu 2) sowie zu 3) und 4) beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagte zu 1) trägt vor, die Berufung sei mangels wirksamer Vertretung der Klägerin durch den besonderen Vertreter und fehlender wirksamer Prozessvollmacht der Klägervertreter unzulässig. Dem treten die Beklagten zu 5) bis 8) bei und führen ergänzend aus, es liege auch keine der Fallkonstellationen vor, in denen das Rechtsmittel bei Streit um die ordnungsgemäße Vertretung ausnahmsweise nicht (allein) aus diesem Grunde zu verwerfen sei. Im Übrigen verteidigen die Beklagten zu 1) bis 8) das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres jeweiligen erstinstanzlichen Vorbringens als richtig. Die Beklagten zu 5) bis 8) weisen ergänzend darauf hin, dass die Beklagten zu 1) und 2) bei einer gesonderten Beschlussfassung über Ansprüche gegen die Beklagten zu 3) bis 8) kein Stimmverbot getroffen hätte.

30

Für den weiteren Sach- und Streitstand in zweiter Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

31

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

32

Die Berufung ist zulässig. Der von der Hauptversammlung nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG mit der Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche beauftragte besondere Vertreter und die von diesem bestellten Prozessbevollmächtigten sind berechtigt, den Streit über die gesetzliche VertretungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Vertretung
der Klägerin (§ 51 Abs. 1 ZPO) in der Rechtsmittelinstanz auszutragen. Ihre Prozesshandlungen sind insoweit als wirksam anzusehen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Einwand eines Vertretungsmangels wegen unwirksamer Bestellung des Sondervertreters berechtigt ist.

33

1. Zwar ist ein Rechtsmittel im Fall der gesetzlichen Vertretung einer Partei grundsätzlich nicht wirksam eingelegt und als unzulässig zu verwerfen, wenn die zur Prozessführung erforderliche Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters fehlt (vgl. BGHZ 40, 197, zitiert nach juris Rn. 19).

34

2. Von diesem Grundsatz lässt die Rechtsprechung jedoch eine Ausnahme zu, wenn die gesetzliche VertretungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Vertretung
der Partei schon in der Vorinstanz in Streit stand. In diesem Fall kann von der betroffenen Partei – auch vertreten durch denjenigen, um dessen gesetzliche Befugnis dazu gestritten wird – gegen ein diesen Streit entscheidendes Urteil Rechtsmittel zu dem Zweck eingelegt werden, den Streit über die ordnungsgemäße Vertretung im Rechtsmittelverfahren zum Austrag zu bringen (vgl. BGHZ 111, 219, zitiert nach juris Rn. 6 f.; Althammer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 56 Rn. 14; jeweils m.w.N.).

35

Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass nur auf diesem Weg eine Entscheidung der Rechtsmittelinstanz darüber herbeigeführt werden kann, ob in der Sache zu erkennen ist oder nicht, ohne dass die betroffene Partei in eine Konfliktlage gerät, die sie nicht ohne unvertretbares Risiko bewältigen kann. Denn wollte die Partei für die Einlegung des Rechtsmittels dem in der Vorinstanz festgestellten prozessualen Mangel begegnen, indem sie sich durch den vom Vordergericht als zur Prozessvertretung befugt Angesehenen vertreten lässt, dann liefe sie, wenn das Rechtsmittelgericht eine vom Vordergericht abweichende Auffassung vertritt, Gefahr, dass das Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird. Umgekehrt muss die Partei, hält sie für die Rechtsmitteleinlegung an ihrer Rechtsauffassung über die Vertretungsbefugnis fest, damit rechnen, dass das Rechtsmittelgericht die hiervon abweichende Rechtsansicht des Vordergerichts teilt und aus diesem Grund das Rechtsmittel als unzulässig verwirft (vgl. BGHZ 111, 219, zitiert nach juris Rn. 8 m.w.N.).

36

3. In einer vergleichbaren Konfliktsituation befindet sich hier die klagende Aktiengesellschaft, deren wirksame Vertretung durch den von der Hauptversammlung eingesetzten besonderen Vertreter in Streit steht. Auch der nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG bestellte Sondervertreter ist gesetzlicher Vertreter und Organ der Gesellschaft, soweit seine Befugnis reicht, Ersatzansprüche im Namen der Gesellschaft zu verfolgen (vgl. BGH NJW-​RR 2015, S. 992 Rn. 15; BGH, B. v. 27.09.2011 – II ZR 225/08 -, juris; jeweils m.w.N.). Diese Befugnis ist ein abgespaltener Teil der umfassenden gesetzlichen Vertretungsmacht des Vorstands (vgl. BGH NJW-​RR 2015, S. 992 Rn. 15 m.w.N.). Daher ist es der Klägerin – anders als im Fall der gewillkürten Vertretung, auf den die für Fälle der gesetzlichen Vertretung maßgeblichen Rechtsgrundsätze nicht anwendbar sind (vgl. BGHZ 111, 219, zitiert nach juris Rn. 9) – nicht möglich, den Streit über die Vertretungsmacht des besonderen Vertreters für die Rechtsmittelinstanz auszuräumen, indem sie diesem eine ordnungsgemäße Prozessvollmacht erteilt. Sie hat es zudem nicht ebenso in der Hand, eine Genehmigung der bisherigen Prozessführung durch den Vorstand beziehungsweise Aufsichtsrat zu erlangen, wie es für den von einem gewillkürten Vertreter Vertretenen möglich wäre, sich einen anderen Bevollmächtigten zu suchen (Abgrenzung zu OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Karlsruhe
, Urt. v. 09.10.2013 – 7 U 33/13 -, juris Rn. 13, 17). Denn Vorstand und Aufsichtsrat, deren Mitglieder in dem vorliegenden Rechtsstreit auch Beklagte sind, haben sich von der Klage distanziert und der Vorstand hat den besonderen Vertreter nach Abschluss der ersten Instanz ausdrücklich aufgefordert, seine Tätigkeit einzustellen (Schreiben des Vorstands vom 22.05.2017). In einer Gesamtschau ist es daher geboten, die Klägerin und den für sie handelnden besonderen Vertreter zum Rechtmittelstreit ohne Rücksicht auf den umstrittenen Vertretungsmangel zuzulassen.

II.

37

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten ist (§ 51 ZPO).

38

1. Der Senat teilt allerdings die Auffassung der Berufung, dass die Hauptversammlung den besonderen Vertreter auch ermächtigt hat, Ersatzansprüche der Klägerin wegen schädigender Einflussnahme gemäß § 117 Abs. 1 AktG gegen den Erst- und Zweitbeklagten geltend zu machen.

39

a) Hauptversammlungsbeschlüsse unterliegen ebenso wie materielle Satzungsbestandteile der objektiven Auslegung (vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 133 Rn. 4; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 133 Rn. 2); sie müssen mithin nach objektiven Gesichtspunkten unter Berücksichtigung von Wortlaut, Sinn und Zweck sowie dem systematischen Bezug der Regelung zu anderen Beschlussbestandteilen aus sich heraus ausgelegt werden (vgl. BGHZ 123, 347, zitiert nach juris Rn. 15 zur Auslegung einer Satzungsbestimmung). Die notarielle Niederschrift über die Hauptversammlung und mit der Beschlussfassung zusammenhängende Umstände, die vom durchschnittlichen Aktionär in die Entscheidungsfindung einbezogen werden und dazu auch bestimmt sind, können bei der Auslegung berücksichtigt werden (vgl. Koch aaO § 133 Rn. 4; Arnold, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. 2018, § 133 Rn. 6; Grundmann, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. Stand Juli 2008, § 133 Rn. 50).

40

b) Eine Auslegung nach diesem Maßstab führt zu dem Ergebnis, dass die Geltendmachungsbeschlüsse auch gegen die Beklagten zu 1) und 2) gerichtete Ansprüche nach § 117 AktG umfassen. Der Wortlaut der zur Abstimmung gestellten und vorbehaltlos angenommenen Beschlussanträge ist insoweit eindeutig. Dort wird § 117 AktG unter der Überschrift „1. Gegenstand der geltend zu machenden Ersatzansprüche“ bereits in dem einleitenden ersten Satz in einem Klammerzusatz zu der Formulierung „Ersatzansprüche der Gesellschaft“ als Anspruchsgrundlage angegeben. Zwar stimmt der Senat dem Landgericht darin zu, dass in der nachfolgenden näheren „Beschreibung der geltend zu machenden Ersatzansprüche und ihrer Gründe“ unter Ziffer 1a) bis 1g) jeweils kein Sachverhalt dargetan ist, der an eine Haftung auf dieser Grundlage denken ließe. Indes wird § 117 AktG in der Darstellung der Rechtsfolgen unter Ziffer 1d) als Anspruchsgrundlage nochmals ausdrücklich genannt und in dem zu TOP B gefassten Beschluss in Bezug auf den Beklagten zu 1) unter Ziffer 1d) in einem abschließenden Satz wiederholt neben dem konzernrechtlichen Haftungstatbestand des § 317 AktG aufgeführt.

41

Für ein § 117 AktG einbeziehendes Verständnis der Geltendmachungsbeschlüsse sprechen auch die zu Protokoll gegebenen Erklärungen des Versammlungsleiters und des Aktionärsvertreters Rechtsanwalt H. zu der Frage, auf welche Ersatzansprüche sich die Beschlussvorschläge beziehen. Aus ihnen geht hervor, dass die Beschlussvorschläge die von § 147 AktG erfassten Ersatzansprüche betreffen sollten. Zu diesen gehört aber § 117 AktG, der in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG als mögliche Anspruchsgrundlage genannt wird. Folgerichtig wurde seine Einbeziehung in die Beschlussvorschläge – anders als die von Ansprüchen aus § 62 AktG und § 823 BGB – von den Beteiligten ausweislich der Versammlungsniederschrift nicht diskutiert.

42

Damit verbleiben aus der Sicht eines objektiven außenstehenden Betrachters keine Zweifel daran, dass dem besonderen Vertreter auch der Auftrag zur Geltendmachung von Ansprüchen aus § 117 AktG erteilt wurde. Insofern bestehende inhaltliche Mängel betreffen allein die Frage, inwieweit die Beschlüsse rechtmäßig sind.

43

2. Die so verstandenen Geltendmachungsbeschlüsse sind, soweit sie die Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Erst- und Zweitbeklagten betreffen, von § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht gedeckt (hierzu unter a und b) und gemäß § 241 Nr. 3 AktG nichtig (hierzu unter c). Die Nichtigkeit erfasst auch die übrigen Beschlussteile (§ 139 BGB, hierzu unter d).

44

a) In Bezug auf die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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wegen schädigender Einflussnahme (§ 117 Abs. 1, § 317 AktG) genügen die Geltendmachungsbeschlüsse nicht den inhaltlichen Anforderungen an eine Beschlussfassung nach § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG.

 

45          aa) Gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG müssen neben hier nicht relevanten Ansprüchen aus der Gründung Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats oder aus § 117 AktG geltend gemacht werden, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschließt.

46

Um einer missbräuchlichen Verwendung dieses Beschlusses entgegenzuwirken, sind die geltend zu machenden Ansprüche in dem Beschluss zu konkretisieren. Insofern dürfen zwar keine überhöhten Anforderungen an die Bestimmtheit entsprechender Beschlüsse gestellt werden. Zu verlangen ist jedoch zumindest, dass der Lebenssachverhalt, aus dem Ersatzansprüche hergeleitet werden, so genau bezeichnet wird, dass im Fall einer späteren Klageerhebung durch den besonderen Vertreter festgestellt werden kann, ob der Gegenstand der Klage mit den von der Hauptversammlung behandelten Ansprüchen übereinstimmt (vgl. OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, OLGR 2004, S. 88; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urt. v. 27.08.2008 – 7 U 5678/07 -, juris Rn. 51; OLG Stuttgart, B. v. 25.11.2008 – 8 W 370/08 -, juris Rn. 16; KG Berlin, B. v. 25.08.2011 – 25 W 63/11 -, juris Rn. 24; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Urt. v. 09.03.2017 – 18 U 19/16 u.a. -, juris Rn. 310, 312). Es reicht dabei aus, wenn neben der Angabe, welcher Art der Schaden sein soll, umrissen wird, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der Anspruchsgegner bestehen sollen (vgl. BGHZ 97, 28, zitiert nach juris Rn. 14 zur GmbH mit Hinweis auf § 147 AktG; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Karlsruhe
, B. v. 16.06.2014 – 11 Wx 49/14 -, juris Rn. 49, 54; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
aaO Rn. 310, 312 m.w.N).

47

bb) Diesen Mindestanforderungen genügen die Geltendmachungsbeschlüsse in Bezug auf die gegen den Erst- und Zweitbeklagten gerichteten Ersatzansprüche aus § 117 AktG ebenso wenig wie hinsichtlich eines Ersatzanspruchs gegen den Beklagten zu 1) aus § 317 AktG.

48

(1) Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG ist der Gesellschaft zum Ersatz des dieser entstandenen Schadens verpflichtet, wer vorsätzlich unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, einen Prokuristen oder einen Handlungsbevollmächtigten dazu bestimmt hat, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln. Gemäß § 117 Abs. 3 AktG haftet als Gesamtschuldner, wer durch die schädigende Handlung einen Vorteil erlangt hat, sofern er die Beeinflussung vorsätzlich veranlasst hat.

49

Wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 117 AktG beabsichtigt, so ist dies in dem entsprechenden Beschluss nicht nur zum Ausdruck zu bringen, sondern nach Maßgabe der oben dargestellten Grundsätze auch in den Grundzügen anzugeben, worauf eine Ersatzpflicht nach § 117 AktG beruhen könnte (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urt. v. 27. 08.2008 – 7 U 5678/07 -, juris Rn. 40). Daran fehlt es hier.

50

(a) Das in den Geltendmachungsbeschlüssen beschriebene anspruchsbegründende Handeln liegt jeweils in einer vorsätzlichen Verletzung der ein Unternehmen treffenden Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG mit der Folge, dass an die Beklagten zu 1) und 2) Dividenden entgegen § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG ausgezahlt worden und zurückzufordern seien. Der Beklagte zu 1) habe sich dabei als Eigenbesitzer der von ihm auf den Beklagten zu 2) übertragenen Aktien geriert und so an einer „Verschleierung der meldepflichtigen Beteiligungshöhe“ (vgl. Beschlussantrag zu TOP B unter Ziff. 1 d) am Ende) durch den Beklagten zu 2) beteiligt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten zu 1) und 2) in diesem Zusammenhang darüber hinaus vorsätzlich einen schadensursächlichen Einfluss auf Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats ausgeübt haben, sind der Sachverhaltsdarstellung nicht – auch nicht andeutungsweise – zu entnehmen.

51

(b) Der Einwand der Berufung, dass bereits der Aktienbesitz den Beklagten zu 1) und 2) die Möglichkeit zur Einflussnahme vermittelt habe und ein Vorstandsmitglied auch durch das Unterlassen einer Meldung nach § 20 Abs. 1 AktG zu einer Handlung zum Schaden der Gesellschaft bestimmt sein könne, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Ausführungen der Berufung zu den rechtlichen Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG zutreffend sind. Jedenfalls lassen die Beschlüsse nicht erkennen, dass die Beklagten zu 1) und 2) wegen einer in dieser Form erfolgten Beeinflussung von Mitgliedern der Verwaltungsorgane in Anspruch genommen werden sollen. Während ihre Haftung ausschließlich mit einer Verletzung der Mitteilungspflicht aus § 20 Abs. 1 AktG begründet wird, beruht die Inanspruchnahme der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder auf einer Verletzung der Pflicht, die Voraussetzungen des § 20 Abs. 7 AktG zu überprüfen und Dividenden nicht auszuzahlen beziehungsweise zurückzufordern. Eine insoweit kausale Beziehung zu dem Tun oder Unterlassen der Beklagten zu 1) und 2) wird hingegen nicht aufgezeigt. Dies reicht nicht aus, um einen § 117 AktG zuzuordnenden Lebenssachverhalt, wenn auch nur in den Grundzügen, darzustellen.

52

Nichts anderes gilt, soweit sich die Klägerin auf potentielle Möglichkeiten der Einflussnahme aufgrund familiärer Verflechtungen und die Ausschüttung einer „Superdividende“ im Jahr 2012 beruft. Auch insofern ist den Beschlüssen nicht zu entnehmen, dass die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
an eine in dieser Hinsicht tatsächlich erfolgte Beeinflussung anknüpfen soll.

53

Ebenso genügt die mehrfache Nennung von § 117 AktG als Anspruchsgrundlage entgegen der Auffassung der Berufung nicht, um ein unter den Tatbestand dieser Norm fallendes Handeln zu kennzeichnen und den in den Beschlüssen dargestellten Lebenssachverhalt insoweit zu ergänzen. Nach der Konzeption des § 147 AktG ist es nicht Aufgabe des besonderen Vertreters, über die gegebenenfalls erforderliche Präzisierung eines in den Grundzügen umrissenen Sachverhalts hinaus die Voraussetzungen nur möglicher Schadensersatzansprüche erst festzustellen (vgl. OLG Stuttgart, B. v. 25.11.2008 – 8 W 370/08 -, juris Rn. 16). Hierfür sieht das Gesetz die Sonderprüfung nach § 142 AktG vor (vgl. Rieckers/Vetter, Kölner Kommentar AktG Band 3/2, 3. Aufl. 2015, § 147 AktG Rn. 69 f.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 147 Rn. 9).

54

Ohne Erfolg beruft sich die Berufung ferner auf eine im Rahmen des § 117 AktG bestehende gesetzliche Vermutung der Einflussnahme, die nähere Angaben dazu, wann und wie eine Einflussnahme konkret erfolgt sei, entbehrlich mache. Zum einen schildern die Beschlüsse bereits keine Beeinflussung der Verwaltungsorgane der Klägerin durch die Beklagten zu 1) und 2), sodass es darauf, wie genau diese zu beschreiben wäre, nicht ankommt. Zum anderen würde auch im Rahmen einer Klage aus § 117 Abs. 1 Satz 1 AktG der allgemeine Grundsatz gelten, dass der Kläger die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen muss; eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Einflussnehmenden hat der Gesetzgeber – anders als in den §§ 117 Abs. 2 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG – hier nicht vorgesehen (vgl. Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl. 2017, § 117 Rn. 4; Koch aaO § 117 Rn. 7; Witt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 117 Rn. 13 m.w.N; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. 2014, § 117 Rn. 43; Kort, in: Großkommentar AktG Band 4, 4. Aufl. Stand November 2005, § 117 Rn. 161). Soweit nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen Substantiierungserleichterungen in Betracht kommen mögen oder nach den Umständen des Einzelfalls eine Einflussnahme vermutet werden kann (vgl. Witt aaO § 117 Rn. 13, Spindler aaO § 117 Rn. 44; Kort aaO § 117 Rn. 162 f.), entbindet dies die Hauptversammlung nicht von ihrer Pflicht, die Pflichtverletzung zu umreißen, aus der Ersatzansprüche hergeleitet werden.

55

(2) Entsprechendes gilt hinsichtlich einer Haftung des Beklagten zu 1) aus § 317 AktG, wie sie in dem zu TOP B gefassten Geltendmachungsbeschluss unter Ziff. 1 d) (am Ende) genannt ist. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob ein besonderer Vertreter nach § 147 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AktG auch zur Geltendmachung des konzernrechtlichen Anspruchs aus § 317 AktG eingesetzt werden kann (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urt. v. 27.08.2008 – 7 U 5678/07 -, juris Rn. 35 m.w.N). Der Beschluss bietet bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass ein beherrschendes Unternehmen oder die für dieses handelnden Personen die abhängige Klägerin zur Vornahme eines nachteiligen Rechtsgeschäfts oder einer nachteiligen Maßnahme veranlasst haben könnten. Auch insoweit fehlt es an der Darstellung eines die genannte Anspruchsgrundlage ausfüllenden Lebenssachverhalts.

56

b) In Bezug auf Ersatzansprüche wegen unberechtigter Dividendenzahlungen (§ 62 Abs. 1 AktG, § 823 Abs. 2 AktG i.V.m. § 20 Abs. 1 AktG, § 830 BGB) ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG der Hauptversammlung keine Kompetenz verleiht, über eine Geltendmachung dieser Ansprüche gegen Aktionäre zu entscheiden.

57

aa) § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG nennt drei Gruppen von Ersatzansprüchen der Gesellschaft: Solche aus der Gründung gegen die nach §§ 46 bis 48, 53 AktG verpflichteten Personen, Ersatzansprüche aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats und Ansprüche aus § 117 AktG. Damit weist der Gesetzgeber der Hauptversammlung, soweit ein Vorgehen gegen Aktionäre beabsichtigt ist, neben hier nicht relevanten Ansprüchen aus der Gründung nur die Entscheidung über die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 117 AktG zu (vgl. Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 150; Arnold aaO § 147 Rn. 29; ebenso bereits Godin/Wilhelmi, AktG 1965, 4. Aufl. 1971, § 147 Anm. 2). Ansprüche der Gesellschaft gegen Aktionäre wegen Verstößen gegen das Kapitalerhaltungsgebot, insbesondere aus § 62 AktG, sind der Entscheidungsmacht der Hauptversammlung und dem besonderen Vertreter nach dem Wortlaut der Norm entzogen (vgl. Bungert, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rn. 16.76; Rieckers/Vetter, aaO § 147 Rn. 137, 154; Lochner, in: Heidel, Aktienrecht, 4. Aufl. 2014, § 147 Rn. 4; G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: Großkommentar AktG Band 5, 4. Aufl. Stand Januar 2008, § 148 Rn. 101; Mock, NZG 2015, S. 1013 <1014>; Westermann, AG 2009, S. 237 <243>). Die Hauptversammlung hat insoweit auch keine Kompetenz, eine den Anwendungsbereich des § 147 AktG erweiternde Regelung zu treffen; die Vorschriften der §§ 147 bis 149 AktG sind grundsätzlich abschließend und zwingend (vgl. Arnold aaO § 147 Rn. 4; Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 67). Aus dem von der Berufung für ihren Rechtsstandpunkt angeführten Aufsatz von Becker (FS Mestmäcker 2006, S. 25 <38>) sowie dem Urteil des Landgerichts Bonn vom 27.04.2005 (16 O 13/04 -, juris Rn. 21) ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.

58

bb) Eine Einbeziehung von Ersatzansprüchen gegen Aktionäre wegen unberechtigter Dividendenzahlungen im Wege der ergänzenden Auslegung von § 147 AktG kommt nicht in Betracht. Dies setzt eine planwidrige Unvollständigkeit voraus (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, Einleitung Rn. 55), an der es hier fehlt.

59

(1) § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG will zwar die tatsächliche Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche sichern in der Annahme, dass deren praktische Durchsetzung vielfach durch einen Interessenkonflikt der Verwaltungsorgane gefährdet wäre (vgl. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Urt. v. 09.03.2017 – 18 U 19/16 u.a. -, juris Rn. 347; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urt. v. 27.08.2008 – 7 U 5678/07 -, juris Rn. 37; Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 14.03.2005 zum Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts <UMAG>, BT-​Drucks. 15/5092, S. 19). § 147 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AktG sollen es der Hauptversammlung ermöglichen, das Gesellschaftsvermögen gegen Verluste durch das Unterlassen einer Anspruchsverfolgung seitens der dafür zuständigen Organe zu schützen (vgl. Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 19).

60

Die Entscheidung der Hauptversammlung über die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft ist jedoch als eng begrenzte Ausnahme zur aktienrechtlichen Kompetenzordnung konzipiert (vgl. Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 1). Es ist daher nach dem Sinn und Zweck der Norm weder geboten noch möglich, ihren vom Gesetzgeber – als Ergebnis der Abwägung der von der Kompetenzänderung betroffenen widerstreitenden Interessen – festgelegten Anwendungsbereich über den Wortlaut hinaus auf alle Ansprüche der Gesellschaft auszudehnen, deren Verfolgung gefährdet sein könnte, weil die Mitglieder der eigentlich zuständigen Organe sich dem Ersatzpflichtigen kollegial oder geschäftlich verbunden fühlen, ihm für ihre Bestellung zu Dank verpflichtet sein oder Gefahr laufen könnten, dass im Verfahren eigene Versäumnisse aufgedeckt werden (vgl. BT-​Drucks. 15/5092, S. 19 f. zu diesen Motiven).

61

(2) Das Argument der Berufung, auch Schadensersatzansprüche, namentlich aus §§ 823 ff. BGB, sowie nach umstrittener Ansicht Ausgleichs- und Herausgabeansprüche seien von § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG umfasst, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn es betrifft die in Bezug auf die Beklagten zu 1) und 2) nicht relevante Frage, welche Ansprüche von der Formulierung „Ersatzansprüche (…) aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats“ in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG umfasst sind (vgl. Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 127 ff., 150 m.w.N.).

62

Ebenso greift der Einwand der Berufung, dass der besondere Vertreter nach umstrittener Auffassung konzernrechtliche Schadensersatzansprüche (§§ 309, 317, 318 AktG) gegen Aktionäre geltend machen könne, nicht durch. § 317 AktG wird in diesem Zusammenhang als konzernrechtliche Präzisierung des allgemeinen Schädigungsverbots aus § 117 AktG verstanden. Zudem wird ein Wertungswiderspruch gesehen, wenn § 147 AktG auf die bereits nach seinem Wortlaut erfassten konzernrechtlichen Ansprüche gegen Organmitglieder des beherrschten Unternehmens aus §§ 310, 318 AktG, nicht aber auf entsprechende Ansprüche gegen das als Gesamtschuldner haftende herrschende Unternehmen und dessen Organmitglieder angewendet würde (vgl. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Urt. v. 09.03.2017 – 18 U 19/16 u.a. -, juris Rn. 346 f.; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urt. v. 27. 08.2008 – 7 U 5678/07 -, juris Rn. 35 ff.; Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 140 ff.). In Bezug auf Ansprüche wegen Verstößen gegen die Kapitalerhaltung besteht keine vergleichbare Lage, solange der Aktionär sich nicht wegen vorsätzlicher Schädigung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Schädigung der Gesellschaft
nach § 117 AktG ersatzpflichtig gemacht hat.

63

c) Die Geltendmachungsbeschlüsse sind gemäß § 241 Nr. 3 AktG nichtig, soweit sie die Rechtsverfolgung in Bezug auf Ersatzansprüche gegen die Beklagten zu 1) und 2) zum Gegenstand haben.

64

Gemäß § 241 Nr. 3 AktG ist ein Beschluss der Hauptversammlung nichtig, wenn er mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Dies ist der Fall, wenn der Inhalt eines Beschlusses gegen Grundprinzipien des Aktienrechts verstößt (vgl. BGHZ 160, 253, zitiert nach juris Rn. 14 f). Zudem ist ein Beschluss mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht vereinbar, wenn er gegen zwingende – in erster Linie im öffentlichen Interesse gegebene – Vorschriften verstößt, auf deren Einhaltung die Aktionäre nicht verzichten können (vgl. BGH, Urt. v. 25.09.1989 – II ZR 53/89 -, zitiert nach juris Rn. 23 m.w.N.).

65

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

66

aa) Die Verfassung der Aktiengesellschaft wird durch eine weitgehend zwingende Kompetenzordnung bestimmt, die gekennzeichnet ist durch das Bestreben nach einem annähernden Gleichgewicht der drei Organe – Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat – sowie nach funktionsfähigen Kontrollmechanismen (vgl. Spindler, in: Münchener Kommentar AktG Bd. 2, 4. Aufl. 2014, Vorbemerkung Rn. 1 ff; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, 21. Aufl. 2008, § 25 Rn. 10).

67

Die Vorschriften, welche die Zuständigkeit und Kompetenzen der Organe regeln und begrenzen, gehören daher zum Strukturbild der Aktiengesellschaft und den Grundprinzipien des Aktienrechts (vgl. Noack/Zetzsche, in: Kölner Kommentar AktG, Band 5/3, 3. Aufl. 2017, § 241 Rn. 109; Koch aaO § 241 Rn. 17; Austmann, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht, Band 4, 4. Aufl. 2015, § 42 Rn. 25; Schwab in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 241 Rn. 24 f.). Ist innerhalb dieser Ordnung ein Organ, hier die Hauptversammlung, nur für einen bestimmten Bereich zuständig, so ist ihm zugleich untersagt, eine Regelung außerhalb des vorgegebenen Rahmens zu fassen. Die Zuständigkeitsregelung wirkt damit zugleich als Verbot, Beschlüsse mit einem die Zuständigkeit überschreitenden Inhalt zu fassen (vgl. Noack/Zetzsche aaO § 241 Rn. 115).

68

bb) Gegen dieses Verbot hat die Hauptversammlung verstoßen, indem sie über die Rechtsverfolgung in Bezug auf die gegen Aktionäre wegen unberechtigter Dividendenzahlungen gerichteten Rückgewähr- und Schadensersatzansprüche aus § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 AktG, § 830 BGB entschieden hat.

69

§ 147 Abs. 1 Satz 1 AktG ermächtigt die Hauptversammlung als eng begrenzte Ausnahme zur grundsätzlich bestehenden Kompetenz des Vorstands (§ 76 AktG), über die Geltendmachung bestimmter Ansprüche der Aktiengesellschaft zu entscheiden. Die der Hauptversammlung verliehene Regelungsmacht wird in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG auf bestimmte Ansprüche und bestimmte Anspruchsgegner begrenzt. Aktionäre sind nur passivlegitimiert, soweit sie Anspruchsschuldner der in § 147 Abs. 1 AktG aufgeführten Ersatzansprüche sind. Wie oben dargelegt, erfasst § 147 Abs. 1 AktG insoweit keine Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Aktionäre aus einem Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot, insbesondere nicht aus § 62 AktG (zum Ganzen: Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 1, 135 ff., 150 ff.). Die Rechtsverfolgung ist insoweit innerhalb des Kompetenzgefüges der Aktiengesellschaft allein Sache des Vorstands (vgl. Koch aaO § 62 Rn. 15).

70

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in den Geltendmachungsbeschlüssen die §§ 117, 317 AktG als weitere Anspruchsgrundlagen genannt werden. Insofern bleiben die Beschlüsse inhaltsleer; sie lassen, wie oben ausgeführt, keinen Lebenssachverhalt erkennen, aus dem sich eine entsprechende Haftung der Beklagten zu 1) und 2) und damit eine Entscheidungsmacht der Hauptversammlung auf der Grundlage von § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG ableiten ließe.

71

Es liegt auch kein Sachverhalt vor, in dem – in engen Grenzen – Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung bei Maßnahmen in Betracht kommen, die das Gesetz dem Vorstand als Leitungsaufgabe zuweist (vgl. BGHZ 159, 30; 83, 122). Denn die Entscheidung über die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
dieser Art betrifft nicht die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen.

72

cc) Der in dem Tätigwerden der Hauptversammlung außerhalb der ihr zugewiesenen Regelungsmacht liegende Verstoß gegen zwingende Normen der Kompetenzordnung führt zur Nichtigkeit der Geltendmachungsbeschlüsse gemäß § 241 Nr. 3 AktG.

73

Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob jede Kompetenzverletzung geeignet ist, die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses zu begründen (offen gelassen in: BGHZ 99, 211, zitiert nach juris Rn. 14; BGH NJW 1988, S. 260; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, Urt. v. 13.07.1990 – 11 U 30/90 -, ZIP 1990, S. 1071 <1072>; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.07.2004 – 20 U 5/04 -, juris Rn. 26).

74

Jedenfalls ist die Annahme der Nichtigkeit gerechtfertigt, wenn der Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung so gravierend ist, dass er – auch unter Berücksichtigung der Wertung des Gesetzgebers, wonach die Nichtigkeit die Ausnahme eines Rechtsverstoßes darstellt – durch die Regelungen des § 243 Abs. 1 i.V.m. § 76 Abs. 1 AktG nicht mehr angemessen sanktioniert wird (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, B. v. 14.11.2012 – 7 AktG 2/12 -, juris Rn. 39). Dies ist hier der Fall.

75

(1) Die Hauptversammlung hat mit der Entscheidung über die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Aktionäre wegen eines Verstoßes gegen die Kapitalerhaltung (§ 62 AktG, § 823 Abs. 2 BGB) ohne rechtliche Befugnis hierzu eine dem Vorstand zugewiesene Aufgabe an sich gezogen. Dieses Vorgehen ist dem Fall vergleichbar, dass sich die Hauptversammlung in einer Beschlussfassung unverlangt zu Fragen der Geschäftsführung (§ 119 Abs. 2 AktG) äußert oder den Vorstand zur Vornahme bestimmter Geschäftsführungshandlungen anweist. Ebenso wie in diesen Fallgruppen (vgl. Noack/Zetzsche aaO § 241 Rn. 109, 115; Koch aaO § 241 Rn. 17; Hüffer/Schäfer, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. 2016, § 241 Rn. 62; Schwab aaO § 241 Rn. 25; Austmann aaO § 42 Rn. 25; K. Schmidt, in: Großkommentar AktG, Band 7/2, 4. Aufl. Stand Juni 1995, § 241 Rn. 57) rechtfertigt der darin liegende Eingriff in die Geschäftsführung durch den Vorstand die Anwendung der Nichtigkeitsfolge.

76

(2) Der Eingriff in die Kompetenz eines anderen Organs wird hier auch nicht angemessen durch das Anfechtungsrecht (§§ 243 Abs. 1 i.V.m. 76 Abs. 1 AktG) sanktioniert. Bereits wegen ihrer potentiellen negativen Vorbildwirkung stellt die Nichtigkeit der Geltendmachungsbeschlüsse nach § 241 Nr. 3 AktG die sachgerechte Folge ihres inhaltlichen Mangels dar (vgl. Schwab aaO § 241 Rn. 25). Bestünde hingegen nur die Möglichkeit der Anfechtung und bliebe diese fristgerecht aus, so wäre ein die Verwaltung bindender Beschluss existent, der dem besonderen Vertreter unter Ausschaltung der ordentlichen Vertretungsorgane zusätzliche, nach dem Gesetz nicht vorgesehene Kompetenzen verschaffen würde. Damit würde der Kompetenzrahmen des besonderen Vertreters letztlich zur Disposition der Aktionäre gestellt (vgl. Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 262), was mit dem zwingenden Charakter der Kompetenzordnung nicht zu vereinbaren ist.

77

(3) Eine andere Wertung ist auch nicht nach den von der Klägerin zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes herangezogenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte München (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, B. v. 14.11.2012 – 7 AktG 2/12 -, juris Rn. 39) und Hamm (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urt. v. 28.10.2015 – 8 U 73/15 -, juris Rn. 48) veranlasst. Soweit dort die Nichtigkeitsfolge verneint wurde, beruht dies jeweils auf den besonderen Umständen des zu entscheidenden, dem vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Einzelfalls.

78

Ohne Erfolg argumentiert die Klägerin schließlich, dass kein Verstoß gegen das Wesen der Aktiengesellschaft sein könne, was das Aktiengesetz in § 147 AktG grundsätzlich zulasse. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Hauptversammlung hier den von § 147 AktG vorgegebenen Rahmen verlassen hat.

79

d) Die Fehlerhaftigkeit der Geltendmachungsbeschlüsse betreffend die Verfolgung von Ansprüchen gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) führt zur Nichtigkeit der Beschlüsse insgesamt (§ 139 BGB).

 

80          aa) Ob abgrenzbare Beschlussteile, denen der Nichtigkeitsgrund nicht unmittelbar anhaftet, von der Nichtigkeit erfasst werden, richtet sich hier nach dem Maßstab des § 139 BGB. Denn die Geltendmachungsbeschlüsse sind auf die Begründung der rechtlichen Befugnisse und Pflichten des besonderen Vertreters gerichtet, weshalb ihnen ein rechtsgeschäftlicher, die Anwendung von § 139 BGB rechtfertigender (vgl. BGHZ 124, 111, zitiert nach juris Rn. 31) Inhalt zukommt.

81

bb) Gemäß § 139 BGB sind die Geltendmachungsbeschlüsse, welche mehrere Beschlussgegenstände – Ansprüche gegen mehrere Anspruchsgegner und Beschlüsse nach § 147 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AktG – zusammenfassen, insgesamt nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass sie auch ohne den nichtigen Teil gefasst worden wären.

82

Insoweit kommt es auf den mutmaßlichen Willen der Hauptversammlung an, der grundsätzlich durch Auslegung der Beschlüsse zu ermitteln ist. Maßgebliches Auslegungskriterium für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens ist, ob nach dem Beschlussinhalt ein innerer Zusammenhang zwischen den Beschlussgegenständen besteht oder hergestellt ist. Nicht entscheidend ist hingegen, dass in der Tagesordnung eine einheitliche Beschlussvorlage angekündigt und einheitlich abgestimmt wurde. Unerheblich sind zudem die subjektiven Vorstellungen der Aktionäre. Es kommt daher nicht darauf an, ob ein Aktionär gerade wegen der nichtigen Bestimmung trotz Bedenken gegen einen anderen Teil für den Beschlussantrag gestimmt hat (zum Ganzen vgl. BGHZ 205, 319, zitiert nach juris Rn. 30 ff.).

83

Auch der Standpunkt eines objektiven Dritten oder derjenige des Richters sind nicht maßgeblich (vgl. Arnold, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 139 Rn. 22; Roth, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, § 139 Rn. 75; jeweils m.w.N.).

84

Zu fragen ist vielmehr, ob die Mehrheit in der Hauptversammlung bei verständiger Abwägung der Verhältnisse die Beschlüsse auch ohne den nichtigen Teil angenommen haben würde, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass die weitere Entscheidung über die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Beklagten zu 1) und 2) nicht aufrecht erhalten werden konnte (vgl. RGZ 118, 218 <223-​225> zur Genossenschaft).

85

Bei der Beurteilung dieser Frage kann jedoch nicht außer Betracht bleiben, ob ein im Fall der Abstimmung über die Beschlüsse im Ganzen geltendes Stimmverbot bei der gedachten Abstimmung über die nicht unmittelbar fehlerbehafteten Beschlussgegenstände entfiele. Dies folgt aus der Überlegung, dass eine Aktionärsminderheit, die bei der ursprünglichen Beschlussfassung aufgrund eines Stimmrechtsausschlusses ein Mehrheitsrecht ausüben konnte, infolge der Teilnichtigkeit des Beschlusses und der Anwendung von § 139 BGB nicht bessergestellt sein kann, als wenn in der Hauptversammlung von vornherein nur über die verbleibenden Beschlussteile abgestimmt worden wäre. Es entspricht auch allgemeinen Grundsätzen, dass bei einem mehrseitigen Geschäft die Anwendung des § 139 BGB nicht dazu führen darf, dass einer Seite die Geltung des wirksamen Geschäftsteils aufgezwungen wird (vgl. Arnold aaO § 139 Rn. 22 m.w.N.).

86

cc) Nach dieser Maßgabe sind die Geltendmachungsbeschlüsse insgesamt nichtig.

87

(1) Dies gilt zunächst in Bezug auf die Entscheidung über die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Mitglieder der Verwaltungsorgane.

88

(a) Die Beschlussfassung nach § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG setzt eine einfache Stimmenmehrheit voraus. Dieses Mehrheitsrecht konnte hier durch eine Aktionärsminderheit ausgeübt werden, weil der von der Anspruchsverfolgung betroffene Beklagte zu 1) als Mehrheitsaktionär sowie der Beklagte zu 2) im Rahmen der einheitlichen Beschlussfassung einem Stimmverbot nach § 136 Abs. 1 Satz 1, Alt. 3 AktG unterlagen (vgl. Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 319). Das Stimmverbot würde indes nicht eingreifen, wenn in der Hauptversammlung ausschließlich über die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Mitglieder der Verwaltungsorgane abgestimmt worden wäre (vgl. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Urt. v. 09.03.2017 – I-​18 U 19/16 -, juris Rn. 375 ff; Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 194; Bungert aaO Rn. 16.86; Nietsch, ZGR 2011, 589 <603>; Tielmann/Gahr, AG 2016, 199 <202>). Zum einen wären die Beklagten zu 1) und 2) in diesem Fall nicht nach dem Wortlaut des § 136 Abs. 1 Satz 1, Alt. 3 AktG von der Abstimmung ausgeschlossen, da sie in Bezug auf die Anspruchsverfolgung gegen Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats keine unmittelbaren Gegner der zu verfolgenden Ersatzansprüche wären (vgl. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aaO juris Rn. 380; Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 205; Tielmann/Gahr aaO). Zum andern wäre eine Ausweitung des Stimmverbots auch nicht aufgrund des Umstands gerechtfertigt, dass die gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gerichteten Ansprüche unter anderem eine zu Unrecht erfolgte Auszahlung von Dividenden an die Beklagten zu 1) und 2) voraussetzen.

89

(aa) Zum Teil wird allerdings eine Erstreckung des Stimmverbots befürwortet, wenn wegen desselben Sachverhalts Ansprüche nicht nur gegen einen (Mehrheits-​)Aktionär, sondern auch gegen Vorstand und Aufsichtsrat im Raum stehen. Denn dann liege es nahe, dass ein Aktionär im Eigeninteresse die Inanspruchnahme des Vorstands und/oder des Aufsichtsrats blockiert, weil sich mit der Durchsetzung solcher Ansprüche mittelbar auch seine Rechtsposition verschlechtern könnte (vgl. Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 147 Rn. 14; Mock, DB 2008, 393 <395>; Lochner/Beneke, ZIP 2015, 2010 <2013> jeweils unter Bezugnahme auf OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urt. v. 28.11. 2007 – 7 U 4498/07 -, juris Rn. 41).

90

(bb) Der Senat hält schließt sich dieser Auffassung nicht an, sondern erachtet es in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 47 Abs. 4 GmbHG für sachgerecht, nach der Art der Pflichtverletzung zu differenzieren.

91

Dem Ausschluss des Stimmrechts in § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG liegt der Gedanke zugrunde, dass kein Aktionär „Richter in eigener Sache“ sein soll (vgl. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Urt. v. 09.03.2017 – I-​18 U 19/16 -, juris Rn. 385 m.w.N.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG Bd. 1, 3. Aufl. 2015, § 136 Rn. 1). Die Vorschrift ist insoweit der Regelung des § 47 Abs. 4 GmbHG vergleichbar (vgl. BGH, B. v. 12.07.2011 – II ZR 58/10 -, juris; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aaO Rn. 388).

92

Das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG kommt nach diesem Grundgedanken zwar auch für denjenigen nicht unmittelbar von der Beschlussfassung Betroffenen zum Tragen, der eine Pflichtverletzung gemeinsam mit einem anderen begangen hat, gegen den Ansprüche verfolgt werden sollen (vgl. BGHZ 97, 28, zitiert nach juris Rn. 11). Mangels einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung greift das Stimmverbot indes nicht ein, wenn einer vorsätzlichen Verfehlung eine ganz andersartige Pflichtverletzung, etwa ein Aufsichtsversäumnis, gegenübersteht (vgl. BGH, B. v. 04.05.2009 – II ZR 166/07 -, juris Rn. 11).

93

Diese Wertung kann auf das hier in Rede stehende Stimmverbot aus § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG übertragen werden. Während gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Aktionäre gerichtete Ansprüche an eine Verletzung der Mitteilungspflicht aus § 20 Abs. 1 AktG anknüpfen, resultieren Ansprüche gegen die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats aus einer möglichen Verletzung der diese aus §§ 93, 116 AktG treffenden Sorgfalts- und Aufsichtspflichten im Zusammenhang mit der Auszahlung von Dividenden an die Beklagten zu 1) und 2). Dass die Beklagten zu 1) bis 8) hingegen eine Pflicht gemeinsam verletzt, insbesondere kollusiv zusammengewirkt oder ihr Verhalten aufeinander abgestimmt haben (hierzu: OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Urt. v. 09.03.2017 – I-​18 U 19/16 -, juris Rn. 390), ist hier nicht zu erkennen.

94

(cc) Eine darüberhinausgehende analoge Anwendung von § 136 Abs. 1 Satz 1, Alt. 3 AktG kommt mangels einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht in Betracht. Eine Analogie wäre insbesondere nicht aus Gründen des Minderheitenschutzes geboten. Denn der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz einer Aktionärsminderheit, deren Beschlussvorschlag – ohne Geltung des Stimmverbots – nicht die erforderliche Mehrheit findet, wird bereits durch die gerade auf eine solche Ausgangssituation abzielenden Rechte aus §§ 142, 148 AktG zur gerichtlichen Bestellung eines Sonderprüfers und zur Durchführung eines Klagezulassungsverfahrens gewährleistet. Die Regelung des § 136 AktG dient hingegen nicht dazu, Interessenkonflikte zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären zu regeln (zum Ganzen: OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urt. v. 09.03.2017 – I-​18 U 19/16 -, juris Rn. 382 ff, 385, 392 m.w.N.).

95

(b) Ist mithin für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens der Hauptversammlung zu unterstellen, dass auch die Stimmen der Beklagten zu 1) und 2) vertreten gewesen wären, so kann durch Auslegung der Beschlüsse nicht festgestellt werden, dass ein Vorgehen gegen die Beklagten zu 3) bis 8) in jedem Fall beschlossen worden wäre. Dies ergibt sich bereits aus den geänderten Stimmverhältnissen, ohne dass es auf die zwischen den Parteien streitige Frage nach einer Bindung der Aktionäre gemäß § 5 Nr. 2 SGV aufgrund einer vorangegangenen Abstimmung in der Schutzgemeinschaft ankommt. Etwas anderes könnte zwar gelten, wenn die verschiedenen Beschlussgegenstände nichts miteinander zu tun hätten (vgl. BGHZ 205, 319, zitiert nach juris Rn. 34). Dies ist hier jedoch, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht der Fall. Soweit die Berufung einwendet, dass Ansprüche gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats auf der einen Seite und gegen Aktionäre auf der anderen Seite nebeneinander und unabhängig voneinander verfolgt und durchgesetzt werden sollten, mag dies zwar im Interesse der Aktionärsminderheit gelegen haben, welche die Beschlussanträge gestellt hat. Für einen entsprechenden mutmaßlichen Willen der Hauptversammlung, in der auch die Stimmen der Beklagten zu 1) und 2) vertreten sind, gibt es hingegen keine hinreichenden Anhaltspunkte.

96

Im Ergebnis verbleibt es daher bei der gesetzlichen Regel des § 139 BGB, dass „im Zweifel“ die Gesamtnichtigkeit eintritt (Arnold, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. 2018, § 133 Rn. 6; OLG Stuttgart, Urt. v. 29.2.2012 – 20 U 3/11 -, BeckRS 2012, 05280 unter II).

97

(2) Die Nichtigkeit der Beschlussfassung nach § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG bedingt ferner die Nichtigkeit der in demselben Beschluss erfolgten Bestellung des besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urt. v. 12.01.2017 – 23 U 1994/16 -, juris Rn. 72, 76; Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 331).

98

3. Da die Geltendmachungsbeschlüsse nichtig sind, wurde der besondere Vertreter nicht wirksam bestellt (vgl. BGHZ 135, 244, zitiert nach juris Rn. 15) mit der Folge, dass die Klägerin durch ihn nicht wirksam gesetzlich vertreten wird (§ 51 ZPO).

99

Etwas anderes folgt auch nicht aus den Grundsätzen der fehlerhaften Bestellung eines Organs der Aktiengesellschaft (vgl. BGHZ 41, 282 <286 ff.>; BGHZ 168, 188 Rn. 14), die auf den besonderen Vertreter anwendbar sind (vgl. BGH, B. v. 27.09.2011 – II ZR 225/08 -, juris).

100

a) Nach den Grundsätzen der fehlerhaften Bestellung ist von einer zwar fehlerhaft begründeten, jedoch vorläufig wirksamen Organstellung auszugehen, wenn die Bestellung eines Organs der Aktiengesellschaft an einem zur Unwirksamkeit beziehungsweise Nichtigkeit führenden Mangel leidet, das Organ seine Bestellung jedoch angenommen und auf dieser Grundlage das Organverhältnis durch ein Tätigwerden für die Aktiengesellschaft in Vollzug gesetzt hat (vgl. Koch aaO § 84 Rn. 12 f. m.w.N.; Bayer/Lieder, NZG 2012, 1 <3 ff.>). Damit bleiben die in der Vergangenheit liegenden Maßnahmen des fehlerhaft bestellten Organs für die Gesellschaft wirksam; für die Zukunft kann das fehlerhafte Bestellungsverhältnis jedoch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes beiderseits und jederzeit beendet werden (vgl. BGH, B. v. 27.09.2011 – II ZR 225/08 -, juris i.V.m. BGHZ 41, 282, zitiert nach juris Rn. 21; Koch aaO § 147 Rn. 7).

101

Die Feststellung der Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Bestellung des besonderen Vertreters führt daher grundsätzlich weder zur Unwirksamkeit seiner bereits vollzogenen Prozesshandlungen wie der Klageerhebung noch zum automatischen Wegfall der von ihm erhobenen Klage. Sollte sich die Bestellung des besonderen Vertreters als nichtig erweisen, bleibt der von diesem erhobene Rechtsstreit zulässig und kann durch die regulär zur Vertretung zuständigen Organe übernommen werden (vgl. BGHZ 135, 244, zitiert nach juris Rn. 15; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, B. v. 21.10.2010 – 7 W 2040/10 -, juris Rn. 25 f.).

102

Ob zur Vermeidung eines Widerspruchs zu grundlegenden Wertentscheidungen der Rechtsordnung etwas anderes zu gelten hat, wenn wie vorliegend der nach § 147 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AktG gefasste Beschluss aus den Gründen des § 241 Nr. 3 AktG nichtig ist (vgl. Bayer/Lieder, NZG 2012, S. 1 <9>), kann dahingestellt bleiben.

103

Denn jedenfalls hat das Gericht die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des Bestellungsbeschlusses bei der Prüfung der Frage, ob es ein Sachurteil erlassen kann, zu beachten, da eine vorschriftsgemäße gesetzliche VertretungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Vertretung
nicht nur im Zeitpunkt der jeweiligen – in der Vergangenheit liegenden – Prozesshandlung, sondern auch als von Amts wegen zu berücksichtigende und der Disposition der Parteien entzogene (vgl. BGH, B. v. 31.05.2010 – II ZB 9/09 -, juris Rn. 11; Althammer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 56 Rn. 5) Prozessvoraussetzung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – d.h. ex nunc – gegeben sein muss (vgl. Althammer aaO § 51 Rn. 8). Kommt das Gericht bei dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass der Bestellungsbeschluss nichtig und der besondere Vertreter damit nicht wirksam bestellt ist, kommt es darauf an, ob die originär zuständigen, an die Stelle des besonderen Vertreters tretenden Organe das Verfahren aufnehmen und die Prozessführung des besonderen Vertreters genehmigen. Ist dies nicht der Fall, ist die Klage aus prozessualen Gründen abzuweisen (vgl. BGHZ 135, 244, zitiert nach juris Rn. 15; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, B. v. 21.10.2010 – 7 W 2040/10 -, juris Rn. 25 f.).

104

b) Nach diesen Grundsätzen fehlt es hier an einer wirksamen Vertretung der Klägerin im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung mit der Folge, dass ein Sachurteil nicht ergehen kann. Aufgrund der Nichtigkeit der Geltendmachungsbeschlüsse sind gesetzliche Vertreter der Klägerin für die Geltendmachung der streitgegenständlichen Ersatzansprüche der Vorstand (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG) beziehungsweise gegenüber den Vorstandsmitgliedern der Aufsichtsrat (§ 112 Satz 1 AktG). Diese haben von der Möglichkeit, den prozess aufzunehmen und die Prozessführung des besonderen Vertreters zu genehmigen, keinen Gebrauch gemacht. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten zu 3) bis 8) in erster Instanz und wird durch das Schreiben des Vorstands der Klägerin vom 22.05.2017 bestätigt.

105

c) Entgegen der Rechtsauffassung der Berufung kommt es auch nicht darauf an, dass der besondere Vertreter zunächst durch einen Beschluss der Hauptversammlung abberufen wird, soweit nicht bereits die Nichtigkeit seiner Bestellung rechtskräftig im Wege der Nichtigkeitsklage festgestellt worden ist.

106

Zu Unrecht will die Berufung die Beklagten insoweit auf die Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG verweisen. Denn die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses muss gemäß § 249 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht mit dieser festgestellt werden. Macht der besondere Vertreter Ersatzansprüche im Rahmen des ihm erteilten Auftrages gerichtlich geltend, ist es daher möglich, sich im Wege eines Einwands auf die Nichtigkeit zu berufen (vgl. BGHZ 135, 244, zitiert nach juris Rn. 15).

107

Im Übrigen ist zwar die Hauptversammlung grundsätzlich das für die jederzeit und ohne wichtigen Grund mögliche Abberufung des besonderen Vertreters zuständige Organ (vgl. BGH, B. v. 18.06.2013 – II ZA 4/12 -, juris Rn. 6; Koch aaO § 147 Rn. 7). Da die Hauptversammlung den besonderen Vertreter hier jedoch außerhalb der ihr durch § 147 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AktG vermittelten Regelungsmacht bestellt hat, kommt ihr auch keine Kompetenz zu, über dessen weitere Tätigkeit zu entscheiden. Die Entscheidung, sich von dem fehlerhaften Organverhältnis zu lösen, ist vielmehr durch die für die Geltendmachung der Ersatzansprüche vertretungsberechtigten Organe zu treffen. Diese haben sich indes entschieden, nicht in den Rechtsstreit einzutreten.

108

Dieses Ergebnis widerspricht schließlich nicht der von der Berufung herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.09.2011 (II ZR 225/08 -, juris), der zufolge auch bei einer vollständigen Nichtigerklärung eines angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses die bis zur Abberufung vollzogenen Rechtshandlungen des besonderen Vertreters wirksam bleiben. Diese Aussage bezieht sich nur auf die in dem dortigen Streitfall zu entscheidende Konstellation, dass ein lediglich angefochtener und damit zunächst wirksamer Bestellungsbeschluss (vgl. Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 332) vor seiner rechtskräftigen – teilweisen oder vollständigen – Nichtigerklärung durch einen weiteren Beschluss der Hauptversammlung aufgehoben und der besondere Vertreter damit abberufen wird. Sie kann auf den vorliegenden, nicht vergleichbaren Fall einer anfänglichen Nichtigkeit der Bestellungsbeschlüsse nicht übertragen werden.

109

4. Das Landgericht ist daher zu Recht von der Unzulässigkeit der Klage ausgegangen. Es war auch nicht nach den §§ 241, 246 ZPO gehindert, eine die Instanz beendende Entscheidung zu treffen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 241 ZPO als Konsequenz aus der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsakt parallel zu der ersatzlosen Abberufung des gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018 § 241 Rn. 2) auf den Fall eines nichtigen oder für nichtig erklärten Bestellungsbeschlusses nach § 147 Abs. 2 Abs. 1 AktG anzuwenden ist (hierzu: Rieckers/Vetter aaO § 147 Rn. 335). Denn jedenfalls wäre eine Unterbrechung hier gemäß § 246 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO nicht eingetreten, da eine Vertretung durch Prozessbevollmächtigte stattfand. Insbesondere konnte der besondere Vertreter nach den oben dargestellten Grundsätzen wirksam Prozessvollmacht erteilen.

110

5. Die angegriffene Entscheidung ist mithin insgesamt zutreffend, sodass die Berufung zurückzuweisen ist.

C.

111

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.

112

Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Insbesondere die im Rahmen der Prüfung von § 139 BGB behandelte Frage nach der Geltung und Reichweite des Stimmverbots aus § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen und ist nach Auffassung des Senats noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Schlagworte: besonderer Vertreter

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OLG Köln, Urteil vom 09. März 2017 – 18 U 19/16

19. März 2017

§ 117 AktG, § 130 Abs 2 S 1 AktG, § 136 Abs 1 S 1 AktG, § 142 Abs 1 S 1 AktG, § 147 Abs 1 AktG, § 241 Nr 5 AktG, § 243 Abs 1 AktG, § 245 Nr 4 AktG, § 246 Abs 1 AktG, § 246 Abs 2 S 2 AktG, § 248 Abs 1 S 1 AktG, § 253 Abs 2 Nr 2 AktG, § 317 Abs 1 S 1 AktG, § 318 Abs 1 AktG, § 318 Abs 2 AktG, § 66 Abs 1 ZPO, § 513 ZPO

1. Der besondere Vertreter kann der Anfechtungsklage gegen den Beschluss über die Verfolgung von Ersatzansprüchen und über seine Bestellung auf Seiten der Gesellschaft als Nebenintervenient beitreten und er ist als Nebenintervenient berechtigt, Rechtsmittel einzulegen. Sein Interventionsinteresse folgt aus der Gestaltungswirkung einer Entscheidung, die seine Bestellung und die Entscheidung für eine Verfolgung von Ersatzansprüchen für nichtig erklärt.

2. Es ist nicht erforderlich, dass im Geltendmachungsbeschluss nach § 147 AktG bereits abschließend Anspruchsgrundlagen genannt werden, auf die die geltend zu machenden Ansprüche gestützt werden sollen; dass die durchzusetzende Summe genannt wird, wird ebenfalls nicht vorausgesetzt.

3. Die Sachverhalte, die den Anspruch begründen, müssen hinreichend genau in dem Sinne bestimmt sein, dass im Falle einer späteren Klageerhebung durch den besonderen Vertreter festgestellt werden kann, ob der Klagegegenstand mit den von der Hauptversammlung gemeinten Ansprüchen übereinstimmt (vgl. u.a. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 28. November 2007, 7 U 4498/07). Ist in dem Hauptversammlungsbeschluss jeweils umrissen, worin die vorgebliche Pflichtverletzung und der Tatbeitrag bestehen sollen, ist dieser nicht zu beanstanden.

4. Ob – und ggf. in welcher Höhe – ein Schaden entstanden ist, ist im Rahmen der Frage, ob ein materiell-rechtlicher Anspruch tatsächlich besteht oder nicht, von Bedeutung.

5. Der besondere Vertreter kann auch Schadenersatzansprüche nach § 317 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; § 318 Abs. 1 und 2 AktG geltend machen. Im Hinblick auf den engen dogmatischen Zusammenhang ist nicht davon auszugehen, dass § 147 AktG nur Ansprüche aus § 117 AktG, nicht jedoch die im Ansatz gleichartige, aber schärfere Haftung des herrschenden Unternehmens nach § 317 AktG erfassen will.

6. Dass der Versammlungsleiter Beschlussvorschläge nicht zur Abstimmung gestellt hat, stellt vorliegend einen offenbaren und schweren Leitungsfehler dar, der zu einer Abwahlpflicht führte.

Tenor

I. Auf die Berufung der Streithelferin zu 1) der Beklagten, des Streithelfers zu 2) der Beklagten, der Streithelferin zu 3) der Beklagten und der Streithelferin zu 4) der Beklagten gegen das am 14.01.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – 91 O 30/15 – wird das Urteil des Landgerichts Köln dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

II. Die Berufung der Klägerin Sp AG und die Berufung der Beklagten sowie der Streithelferin zu 5) der Beklagten gegen das am 14.01.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – 91 O 31/15 – werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin Sp AG 52 Prozent, die Beklagte 48 Prozent. Von den Kosten, die der Streithelferin zu 1) der Beklagten im Verfahren – 91 O 30/15 Landgericht Köln – entstanden sind, trägt die Klägerin Sp AG ebenfalls 52 Prozent selbst. Die Klägerin ST SE trägt weiter die Kosten der Streithelferin zu 3) der Beklagten sowie die Kosten der Streithelferin zu 4) der Beklagten. Von den Kosten des Streithelfers der Klägerin Sp AG trägt die ST SE 48 Prozent; im Übrigen trägt der Streithelfer der Klägerin Sp AG seine Kosten selbst. Seine Kosten trägt der Streithelfer der ST SE selbst.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien und deren Streithelferin/Streithelfern wird nachgelassen, die Vollstreckung jeweils gegen Zahlung von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht vom jeweils vollstreckenden Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags geleistet wird.

V. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

A. Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen, die in der Hauptversammlung der Beklagten am 19.06.2015 gefasst wurden.

Die Beklagte ist eine börsennotierte AG mit Sitz in L.. Ihr Grundkapital beträgt 104.780.000,00 EUR und ist eingeteilt in 4.030.000 auf den Namen lautende Stückaktien. Die Klägerin T. AG ist eine F1gesellschaft mit Sitz in I.. Sie hielt und hält (seit 2010) Aktien der Beklagten, zuletzt 16.753 Aktien, was rund 0,42 % des Grundkapitals entspricht. Die Streithelferinnen zu 3) und 4) der Beklagten sind ebenfalls deren Aktionärinnen. Der Streithelfer der Klägerin T. AG, Herr Dr. J., wurde zum besonderen Vertreter der Beklagten zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 147 AktG bestimmt. Der Streithelfer der Klägerin U. SE ist der Vorstand der Beklagten. Die Beklagte ist Teil eines faktischen Konzerns im Sinne der §§ 311 ff. AktG. Konzernobergesellschaft ist die Klägerin U. SE. Diese hält, zum Teil mittelbar über Tochtergesellschaften, 93,63 % der Anteile an der Beklagten, nachdem sie ihre Beteiligung im Jahr 2008 auf 87,72 % erhöhte hatte.

In der Vergangenheit wurden innerhalb der Konzerngruppe diverse Transaktionen getätigt, in denen die Klägerin T. AG eine unzulässige Verlagerung von Vermögenswerten der Beklagten auf andere Konzerngesellschaften der U. – Gruppe sieht. Der Beklagen wurden und werden außerdem Darlehen durch die Klägerin U. SE gewährt. Die Beklagte erklärte mit Pressemitteilung vom 20.02.2014, sie wolle den Widerruf ihrer Börsenzulassung (das sog. „Delisting“) beantragen. Hierin und in der ihrer Meinung nach restriktiven Dividendenpolitik der Beklagten sieht die Klägerin T. AG eine Aushöhlung ihrer Minderheitsbeteiligung.

Anlässlich der Hauptversammlung der Beklagten am 04.07.2014 versuchten die Klägerin T. AG und die weitere Aktionärin „VHW“ (VHW) als Minderheitsgesellschafterinnen wegen des von ihnen gehegten Verdachts, dass die Beklagte nachteilige Geschäfte zu Gunsten der Klägerin U. SE getätigt habe, einen Beschluss der Hauptversammlung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gemäß § 147 AktG herbeizuführen. Dieses Vorhaben scheiterte, weil der damalige Versammlungsleiter der Beklagten die Beschlussvorschläge der Klägerin T. AG wegen rechtlicher Bedenken nicht zur Abstimmung stellte. Der zugrundeliegende Sachverhalt war Gegenstand des Rechtsstreits Az. – 91 O 96/14 – Landgericht Köln. Gegen das in diesem Rechtsstreit ergangene klageabweisende Urteil legte die Klägerin T. AG Berufung zum OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
. – Az. 18 U 96/15 – ein. Nachdem über das Ergänzungsverlangen der Klägerin T. AG in der Hauptversammlung am 04.07.2014 nicht abgestimmt worden war, stellten die Klägerin T. AG und die VHW erneut ein Ergänzungsverlangen. Gegenstand war wiederum die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen sowie die Bestellung eines besonderen Vertreters. Die Beklagte kündigte an, dass über das Minderheitsverlangen im Zuge der Einberufung der nächsten Hauptverhandlung entschieden werde.

Die Klägerin T. AG beantragte daraufhin zusammen mit der VHW die gerichtliche ErmächtigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ermächtigung
gerichtliche Ermächtigung
zur Veröffentlichung des Ergänzungsverlangens gemäß § 122 Abs. 3 AktG sowie die gerichtliche Bestellung eines unabhängigen Versammlungsleiters.Die Beklagte teilte in der Folgezeit mit, sie werde die Ergänzung zur Tagesordnung veröffentlichen und erklärte weiter, ihrer Ansicht nach seien die konkreten Beschlussvorschläge unzulässig. Das Minderheitsverlangen machte sie im Rahmen der Einladung zur Hauptverhandlung vom 19.06.2015 als Tagesordnungspunkt (TOP) 7 bekannt.

Weitere Ergänzungen der Tagesordnung auf Ergänzungsverlangen der Klägerin T. AG sowie der VHW vom 15.05.2015 hinsichtlich der Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 AktG (TOP 8) und der Geltendmachung von (weiteren) Ersatzansprüchen nach § 147 AktG sowie der Bestellung eines besonderen Vertreters (TOP 9) machte die Beklagte durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 26.05.2015 bekannt. Die Klägerin T. AG und die VHW erklärten daraufhin ihren Antrag auf gerichtliche Zulassung des Ergänzungsverlangens für erledigt, hielten aber an dem Antrag auf Bestellung eines Versammlungsleiters, der nicht mit dem Vorstandsvorsitzenden der Klägerin U. SE identisch sein sollte, fest.

Das Amtsgericht Köln. wies den Antrag der Klägerin T. AG, gerichtet auf die Bestellung eines Versammlungsleiters, der nicht mit dem Vorstandsvorsitzenden der Klägerin U. SE, identisch sein sollte, zurück. Dagegen legte die Klägerin T. AG Beschwerde ein.

Mit Beschluss des OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
vom 16.06.2015 – Az. 18 Wx 1/15 – wurde Rechtsanwalt Dr. X zum Versammlungsleiter hinsichtlich des Tagesordnungspunkts des Ergänzungsverlangens bestellt, dessen Gegenstand die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gemäß § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG gegen frühere und gegenwärtige Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten und der Klägerin U. SE war (Tagesordnungspunkt 7). Der Ablauf der Hauptversammlung am 19.06.2015 gestaltete sich – bezogen auf diesen Tagesordnungspunkt (TOP) 7- dann wie folgt:

Zunächst leitete der Versammlungsleiter Dr. C die Hauptversammlung der Beklagten (nämlich zu den Tagesordnungspunkten TOP 1 bis TOP 6).

Sodann übernahm der gerichtlich bestellte Versammlungsleiter Dr. X die Leitung der Hauptversammlung der Beklagten, und zwar zum Tagesordnungspunkt 7 und zum entsprechenden Beschlussantrag (Bl. 142 f. AH I). Der Tagesordnungspunkt 7 war von der Klägerin T. AG und der VHW inhaltlich geändert worden, und zwar wie folgt:

– Die Regelung des § 62 AktG wurde als Anspruchsgrundlage aus dem Beschlussantrag gestrichen.

– Statt 14 sollten nur 10 Sachverhalte zur Abstimmung gestellt werden; die zuvor unter unter lit. c), l), m) und n) aufgeführten Sachverhalte wurden vollständig gestrichen.

– Die Ausdehnung der Anspruchsgeltendmachung auf sämtliche mit der Klägerin U. SE verbundene Unternehmen im Sinne von §§ 15 ff. AktG und Personen/Unternehmen, die von SE – verbundenen Unternehmen nach dem 31. Dezember 2013 Aktien der Beklagten erworben hatten (jeweils einschließlich der gesetzlichen Vertreter), wurde gestrichen.

Die geänderten Beschlussvorschläge lagen während der Dauer der gesamten Hauptversammlung am 19.06.2015 zur Einsichtnahme aus, worauf der Versammlungsleiter hinwies.

Die Klägerin T. AG und die weitere Aktionärin VHW änderten die Beschlussvorlage sodann bezüglich der Tätigkeit des besonderen Vertreters, nachdem der Versammlungsleiter Dr. X einen entsprechenden Hinweis erteilt hatte. Während es zunächst unter Tagesordnungspunkt 7 Ziffer II hieß (Bl. 111 AH I):

„Dem Besonderen Vertreter ist – soweit gesetzlich zulässig unmittelbar, und sonst über den Vorstand der U. AG – Zugang zu Personal und zu seinen Auftrag betreffenden Unterlagen der Gesellschaft zu gewähren.“

lautete die geänderte Fassung:

„Dem Besonderen Vertreter ist – [soweit gesetzlich zulässig unmittelbar, und sonst] über den Vorstand der U. AG – Zugang zu Personal und zu seinen Auftrag betreffenden Unterlagen der Gesellschaft zu gewähren.“

Die Änderung wurde von einem Vertreter der Klägerin T. AG verlesen und vom Versammlungsleiter wiederholt. Der Vertreter der Klägerin U. SE erklärte, dass sie die Beschlussvorlage auch nach den Änderungen weiterhin für unzulässig halte. Für den Fall, dass sie zur Abstimmung gestellt werden würde, beantragte die Klägerin U. SE, getrennt nach einzelnen Sachverhalten sowie nach Personengruppen abstimmen zu lassen. Insbesondere sollte gesondert abgestimmt werden über …

– Ansprüche gegen die Mitglieder des Vorstands der Beklagten zum einen,

– Ansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten zum anderen,

– Ansprüche gegen die Klägerin U. SE und deren Organmitglieder.

Über diesen Antrag der Klägerin U. SE ließ der Versammlungsleiter Dr. X die Hauptversammlung der Beklagten abstimmen. Der Antrag auf eine getrennte Abstimmung nach Personengruppen wurde mit den Stimmen der Mehrheitsaktionärin, der Klägerin U. SE, angenommen. Der Versammlungsleiter verkündete daraufhin als Ergebnis der Beschlussfassung, dass sowohl nach Sachverhalten als auch nach Personengruppen getrennt abgestimmt werden solle: Über die einzelnen Sachverhaltskomplexe (insgesamt 10) wurde nach Personengruppen getrennt abgestimmt. Zum Tagesordnungspunkt 7 Ziffer I. erfolgten demnach 3 x 10 = 30 Abstimmungen. Die Klägerin U. SE wurde vom Versammlungsleiter hinsichtlich der Frage der Geltendmachung von Ansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten zur Abstimmung zugelassen.

Vorangegangen war der Abstimmung einer Erklärung der Klägerin T. AG und der VHW, welche die Auffassung vertraten, dass die Klägerin U. SE insofern einem Stimmverbot unterliege, da sie in eigener Sache richte. Bezogen auf den Tagesordnungspunkt 7 Ziffer I waren die Klägerin U. SE und ihre Tochtergesellschaften nach einem Hinweis des Versammlungsleiters Dr. X von der Abstimmung ausgeschlossen, soweit der (zuvor aufgetrennte) Beschluss die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gemäß § 147 AktG gegen sie, die Klägerin U. SE, beinhaltete.

Sodann erfolgte die Abstimmung zum Antrag Tagesordnungspunkt 7 Ziffer II (Bestellung des Streithelfers der Klägerin T. AG als besonderer Vertreter für die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der Gesellschaft gegen die Klägerin U. SE und ihre gesetzlichen Vertreter).

Bezogen auf den Tagesordnungspunkt 7 Ziffer II waren die Klägerin U. SE und ihre Tochtergesellschaften nach einem Hinweis des Versammlungsleiters Dr. X von der Abstimmung ausgeschlossen.

Das Abstimmungsergebnis ergab, dass die Hauptversammlung der Beklagten die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Klägerin U. SE zu sämtlichen Sachverhaltspunkten beschloss.

Hinsichtlich der Ansprüche gegen die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats der Beklagten wurde die Geltendmachung von Ansprüchen jeweils mit den Stimmen der Mehrheitsaktionärin, der Klägerin U. SE, abgelehnt.

Die Abstimmung über die Bestellung des Streithelfers der Klägerin T. AG, des Herrn Rechtsanwalts Dr. J. als besonderer Vertreter, Tagesordnungspunkt 7 Ziffer II., erfolgte in einem gesonderten Abstimmungsgang. Der Streithelfer der Klägerin T. AG, Rechtsanwalt Dr. J., wurde von der Hauptversammlung zum besonderen Vertreter bestimmt.

Durch ihren Vertreter legte die Klägerin U. SE Widerspruch gegen die in der Hauptversammlung zu TOP 7 gefassten Beschlüsse ein.

B. Verfahren Az. 18 U 19/16 OLG L. (= Az. 91 O 30/15 LG L.)

1. Im Verfahren Az. 18 U 19/16 OLG L. (= Az. 91 O 30/15 LG L.) wendet sich die Klägerin U. SE mit einer Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage als Großaktionärin gegen Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015, wie sie Gegenstand von TOP 7 waren.

Sie meint, mit dem Beschluss zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gegen sie und mit dem weiteren Beschluss zur Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AktG sollten Schadensersatzansprüche für vermeintliche Schäden verfolgt werden. Schadensersatzansprüche seien aber weder dargelegt noch begründet, und die unter Ausschluss ihrer Stimmen gefassten Beschlüsse seien rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam gefasst, unterlägen zudem formalen Mängeln. Die Klägerin U. SE hat weiter die Auffassung vertreten, die Beschlüsse seien schon deshalb für nichtig zu erklären, weil die Beschlussanträge mangels Verlesung unter Verstoß gegen das Mündlichkeitsprinzip zur Abstimmung gestellt worden seien. Sie seien überdies nichtig, weil sie fehlerhaft festgestellt worden seien. Darüber hinaus seien die Ersatzansprüche, die von dem besonderen Vertreter verfolgt werden sollten, teilweise verjährt.

Entscheidend sei jedoch, dass etwaige Ersatzansprüche nicht hinreichend dargelegt seien. Es fehle an einer ausreichenden Begründung. Es müsse zumindest ein Anfangsverdacht für das Bestehen solcher Ersatzansprüche dargelegt werden. Anträge auf die Geltendmachung von Schadensersatzins Blaue hinein“ seien unzulässig. Es fehle an konkreten Anhaltspunkten für ein haftungsbegründendes Verhalten der jeweiligen Anspruchsgegner. Der bloße Hinweis auf zwischen dem abhängigen und dem herrschenden Unternehmen erfolgte Transaktionen genüge nicht. Der Sache nach handele es sich um einen „verkappten Sonderprüfungsantrag“. Der besondere Vertreter müsse nämlich erst die Ansprüche im Einzelnen ermitteln, bevor er sie geltend machen könne.

Die Klägerin U. SE hat beantragt,

1. festzustellen, dass folgende Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 nichtig sind:

a) Der ausweislich des notariellen Protokolls der Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7.I.a) (Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von C3stoffaktivitäten und einer in der Straßensanierung tätigen Gesellschaft aus dem U. SE-Konzern in 2009 zu einem überhöhten Preis) ergangene Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen, die Klägerin T. AG mit Sitz in Y, P, einschließlich deren gesetzlichen Vertretern, die die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen veranlasst haben, beschlossen hat.

b) Der ausweislich des notariellen Protokolls der Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7.I.b) (Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Verkauf der Beteiligung an der C. GmbH, E., zum 1.1.2011 an eine Gesellschaft der U. SE-Gruppe zu einem zu niedrigen Preis) ergangene Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen, die Klägerin T. AG mit Sitz in Y, P, einschließlich deren gesetzlichen Vertretern, die die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen veranlasst haben, beschlossen hat.

c) Der ausweislich des notariellen Protokolls zur Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7.I.c) (Vermögensschaden der Gesellschaft durch die von der U. SE veranlassten, seit 2009 bestehenden Darlehensbeziehungen mit Unternehmen des U. SE-Konzerns durch nicht marktgerechten Zins sowie nicht marktgerechte Kreditkommissionen und sonstige Kommissionen sowie das Unterlassen der Wahrnehmung günstigerer Finanzierungsalternativen) ergangene Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen, die Klägerin T. AG mit Sitz in Y, P, einschließlich deren gesetzlichen Vertretern, die die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen veranlasst haben, beschlossen hat.

d) Der ausweislich des notariellen Protokolls zur Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7.I.d) (Vermögensschaden der Gesellschaft durch den im Dezember 2012 mit der U. SE abgeschlossenen Darlehensvertrag im Gesamtvolumen von bis zu Euro 120 Mio. im Hinblick auf dessen fehlende Marktüblichkeit) ergangene Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen, die Klägerin T. AG mit Sitz in Y, P, einschließlich deren gesetzlichen Vertretern, die die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen veranlasst haben, beschlossen hat.

e) Der ausweislich des notariellen Protokolls zur Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7.I.e) (Vermögensschaden der Gesellschaft durch die von der U. SE veranlasste Gewährung von Großmütterzuschüssen in Höhe von Euro 276,2 Mio. an die E2J1E2 F F1 AG („E2J1E2“) sowie die Akquisition konzernverbundener Unternehmen der U. SE durch die E2J1E2, insbesondere infolge von Überbewertungen der von der U. SE eingebrachten Beteiligungen) ergangene Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen, die Klägerin T. AG mit Sitz in Y, P, einschließlich deren gesetzlichen Vertretern, die die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen veranlasst haben, beschlossen hat.

f) Der ausweislich des notariellen Protokolls zur Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7.I.f) (Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von ausgewählten VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten sowie der F. M. Z. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
, der M. B. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
und der D K. H. N. & A. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
von der F. M. AG, O-G, im Jahr 2010 zu einem überhöhten Kaufpreis) ergangene Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen, die Klägerin T. AG mit Sitz in Y, P, einschließlich deren gesetzlichen Vertretern, die die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen veranlasst haben, beschlossen hat.

g) Der ausweislich des notariellen Protokolls zur Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7.I.g) (Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von drei Grundstücken der F. M. GmbH 2011 zu einem überhöhten Kaufpreis) ergangene Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen, die Klägerin T. AG mit Sitz in Y, P, einschließlich deren gesetzlichen Vertretern, die die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen veranlasst haben, beschlossen hat.

h) Der ausweislich des notariellen Protokolls zur Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7.I.h) (Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb der I1 L1 C1 GmbH von der U. SE-Gruppe zu einem überhöhten Kaufpreis) ergangene Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen, die Klägerin T. AG mit Sitz in Y, P, einschließlich deren gesetzlichen Vertretern, die die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen veranlasst haben, beschlossen hat.

i) Der ausweislich des notariellen Protokolls zur Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7.I.i) (Vermögensschaden der Gesellschaft durch von der U. SE veranlasste nicht marktgerechte Darlehensvereinbarungen mit und den Verkauf der E1 a.s., Q/U1 („E1T1Q1“) an eine Tochtergesellschaft der E2J1E2 zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis) ergangene Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen, die Klägerin T. AG mit Sitz in Y, P, einschließlich deren gesetzlichen Vertretern, die die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen veranlasst haben, beschlossen hat.

j) Der ausweislich des notariellen Protokolls zur Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7.I.j) (Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Verkauf der L2 V1 AG („L3“) an die J2 M1 GmbH zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis) ergangene Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen, die Klägerin T. AG mit Sitz in Y, P, einschließlich deren gesetzlichen Vertretern, die die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen veranlasst haben, beschlossen hat.

k) Der ausweislich des notariellen Protokolls zur ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten zu Tagesordnungspunkt 7.II. gefasste Beschluss, mit dem die Hauptversammlung die Bestellung von Herrn Rechtsanwalt Dr. U1 J., geschäftsansässig im Hause N1 I2 & Partner Rechtsanwälte mbB, Q1 B1 xxx, xxx C2, sowie, für den Fall, dass Herr Dr. J. sein Amt nicht annehmen kann oder wegfällt, ersatzweise Herrn Rechtsanwalt Dr. E1 M2, geschäftsansässig im Hause N1 I2 & Partner Rechtsanwälte mbB, Q1 B1 xxx, xxx C2, als besonderen Vertreter gemäß § 147 Abs. 2 S. 1 AktG beschlossen hat.

2. hilfsweise, die unter Ziffer 1. genannten Beschlüsse für nichtig zu erklären;

3. höchst hilfsweise, die Unwirksamkeit der unter Ziffer 1. genannten Beschlüsse festzustellen

Die Beklagte hat

den Klageanspruch anerkannt.

Deren Streithelfer haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse verteidigt und die Auffassung vertreten, dass die anspruchsbegründenden Sachverhalte hinreichend konkretisiert seien. Mehr könne und dürfe nicht verlangt werden.

2. Das Landgericht hat der Anfechtungsklage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtenen Beschlüsse seien für nichtig zu erklären, weil ihnen eine gesetzliche Grundlage fehle. Für eine Beschlussfassung nach § 147 Abs. 1 AktG sei erforderlich, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für ein schadenersatzbegründendes Verhalten des in Anspruch zu nehmenden Haftungsschuldners bestünden. Es reiche nicht aus, wenn wie vorliegend lediglich gleichsam ins Blaue hinein ein haftungsbegründendes Verhalten der in Aussicht genommenen Haftungsschuldner ohne jeglichen konkreten Anhaltspunkt behauptet werde. Der Verzicht auf ein solches, vordergründig den Wortlaut des § 147 Abs. 1 AktG einschränkendes Merkmal würde das System des Minderheitenschutzes dem §§ 147, 142 AktG sowie der §§ 311 ff. AktG negieren. Der Regelungsgehalt des § 147 AktG sowie seine Voraussetzungen könnten nicht ohne Berücksichtigung des § 142 AktG wie auch der Minderheitenschutzregeln im faktischen Konzern (§§ 311 ff. AktG) bestimmt werden. Wenn auch nur im Sinne einer Sollvorschrift gehe der Gesetzgeber ersichtlich davon aus, dass die tatsächlichen Grundlagen des Anspruchs bei § 147 AktG bereits weitestgehend geklärt seien und eine der Geltendmachung vorangehende Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen nicht erforderlich sei. Die Frist wäre nämlich bei komplexen Sachverhalten in aller Regel nicht einzuhalten. Überdies ergebe sich die Richtigkeit dieses Verständnisses aus den unterschiedlichen Voraussetzungen für die Herbeiführung eines Beschlusses zur Bestellung von Sonderprüfern sowie eines Beschlusses nach § 147 AktG. Während nämlich im Falle des § 147 AktG in § 136 AktG ausdrücklich ein Stimmverbot für den Aktionär vorgesehen sei, gegen den ein Anspruch geltend gemacht werden solle, existiere eine solche Regelung im Falle des § 142 AktG nicht. Dies bedeute, dass unter Umständen Minderheitsaktionäre in der Hauptversammlung in ihrem Begehren, einen Beschluss über die Bestellung von Sonderprüfern herbeizuführen, scheiterten, während der Beschluss nach § 147 AktG wegen des Stimmverbote allein mit den Stimmen der Minderheitsaktionäre herbeigeführt werden könne. Dies sei als Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen und rechtfertige es nicht, die Systematik des Gesetzes allein aus Minderheitsschutzgesichtspunkten zu ignorieren und dem besonderen Vertreter die bereits erwähnte Sonderprüfungskompetenz zuzuerkennen.

Das Verhältnis der §§ 147 und 142 AktG habe Auswirkungen auch auf die an einen Beschluss nach § 147 AktG zu stellenden Anforderungen. Dabei gehe es zum einen um die hinreichende Bestimmtheit des Beschlussantrags, die es ermöglichen solle, festzustellen, ob der später von dem besonderen Vertreter geltend gemachte Anspruch mit demjenigen identisch sei, der Gegenstand des Hauptversammlungsbeschlusses sei. Insoweit bestünden keine Bedenken, denn die Anknüpfung in den Beschlussanträgen an bestimmte konzerninterne Geschäfte und die Benennung der potentiellen Anspruchsgegner dürften hinreichend sicher die Feststellung ermöglichen, ob die später von dem Streithelfer zu 2) der Beklagten geltend zu machenden Ansprüche hiermit identisch seien.

Erforderlich sei aber darüber hinaus, dass die Beschlussfassung auf der Grundlage eines Sachverhalts erfolge, aus dem sich der geltend zu machende Anspruch schlüssig ergebe, jedenfalls aber eine konkrete Wahrscheinlichkeit hierfür bestehe. Komme nämlich dem besonderen Vertreter allein die Aufgabe zu, einen der Gesellschaft zustehenden Anspruch geltend zu machen, so müsse dieser Anspruch in seinen wesentlichen Elementen bekannt sein, also nach Gläubiger, Schuldner und Anspruchsgrund, wozu bei der Geltendmachung von Ansprüchen wegen pflichtwidrigen schädigenden Verhaltens zumindest auch ein Sachverhalt gehöre, aus dem sich eben diese Pflichtwidrigkeit und der Schaden ergeben würden. Sei Letzteres nicht bekannt, stelle das Gesetz die Möglichkeit einer Sonderprüfung zur Verfügung. Für einen Beschluss nach § 147 AktG sei dann grundsätzlich kein Raum.

Die Richtigkeit dieser Auffassung ergebe sich auch daraus, dass selbst im Rahmen des § 142 AktG erforderlich sei, dass der Antragsteller Tatsachen vortrage, die den Verdacht rechtfertigten, dass bei dem zum Gegenstand des Antrags gemachten Vorgang Unredlichkeiten vorgekommen seien oder Gesetz oder Satzung grob verletzt worden seien. Die bloße Äußerung eines Verdachts genüge nicht. Vielmehr müssten die Tatsachen behauptet, wenn auch nicht bewiesen und auch nicht glaubhaft gemacht werden.

Die Tatsachen müssten geeignet sein, das Gericht entweder von hinreichenden Verdachtsmomenten zu überzeugen oder zur Amtsermittlung zu veranlassen. Die bloße Möglichkeit von Pflichtverletzungen genüge dafür nicht. § 147 Abs. 1 AktG setze voraus, dass der Anspruch zumindest in tatsächlicher Hinsicht weitgehend bekannt sei. Solche tatsächlichen Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Allein aus dem Umstand, dass es konzernintern Aktivitäten gegeben habe, die zu einer Benachteiligung der Beklagten zu Gunsten der Klägerin U. SE hätten führen können, würden sie nicht folgen. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass jedenfalls nach herrschender Meinung davon auszugehen sei, dass unter die in § 147 Abs. 1 AktG erwähnten Ansprüche auch solche aus § 317 AktG fielen. Denn auch hierfür sei erforderlich, dass die abhängige Gesellschaft zur Durchführung eines für sie nachteiligen Rechtsgeschäfts veranlasst werde und der Gesellschaft hieraus ein Schaden entstanden sei. In den gleichlautenden Beschlüssen würden nämlich lediglich diverse Konzerntransaktionen dargestellt – unstreitig im wesentlichen wörtlich übernommen aus den Geschäftsberichten – mit der durch keinerlei konkrete Tatsachen untermauerten Behauptung, die jeweils von der Klägerin T. AG gezahlten Preise seien unangemessen niedrig bzw. die von der Beklagten erbrachten Gegenleistungen unangemessen zu hoch. Es handele es sich hier um einen als Behauptung formulierten Verdacht der Minderheitsaktionäre. Ein solcher Verdacht sei allerdings durch eine Sonderprüfung etwa nach § 315 AktG zu klären. Dass diese Vorschrift wie auch § 142 Abs. 2 AktG ein bestimmtes Quorum vorsehe, sei als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen. § 147 Abs. 1 AktG sei das falsche Instrument mit der Folge, dass die angefochtenen Beschlüsse den Anforderungen des § 147 AktG nicht genügten und deshalb für nichtig zu erklären seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil, Bl. 410 f. d. A. Bezug genommen.

3. Gegen das stattgebende Urteil des Landgerichts Köln., verkündet am 14.01.2016 (Bl. 409 d. A.), der Beklagten zugestellt am 15.01.2016 (Bl. 432 d. A.), wenden sich die insgesamt vier Streithelfer der Beklagten.

Sie meinen, für § 147 Abs. 1 AktG sei die Bezeichnung eines konkreten Sachverhalts ausreichend, weitergehende „tatsächliche Anhaltspunkte“ seien (wenngleich solche vorgetragen worden seien) nicht erforderlich, die entgegenstehende Auffassung des Landgerichts führe zur weitgehenden Entwertung gesetzlicher Minderheitsrechte. Das Landgericht habe sich – was rechtsfehlerhaft sei – nicht mit dem konkretem Vortrag auseinandergesetzt.

Der Streithelfer zu 2) der Beklagten meint, es lägen alle Voraussetzungen vor, die an die Rechtmäßigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen gemäß § 147 AktG zu stellen seien. Die Vorschrift verlange nicht, dass der geltende zu machende Anspruch sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt schlüssig ergeben oder eine konkrete Wahrscheinlichkeit hierfür bestehen müsse. Jedenfalls sei die erforderliche Schlüssigkeit gegeben. § 147 Abs. 1 S. 1 AktG erfordere keine sachliche Rechtfertigung, und es läge auch keine Behauptung ins Blaue hinein vor. Die Durchführung einer Sonderprüfung sei keine Voraussetzung für die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
, die gerichtliche Vorprüfung im Anfechtungsprozess sei systemwidrig. Auch mache die Prüfungskompetenz des besonderen Vertreters die Regelung des § 142 AktG nicht überflüssig. Eine strikte Abgrenzung zwischen Sonderprüfung und der Tätigkeit eines Besonderen Vertreters sei weder geboten noch sinnvoll möglich. Es habe ein ordnungsgemäßer Beschlussvorschlag vorgelegen, da bei der Antragstellung auf den in der Hauptversammlung schriftlich vorliegenden Beschlusstext Bezug genommen worden sei. Eine Verlesung des gesamten Beschlusswortlauts sei nicht erforderlich. Zudem habe der Versammlungsleiter unmittelbar vor Eintritt in die Beschlussfassung nachgefragt, ob gegen einen Verzicht auf die Verlesung des schriftlich vorliegenden Beschlussvorschlags Widerspruch erhoben würde bzw. ob ein Aktionär auf Verlesung bestehe, und dies sei nicht der Fall gewesen. Zweifel oder Unklarheiten im Hinblick auf den genauen Beschlussgegenstand seien nicht gerügt worden. Auch die Feststellung der Beschlüsse sei fehlerfrei erfolgt. Erforderlich sei nur, dass der Wortlaut des Beschlussvorschlags im notariellen Protokoll oder dessen Anlagen enthalten sei, und dies sei der Fall gewesen.

Die Streithelferin zu 3) vertritt die Ansicht, dass die Anfechtungsklage bereits deswegen als rechtsmissbräuchlich abzuweisen sei, weil die erhobene Klage nur dazu diene, die eigene Inanspruchnahme so lange zu verschleppen, bis eine Verjährung eingetreten sei. Den besonderen Vertreter treffe eine eigene Ermittlungsbefugnis. Er habe über die Geltendmachung des Anspruchs nach eigenem Ermessen zu entscheiden. Das, was das Landgericht zwingend im Wege der Vorprüfung in ein vorgeschaltetes förmliches Sonderprüfungsverfahren eingebettet sehen wolle, unterfalle den Rechten und Pflichten des besonderen Vertreters nach § 147 AktG, und einer Sonderprüfung bedürfe es in keinem Fall. Die Ersatzansprüche seien auch nicht ins Blaue hinein behauptet, sondern zusammengefasst bereits in der Einladung zur Hauptversammlung vom 04.07.2014 nachzulesen. Gleiches gelte für die Hauptversammlung vom 19.06.2015.

Die Streithelferin zu 3) behauptet schließlich, dass ein weitergehender Vortrag wegen der Rechtsnatur der Geschäfte nicht habe erfolgen können, da es in einer solchen Konstellation lebensnah sei, dass wegen des kollusiven Zusammenwirkens von Hauptaktionär und der von ihm bestimmten Verwaltung das vertuscht werde, woran die übrigen Aktionäre mit Recht Anstoß nähmen.

Die Streithelferin zu 4) meint, das Landgericht habe aufgrund seiner eigenen Feststellungen zu einer abweichenden Entscheidung gelangen müssen, so dass das erstinstanzliche Urteil keinen Bestand haben könne.

Die Streithelfer der Beklagten beantragen,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts L. vom 14. Januar 2016, Aktenzeichen 91 O 30/15, abzuweisen.

Die Klägerin U. SE sowie ihr Streithelfer beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung. Die Klägerin U. SE ist der Ansicht, das Landgericht habe der Klage zu Recht stattgegeben. In den angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüssen fehlten tatsächliche Anhaltspunkte. Der geltend zu machende Anspruch müsse in seinen wesentlichen Elementen, also nach Gläubiger, Schuldner und Anspruchsgrund bekannt sein.

Bei der Geltendmachung von Ansprüchen wegen pflichtwidrig schädigenden Verhaltens gehöre dazu ein Sachverhalt, aus dem sich diese Pflichtwidrigkeit und ein Schaden ergäben. Ein solcher Sachverhalt sei nicht vorgetragen. Die Auffassung des Landgerichts finde ihre Stütze in der Entstehungsgeschichte des § 147 AktG. Dem besonderen Vertreter kämen keine Ermittlungsbefugnisse zu. Nach der gesetzlichen Konzeption sei § 147 AktG kein Minderheitenrecht, was bei der Auslegung zu berücksichtigen sei. Es liege ein zumindest faktisches Stufenverhältnis vor zwischen der Bestellung eines besonderen Vertreters und eines Sonderprüfers. Sie meint, lege man im Rahmen der Konkretisierung nicht die erforderlichen strengen Maßstäbe an, führe dies zu einer Umgehung der gesetzlichen Anforderungen an die Ausübung von Minderheiten den Rechten, insbesondere derjenigen im faktischen Konzern bis zu einer faktischen Negierung des vom Gesetzgeber legitimierten faktischen Konzerns. Die Beschlüsse seien auch deshalb anfechtbar, weil konzernrechtliche Ansprüche gegen das beherrschende Unternehmen nach § 317 AktG nicht von § 147 AktG erfasst seien. Die Klägerin U. SE meint, sie sei in der Hauptversammlung zu Unrecht von der Abstimmung ausgeschlossen worden. Ein Stimmverbot nach § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG komme nur in Betracht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für das Bestehen der Ansprüche vorlägen, was nicht der Fall sei, und das Behaupten solcher Ansprüche sei rechtsmissbräuchlich.

Schließlich ist sie der Ansicht, die streitgegenständlichen Beschlüsse seien rechtswidrig und anfechtbar, weil sie an formellen Mängeln litten. Den angefochtenen Beschlüssen liege schon eine nicht ordnungsgemäße Antragstellung zugrunde: Die Beschlussanträge seien mangels Verlesung unter Verstoß gegen das Mündlichkeitsprinzip zur Abstimmung gestellt worden. Die Anträge müssten verlesen werden. Die Ausnahme, dass nämlich Verwaltungsvorschläge im Sinne des § 124 Abs. 3 S. 1 AktG durch Bezugnahme auf die zuvor im Bundesanzeiger veröffentlichte Fassung zur Abstimmung gestellt werden könnten, sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Es handele sich nicht um einen Beschlussvorschlag der Verwaltung, und eine bloße Bezugnahme auf die Bekanntmachung zu Tagesordnungspunkt 7 im Bundesanzeiger vom 12.05.2015 reiche auch deswegen nicht aus, weil es sich hier noch nicht um einen konkreten Beschlussantrag der Minderheitsaktionäre gehandelt habe. Dies sei bereits aus der entsprechenden Formulierung klar ersichtlich. Es fehle die Einleitung „Die Hauptversammlung beschließt“.

Eine Bezugnahme auf die bekanntgemachte Fassung scheitere jedenfalls daran, dass die antragstellenden Aktionäre diese in der Hauptversammlung in deutlich abgeänderter Fassung hätten stellen wollen. Dies ergebe sich aus einem Vergleich der aufgrund des Ergänzungsverlangens der antragstellenden Aktionäre vom 31.10.2014 am 12.05.2015 bekanntgemachten Tagesordnung und den als Anlage 5 im notariellen Protokoll der Hauptversammlung beigefügten geänderten Schlussanträgen. Insbesondere der stark veränderte Kreis an Anspruchsgegnern zeige, dass es sich nicht nur um geringfügige, redaktionelle oder klarstellende Änderungen, sondern um wesentliche inhaltliche Abweichungen gehandelt habe.

Durch die ersatzlose Streichung von lit c) des ursprünglich bekannt gemachten Beschlussvorschlags in der am Tag der Versammlung ausliegenden Fassung habe sich nahezu die gesamte Nummerierung des Beschlussvorschlags verschoben, so dass nicht ohne weiteres auf die „Tagesordnungspunkte“ habe Bezug genommen werden dürfen. Hinzu komme, dass auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung der Beklagten zwei unterschiedliche Fassungen der Anträge ausgelegen hätten, deren eine dann noch bei der mündlichen Antragstellung modifiziert worden sei. Im Ergebnis sei der Beschlussantrag, welcher in der Hauptversammlung vorgelegen habe, daher als neuer Antrag zu werden, welcher zwar möglicherweise noch von der Tagesordnung unter TOP 7 gedeckt gewesen, jedenfalls aber in dieser Fassung nicht bekanntgemacht worden sei. In der letztendlichen Form habe er den Teilnehmern der Hauptversammlung erstmals in der Hauptversammlung (schriftlich) vorgelegen. Da der bekanntgemachte Beschlussvorschlag (gemäß Veröffentlichung der Beklagten im Bundesanzeiger vom 12.05.2015) schon von dem erst auf der Hauptverhandlung ausgelegten Beschlussantrag zu Tagesordnungspunkt 7 in sehr erheblichem Maße abgewichen sei, sei eine Verlesung in jedem Fall geboten gewesen. Mangels materiellen Beschlussinhaltes gehe der Beschluss ins Leere. Weder seien die Beschlussanträge verlesen worden, noch sei eine Bezugnahme auf bekanntgemachte oder schriftlich vorliegende Beschlussanträge erfolgt bzw. sei dies nicht ausreichend gewesen.

Die Beschlussfeststellung sei darüber hinaus fehlerhaft gewesen. Nach § 130 Abs. 2 S. 1 AktG müsse das notarielle Protokoll eine ausdrückliche und eindeutige Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
durch den Versammlungsleiter beinhalten, woran es fehle. Es sei zunächst beim Beschlussaufruf auf die Verlesung der wesentlich geänderten Beschlussvorschläge zu TOP 7 Ziffer I. und II. verzichtet worden und insoweit auch nicht ausdrücklich auf die vom Notar dem Protokoll als Anl. 5 beigefügte Textfassung verwiesen worden.

Dann sei auch nicht im Rahmen der Beschlussfeststellung auf mündlich geänderte und/oder schriftlich vorliegende Beschlussanträge Bezug genommen worden, um den Inhalt der gefassten Beschlüsse unzweideutig zu bezeichnen. Im Ergebnis sei damit unklar geblieben, in welcher Fassung die von den Minderheitsaktionären gemachten Vorschläge letztendlich Beschlussinhalt geworden seien. Der Versammlungsleiter Dr. X habe nicht durch Bezugnahme auf die einzelnen Gliederungspunkte der Anlage 5 zum notariellen Protokoll die für einen Hauptversammlungsbeschluss notwendige Klarheit geschaffen, und der Versammlungsleiter habe es auch bei der Feststellung des Beschlusses zu TOP 7 Ziffer II. versäumt, eine Feststellung zu dem diesbezüglich gestellten Gegenantrag zu treffen. Schließlich sei die genaue Zahl der zu TOP 7 von einem Stimmverbot betroffenen Aktien nicht protokolliert worden. Die Beschlüsse auch deswegen anfechtbar, weil sie einen überschießenden Inhalt aufwiesen und teilweise wegen eingetretener Verjährung offensichtlich unbegründete Ersatzansprüche zum Gegenstand hätten.

Der Streithelfer der Klägerin U. SE meint, es bestehe kein Anlass zu einer völlig ausufernden Auslegung des § 147 AktG. Ohne das Vorliegen von konkreten verdachtsbegründenden Tatsachen, dass sich das abstrakte Risiko einer Nachteilszufügung auch im konkret bezeichneten Sachverhalt niedergeschlagen habe, könne gegen den Willen des Mehrheitsaktionärs keine Sonderprüfung durchgesetzt werden. Das Abschreiben von Geschäftsvorgängen aus den Geschäftsberichten der Beklagten genüge nicht den Voraussetzungen, die § 147 AktG aufstelle. Eine Heranziehung der Geschäftsberichte der Beklagten zur Auslegung der Beschlüsse, bei der es nicht auf den Verständnishorizont einzelner, bestimmter Personen ankomme, scheide aus und der Grundsatz der „falsa demonstratio non nocet“ gelte bei der Auslegung von Hauptversammlungsbeschlüssen nicht.

C. Verfahren Az. 18 U 21/16 OLG L. (= Az. 91 O 31/15 LG L.)

Im Verfahren Az. 18 U 21/16 OLG L. (= Az. 91 O 31/15 LG L.) wendet sich die Klägerin T. AG zum einen gegen die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
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und gegen bestimmte Beschlussvorlagen unter Tagesordnungspunkt 7 der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015, zum anderen dagegen, dass in der Hauptversammlung erneut ein Beschlussvorschlag zu dem angekündigten und bekanntgemachten Tagesordnungspunkt 9 vom Versammlungsleiter der Beklagten nicht zur Abstimmung gestellt wurde.

Dem liegt zugrunde, dass auf der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 nach der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 7, die der gerichtlich bestellte Versammlungsleiter Dr. X geleitet hatte, (wieder) Herr Dr. C die Leitung der Versammlung zur Behandlung der Tagesordnungspunkt 8 und 9 übernahm, sich über diese Punkte in der Hauptversammlung sodann eine Debatte entspann: Der Versammlungsleiter Dr. C erklärte, dass er den Beschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 9 für unzulässig halte. Es gehe um nicht substantiierte Vorwürfe, denen kein nachprüfbarer Sachverhalt zu Grunde liege. Der Beschlussvorschlag sei zu unbestimmt und könne nicht zur Abstimmung zugelassen werden. Zur Begründung seiner Auffassung verwies der Versammlungsleiter Dr. C auf das Rechtsgutachten des Prof. Dr. I3, das in der Hauptversammlung ausgelegt wurde (Anlage K 13, Bl. 108 AH I).

Daraufhin stellte Rechtsanwalt Dr. G1 L4 für die T. Invest AG den Antrag, den Versammlungsleiter Dr. C abzuwählen (Anlage K 13, Bl. 113 AH I). Dieser erklärte, dass er einen wichtigen Grund für die Abberufung nicht erkennen könne. Sodann wurde über den Abberufungsantrag abgestimmt. Ergebnis der Abstimmung war, dass die Abberufung des Dr. C als Versammlungsleiter mit den Stimmen der Mehrheitsaktionärin, der Streithelferin zu 5) der Beklagten, abgelehnt wurde.

Im Anschluss hieran ließ der Versammlungsleiter Dr. C über den Beschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 8 (Sonderprüfung) abstimmen. Auch dieser Vorschlag wurde mit den Stimmen der Mehrheitsaktionärin, der Streithelferin zu 5) der Beklagten, abgelehnt.

Der Beschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 9 wurde, wie vom Versammlungsleiter Dr. C angekündigt, nicht zur Abstimmung gestellt. Die Klägerin T. AG erklärte zu sämtlichen in der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 gefassten Beschlüssen Widerspruch zu Protokoll des Notars.

Wegen des Ablaufs der Hauptversammlung vom 19.06.2015 im Einzelnen wird auf das notarielle Protokoll des Notars Dr. Q2, UR Nr. 1382/2015 (Anl. K 13, Bl. 67 ff. AH I), dort insbesondere Seite 63 ff. (Blatt 98 f. AH I) verwiesen.

Die Klägerin T. AG hat die Rechtsansicht vertreten, die ablehnende Beschlussfassung der Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt (TOP) 7 I. Unterpunkte a) bis j) sei, jeweils soweit es um die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats der Beklagten gehe, für nichtig zu erklären. Für die Klägerin U. SE, Streithelferin zu 5) der Beklagten als Mehrheitsaktionärin habe ein Stimmverbot hinsichtlich des gesamten einheitlichen Beschlussvorschlags bestanden. Es habe nicht getrennt über die Ansprüche gegen die Klägerin U. SE (die Streithelferin zu 5) der Beklagten) einerseits und gegen die Organe der Beklagten andererseits abgestimmt werden dürfen, denn die konzerninternen Transaktionen, die Gegenstand der Ersatzansprüche seien, würden einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einheitlichen Vorgang bilden.

Abgesehen davon habe das Stimmverbot auch bei getrennter Abstimmung bestanden, weil sämtliche Ansprüche in einem engen Zusammenhang stünden. Hinsichtlich sämtlicher Sachverhalte des Tagesordnungspunktes 7 habe ein umfassendes Stimmverbot für die Klägerin U. SE bestanden. Diese habe das Stimmverbot teilweise umgehen wollen, indem sie eine nach Personengruppen getrennte Beschlussfassung beantragt habe. Obwohl § 20 Abs. 2 der Satzung die Entscheidung über die Form der Abstimmung ausdrücklich dem Versammlungsleiter zuweise, habe dieser die Verfahrensfragen nicht selbst entschieden, sondern eine Beschlussfassung der Hauptversammlung herbeigeführt. Dies sei verfahrensmäßig unzulässig. Die Klägerin T. AG hat behauptet, die antragstellenden Minderheitsaktionäre hätten der Beklagten bereits mit Schreiben an deren anwaltliche Vertreter vom 12.06.2015 mitgeteilt, dass sie, ohne jegliches Präjudiz, die vom Amtsgericht Köln beanstandeten Teile des Beschlussvorschlags streichen und zudem eine Einzelabstimmung über die einzelnen Unterpunkte beantragen würden. Die nach dieser Maßgabe ausformulierten Beschlussvorschläge seien der Beklagten dann am 18.06.2015 übermittelt worden. Sie meint, bei den Änderungen des Beschlussvorschlages handele es sich um Streichungen bzw. rein redaktionelle Anpassungen, der ursprüngliche Vorschlag sei im Ergebnis nur um nebensächliche Punkte reduziert worden und im L5 des Beschlussvorschlags seien keine Änderungen vorgenommen worden.

Die Klägerin T. AG hat weiter behauptet, dass sich dann, wenn man die zu Unrecht berücksichtigten ablehnenden Stimmen der Klägerin U. SE von den festgestellten Beschlussergebnissen abziehe, ergebe, dass sämtliche unter dem Tagesordnungspunkt 7 zur Abstimmung gestellten Beschlussvorschläge mit der erforderlichen Mehrheit der verbleibenden Stimmen angenommen worden seien, was im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage festzustellen sei.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Beschluss sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Auf das vollständige Verlesen des gestellten Antrags habe verzichtet werden können, und eine Bezugnahme sei auch nicht nur bei Beschlussvorschlägen zulässig, die zuvor im Wortlaut im Bundesanzeiger veröffentlicht worden seien. Es habe eine Bezugnahme vorgelegen, die eine eindeutige Bestimmung des Beschlussvorschlags ermöglicht habe, und die Rechte der Aktionäre im Hinblick auf eine geordnete Beschlussfassung seien gewahrt.

Weiter hat die Klägerin T. AG die Rechtsansicht vertreten, dass die Beschlüsse auch materiell rechtmäßig, da hinreichend konkret formuliert seien. Es liege kein Stufenverhältnis in dem Sinne vor, dass einem Antrag nach § 147 AktG zur Konkretisierung der Ansprüche zwingend eine Sonderprüfung vorauszugehen habe. Der Versammlungsleiter Dr. C sei nicht berechtigt gewesen, den Beschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 9 als unzulässig zurückzuweisen. Dies stelle einen schweren und vorsätzlichen Eingriff in ihre Minderheitsrechte dar, es habe daher ein wichtiger Grund für die Abwahl des Versammlungsleiters vorgelegen. Der Versammlungsleiter habe außerhalb seiner Kompetenzen gehandelt und habe sich in einem Interessenkonflikt befunden:

– Es bestehe keinerlei Bedürfnis dafür, in Fällen des § 122 AktG ein Prüfungsrecht des Versammlungsleiters anzuerkennen. Der Versammlungsleiter habe kein eigenes Prüfungs- und Zurückweisungsrecht, dies sei auch unter keinem Gesichtspunkt erforderlich oder auch nur zweckmäßig.

– Der Versammlungsleiter Dr. C habe über die Zulassung eines Beschlussvorschlags entschieden, der unter anderem die Geltendmachung von Ansprüchen gegen ihn selbst sowie gegen die von ihm vertretene Mehrheitsaktionärin, die Klägerin U. SE, zum Gegenstand gehabt habe. Er habe einem gesetzlichen Stimmverbot gemäß § 136 Abs. 1 S. 1 3. Alt. AktG unterlegen, und die Zurückweisung des Beschlussvorschlags stelle einen eklatanten Verstoß gegen das Verbot des „Richtens in eigener Sache“ dar.

Die Klägerin T. AG hat weiter die Auffassung vertreten, dass der Beschlussvorschlag zu TOP 9 nicht rechtsmissbräuchlich gewesen sei, weil zugleich ein Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung gestellt worden sei. Ein „Stufenverhältnis“ zwischen Sonderprüfung und Anspruchsdurchsetzung nach § 147 AktG in dem Sinne, dass einem Antrag nach § 147 AktG zur Konkretisierung der Ansprüche zwingend eine Sonderprüfung vorauszugehen habe, gebe es nicht. Keinesfalls sei der Beschlussvorschlag als „evident rechtswidrig“ zu qualifizieren. Weiter hat die Klägerin T. AG die Auffassung vertreten, dass es die Treuepflicht allen Aktionären geboten habe, angesichts des eklatant rechtswidrigen Vorgehens des Versammlungsleiters, für dessen Abwahl zu stimmen.

Hinsichtlich ihres Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Versammlungsleiters hat die Klägerin T. AG die Rechtsansicht vertreten, die ausnahmsweise Zulassung einer allgemeinen Feststellungsklage sei geboten. Es liege ein Eingriff in die Minderheitsrechte vor, und eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit sei ihr nur bei Zulassung der allgemeinen Feststellungsklage eröffnet.

Die Klägerin T. AG hat beantragt:

I. 1.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. a) in Bezug auf den Vorstand der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand der Gesellschaft wegen des von der U. SE veranlassten Erwerbs von C3stoffaktivitäten und einer in der Straßensanierung tätigen Gesellschaft aus dem U. SE-Konzern in 2009 zu einem überhöhten Preis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. a) in Bezug auf den Vorstand folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Vorstands der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren K1 S1, Q3 L5 und Mag. N2 L6. Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von C3stoffaktivitäten und einer in der Straßensanierung tätigen Gesellschaft aus dem U. SE-Konzern in 2009 zu einem überhöhten Preis.

Die U. AG hat im Geschäftsjahr 2009 ausgewählte C3stoffaktivitäten und eine in der Straßensanierung tätige Gesellschaft in Form von Unternehmenserwerben aus dem U. SE-Konzern übernommen. Das Kaufpreisvolumen belief sich auf rd. 3,2 Mio. Euro und war angeblich „in wesentlichen Teilen mit Wertgutachten unterlegt“ (Geschäftsbericht 2009, S. 95). Geltend zu machen ist der sich aus dem Erwerb ergebende Schaden der U. AG. Da überhöhte Preise gezahlt wurden, ist der Gesellschaft zum Vorteil des Verkäufers U. SE ein Vermögensschaden entstanden, der zu ersetzen ist.“

2.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. a) in Bezug auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat der Gesellschaft wegen des von der U. SE veranlassten Erwerbs von C3stoffaktivitäten und einer in der Straßensanierung tätigen Gesellschaft aus dem U. SE-Konzern in 2009 zu einem überhöhten Preis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. a) in Bezug auf den Aufsichtsrat folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren Dr. K2 M3 (Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), B2 D1, E2 T1 (Mitglied des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), S2 O1 und G1 P1, Dr. U1 C (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG) und Dr. Q3 O2 (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG). Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von C3stoffaktivitäten und einer in der Straßensanierung tätigen Gesellschaft aus dem U. SE-Konzern in 2009 zu einem überhöhten Preis.

Die U. AG hat im Geschäftsjahr 2009 ausgewählte C3stoffaktivitäten und eine in der Straßensanierung tätige Gesellschaft in Form von Unternehmenserwerben aus dem U. SE-Konzern übernommen. Das Kaufpreisvolumen belief sich auf rd. 3,2 Mio. Euro und war angeblich „in wesentlichen Teilen mit Wertgutachten unterlegt“ (Geschäftsbericht 2009, S. 95). Geltend zu machen ist der sich aus dem Erwerb ergebende Schaden der U. AG. Da überhöhte Preise gezahlt wurden, ist der Gesellschaft zum Vorteil des Verkäufers U. SE ein Vermögensschaden entstanden, der zu ersetzen ist.“

3.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. b) in Bezug auf den Vorstand der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand der Gesellschaft wegen des von der U. SE veranlassten Verkaufs der Beteiligung an der C. GmbH zum 01.01.2011 an eine Gesellschaft der U. SE-Gruppe zu einem zu niedrigen Preis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. b) in Bezug auf den Vorstand folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Vorstands der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren K1 S1, Q3 L5 und Mag. N2 L6. Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Verkauf der Beteiligung an der C. GmbH, E., zum 1.1.2011 an eine Gesellschaft der U. SE-Gruppe zu einem zu niedrigen Preis.

Die U. hat AG im Geschäftsjahr 2010 ihre Beteiligung an der C. GmbH, E., vormals R1 Gesellschaft für P2 mbH, an die U. SE-Gruppe zum Übergangsstichtag 1.1.2011 zum Preis von 2,7 Mio. Euro veräußert (Geschäftsbericht 2010, S. 103). Es ist der Schaden geltend zu machen, der sich daraus ergibt, dass die Beteiligung an der C. GmbH zu einem für die U. AG nachteiligen, weil zu niedrigen Preis an die U. SE-Gruppe veräußert wurde.“

4.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. b) in Bezug auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat der Gesellschaft wegen des von der U. SE veranlassten Verkaufs der Beteiligung an der C. GmbH zum 01.01.2011 an eine Gesellschaft der U. SE-Gruppe zu einem zu niedrigen Preis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. b) in Bezug auf den Aufsichtsrat folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren Dr. K2 M3 (Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), B2 D1, E2 T1 (Mitglied des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), S2 O1 und G1 P1, Dr. U1 C (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG) und Dr. Q3 O2 (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG). Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Verkauf der Beteiligung an der C. GmbH, E., zum 1.1.2011 an eine Gesellschaft der U. SE-Gruppe zu einem zu niedrigen Preis.

Die U. hat AG im Geschäftsjahr 2010 ihre Beteiligung an der C. GmbH, E., vormals R1 Gesellschaft für P2 mbH, an die U. SE-Gruppe zum Übergangsstichtag 1.1.2011 zum Preis von 2,7 Mio. Euro veräußert (Geschäftsbericht 2010, S. 103). Es ist der Schaden geltend zu machen, der sich daraus ergibt, dass die Beteiligung an der C. GmbH zu einem für die U. AG nachteiligen, weil zu niedrigen Preis an die U. SE-Gruppe veräußert wurde.“

5.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. c) in Bezug auf den Vorstand der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand der Gesellschaft wegen der von der U. SE veranlassten, seit 2009 bestehenden Darlehensbeziehungen mit Unternehmen des U. SE-Konzerns zu nicht marktgerechtem Zins und nicht marktgerechten Kreditkommissionen und sonstigen Kommissionen sowie dem Unterlassen der Wahrnehmung günstigerer Finanzierungsalternativen abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. c) in Bezug auf den Vorstand folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Vorstands der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren K1 S1, Q3 L5 und Mag. N2 L6. Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch die von der U. SE veranlassten, seit 2009 bestehenden Darlehensbeziehungen mit Unternehmen des U. SE-Konzerns durch nicht marktgerechten Zins sowie nicht marktgerechte Kreditkommissionen und sonstige Kommissionen sowie das Unterlassen der Wahrnehmung günstigerer Finanzierungsalternativen.

Die U. AG hat ab 2009 (vgl. u.a. Geschäftsbericht 2009, S. 95; Geschäftsbericht 2011, S. 104) einen wesentlichen Teil ihres Finanzierungsbedarfs über Barkredite der U. SE gedeckt. Die Kreditinanspruchnahme entwickelte sich wie folgt:

2009: 127,3 Mio. Euro

2010: 45,7 Mio. Euro

2011: 90,2 Mio. Euro

2012: 99,9 Mio. Euro

Die Höhe der Kreditinanspruchnahme trotz einer ständig sehr komfortablen Liquiditätssituation der Gesellschaft stellt eine Kreditpolitik zu Lasten der Gesellschaft zum Vorteil des Großaktionärs U. SE dar. Es ist insbesondere der Schaden geltend zu machen, der sich daraus ergibt, dass der verrechnete Zins nicht marktgerecht (d.h. zu hoch) gewesen ist, bzw. nicht marktgerechte Kreditkommissionen und sonstige Provisionen an die U. SE vergütet wurden und dass günstigere Finanzierungsalternativen als ein Konzerndarlehen von den Verantwortlichen nicht weiter verfolgt wurden.“

6.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. c) in Bezug auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat der Gesellschaft wegen der von der U. SE veranlassten, seit 2009 bestehenden Darlehensbeziehungen mit Unternehmen des U. SE-Konzerns zu nicht marktgerechtem Zins und nicht marktgerechten Kreditkommissionen und sonstigen Kommissionen sowie dem Unterlassen der Wahrnehmung günstigerer Finanzierungsalternativen abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. c) in Bezug auf den Aufsichtsrat folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren Dr. K2 M3 (Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), B2 D1, E2 T1 (Mitglied des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), S2 O1 und G1 P1, Dr. U1 C (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG) und Dr. Q3 O2 (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG). Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch die von der U. SE veranlassten, seit 2009 bestehenden Darlehensbeziehungen mit Unternehmen des U. SE-Konzerns durch nicht marktgerechten Zins sowie nicht marktgerechte Kreditkommissionen und sonstige Kommissionen sowie das Unterlassen der Wahrnehmung günstigerer Finanzierungsalternativen.

Die U. AG hat ab 2009 (vgl. u.a. Geschäftsbericht 2009, S. 95; Geschäftsbericht 2011, S. 104) einen wesentlichen Teil ihres Finanzierungsbedarfs über Barkredite der U. SE gedeckt. Die Kreditinanspruchnahme entwickelte sich wie folgt:

2009: 127,3 Mio. Euro

2010: 45,7 Mio. Euro

2011: 90,2 Mio. Euro

2012: 99,9 Mio. Euro

Die Höhe der Kreditinanspruchnahme trotz einer ständig sehr komfortablen Liquiditätssituation der Gesellschaft stellt eine Kreditpolitik zu Lasten der Gesellschaft zum Vorteil des Großaktionärs U. SE dar. Es ist insbesondere der Schaden geltend zu machen, der sich daraus ergibt, dass der verrechnete Zins nicht marktgerecht (d.h. zu hoch) gewesen ist, bzw. nicht marktgerechte Kreditkommissionen und sonstige Provisionen an die U. SE vergütet wurden und dass günstigere Finanzierungsalternativen als ein Konzerndarlehen von den Verantwortlichen nicht weiter verfolgt wurden.“

7.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. d) in Bezug auf den Vorstand der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand der Gesellschaft wegen des im Dezember 2012 mit der U. SE zu nicht marktüblichen Konditionen abgeschlossenen Darlehensvertrags im Gesamtvolumen von bis zu EUR 120 Mio. abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. d) in Bezug auf den Vorstand folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Vorstands der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren K1 S1, Q3 L5 und Mag. N2 L6. Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den im Dezember 2012 mit der U. SE abgeschlossenen Darlehensvertrag im Gesamtvolumen von bis zu Euro 120 Mio. im Hinblick auf dessen fehlende Marktüblichkeit.

Der Vorstand der U. AG hat mit Zustimmung des Aufsichtsrats im Juni 2012 beschlossen, die Akquisition konzernverbundener Unternehmen der U. SE durch die E2J1E2 C3 J3 F1 AG („E2J1E2“) im Wege von Einlagen „F1proportional“ mit der E2J1E2-Mitgesellschafterin U. SE zu finanzieren. Der hierfür von der U. AG im Dezember 2012 wie vereinbart erbrachte Finanzierungsanteil der E2J1E2 belief sich auf ca. 276,2 Mio. Euro. Zur Finanzierung hat die U. AG neben eigenen Mitteln mit der U. SE als Kreditgeberin das Darlehen über (revolvierend) bis zu 120 Mio. Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren abgeschlossen, wovon die U. AG zum 31.12.2012 108 Mio. Euro in Anspruch genommen hat.

Ohne die Gewährung der sog. Großmütterzuschüsse (d.h. die (Mit-) Finanzierung des Beteiligungserwerbs der E2J1E2 durch die U. AG u.a. mittels Kreditmitteln der U. SE) hätte die U. AG über ausreichend liquide Mittel verfügt, ihr Geschäft ohne weitere Kredite finanzieren zu können. Durch das Konstrukt der Großmütterzuschüsse und die Veranlassung der U. SE, dass die U. AG dazu bei ihr Kredite aufnehmen musste, hat die U. SE der U. AG Kredite aufgezwungen, die die U. AG als unabhängige Gesellschaft nicht aufgenommen hätte, da diese primär den interessen der U. SE dienten.

Es sind Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die daraus erwachsen, dass der Darlehensvertrag im Gesamtvolumen von bis zu Euro 120 Mio. weder markt- noch sachgerecht ist und dass die U. SE beim Abschluss des Geschäfts ihre Stellung als Mehrheitsaktionär zum eigenen Vorteil ausgenutzt hat, wodurch der U. AG ein erheblicher Vermögensschaden entstanden ist.“

8.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. d) in Bezug auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat der Gesellschaft wegen des im Dezember 2012 mit der U. SE zu nicht marktüblichen Konditionen abgeschlossenen Darlehensvertrags im Gesamtvolumen von bis zu EUR 120 Mio. abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. d) in Bezug auf den Aufsichtsrat folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren Dr. K2 M3 (Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), B2 D1, E2 T1 (Mitglied des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), S2 O1 und G1 P1, Dr. U1 C (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG) und Dr. Q3 O2 (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG). Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den im Dezember 2012 mit der U. SE abgeschlossenen Darlehensvertrag im Gesamtvolumen von bis zu Euro 120 Mio. im Hinblick auf dessen fehlende Marktüblichkeit.

Der Vorstand der U. AG hat mit Zustimmung des Aufsichtsrats im Juni 2012 beschlossen, die Akquisition konzernverbundener Unternehmen der U. SE durch die E2J1E2 C3 J3 F1 AG („E2J1E2“) im Wege von Einlagen „Beurteilungsproportional“ mit der E2J1E2-Mitgesellschafterin U. SE zu finanzieren. Der hierfür von der U. AG im Dezember 2012 wie vereinbart erbrachte Finanzierungsanteil der E2J1E2 belief sich auf ca. 276,2 Mio. Euro. Zur Finanzierung hat die U. AG neben eigenen Mitteln mit der U. SE als Kreditgeberin das Darlehen über (revolvierend) bis zu 120 Mio. Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren abgeschlossen, wovon die U. AG zum 31.12.2012 108 Mio. Euro in Anspruch genommen hat.

Ohne die Gewährung der sog. Großmütterzuschüsse (d.h. die (Mit-) Finanzierung des F1erwerbs der E2J1E2 durch die U. AG u.a. mittels Kreditmitteln der U. SE) hätte die U. AG über ausreichend liquide Mittel verfügt, ihr Geschäft ohne weitere Kredite finanzieren zu können. Durch das Konstrukt der Großmütterzuschüsse und die Veranlassung der U. SE, dass die U. AG dazu bei ihr Kredite aufnehmen musste, hat die U. SE der U. AG Kredite aufgezwungen, die die U. AG als unabhängige Gesellschaft nicht aufgenommen hätte, da diese primär den interessen der U. SE dienten.

Es sind Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die daraus erwachsen, dass der Darlehensvertrag im Gesamtvolumen von bis zu Euro 120 Mio. weder markt- noch sachgerecht ist und dass die U. SE beim Abschluss des Geschäfts ihre Stellung als Mehrheitsaktionär zum eigenen Vorteil ausgenutzt hat, wodurch der U. AG ein erheblicher Vermögensschaden entstanden ist.“

9.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. e) in Bezug auf den Vorstand der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand der Gesellschaft wegen der von der U. SE veranlassten Gewährung von Großmütterzuschüssen in Höhe von EUR 276,2 Mio. an die E2J1E2 F F1 AG („E2J1E2“) sowie die Akquisition konzernverbundener Unternehmen der U. SE durch die E2J1E2, insbesondere infolge von Überbewertungen der von der U. SE eingebrachten Beteiligungen, abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. e) in Bezug auf den Vorstand folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Vorstands der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren K1 S1, Q3 L5 und Mag. N2 L6. Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch die von der U. SE veranlasste Gewährung von Großmütterzuschüssen in Höhe von Euro 276,2 Mio. an die E2J1E2 F F1 AG („E2J1E2″) sowie die Akquisition konzernverbundener Unternehmen der U. SE durch die E2J1E2, insbesondere infolge von Überbewertungen der von der U. SE eingebrachten Beteiligungen.

Die sog. Beteiligungsproportionale Finanzierung der E2J1E2 (vgl. oben lit. d)) sah sog. Großmutterzuschüsse der Aktionäre U. AG und U. SE (Beteiligung 35/65 Prozent) vor. Die U. AG musste Barmittel i.H.v. 276,2 Mio. Euro zur Verfügung stellen, die U. SE brauchte demgegenüber nur Sacheinlagen zu leisten – im Wesentlichen in Form der Einbringung von zahlreichen konzernverbundenen Unternehmen. Hieraus ergibt sich eine massive Schädigung der U. AG insbesondere in Zusammenschau mit der von der U. SE veranlassten Kreditaufnahme sowie den Veräußerungen von Unternehmen der U. AG zur Finanzierung der Großmütterzuschüsse (vgl. lit. d)).

Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. AG von ihrer herrschenden Mehrheitsaktionärin veranlasst wurde, (Bar-)Einlagen in die E2J1E2 zu leisten, während die U. SE selbst in intransparenter Art und Weise Sacheinlagen leistete, die sehr viel schwieriger zu bewerten sind als Barmittel und die weit weniger wert waren als der dafür angesetzte Wert. Während also nur die U. AG leicht zu bewertende Liquidität ohne Bewertungsrisiko (u.a. mittels aufgezwungener Kredite durch die U. SE als Kreditgeber) in die E2J1E2 einlegen musste, legte die U. SE Beteiligungen mit hohen Bewertungsrisiken in die E2J1E2 ein. Die Wertermittlung der eingelegten Beteiligungen ist nicht nachvollziehbar, die Einlagewerte waren deutlich überhöht. Dies zeigen nicht zuletzt die aktuellen Wertberichtigungen.

Daher hat die U. SE ihre Stellung als herrschender Aktionär missbraucht und die U. AG geschädigt. Der dadurch entstandene Vermögensschaden der U. AG ist zu ersetzen.“

10.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. e) in Bezug auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat der Gesellschaft wegen der von der U. SE veranlassten Gewährung von Großmütterzuschüssen in Höhe von EUR 276,2 Mio. an die E2J1E2 F F1 AG („E2J1E2“) sowie die Akquisition konzernverbundener Unternehmen der U. SE durch die E2J1E2, insbesondere infolge von Überbewertungen der von der U. SE eingebrachten Beteiligungen, abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. e) in Bezug auf den Aufsichtsrat folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren Dr. K2 M3 (Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), B2 D1, E2 T1 (Mitglied des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), S2 O1 und G1 P1, Dr. U1 C (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG) und Dr. Q3 O2 (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG). Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch die von der U. SE veranlasste Gewährung von Großmütterzuschüssen in Höhe von Euro 276,2 Mio. an die E2J1E2 F F1 AG („E2J1E2″) sowie die Akquisition konzernverbundener Unternehmen der U. SE durch die E2J1E2, insbesondere infolge von Überbewertungen der von der U. SE eingebrachten Beteiligungen.

Die sog. Beurteilungsproportionale Finanzierung der E2J1E2 (vgl. oben lit. d)) sah sog. Großmutterzuschüsse der Aktionäre U. AG und U. SE (Beteiligung 35/65 Prozent) vor. Die U. AG musste Barmittel i.H.v. 276,2 Mio. Euro zur Verfügung stellen, die U. SE brauchte demgegenüber nur Sacheinlagen zu leisten – im Wesentlichen in Form der Einbringung von zahlreichen konzernverbundenen Unternehmen. Hieraus ergibt sich eine massive Schädigung der U. AG insbesondere in Zusammenschau mit der von der U. SE veranlassten Kreditaufnahme sowie den Veräußerungen von Unternehmen der U. AG zur Finanzierung der Großmütterzuschüsse (vgl. lit. d)).

Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. AG von ihrer herrschenden Mehrheitsaktionärin veranlasst wurde, (Bar-)Einlagen in die E2J1E2 zu leisten, während die U. SE selbst in intransparenter Art und Weise Sacheinlagen leistete, die sehr viel schwieriger zu bewerten sind als Barmittel und die weit weniger wert waren als der dafür angesetzte Wert. Während also nur die U. AG leicht zu bewertende Liquidität ohne Bewertungsrisiko (u.a. mittels aufgezwungener Kredite durch die U. SE als Kreditgeber) in die E2J1E2 einlegen musste, legte die U. SE Beteiligungen mit hohen Bewertungsrisiken in die E2J1E2 ein. Die Wertermittlung der eingelegten Beteiligungen ist nicht nachvollziehbar, die Einlagewerte waren deutlich überhöht. Dies zeigen nicht zuletzt die aktuellen Wertberichtigungen.

Daher hat die U. SE ihre Stellung als herrschender Aktionär missbraucht und die U. AG geschädigt. Der dadurch entstandene Vermögensschaden der U. AG ist zu ersetzen.“

11.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. f) in Bezug auf den Vorstand der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand der Gesellschaft wegen des von der U. SE veranlassten Erwerbs von ausgewählten VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten sowie der F. M. Z. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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von der F. M. AG, O-G, im Jahr 2010 zu einem überhöhten Kaufpreis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. f) in Bezug auf den Vorstand folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Vorstands der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren K1 S1, Q3 L5 und Mag. N2 L6. Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von ausgewählten VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten sowie der F. M. Z. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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von der F. M. AG, O-G, im Jahr 2010 zu einem überhöhten Kaufpreis.

Tochtergesellschaften der U. AG erwarben 2010 VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten der F. M. AG, O-G, sowie die F. M. Z. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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für insgesamt 36,5 Mio. Euro. Der Geschäftsbericht für 2010, insbesondere S. 8, legt offen, dass bei diesem Geschäft Interessenkonflikte bestanden. Verkäufer sind Unternehmen der U. SE-Gruppe. Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die durch Tochtergesellschaften der U. AG 2010 von der U. SE erworbenen VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten sowie drei Gesellschaften zu einem überhöhten Preis erworben wurden.

Dadurch ist der U. AG zum Vorteil der U. SE ein Vermögensschaden entstanden, der zu ersetzen ist.“

12.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. f) in Bezug auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat der Gesellschaft wegen des von der U. SE veranlassten Erwerbs von ausgewählten VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten sowie der F. M. Z. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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von der F. M. AG, O-G, im Jahr 2010 zu einem überhöhten Kaufpreis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. f) in Bezug auf den Aufsichtsrat folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren Dr. K2 M3 (Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), B2 D1, E2 T1 (Mitglied des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), S2 O1 und G1 P1, Dr. U1 C (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG) und Dr. Q3 O2 (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG). Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von ausgewählten VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten sowie der F. M. Z. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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von der F. M. AG, O-G, im Jahr 2010 zu einem überhöhten Kaufpreis.

Tochtergesellschaften der U. AG erwarben 2010 VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten der F. M. AG, O-G, sowie die F. M. Z. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
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, die M. B. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
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sowie die D K. H. N. & A. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
für insgesamt 36,5 Mio. Euro. Der Geschäftsbericht für 2010, insbesondere S. 8, legt offen, dass bei diesem Geschäft Interessenkonflikte bestanden. Verkäufer sind Unternehmen der U. SE-Gruppe. Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die durch Tochtergesellschaften der U. AG 2010 von der U. SE erworbenen VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten sowie drei Gesellschaften zu einem überhöhten Preis erworben wurden. Dadurch ist der U. AG zum Vorteil der U. SE ein Vermögensschaden entstanden, der zu ersetzen ist.“

13.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. g) in Bezug auf den Vorstand der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand der Gesellschaft wegen des von der U. SE veranlassten Erwerbs von drei Grundstücken der F. M. GmbH im Jahr 2011 zu einem überhöhten Kaufpreis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. g) in Bezug auf den Vorstand folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Vorstands der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren K1 S1, Q3 L5 und Mag. N2 L6. Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von drei Grundstücken der F. M. GmbH 2011 zu einem überhöhten Kaufpreis.

2011 hat die U. AG von der zur U. SE-Gruppe gehörenden F. M. GmbH drei Grundstücke zu einem Kaufpreis von 2,6 Mio. Euro erworben. In der Vergangenheit hatte die F. M. GmbH diese Grundstücke der F. M. Z. GmbH entgeltlich zur Nutzung überlassen. Die F. M. Z. GmbH wurde 2010 von der U. SE erworben. Bei den Grundstücken handelt es sich angabegemäß um betriebsnotwendige Grundstücke der F. M. Z. GmbH. Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. AG 2011 die Grundstücke (mittelbar) von der U. SE nicht zu einem marktgerechten, sondern zu einem überhöhten Preis erworben hat. Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft wären dieses Geschäft nicht eingegangen. Dadurch ist der U. AG zum Vorteil der U. SE ein Vermögensschaden entstanden, der auszugleichen ist.“

14.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. g) in Bezug auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat der Gesellschaft wegen des von der U. SE veranlassten Erwerbs von drei Grundstücken der F. M. GmbH im Jahr 2011 zu einem überhöhten Kaufpreis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. g) in Bezug auf den Aufsichtsrat folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren Dr. K2 M3 (Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), B2 D1, E2 T1 (Mitglied des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), S2 O1 und G1 P1, Dr. U1 C (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG) und Dr. Q3 O2 (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG). Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von drei Grundstücken der F. M. GmbH 2011 zu einem überhöhten Kaufpreis.

2011 hat die U. AG von der zur U. SE-Gruppe gehörenden F. M. GmbH drei Grundstücke zu einem Kaufpreis von 2,6 Mio. Euro erworben. In der Vergangenheit hatte die F. M. GmbH diese Grundstücke der F. M. Z. GmbH entgeltlich zur Nutzung überlassen. Die F. M. Z. GmbH wurde 2010 von der U. SE erworben. Bei den Grundstücken handelt es sich angabegemäß um betriebsnotwendige Grundstücke der F. M. Z. GmbH. Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. AG 2011 die Grundstücke (mittelbar) von der U. SE nicht zu einem marktgerechten, sondern zu einem überhöhten Preis erworben hat. Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft wären dieses Geschäft nicht eingegangen. Dadurch ist der U. AG zum Vorteil der U. SE ein Vermögensschaden entstanden, der auszugleichen ist.“

15.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. h) in Bezug auf den Vorstand der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand der Gesellschaft wegen des von der U. SE veranlassten Erwerbs der I1 L1 C1 GmbH von der U. SE-Gruppe zu einem überhöhten Kaufpreis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. h) in Bezug auf den Vorstand folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Vorstands der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren K1 S1, Q3 L5 und Mag. N2 L6. Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb der I1 L1 C1 GmbH von der U. SE-Gruppe zu einem überhöhten Kaufpreis.

Ende Dezember 2011 hat eine Tochtergesellschaft der U. AG, die U. B3 GmbH, die I1 L1 C1 GmbH („L1 GmbH“), von der U. SE-Gruppe erworben. Der Kaufpreis Betrug 30,0 Mio. Euro. Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. AG die L1 GmbH zu einem nicht marktkonformen, überhöhten Preis erworben hat. Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft wären dieses Geschäft nicht eingegangen. Dadurch ist der U. AG ein Vermögensschaden entstanden, der auszugleichen ist.“

16.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. h) in Bezug auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat der Gesellschaft wegen des von der U. SE veranlassten Erwerbs der I1 L1 C1 GmbH von der U. SE-Gruppe zu einem überhöhten Kaufpreis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. h) in Bezug auf den Aufsichtsrat folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren Dr. K2 M3 (Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), B2 D1, E2 T1 (Mitglied des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), S2 O1 und G1 P1, Dr. U1 C (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG) und Dr. Q3 O2 (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG). Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb der I1 L1 C1 GmbH von der U. SE-Gruppe zu einem überhöhten Kaufpreis.

Ende Dezember 2011 hat eine Tochtergesellschaft der U. AG, die U. B3 GmbH, die I1 L1 C1 GmbH („L1 GmbH“), von der U. SE-Gruppe erworben. Der Kaufpreis Betrug 30,0 Mio. Euro. Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. AG die L1 GmbH zu einem nicht marktkonformen, überhöhten Preis erworben hat. Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft wären dieses Geschäft nicht eingegangen. Dadurch ist der U. AG ein Vermögensschaden entstanden, der auszugleichen ist.“

17.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. i) in Bezug auf den Vorstand der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand der Gesellschaft wegen nicht marktgerechter Darlehensvereinbarungen mit und des Verkaufs der E3 T2 a.s., Q/U1, an eine Tochtergesellschaft der E2J1E2 zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. i) in Bezug auf den Vorstand folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Vorstands der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren K1 S1, Q3 L5 und Mag. N2 L6. Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch von der U. SE veranlasste nicht marktgerechte Darlehensvereinbarungen mit und den Verkauf der F2 T2 a.s., Q/U1 („E1T1Q1″) an eine Tochtergesellschaft der E2J1E2 zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis.

E1T1Q1 war eine mittelbare 100%ige Tochtergesellschaft der U. AG. Sie ist im Straßen- und GleisC3 in der U2 Republik tätig. Sie hatte in den Jahren 2009-2012 bis zu ihrem Verkauf mit der U. a.s., U3 (ein Tochterunternehmen der U. SE) als Kreditgeber Darlehensverträge geschlossen. Diese beinhalteten eine kurzfristige Kreditgewährung für Betriebs- bzw. Investitionsbedürfnisse der E1T1Q1 von bis zu 2.000.000.000 CZK. Zum Jahreswechsel wurden die in unterschiedlichem Umfang in Anspruch genommen Kredite jeweils glattgestellt und im Folgejahr neu ausgegeben. 2009 belief sich das Kreditvolumen der E1T1Q1 auf maximal 36,7 Mio. Euro, 2011 auf maximal 45,3 Mio. Euro und 2012 auf 40,2 Mio. Euro; die Zahlen für 2010 sind nicht bekannt.

2012 hat die U. AG die E1T1Q1 an eine Tochtergesellschaft der E2J1E2 – und damit an ein im Mehrheitsbesitz der U. SE stehendes Unternehmen – für 97,1 Mio. Euro veräußert. Der Verkauf an eine nahestehende Gesellschaft/Tochterunternehmen des herrschenden Unternehmens erfolgte mit einer Kaufpreisfestsetzung zum Nachteil der U. AG. Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. AG bei dem Verkauf der E1T1Q1 einen zu niedrigen, nicht marktgerechten Kaufpreis erzielt hat. Ein Verkauf an eine unabhängige dritte Partei außerhalb der U. SE-Gruppe auf Basis einer marktgerechten Bewertung hätte einen höheren Verkaufspreis erzielt als er tatsächlich realisiert wurde. Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft wären das Geschäft mit der U. SE-Gruppe nicht eingegangen. Dadurch ist der U. AG ein Vermögensschaden entstanden, der auszugleichen ist.“

18.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. i) in Bezug auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat der Gesellschaft wegen nicht marktgerechter Darlehensvereinbarungen mit und des Verkaufs der E3 T2 a.s., Q/U1, an eine Tochtergesellschaft der E2J1E2 zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. i) in Bezug auf den Aufsichtsrat folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren Dr. K2 M3 (Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), B2 D1, E2 T1 (Mitglied des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), S2 O1 und G1 P1, Dr. U1 C (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG) und Dr. Q3 O2 (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG). Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch von der U. SE veranlasste nicht marktgerechte Darlehensvereinbarungen mit und den Verkauf der F2 T2 a.s., Q/U1 („E1T1Q1″) an eine Tochtergesellschaft der E2J1E2 zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis.

E1T1Q1 war eine mittelbare 100%ige Tochtergesellschaft der U. AG. Sie ist im Straßen- und GleisC3 in der U2 Republik tätig. Sie hatte in den Jahren 2009-2012 bis zu ihrem Verkauf mit der U. a.s., U3 (ein Tochterunternehmen der U. SE) als Kreditgeber Darlehensverträge geschlossen. Diese beinhalteten eine kurzfristige Kreditgewährung für Betriebs- bzw. Investitionsbedürfnisse der E1T1Q1 von bis zu 2.000.000.000 CZK. Zum Jahreswechsel wurden die in unterschiedlichem Umfang in Anspruch genommen Kredite jeweils glattgestellt und im Folgejahr neu ausgegeben. 2009 belief sich das Kreditvolumen der E1T1Q1 auf maximal 36,7 Mio. Euro, 2011 auf maximal 45,3 Mio. Euro und 2012 auf 40,2 Mio. Euro; die Zahlen für 2010 sind nicht bekannt.

2012 hat die U. AG die E1T1Q1 an eine Tochtergesellschaft der E2J1E2 – und damit an ein im Mehrheitsbesitz der U. SE stehendes Unternehmen – für 97,1 Mio. Euro veräußert. Der Verkauf an eine nahestehende Gesellschaft/Tochterunternehmen des herrschenden Unternehmens erfolgte mit einer Kaufpreisfestsetzung zum Nachteil der U. AG. Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. AG bei dem Verkauf der E1T1Q1 einen zu niedrigen, nicht marktgerechten Kaufpreis erzielt hat. Ein Verkauf an eine unabhängige dritte Partei außerhalb der U. SE-Gruppe auf Basis einer marktgerechten Bewertung hätte einen höheren Verkaufspreis erzielt als er tatsächlich realisiert wurde. Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft wären das Geschäft mit der U. SE-Gruppe nicht eingegangen. Dadurch ist der U. AG ein Vermögensschaden entstanden, der auszugleichen ist.“

19.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. j) in Bezug auf den Vorstand der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand der Gesellschaft wegen des durch die U. SE veranlassten Verkaufs der L2 V1 AG an die J2 M1 GmbH zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. j) in Bezug auf den Vorstand folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Vorstands der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren K1 S1, Q3 L5 und Mag. N2 L6. Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Verkauf der L2 V1 AG („L3″) an die J2 M1 GmbH zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis.

Im Jahr 2012 hat die U. AG die überwiegend im DeponieC3 tätige L3 für 51,4 Mio. Euro an die R2 M1 GmbH, ein Konzernunternehmen der U. SE, veräußert (vgl. Geschäftsbericht 2012, S. 71; Geschäftsbericht 2013, S. 78). Der Verkauf der L3 diente – wie auch der Verkauf der E1T1Q1 – der Finanzierung der Übernahme von Beteiligungen der U. SE, die diese in die E2J1E2 eingelegt hat (vgl. Antrag lit. d) und e)). Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. AG beim Verkauf ihrer 100%-Beteiligung an der L3 an die R2 M1 GmbH einen zu niedrigen, nicht marktgerechten Verkaufspreis erzielte, bzw. dass bei einem Verkauf an eine unabhängige dritte Partei außerhalb der U. SE ein besserer Verkaufspreis hätte erzielt werden können, als bei der konzerninternen Transaktion. Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft wären dieses Geschäft nicht eingegangen. Dadurch ist der U. AG ein Vermögensschaden entstanden, der auszugleichen ist.“

20.a) Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. j) in Bezug auf den Aufsichtsrat der Gesellschaft, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Aufsichtsrat der Gesellschaft wegen des durch die U. SE veranlassten Verkaufs der L2 V1 AG an die J2 M1 GmbH zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

b) Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 zu Tagesordnungspunkt 7, Beschlussvorschlag I. j) in Bezug auf den Aufsichtsrat folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Hauptversammlung beschließt die Geltendmachung der sich aus dem nachfolgend dargestellten Sachverhalt ergebenden Ersatzansprüche der U. AG (nachfolgend auch „Gesellschaft“), insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und § 826 BGB. Die Ersatzansprüche sind geltend zu machen gegen die für die jeweiligen Geschäfte/Maßnahmen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats der U. AG. Insb. sind die Ersatzansprüche geltend zu machen gegen die Herren Dr. K2 M3 (Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), B2 D1, E2 T1 (Mitglied des Aufsichtsrats bis 4.7.2014), S2 O1 und G1 P1, Dr. U1 C (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG) und Dr. Q3 O2 (aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der U. AG). Ersatzansprüche der Gesellschaft sind aus dem folgenden Sachverhaltskomplex geltend zu machen:

Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Verkauf der L2 V1 AG („L3″) an die J2 M1 GmbH zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis.

Im Jahr 2012 hat die U. AG die überwiegend im DeponieC3 tätige L3 für 51,4 Mio. Euro an die R2 M1 GmbH, ein Konzernunternehmen der U. SE, veräußert (vgl. Geschäftsbericht 2012, S. 71; Geschäftsbericht 2013, S. 78). Der Verkauf der L3 diente – wie auch der Verkauf der E1T1Q1 – der Finanzierung der Übernahme von Beteiligungen der U. SE, die diese in die E2J1E2 eingelegt hat (vgl. Antrag lit. d) und e)). Es sind die Schadensersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. AG beim Verkauf ihrer 100%-Beteiligung an der L3 an die R2 M1 GmbH einen zu niedrigen, nicht marktgerechten Verkaufspreis erzielte, bzw. dass bei einem Verkauf an eine unabhängige dritte Partei außerhalb der U. SE ein besserer Verkaufspreis hätte erzielt werden können, als bei der konzerninternen Transaktion. Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft wären dieses Geschäft nicht eingegangen. Dadurch ist der U. AG ein Vermögensschaden entstanden, der auszugleichen ist.“

II. 1. Der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015, wonach die Abwahl des satzungsmäßigen Versammlungsleiters Dr. C abgelehnt worden ist, wird für nichtig erklärt.

2. Es wird festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 vor der Abstimmung über die Beschlussvorschläge zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9 folgenden Beschluss gefasst hat:

„Der satzungsmäßige Versammlungsleiter Herr Dr. U1 C wird mit sofortiger Wirkung abgewählt.“

3. Es wird festgestellt, dass die Nichtzulassung der Abstimmung über den Beschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 9 durch den Versammlungsleiter Dr. U1 C in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 rechtswidrig war und die Klägerin T. AG in ihren Rechten verletzt hat.

Der Streithelfer der Klägerin T. AG hat sich dem Antrag der Klägerin T. AG zu Ziffer I. angeschlossen.

Die Beklagte und deren Streithelferin zu 5) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse verteidigt und dazu die Auffassung vertreten, ein Stimmverbot habe für ihre Streithelferin zu 5) nicht bestanden, die getrennte Abstimmung sei unproblematisch möglich gewesen.

Die Beklagte hat weiter die Auffassung vertreten, die von der Klägerin T. AG erstrebten Beschlüsse seien überdies rechtswidrig, weil die Beschlussanträge mangels Verlesung unter Verstoß gegen das Mündlichkeitsprinzip zur Abstimmung gestellt worden seien. Dazu hat sie behauptet, die geänderte Fassung des Ergänzungsverlangens hätten die Bevollmächtigten der Klägerin T. AG und der VHW ihr erst am Tage vor der Hauptversammlung, nämlich im Laufe des Nachmittags des 18.06.2015, übermittelt. Diese Fassung habe den Teilnehmern der Hauptversammlung am 19.06.2015 aus Zeitgründen dann nur noch durch Auslage auf der Hauptversammlung selbst zugänglich gemacht werden können. Der vom Vorstandsmitglied der Klägerin T. AG T1 gestellte Beschlussantrag zu Tagesordnungspunkt 7 habe auf den ihr – der Beklagten – am 18.06.2015 schriftlich übermittelten Beschlussvorschlag Bezug genommen.

Die Beklagte hat weiter die Auffassung vertreten, die Hauptversammlung habe zu Recht mit den Stimmen der Klägerin U. SE als Mehrheitsaktionärin die Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 7 Ziffer I lit. a) – j) abgelehnt, weil es jeweils um die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten gegangen sei. Der gerichtlich bestellte Versammlungsleiter habe die Hauptversammlung auf Antrag ihrer Streithelferin über eine Beschlussfassung getrennt nach Anspruchsgegnern abstimmen lassen dürfen. Die Klägerin U. SE, ihre Streithelferin zu 5), habe weder bei der Abstimmung über den Verfahrensantrag, noch bei den nachfolgenden Abstimmungen über die jeweilige Geltendmachung von Ansprüchen gegen Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten einem Stimmverbot unterlegen, und diese habe es als Mehrheitsaktionärin nicht hinnehmen müssen, durch die Zusammenfassung aller Anspruchsgrundlagen und Anspruchsgegner zu einem einzigen Beschlussantrag auch insoweit von der Beschlussfassung ausgeschlossen zu sein, als es um Ansprüche gegen Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten gegangen sei, andernfalls sie doppelt benachteiligt wäre. Der gerichtlich bestellte Versammlungsleiter sei berechtigt gewesen, die Hauptversammlung über den Verfahrensantrag auf getrennte Beschlussfassung nach Anspruchsgegnern abstimmen zu lassen.

Weiter hat die Beklagte die Auffassung vertreten, das Stimmverbot des § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG könne über seinen klaren Wortlaut hinaus nicht ausgedehnt werden. Es liege auch keine von ihrer Streithelferin zu 5) oder von ihren Organen gemeinsam begangenen Pflichtverletzung vor: Dem Vorstand der Beklagten werfe die Klägerin T. AG jeweils eine Verletzung seiner Pflichten nach § 93 AktG durch Abschluss der jeweiligen Transaktion vor. Schon beim Aufsichtsrat der Beklagten sei die angebliche Pflichtverletzung jeweils eine andere. In Bezug auf die Streithelferin zu 5) sei der Vorwurf zu jeder Transaktion in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein anderer. Es gehe insoweit weder um den Abschluss der Geschäfte, noch um eine Verletzung der Aufsichtspflichten, sondern jeweils um die angeblich rechtswidrige Veranlassung nachteiliger Maßnahmen ohne Nachteilsausgleich nach § 317 AktG.

Weiter hat die Beklagte die Auffassung vertreten, der positive Beschlussfeststellungsantrag zu den gegen ihren Vorstand und ihren Aufsichtsrat gerichteten Beschlüssen gemäß den Beschlussvorschlägen zu Tagesordnungspunkt 7 Ziffer I lit. a) bis lit. j) sei im Übrigen schon deshalb unbegründet, weil diesen Beschlüssen eine nicht ordnungsgemäße Antragstellung zugrunde liege. Die Beschlussanträge seien unter Verstoß gegen das Mündlichkeitsprinzip zur Abstimmung gestellt worden, weil der Versammlungsleiter die Beschlussanträge nicht verlesen habe. In der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.07.2015 seien bezüglich Tagesordnungspunkt 7 Beschlussanträge gestellt worden, die inhaltlich deutlich von den am 12.05.2015 bekannt gemachten Tagesordnungspunkten abgewichen seien.

Zwar könne davon ausgegangen werden, dass die geänderten Beschlussanträge zumindest noch dem Gegenstand der Tagesordnung unterfielen, dies ändere aber nichts daran, dass ein Beschlussantrag in der Hauptversammlung grundsätzlich ausdrücklich und mündlich gestellt werden müsse, wogegen verstoßen worden sei. Insbesondere die ersatzlose Streichung von Tagesordnungspunkt 7 Ziffer I lit. c) des ursprünglichen Beschlussvorschlags habe zur Folge gehabt, dass sich in dem geänderten Beschlussvorschlag die Nummerierung deutlich verändert habe. Der Versammlungsleiter habe lediglich die Ziffer 7 mit dem jeweiligen Buchstaben zur Abstimmung gestellt, ohne deutlich zu machen, über welchen Sachverhalt die Hauptversammlung jeweils abgestimmt habe. Die Beklagte hat insoweit behauptet, dass infolgedessen zahlreiche Aktionäre tatsächlich gar nicht gewusst hätten, worüber sie konkret abgestimmt hätten. Angesichts des dargelegten Durcheinanders der Buchstaben sei für die Aktionäre nicht klar gewesen, über welchen Einzelkomplex jeweils abgestimmt worden sei. In der zur Abstimmung gestellten Form habe der Beschlussantrag den Teilnehmern der Hauptversammlung erstmals in der Hauptversammlung vorgelegen, und eine bloße Bezugnahme auf den im Bundesanzeiger veröffentlichten Tagesordnungspunkt sei daher nicht möglich gewesen.

Weiter hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Ersatzansprüche, die von dem besonderen Vertreter verfolgt werden sollten, seien teilweise verjährt. Entscheidend sei jedoch, dass etwaige Ersatzansprüche nicht hinreichend dargelegt seien. Es fehle an einer ausreichenden Begründung. Es müsse zumindest ein Anfangsverdacht für das Bestehen solcher Ersatzansprüche dargelegt werden. Anträge auf die Geltendmachung von Schadensersatz ins Blaue hinein seien unzulässig. Es fehle an konkreten Anhaltspunkten für ein haftungsbegründendes Verhalten der jeweiligen Anspruchsgegner. Der bloße Hinweis auf zwischen dem abhängigen und dem herrschenden Unternehmen erfolgte Transaktionen genüge nicht. Der Sache nach handele es sich um einen verkappten Sonderprüfungsantrag. Der besondere Vertreter müsse nämlich erst die Ansprüche im Einzelnen ermitteln, bevor er sie geltend machen könne.

Sie hat weiter die Auffassung vertreten, dass ein Grund für die Abwahl des Herrn Dr. C als Versammlungsleiter nicht vorgelegen habe. Dem Versammlungsleiter komme ein Prüfungsrecht zu, er müsse Sorge dafür tragen, dass keine gesetzes-, satzungswidrigen oder rechtsmissbräuchlichen Beschlüsse gefasst würden, und das ihm zustehende Prüfungsrecht habe er bezogen auf den Tagesordnungspunkt (TOP) 9 rechtmäßig ausgeübt, da es an der erforderlichen Konkretisierung (Anfangsverdacht für eine Pflichtverletzung) gefehlt habe. Der Versammlungsleiter sei auch keinem massiven Interessenkonflikt oder Stimmverbot unterlegen. Dadurch, dass er den Beschlussvorschlag der Klägerin T. AG zu TOP 9 nicht zur Abstimmung gestellt habe, habe er keine Entscheidung darüber getroffen, ob Ansprüche bestünden oder nicht, und selbst wenn der Antrag zur Abstimmung gestellt worden wäre und eine Mehrheit gefunden hätte, wäre noch die Prüfung durch den besonderen Vertreter vorzunehmen gewesen.

2. Das Landgericht hat mit seinem am 14.01.2016 verkündeten Urteil (Bl. 159 ff. d. A.) die Klage bezogen auf die Klageanträge zu Ziffer I und zu Ziffer II Nr. 3 abgewiesen.

Den Beschluss der Hauptversammlung vom 19.06.2015, wonach die Abwahl des satzungsmäßigen Versammlungsleiters Dr. C abgelehnt wurde, hat das Landgericht für nichtig erklärt.

Schließlich hat das Landgericht festgestellt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 vor der Abstimmung über die Beschlussvorschläge zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9 folgenden Beschluss gefasst hat: „Der satzungsmäßige Versammlungsleiter Herr Dr. C wird mit sofortiger Wirkung abgewählt.“

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, hinsichtlich des Klageantrags zu Ziffer I gelte, dass die angefochtenen, ablehnenden Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 7 rechtmäßig seien. Dabei könne offenbleiben, ob für die Klägerin U. SE, die Streithelferin zu 5) der Beklagten, bei der Abstimmung über die Anträge betreffend die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gegen die Organe der Beklagten ein Stimmverbot bestanden habe oder nicht. Die ablehnenden Beschlüsse erwiesen sich nämlich aus anderen Gründen als richtig, weil den Anträgen zu TOP 7 die erforderliche Konkretisierung der darin angeführten Ersatzansprüche fehle, so dass die Beschlüsse, wären sie antragsgemäß zustande gekommen, anfechtbar gewesen wären.

Das Landgericht hat insofern die Auffassung vertreten, dass für eine Beschlussfassung nach § 147 Abs. 1 AktG für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für ein schadenersatzbegründendes Verhalten des in Anspruch zu nehmenden Haftungsschuldners bestehen müssten und es nicht ausreiche, wenn – wie im zur Entscheidung anstehenden Fall – lediglich gleichsam ins Blaue hinein ein haftungsbegründendes Verhalten der in Aussicht genommenen Haftungsschuldner ohne jeglichen konkreten Anhaltspunkt behauptet werde. Der Verzicht auf ein solches, vordergründig den Wortlaut des § 147 Abs. 1 AktG einschränkendes Merkmal würde das System des MinderheitenscL3zes dem §§ 147, 142 AktG sowie der §§ 311 ff. AktG negieren. Der Regelungsgehalt des § 147 AktG sowie seine Voraussetzungen könnten nicht ohne Berücksichtigung des § 142 AktG wie auch der MinderheitenscL3zregeln im faktischen Konzern (§ 311 ff. AktG) bestimmt werden. Bereits die Existenz des § 142 AktG zeige, dass es bei § 147 AktG um die Geltendmachung bereits bekannter Ansprüche gehe. Wollte man nämlich dem besonderen Vertreter nach § 147 Abs. 2 S. 1 AktG eine umfassende Prüfungskompetenz des Inhalts zuerkennen, erst im Einzelnen die Voraussetzungen der in § 147 Abs. 1 AktG aufgeführten Ansprüche zu ermitteln, würde es der Regelung des § 142 AktG nicht bedürfen, und das Institut des Sonderprüfers wäre überflüssig; der besondere Vertreter in § 147 Abs. 2 S. 1 AktG wäre zugleich Sonderprüfer. Dieses Ergebnis werde bestätigt durch die Existenz der Sechsmonatsfrist in § 147 Abs. 1 S. 2 AktG. Wenn auch nur im Sinne einer Sollvorschrift gehe der Gesetzgeber ersichtlich davon aus, dass die tatsächlichen Grundlagen des Anspruchs bei § 147 AktG bereits weitestgehend geklärt seien und eine der Geltendmachung vorangehende Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen nicht erforderlich sei. Die Frist von sechs Monaten sei nämlich bei komplexen Sachverhalten in aller Regel nicht einzuhalten. Überdies ergebe sich die Richtigkeit dieses Verständnisses aus den unterschiedlichen Voraussetzungen für die Herbeiführung eines Beschlusses zur Bestellung von Sonderprüfern sowie eines Beschlusses nach § 147 AktG.

Während nämlich im Falle von § 147 AktG in § 136 AktG ausdrücklich ein Stimmverbot für den Aktionär vorgesehen sein, gegen den ein Anspruch geltend gemacht werden solle, existiere eine solche Regelung im Falle des § 142 AktG nicht. Dies bedeute, dass unter Umständen Minderheitsaktionäre in der Hauptversammlung mit ihrem Begehren, einen Beschluss über die Bestellung von Sonderprüfern herbeizuführen, scheitern würden, während der Beschluss nach § 147 AktG wegen des Stimmverbots allein mit den Stimmen der Minderheitsaktionäre herbeigeführt werden könnte – wie im vorliegenden Fall. Dieses auf den ersten Blick widersprüchliche Ergebnis sei nur dann erklärbar, wenn man für Anträge nach § 147 AktG ein zusätzliches Erfordernis verlange. Das Verhältnis der §§ 147 und 142 AktG habe Auswirkungen auch auf die an einen Beschluss nach § 147 AktG zu stellenden Anforderungen. Dabei gehe es zum einen um die hinreichende Bestimmtheit des Beschlussantrags, die es ermöglichen solle, festzustellen, ob der später von dem besonderen Vertreter geltend gemachte Anspruch mit demjenigen identisch sei, der Gegenstand des Hauptversammlungsbeschlusses sei. Insoweit bestünden vorliegend keine Bedenken, denn die Anknüpfung in den Beschlussanträgen an bestimmte konzerninterne Geschäfte und die Benennung der potentiellen Anspruchsgegner dürften hinreichend sicher die Feststellung ermöglichen, ob die später von dem Streithelfer zu 2) der Beklagten geltend zu machenden Ansprüche hiermit identisch seien.

Erforderlich sei aber darüber hinaus, dass die Beschlussfassung auf der Grundlage eines Sachverhalts erfolge, aus dem sich der geltend zu machende Anspruch schlüssig ergebe, jedenfalls aber eine konkrete Wahrscheinlichkeit hierfür bestehe. Komme nämlich dem besonderen Vertreter allein die Aufgabe zu, einen der Gesellschaft zustehenden Anspruch geltend zu machen, so müsse dieser Anspruch in seinen wesentlichen Elementen bekannt sein, also nach Gläubiger, Schuldner und Anspruchsgrund, wozu bei der Geltendmachung von Ansprüchen wegen pflichtwidrigen schädigenden Verhaltens zumindest auch ein Sachverhalt gehöre, aus dem sich eben diese Pflichtwidrigkeit und der Schaden ergäben. Sei Letzteres nicht bekannt, stelle das Gesetz, wie ausgeführt, die Möglichkeit einer Sonderprüfung zur Verfügung. Für einen Beschluss nach § 147 AktG sei dann grundsätzlich kein Raum. Dass die Herbeiführung einer Sonderprüfung unter Umständen an den Mehrheitsverhältnissen scheitere – § 136 AktG gelte nicht -, sei als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergebe sich auch daraus, dass selbst im Rahmen des § 142 AktG erforderlich sei, dass der Antragsteller Tatsachen vortrage, die den Verdacht rechtfertigten, dass bei dem zum Gegenstand des Antrags gemachten Vorgang Unredlichkeiten vorgekommen oder Gesetz oder Satzung grob verletzt worden seien, und daran fehle es.

Zugesprochen hat das Landgericht das Begehren hinsichtlich der Anträge zu Ziffer II. Nr. 1 und Nr. 2. Der satzungsmäßige Versammlungsleiter Dr. C habe die Abstimmung zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9 der Hauptversammlung vom 19.06.2015 nicht leiten dürfen, weil er befangen gewesen sei, denn die Schadensersatzansprüche, wegen derer die Minderheitsaktionäre die Durchführung einer Sonderprüfung sowie vor allem einen Beschluss nach § 147 Abs.1 AktG hätten herbeiführen wollten, hätten sich auch gegen ihn als Anspruchsgegner richten sollen. Aus diesem Grund habe ein wichtiger Grund für seine Abwahl als Versammlungsleiter bestanden und auch die Mehrheitsaktionärin, die Streithelferin zu 5) der Beklagten sei aus ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gehalten, für eine Abwahl zu stimmen, so dass bei rechtmäßigem Verhalten der mit dem positiven Beschlussfeststellungsantrag zu Ziffer II Nr. 2 angeführte Beschluss zustande gekommen wäre.

Weiter hat das Landgericht ausgeführt, für die Frage des wichtigen Grundes für die Abwahl des satzungsmäßigen Versammlungsleiters gälten dieselben Erwägungen. Stehe fest, dass der Versammlungsleiter seine Pflicht nicht erfüllen könne oder wolle, sei er als Versammlungsleiter nicht (mehr) geeignet und es liege ein wichtiger Grund für seine Abwahl vor. Es habe auf der Hand gelegen, dass der zu Neutralität verpflichtete Aufsichtsratsvorsitzende Dr. C als Vorsitzender des Vorstands der Streithelferin der Beklagten sein Amt als Versammlungsleiter zu den in Rede stehenden Tagesordnungspunkten nicht unvoreingenommen habe ausüben können, weil er selbst Anspruchsgegner der von der Klägerin T. AG behaupteten Ersatzansprüche habe seien sollen.

Den Klageantrag zu Ziffer II. Nr. 3 hat das Landgericht mit der Begründung, dass es eine derartige isolierte Feststellungsklage nicht gebe, als unzulässig abgewiesen. Der Klägerin T. AG stünden im Übrigen andere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

3. Gegen das Urteil des Landgerichts hat die Klägerin T. AG insoweit Berufung eingelegt, als die Klage abgewiesen worden ist.

Die Beklagte – unterstützt von der Streithelferin zu 5) – hat ihrerseits insoweit Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt, als das Landgericht dem Klageantrag zu Ziffer II. 1 und dem Klageantrag zu Ziffer II. 2 stattgegeben hat.

Die Klägerin T. AG verfolgt mit ihrem Rechtsmittel weiter die Feststellung des Zustandekommens der Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 7, soweit diese in der Hauptversammlung vom 19.06.2015 abgelehnt wurden.

Sie meint, die Bezeichnung eines konkreten Lebenssachverhalts sei ausreichend und weitergehende „tatsächliche Anhaltspunkte“ seien nicht erforderlich. Zwischen Sonderprüfung und Anspruchsdurchsetzung nach § 147 AktG gebe es keine Stufenverhältnis in dem Sinne, dass einem Antrag nach § 147 AktG zur Konkretisierung der Ansprüche zwingend eine Sonderprüfung vorauszugehen habe. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass die gesetzlichen Aktionärsrechte der §§ 142 ff. AktG nahezu entwertet würden, insbesondere in der für Minderheitsaktionäre besonders gefährlichen Situation der faktischen Konzernierung.

Die Klägerin T. AG meint, die Klägerin U. SE, die Streithelferin zu 5) der Beklagten, habe auch bei der Abstimmung über die Ansprüche, die gegen die Verwaltungsmitglieder der Beklagten gerichtet sein, einem Stimmverbot unterlegen. Der unmittelbare sachliche Zusammenhang zwischen Ansprüchen gegen diese und deren Organmitglieder einerseits sowie Ansprüchen gegen die Organmitglieder der Beklagten andererseits liege auf der Hand. Der Vorwurf laute in allen Fällen, dass der Vorstand der Beklagten auf Veranlassung der Mehrheitsaktionärin für die Beklagte wirtschaftlich ungünstige Transaktionen vorgenommen bzw. diesen zugestimmt habe, der Aufsichtsrat hingegen nicht eingeschritten sei. Damit handelt es sich genau um den Fall eines auf einer gemeinsamen Pflichtverletzung beruhenden Anspruchs. Eine Aufspaltung bzw. Aufteilung der Abstimmung nach Anspruchsgegnern habe nicht erfolgen dürfen. Der Versammlungsleiter sei verpflichtet, Verfahrensentscheidungen über die Konzentration bzw. die Entflechtung von Abstimmungsvorgängen selbst zu treffen, er könne sie nicht, auch nicht punktuell, auf die Hauptversammlung delegieren.

Weiter ist die Klägerin T. AG der Auffassung, der Beschlussvorschlag sei formell ordnungsgemäß erfolgt. Eine Verlesung des gesamten Beschlusswortlauts sei rechtlich nicht erforderlich, vielmehr ausreichend, dass auf den in der Hauptversammlung schriftlich vorliegenden Beschlusstext Bezug genommen worden sei. Der Beschlussvorschlag sei objektiv eindeutig gewesen, kein anwesender Teilnehmer habe dem prozess widersprochen. Sie behauptet, dass sowohl bei der Stellung des Beschlussantrags als auch unmittelbar vor Durchführung der Abstimmung zu TOP 7 ein Verweis des Versammlungsleiters auf die aktualisierten und in der Hauptversammlung ausliegenden Beschlussvorschläge erfolgt sei. Vor Eintritt in den Abstimmungsvorgang habe der Versammlungsleiter insoweit nochmals ausdrücklich nachgefragt, ob gegen einen Verzicht auf die Verlesung des geänderten Vorschlags Einwände bestünden.

Sie vertritt die Auffassung, die Zurückweisung des Beschlussantrags zu Tagesordnungspunkt (TOP) 9 sei rechtswidrig gewesen sei. Der Antrag zu TOP 9 sei mit der unter TOP 7 Ziffer I. beschlossenen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht deckungsgleich. Die Feststellungsklage sei zulässig, da nur so eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet sei.

Der Streithelfer der Klägerin T. AG meint, das angegriffene Urteil verletze insoweit geltendes Recht, als das Landgericht den Klageantrag zu Ziffer I. abgewiesen habe. Die zurückweisenden Hauptversammlungsbeschlüsse beruhten auf einer Missachtung des Stimmverbotes. Unter TOP 7 gehe es gerade um die Durchsetzung konzernrechtlicher Haftungsansprüche insbesondere nach § 317 AktG gegen den GroßAktionär und gegen Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats der geschädigten Gesellschaft.

Die vom Landgericht geforderten und verneinten tatsächlichen Anhaltspunkte für pflichtwidriges Verhalten seien schlüssig dargetan. Die Prüfung der Erfolgsaussichten der geltend zu machenden Ersatzansprüche dürfe kein Gegenstand des Prozesses über die Anfechtung der Beschlussfassung zum „Ob“ der Geltendmachung sein.

Die Klägerin T. AG beantragt

unter Ziffer I die Abänderung des Urteils des Landgerichts L. vom 14.01.2016, Az. 91 O 31/15 dergestalt, dass dem klageweise erstinstanzlich geltend gemachten Klageanspruch stattgegeben wird; ferner,

dass – Ziffer II – festgestellt wird, dass die Nichtzulassung der Abstimmung über den Beschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 9 durch den Versammlungsleiter Dr. U1 C in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 rechtswidrig war und sie – die Klägerin T. AG – in ihren Rechten verletzt hat;

die Aufrechterhaltung des landgerichtlichen Urteils (Antrag zu Ziffer III).

Der Streithelfer der Klägerin T. AG beantragt,

der Anfechtungs- -und Beschlussfeststellungsklage bezogen auf die zu Ziffer I gestellten Anträge unter Abänderung des Urteils des Landgerichts L. vom 14. Januar 2016, Aktenzeichen 91 O 31/15, stattzugeben;

den auf Zurückweisung der Nebenintervention gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Beklagte und deren Streithelferin zu 5) beantragen jeweils,

1) die Berufung der Klägerin T. AG zurückzuweisen;

2) unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts L. die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin T. AG ihrerseits beantragt,

die Berufung der Beklagten sowie deren Streithelferin zurückzuweisen.

Die Beklagte vereidigt die Entscheidung des Landgerichts, soweit dieses die Klage (bezogen auf Ziffer I des Klageantrags) abgewiesen hat und vertritt – insofern weitergehend – die Auffassung, das Landgericht habe die Klage insgesamt abweisen müssen: Auch der Klageantrag betreffend die Abwahl des Versammlungsleiters sei unbegründet.

Zum Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen den Parteien behauptet sie, die Klägerin T. AG habe die Beteiligung aufgeC3t, um im Falle eines „Squeeze – Out“ oder des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages zu wirtschaftlich vorteilhaften Bedingungen ausscheiden zu können. Nachdem sich diese Spekulation der Klägerin T. AG nicht realisiert habe, suche sie seit einiger Zeit einen anderen Weg, um die Rendite ihres Investments zu verbessern.

Die Klägerin T. AG sei auf das Ansinnen eines Aktientausches nicht eingegangen versuche, Druck aufzuC3en, um sie zu einem Angebot zu veranlassen. Allein diesem Zweck dienten die von der Klägerin T. AG beantragten Ergänzungsverlangen und die beantragte Einsetzung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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.

Die Beklagte bestreitet, dass der Versammlungsleiter sowohl bei der mündlichen Antragstellung, als auch bei der Abstimmung sowie der Feststellung der Beschlussfassung auf die geänderten Beschlussvorschläge ausdrücklich Bezug genommen habe. Es fehle ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechender Beschlussantrag zu TOP 7. Dazu behauptet sie, der gerichtlich bestellte Versammlungsleiter Dr. X habe nur in allgemeiner Form darauf hingewiesen, dass der Wortlaut der Beschlussvorschläge in der Versammlung ausliege, ohne dass er klargestellt habe, dass es sich dabei nicht um die ursprüngliche Fassung, sondern um die veränderte Fassung handelt. Es habe lediglich einen allgemeinen Hinweis des Versammlungsleiters Dr. X gegeben. Bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses habe der Versammlungsleiter dann eine nachträgliche Konkretisierung vorgenommen, indem er zusätzlich jeweils schlagwortartig angegeben habe, worüber die Hauptversammlung seiner Meinung nach abgestimmt habe.

Die Beklagte meint, dass tatsächliche Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten der in den angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüssen genannten Anspruchsgegner weder vorgetragen noch sonst ersichtlich seien. Ein ausreichend bestimmter Antrag nach § 147 AktG liege nicht vor. Die positive Beschlussfeststellungsklage in Bezug auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Vorstand und Aufsichtsrat sei jeweils schon deshalb abzuweisen, weil insoweit ein rechtmäßiger ablehnender Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung der Beklagten vorliege. Die Klägerin T. AG unterliege insoweit keinem Stimmverbot nach § 136 Abs. 1 S. 1 AktG. Es gehe nicht um gemeinschaftlich begangene Pflichtverletzungen von Vorstand der Beklagten, Aufsichtsrat der Beklagten und der Streithelferin zu 5). Der Klägerin T. AG stehe das Zulassungsverfahren als Kontroll- und Überwachungsinstrument zur Verfügung.Weiter vertritt die Beklagte die Auffassung, der gerichtlich bestellte Versammlungsleiter habe die Hauptversammlung zu Recht über den Verfahrensantrag der Streithelferin der Beklagten abstimmen lassen, da die Hauptversammlung stets über die Aufteilung eines Sammelbeschlusses entscheiden könne. Weder habe ein wichtiger Grund zur Abwahl des Versammlungsleiters vorgelegen, noch habe eine Verpflichtung zu dessen Abwahl bestanden. Die abstrakte Gefahr eines Interessenkonflikts stelle keinen wichtigen Grund zur Abwahl dar, und der Versammlungsleiter Dr. C sei berechtigt gewesen, die Beschlussvorschläge der Klägerin T. AG zu TOP 9 nicht zur Abstimmung zu stellen. Der Beschlussantrag zu TOP 9 sei nicht hinreichend konkretisiert gewesen, er sei zudem redundant gewesen, da er im Ergebnis bereits durch die Beschlussanträge zu TOP 7 abgedeckt gewesen sei.

III.

A. Die Berufung der Streithelfer der Beklagten im Verfahren – Az. 18 U 19/16 – OLG L. (= Az. 91 O 30/15 LG L.) hat Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511 ff. ZPO.

a) Die Streithelferin zu 1) der Beklagten, die Streithelferin zu 3) der Beklagten und die Streithelferin zu 4) der Beklagten sind als deren Aktionärinnen berechtigt, Rechtsmittel einzulegen, dies im Hinblick auf die sich aus § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebende Rechtskrafterstreckung und die Gestaltungswirkung eines stattgebenden Anfechtungsurteils (vgl. OLG ZweibrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Zweibrücken
, Urteil vom 30.09.2009 – 4 U 149/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13).

b) Daneben ist (auch) der Streithelfer zu 2) der Beklagten, als Nebenintervenient berechtigt, Rechtsmittel einzulegen:

Der besondere Vertreter kann der Anfechtungsklage gegen den Beschluss über die Verfolgung von Ersatzansprüchen und über seine Bestellung auf Seiten der Gesellschaft als Nebenintervenient beitreten.

Nach § 66 Abs. 1 ZPO kann derjenige einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit zur Unterstützung beitreten, der ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei hat. Der besondere Vertreter hat ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Gesellschaft im Anfechtungsprozess gegen seine Bestellung und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.

(1) Der Beitritt ist nicht schon deshalb unzulässig, weil der besondere Vertreter als Organ nicht parteifähig wäre. Zwar müssen die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen, zu denen die Parteifähigkeit gehört, auch in der Person des Nebenintervenienten vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.04.2015 – II ZB 19/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – VIII ZB 82/05, BGHZ 165, 358, 362; Beschluss vom 12. Juli 2012 – VII ZB 9/12, BGHZ 194, 68 Rn. 6) und der besondere Vertreter wird im Rahmen seines Aufgabenkreises als Organ der Gesellschaft angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1980 – II ZR 140/79, ZIP 1981, 178, 179; Beschluss vom 27. September 2011 – II ZR 225/08, ZIP 2011, 2195; Beschluss vom 18. Juni 2013 – II ZA 4/12, ZIP 2013, 1467 Rn. 3). Der Beitritt setzt aber keine der Anfechtungsbefugnis entsprechende besondere aktienrechtliche „Nebeninterventionsbefugnis“ voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2007 – II ZB 29/05, BGHZ 172, 136 Rn. 17 f.; Beschluss vom 26. Mai 2008 – II ZB 23/07, ZIP 2008, 1398 Rn. 7).

Der Streithelfer zu 2) der Beklagten ist als natürliche Person parteifähig (§ 50 ZPO). Ob er beim Beitritt im Rahmen der ihm als besonderem Vertreter zugewiesenen Aufgaben als Organ oder Organmitglied handelte, ist für seine Rechts- und Parteifähigkeit ohne Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 28.04.2015 – II ZB 19/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14). Bei Organen, die nur aus einer natürlichen Person bestehen, bedarf es der Unterscheidung zwischen Organ und Organmitglied nicht. Soweit ein Organmitglied ein rechtliches Interesse geltend machen kann, kann dieses auch gerade auf seiner Organstellung beruhen (BGH, a. a. O.; vgl. zum Aufsichtsratsmitglied BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 – II ZB 1/11, ZIP 2013, 483 Rdnr. 13).

(2) Der Anfechtungsrechtsstreit wird auch zwischen anderen Personen geführt. Nach § 66 Abs. 1 ZPO setzt die Nebenintervention einen zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit voraus. Ob der gesetzliche Vertreter einer Partei nicht Dritter ist und daher nicht beitreten kann, kann auch hier offenbleiben. Der besondere Vertreter tritt vorliegend nicht als gesetzlicher Vertreter der beklagten Gesellschaft auf. Er ist nur insoweit gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft, als seine Befugnis reicht, Ersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats im Namen der Gesellschaft zu verfolgen, die ein abgespaltener Teil der umfassenden gesetzlichen Vertretungsmacht des Vorstands ist (BGH, Beschluss vom 28.04.2015 – II ZB 19/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 15; BGH, Urteil vom 18. Dezember 1980 – II ZR 140/79, ZIP 1981, 178, 179).

Im Anfechtungsstreit um seine Bestellung vertritt er die Gesellschaft nicht; sie wird vielmehr durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten (§ 246 Abs. 2 Satz 2 AktG). Eine Vertretung im Anfechtungsprozess widerspricht der gesetzlichen Regelung in § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG und steht mit den beschränkten Aufgaben des besonderen Vertreters, Ersatzansprüche geltend zu machen, nicht in Einklang (BGH, Beschluss vom 28.04.2015 – II ZB 19/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16).

(3) Das Interventionsinteresse des besonderen Vertreters folgt aus der Gestaltungswirkung einer Entscheidung, die seine Bestellung und die Entscheidung für eine Verfolgung von Ersatzansprüchen für nichtig erklärt. Bei gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen kommt wegen der Gestaltungswirkung des § 241 Nr. 5 AktG eine Nebenintervention desjenigen Dritten in Betracht, der von der Nichtigerklärung betroffen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1976 – II ZR 98/75, BGHZ 68, 81, 85; Beschluss vom 17. Januar 2006 – X ZR 236/01, BGHZ 166, 18 Rn. 7; Beschluss vom 23. April 2007 – II ZB 29/05, BGHZ 172, 136 Rn. 10; Beschluss vom 26. Mai 2008 – II ZB 23/07, ZIP 2008, 1398 Rdnr. 8).

Die Nichtigerklärung des Bestellungsbeschlusses und des Beschlusses über die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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betrifft den besonderen Vertreter unmittelbar, weil er sein Amt und seinen Auftrag verliert. Dem steht nicht entgegen, dass die Aufgabe des besonderen Vertreters nicht die Verteidigung von Hauptversammlungsbeschlüssen, sondern die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist. Für das rechtliche Interesse reicht es aus, dass die Gestaltungswirkung der Nichtigerklärung ihn und sein Amt berührt. Mit der rechtskräftigen Nichtigerklärung des Bestellungsbeschlusses verliert er die Befugnis, für die Gesellschaft Schadensersatzansprüche geltend zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.04.2015 – II ZB 19/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19).

Die Nebenintervention des Streithelfers der Klägerin U. SE, also des Vorstands der Beklagten, ist zulässig. Das rechtliche Interesse ergibt sich aus der Anfechtungsbefugnis des Vorstands nach § 245 Nr. 4 AktG, denn er hat für die Rechtmäßigkeit des Korporationshandelns zu sorgen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.06.2015 – II ZR 142/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 45).

2. Die Berufung ist auch begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Rechtsverletzung, § 513 ZPO.

a) Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere statthaft, §§ 241 ff. AktG. Die Beklagte wird zutreffend durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten, § 246 Abs. 2 S. 2 AktG.

b) Die Anfechtungsklage ist aber nicht begründet, da eine Verletzung des Gesetzes oder der Satzung nicht vorliegt, § 243 Abs. 1 AktG.

(1) Die Klägerin U. SE ist als Aktionärin der Beklagten befugt, Beschlüsse der Hauptversammlung anzufechten, § 245 Abs. 1 AktG. Der Umstand, dass sie nach § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG bei der Beschlussfassung von der Ausübung ihres Stimmrechts ausgeschlossen war, lässt die Anfechtungsbefugnis unberührt, da auch derjenige, der wegen einer ansonsten drohenden Interessenkollision einem Stimmverbot unterliegt, die Möglichkeit haben muss, die Rechtsmäßigkeit des ohne ihn gefassten Beschlusses überprüfen zu lassen (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 27.08.2008 – 7 U 5678/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 25).

(2) Die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG ist eingehalten.

(3) Der von der Hauptversammlung der Beklagten gefasste Beschluss ist allerdings formell rechtmäßig, so dass ein Anfechtungsgrund nach § 243 Abs. 1 AktG in Form eines Verfahrensverstoßes nicht vorliegt.

aa) Soweit die Klägerin U. SE rügt, dass gegen das Mündlichkeitsprinzip verstoßen worden sei, da der der Beschlussfassung zugrunde liegende Beschlussantrag nicht verlesen worden sei, und soweit sie weiter rügt, dass die Veröffentlichung im Bundesanzeiger (Bl. 19 AH I) nicht ausreichend sei, da die Formulierung fehle: „Die Hauptversammlung beschließt“, greift dieser Einwand nicht durch.

Der Charakter als Beschlussvorlage ergibt sich aus dem übrigen Inhalt des im Bundesanzeiger veröffentlichten Textes, und es ist in der Hauptversammlung diskutiert worden, dass eine Beschlussfassung erfolgen soll. Die Antragstellung kann durch Bezugnahme auf den im Bundesanzeiger veröffentlichten Beschlussvorschlag bzw. den den Aktionären im Wortlaut vorliegenden Antragstext erfolgen oder durch Verlesung, und es besteht kein Anspruch auf Verlesung, wenn der Beschlusstext allen Aktionären vorliegt (Kubis in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. § 119 Rdnr. 152; Ziemons in: Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, 73. Lieferung 08.2016, Nr. 101141).

bb) Soweit die Klägerin U. SE rügt, dass die Bezugnahme auf die bekanntgemachte Fassung scheitere, da die Aktionäre die Beschlussvorlage in deutlich abgeänderter Fassung hätten stellen wollen, vermag sie damit ebenfalls nicht durchzudringen. Die Beschlussvorlage, wie sie in Anlage 5 zum Protokoll (Blatt 141 AH I) enthalten ist, unterscheidet sich zwar von der bekanntgemachten Fassung. Dies ist aber unschädlich, da sämtliche Punkte, die in Anlage 5 aufgeführt sind, auch in der im Bundesanzeiger bekanntgemachten Fassung enthalten sind. Der Umstand, dass die Beschlussvorlage, wie sie in Anlage 5 enthalten ist, gekürzt ist, lässt die Bekanntgabe als solche nicht entfallen.

cc) Soweit die Klägerin U. SE rügt, durch Streichung von lit. c) der ursprünglichen Fassung habe sich die gesamte „Nummerierung“ verschoben, ist dies ebenfalls unschädlich. Dass es bei Streichung von lit. c) zu Änderungen der „Nummerierung“ kam, war für die Aktionäre unerheblich, da die einzelnen Punkte Gegenstand der Erörterung in der Hauptversammlung gewesen (Blatt 96R und146 AH I) sind. Inhaltlich ergeben sich hieraus zudem keine Änderungen.

dd) Soweit die Klägerin T. U. SE rügt, es habe zwei Beschlussentwürfe gegeben, nämlich den bekanntgemachten vom 12.05.2015 und den abweichenden Beschlussentwurf vom 18.06.2015, ist dies unschädlich.

Ausgelegt während der Hauptversammlung war der Beschlussentwurf, wie er in Anlage 5 zum Protokoll wiedergegeben ist, und dass dieser eine Änderung zum ursprünglich gestellten Antrag darstellte, ist in der Hauptversammlung erörtert worden (zu vgl. Blatt 91R AH I).

ee) Soweit die Klägerin U. SE rügt, dass sich bezogen auf Tagesordnungspunkt 7 Ziffer II. eine weitere Änderung ergeben habe, ist dies ebenfalls unschädlich: Der Zusatz „soweit gesetzlich zulässig, und sonst“ stellt keine inhaltlich maßgebliche Änderung dar, ist zudem ebenfalls nur eine Reduzierung des Inhalts, verglichen mit der ursprünglichen Beschlussvorlage. Diese ist auch Gegenstand der Erörterung gewesen (vgl. Blatt 92R AH I).

ff) Soweit die Klägerin U. SE einen Verstoß gegen § 130 Abs. 2 Satz 1 AktG rügt, vermag sie damit ebenfalls nicht durchzudringen.

Nach § 130 Abs. 2 Satz 1 AktG sind in der Niederschrift der Ort und der Tag der Verhandlung, der Name des Notars sowie die Art und das Ergebnis der Abstimmung und die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung anzugeben. Diese Angaben sind im Protokoll enthalten. Insbesondere ist das Beschlussergebnis eindeutig festgehalten: Zu TOP 7 ist der Beschluss des Inhalts gefasst worden, wie er in der Anlage 5 zum Protokoll niedergeschrieben ist, was sich aus Blatt 96 f. AH I ergibt. Dort sind die einzelnen Unterpunkte des TOP 7 mit der Gliederung nach Kleinbuchstaben aufgeführt.

Der Einwand des Streithelfers u 2) der Beklagten [Bl. 111 AH I] des Inhalts, dass es sich bei den Punkten nicht um „Tagesordnungspunkte“ im eigentlichen Sinne handele, bezieht sich ersichtlich darauf, dass die einzelnen, mit Kleinbuchstaben versehenen Unterpunkte keine eigenen Tagesordnungspunkte darstellen würden, was der Versammlungsleiter sodann klargestellt hat (Bl. 111 AH I, 3. Abschnitt). Hieraus folgt keine Unklarheit über den Gegenstand des Beschlusses.

gg) Soweit die Klägerin U. SE beanstandet, die genaue Zahl der zu TOP 7 von einem Stimmverbot betroffenen Aktien sei nicht protokolliert worden, begründet dies keinen formellen Mangel, da insoweit ein Verstoß gegen §§ 130, 131 AktG nicht vorliegt.

(4) Materiell-rechtlich ist der von der Hauptversammlung der Beklagten gefasste Beschluss rechtmäßig.

Ein Verstoß gegen die Regelung des § 147 Abs. 1 AktG liegt nicht vor.

Nach § 147 Abs. 1 AktG müssen die Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Gründung gegen die nach den §§ 46 bis 48, 53 AktG verpflichteten Personen oder aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats oder aus § 117 AktG geltend gemacht werden, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschließt. Der Ersatzanspruch soll binnen sechs Monaten seit dem Tage der Hauptversammlung geltend gemacht werden, § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG. Zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs kann die Hauptversammlung besondere Vertreter bestellen, § 147 Abs. 2 AktG.

Nicht gefordert wird, dass im Geltendmachungsbeschluss bereits abschließend Anspruchsgrundlagen genannt werden, auf welche die geltend zu machenden Ansprüche gestützt werden sollen, noch wird vorausgesetzt, dass die durchzusetzende Summe genannt wird (vgl. Stallknecht, Der besondere Vertreter nach § 147 AktG, 1. Aufl. 2015, S. 68 m. w. N.). Im Übrigen besteht Streit, welche Anforderungen an die Bestimmtheit der anspruchsbegründenden Tatsachen zu stellen sind.

aa. Teilweise wird – wie vorliegend erstinstanzlich vom Landgericht L. – vertreten, dass für einen Beschluss nach § 147 AktG ein auf überwiegend wahrscheinliche Tatsachen gestützter Sachverhalt vorgetragen werden müsse, aus dem sich schlüssig das Bestehen geltend gemachter Ansprüche ergibt. Erkennbar müsse sein, auf welchen konkreten, im L5 bereits bekannten Sachverhalt sich ein Anspruch stützen soll (vgl. LG Stuttgart, AG 2008, 757 [758]; Kocher/Lönner, ZIP 2016, 653 f.).

bb. Nach anderer Auffassung ist erforderlich, dass der Streitgegenstand hinreichend bestimmt ist, ohne dass verlangt wird, dass die geltend gemachten Ansprüche schlüssig dargelegt werden müssen (zu vgl. M2/Beneke, ZIP 2015, 2010, 2011f.). Die Ersatzansprüche seien nach Gegner und Gegenstand hinreichend konkret zu bezeichnen (vgl. LG Duisburg, Urteil vom 16.04.2013 – 20 O 12/13, zitiert nach juris, dort Rdnr. 62 und 65; LG Duisburg, Urteil vom 09.06.2016 – 22 O 50/16, zitiert nach juris, dort Rdnr. 56). Die Anfechtung des Beschlusses zur Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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soll danach auf krasse Fälle beschränkt sein und dürfe insbesondere auch nicht dazu genutzt werden, der Sonderprüfung ihren Anwendungsbereich zu sichern (Schröer in: MünchKomm/AktG, 3. Aufl. 2013, § 147 AktG Rdnr. 29). Die Prüfung, ob für die abhängige AG aus konzernrechtlichen Maßnahmen Schäden resultierten, solle dem besonderen Vertreter überlassen bleiben (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 27.08.2008 – 7 U 5678/07, AG 2008, 864, 867).

cc. Teilweise wird gefordert, dass kein dringender Verdacht, jedoch ein möglicher Anfangsverdacht dahingehend bestehen muss, dass mögliche Ersatzansprüche bestehen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 27.10.2009 – 32 O 5/09 KfH, ZIP 2010, 329; LG J.berg, Urteil vom 04.12.2015 – 11 O 37/15 KfH, zitiert nach juris, dort Rdnr. 31).

dd. Nach vermittelnder Auffassung muss der Beschluss grundsätzlich so konkret gefasst sein, dass der zugrunde liegende Lebenssachverhalt ohne weitere Sachverhaltsaufklärung klar ist. Das Vorliegen eines irgendwie gearteten Verdachts soll danach nicht erforderlich sein. Einschränkungen des Mehrheitswillens sollen im Regelfall des § 147 Ab. 1 AktG allein das Rechtsmissbrauchsverbot bzw. das Schikaneverbot setzen. Die Hauptversammlungsmehrheit sei daher nicht gehindert, auch bei dürftiger Tatsachengrundlage einen besonderen Vertreter zu bestellen (vgl. Bayer, AG 2015, 637 [648]). Es müsse sich aus dem Beschluss ergeben, welche Tatsachen im Wesentlichen die Ansprüche begründen sollen (vgl. Stallknecht, a. a. O., S. 68).

Begründet wird dies damit, dass in § 147 Abs. 1 AktG in seiner gegenwärtigen Fassung nur noch die Mehrheitsentscheidung geregelt sei (Bayer a. a. O.). Eine Ausnahme von dieser Regel ist hiernach gegeben, wenn im Rahmen der Beschlussfassung gemäß § 147 Abs. 1 AktG ein konzernrechtlicher Ersatzanspruch gegen das herrschende Unternehmen und damit strukturell ein Minderheitsverlangen geltend gemacht wird. Die richterrechtliche Ausdehnung des § 147 AktG auf konzernrechtliche Ersatzansprüche sei in das vorhandene, geschriebene Schutzsystem einzupassen. Es müssten dann substantiierte Tatsachen behauptet werden, die mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit den Verdacht indizierten, dass eine Pflichtverletzung vorliege, und weiter müsse substantiiert vorgetragen werden, dass hierdurch kausal für die AG ein Schaden entstanden sei. (vgl. Bayer a. a. O., S. 649). Der Geltendmachung des Ersatzanspruchs dürften dabei keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohl entgegenstehen (Bayer a. a. O., S. 651).

ee. Schließlich wird vertreten, es reiche grundsätzlich aus, dass umrissen werde, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag bestehen (zu vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14 zu § 47 GmbHG mit Hinweis auf § 147 AktG; vgl. OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Karlsruhe
, Beschluss vom 16.06.2014 – 11 Wx 49/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 49 und Rdnr. 54). Die Sachverhalte, die den Anspruch begründen, müssen danach hinreichend genau in dem Sinne bestimmt sein, dass im Falle einer späteren Klageerhebung durch den besonderen Vertreter festgestellt werden kann, ob der Gegenstand der Klage mit den von der Hauptversammlung gemeinten Ansprüchen übereinstimmt (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 28.11.2007 – 7 U 4498/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 40; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 27.08.2008 – 7 U 5678/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 499; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
DB 2004, 177 f.; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Karlsruhe
, Beschluss vom 16.06.2014 – 11 Wx 49/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 49; vgl. KG Berlin, Beschluss vom 25.08.2011 – 25 W 63/11, zitiert nach juris, dort Rdnr. 24 f.; LG Stuttgart, Urteil vom 27.10.2009 – 32 O 5/09 KfH, zitiert nach juris, dort Rdnr. 38; Holzborn/Jänig in: Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2017, § 147 lit. b; vgl. Westermann, AG 2009, 237, 244). Vorgetragen werden muss danach, welche Transaktionen die Annahme einer Pflichtwidrigkeit rechtfertigen sollen und welcher Art der Schaden sein soll (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 27.08.2008 – 7 U 5678/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 52).

Begründet wird diese Auffassung damit, dass es die Durchsetzung der Ersatzansprüche unzumutbar erschweren würde, wenn im Anfechtungsprozess und – mangels Rechtskrafterstreckung – im nachfolgenden prozess nochmals gerichtlich geklärt werden müsste, ob der Haftungsgrund besteht (BGH a. a. O., Rdnr. 14. a. E.), und es könne möglicherweise zwischen den Gerichten zu widerstreitenden Beurteilungen kommen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 25.08.2011, a. a. O., Rdnr. 25).

Der letztgenannten Auffassung ist zu folgen. Um einer rechtsmissbräuchlichen Verwendung eines Geltendmachungsbeschlusses (vgl. hierzu Stallknecht, a. a. O., S. 67) entgegenzuwirken, ist eine Eingrenzung im o. g. Sinne erforderlich, aber auch ausreichend. Dem OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(Urteil vom 28.11.2007 – 7 U 4498/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 55) ist darin zuzustimmen, dass bei der Bestimmung und Eingrenzung der Befugnisse des besonderen Vertreters auch das daneben existierende Rechtsinstitut des Sonderprüfers zu berücksichtigen ist. Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 AktG dient die Einsetzung eines Sonderprüfers der „Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung“. Der Sonderprüfer hat damit einen Prüfungsauftrag, der nur insoweit gegenständlich beschränkt ist, als er sich auf bestimmte Vorgänge beziehen muss. Demgegenüber ist die Aufgabe des besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG die „Geltendmachung des Ersatzanspruchs“. Die unterschiedlichen Gesetzesformulierungen deuten darauf hin, dass der besondere Vertreter nicht wie der Sonderprüfer Vorgänge innerhalb der Gesellschaft umfassend und in alle Richtungen hin zu überprüfen, sondern er aus einem wenigstens im L5 bereits bekannten Sachverhalt Ansprüche durchzusetzen hat (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a. a. O.). Weitere Einschränkungen enthält der Wortlaut der Vorschrift nicht.

Anders als beim Sonderprüfer liegt der Schwerpunkt der Aufgabe des besonderen Vertreters nicht in der Aufklärung noch unklarer Sachverhalte, und eine Befugnis, Prüfungen durchzuführen, hat er vielmehr nur als Annexkompetenz zu seiner Funktion, Ansprüche geltend zu machen (vgl. LG J.berg, Urteil vom 06.04.2016 – 12 O 14/16 KfH, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26), was damit korrespondiert, dass das Gesetz für den besonderen Vertreter auch keine den Rechten des Sonderprüfers nach § 145 AktG entsprechenden „Ermittlungsbefugnisse“ vorsieht. Dafür, dass der besondere Vertreter Ansprüche aus im Wesentlichen bereits bekannten Sachverhalten durchzusetzen hat, spricht ferner die Regelung des § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG, wonach der Ersatzanspruch binnen sechs Monaten seit dem Tage der Hauptversammlung geltend gemacht werden soll. Die Einhaltung dieser Frist wäre regelmäßig nicht möglich, wenn der besondere Vertreter zunächst umfangreiche Ermittlungen und eine Sachverhaltsaufklärung vorzunehmen hätte (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a. a. O.). Auch ist zu berücksichtigen, dass die Erkenntnismöglichkeiten der Aktionäre neben der Sonderprüfung nahezu ausschließlich auf die Auskunftserteilung durch den Vorstand beschränkt sind und die Regelung des § 147 AktG nicht dadurch jeder praktischen Relevanz beraubt werden darf, dass zu viel an Bestimmtheit gefordert wird (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, ZIP 2008, 1916, 1920; KG Berlin, NZG 2011 1429, 1430; Stallknecht, a. a. O., S. 69).

Vorrangig ist eine Sonderprüfung nach § 142 AktG dabei nur, soweit eine Konkretisierung des Sachverhalts nicht möglich ist, es also an der Bestimmbarkeit des Ersatzanspruchs fehlt (vgl. LG Duisburg, Urteil vom 16.04.2013, 22 O 12/13, zitiert nach juris, dort Rdnr. 66; Nietsch, ZGR 2011, 589, 617).

Dem – berechtigten – Einwand auf Eingrenzung der Befugnisse des besonderen Vertreters zur Vermeidung rechtsmissbräuchlichen Vorgehens kann dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass umrissen werden muss, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag bestehen und was L5 des zu überprüfenden Sachverhalts sein soll (vgl. auch Linnerz, Anm. zu OLG L., Urteil vom 04.12.2015, BB 2016, 337, 338).

Soweit vertreten wird, dass die Ansprüche „glaubhaft“ zu machen seien, ist dem Wortlaut der Vorschrift eine entsprechende Begrenzung ihre Anwendungsbereichs nicht zu entnehmen. Die Glaubhaftmachung ist eine Art der Beweisführung, die (dem Richter) einen (geringeren) Grad von Wahrscheinlichkeit vermitteln soll (vgl. Reichold in: U1/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 294 Rdnr. 1), und dem Wortlaut der Vorschrift des § 147 AktG kann eine die Beweisführung enthaltende Regelung nicht entnommen werden.

In Anlehnung an die Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wonach die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten muss, kommt es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substantiiert dargelegt worden ist; vielmehr ist es im allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2016 – VIII ZR 297/15, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12; BGH, Urteil vom 26.06.2013 – IV ZR 39/10, NJW 2013, 3580, Rdnr. 34; BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – I ZR 295/00, WRP 2003, 1458 = BGH-Report 2003, 1438, unter II 3 a; BGH, Urteil vom 18.07.2000 – X ZR 62, 98, NJW 2000, 3492 unter II 1 c), d. h. eindeutig individualisierbar (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Aufl. 2014, § 253, Rdnr. 12a).

Der Senat sieht sich dabei nicht gehindert, insoweit (auch) auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Problematik und zum Erfordernis substantiierten Vortrags zurückzugreifen, wonach ein Sachvortrag zur Begründung eines (Klage-) Anspruchs dann schlüssig dargetan ist, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2016 – IV ZR 52/14; VersR 2017, 36, 38, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27; BGH, Beschluss vom 15.12.2016 – IX ZR 224/15, WM 2017, 108, 109; BGH, Beschluss vom 16.11.2016 – VII ZR 23/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 8; BGH, Beschluss vom 15.12.2016 – IX ZR 224/15, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6; BGH, Urteil vom 13.10.2006 – V ZR 66/06, WuM 2006, 702 f.; zitiert nach juris, dort Ziffer 21; BGH, Beschluss vom 26.10.2016 – IV ZR 52/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29).

Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden, was insbesondere dann gilt, wenn die Partei selbst keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2016 – IV ZR 52/14, a. a. O.). Die Angabe näherer Einzelheiten, die Zeit, Ort und Umstände bestimmter Ereignisse betreffen, ist entbehrlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind, und eine Eingrenzung ist erst geboten, wenn infolge der Einlassung des Gegners der Tatsachenvortrag unklar wird (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.1984 – VII ZR 123/83, zitiert nach juris, Rdnr. 12). Sonstige Zergliederungen der Sachdarstellung in Einzelheiten können allenfalls bedeutsam werden, wenn der Gegenvortrag dazu Anlass bietet (BGH, Urteil vom 12.07.1984, a. a. O.; BGH NJW 1962, 1394 Nr. 9).

Unter Berücksichtigung vorstehend angeführter Grundsätze gilt im vorliegenden Fall, dass die im Beschlussantrag der Beklagten aufgeführten tatsächlichen Angaben – bezogen auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen – hinreichend konkret umreißen, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag bestehen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14 zu § 47 GmbHG unter Hinweis auf § 147 AktG), und die Sachverhalte, die den Anspruch begründen, sind hinreichend genau in dem Sinne dargelegt, dass im Falle einer späteren Klageerhebung durch den besonderen Vertreter festgestellt werden kann, ob der Gegenstand der Klage mit den von der Hauptversammlung gemeinten Ansprüchen übereinstimmt.

Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes:

Die Hauptversammlung der Beklagten hat unter Tagesordnungspunkt 7 die Geltendmachung der sich aus den unter der Ziffer I lit. a) – j) dargestellten Sachverhalten ergebenden Ersatzansprüche der Beklagten entsprechend den jeweiligen Beschlussvorschlägen bezogen auf die Klägerin U. SE und deren gesetzliche Vertreter, insbesondere Ansprüche aus den §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, §§ 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB und § 826 BGB beschlossen (vgl. S. 64 des Protokolls der 87. Ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten, Anlage K 8, Bl. 103R ff. AH I – 91 O 30/15 – LG L.). Soweit zwischen den vorstehend erwähnten gesetzlichen Vertretern der U. SE und Organmitgliedern der U. AG Personenidentität besteht, versteht der Senat den Beschluss dahin, dass von ihm Ansprüche nur insoweit erfasst sind, als die erwähnten gesetzlichen Vertreter in ihrer Eigenschaft als Organmitglieder der U. SE tätig waren.

Die Anwendung vorgenannter Grundsätze auf den Inhalt des zur Abstimmung gestellten Beschlussantrags und des daraufhin ergangenen Beschlusses der Hauptverhandlung der Beklagten ergibt, dass dieser nicht zu beanstanden ist, da jeweils umrissen ist, worin die vorgebliche Pflichtverletzung und der Tatbeitrag bestehen sollen:

Hinsichtlich des zur Überprüfung gestellten Vorgangs zu TOP 7, Ziffer I lit. a des Beschlusses des Inhalts, dass Ersatzansprüche der Gesellschaft aus dem Sachverhaltskomplex „Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von C3stoffaktivitäten und einer in der Straßensanierung tätigen Gesellschaft aus dem U.-SE Konzern in 2009 zu einem überhöhten Preis (Bl. 142 AH I)“ geltend zu machen sind, gilt, dass der aufgeführte Sachverhaltskomplex nach Tatbeitrag und Pflichtverletzung umrissen ist. Denn es sind Zeitraum und der zugrundeliegende Sachverhalt neben dem beanstandeten Verhalten genannt, darüber hinaus ist dargetan, gegen wen sich der mögliche Anspruch richten soll, und in Absatz 2 des unter Ziffer I lit. a) aufgeführten Sachverhaltskomplexes ist das Kaufpreisvolumen mit rund 3,2 Mio. Euro beziffert.

Entsprechendes gilt hinsichtlich des Sachverhalts, wie er unter TOP 7, Ziffer I lit. b) aufgeführt ist. Danach ist Gegenstand der Überprüfung ein Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Verkauf der Beteiligung an der C. GmbH, E. zum 1.1.2011 an eine Gesellschaft der U. SE-Gruppe zu einem niedrigen Preis. Der Sachverhaltskomplex ist insofern umrissen, als Übergangsstichtag und Kaufpreis genannt sind.

Soweit die Klägerin U. SE meint, es fehle angesichts der auch im Jahr 2011 viele hundert Konzerngesellschaften umfassenden U.-SE Gruppe auch hier an einer hinreichenden Individualisierung der Beteiligten, trifft dies nicht zu.

Auch bezogen auf den Sachverhaltskomplex zu Ziffer I lit. c sind vorgeblicher Tatbeitrag und pflichtwidriges Verhalten hinreichend individualisierbar umrissen. Gegenstand der Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
sind die von der U. SE veranlassten, seit 2009 bestehenden Darlehensbeziehungen mit Unternehmen des U. SE – Konzerns durch Vereinbarung nicht marktgerechter Zinsen sowie nicht marktgerechte Kreditkommissionen und sonstige Kommissionen sowie das Unterlassen der Wahrnehmung günstigerer Finanzierungsalternativen.

Dass der Sachverhalt zum Zeitpunkt der Beschlussfassung einen Zeitraum von „nahezu sechs Jahren“ umfasste, wie die Klägerin U. SE ausführt (Seite 7 des Schriftsatzes vom 27.01.2016 – gemeint wohl: „27.01.2017“ -, Bl. 926 d. A.), steht für sich genommen einer Eingrenzbarkeit und Individualisierung des Sachverhalts nicht entgegen, und eine Eingrenzung ist dergestalt erfolgt, dass zur Überprüfung gestellt wird, dass eine Deckung über Barkredite bei der U. SE über die für die jeweils genannten Volumina für die genannten Jahre von 2009 bis 2012 erfolgte. Soweit die Klägerin U. SE meint, die Erläuterung der angegebenen „Entwicklung der Kreditinanspruchnahme“ sei fehlerhaft dargestellt, vermag dies an der Individualisierbarkeit des Lebenssachverhalts nichts zu ändern.

Soweit der Sachverhalt zur Überprüfung gestellt wird, der einen Vermögensschaden der Gesellschaft durch den im Dezember 2012 mit der U. SE abgeschlossenen Darlehensvertrag im Gesamtvolumen von bis zu Euro 120 Mio. im Hinblick auf dessen fehlende Marktüblichkeit zum Gegenstand hat (Ziffer I, lit. d), ist auch dieser Sachverhalt hinreichend individualisiert und umrissen.

Soweit die Klägerin U. SE meint, der Beschluss sei offensichtlich das Ergebnis einer Vermischung der verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten und -instrumente der Beklagten, da einerseits eine syndizierte Avalkreditlinie mit einem Gesamtkreditvolumen von bis zu 2 Mrd. EUR und einer Laufzeit von fünf Jahren bestanden habe, anderseits bilaterale Avalkreditlinien und revolvierend ausnutzbare Barkreditlinien von Banken sowie der Klägerin U. SE bestanden hätten, und sich aus dem Beschluss nicht ergebe, aus welchem Darlehensvertrag Ersatzansprüche gegen die Klägerin U. SE geltend gemacht werden sollten (S. 8 des Schriftsatzes vom „27.01.2016“ – gemeint wohl: 27.01.2017 -, Bl. 927 d. A.), vermag dies die Annahme fehlender Individualisierbarkeit nicht zu stützen, da dies die Frage betrifft, ob Schadensersatzansprüche berechtigt sind, nicht jedoch den zur Überprüfung gestellten Lebenssachverhalt, der durch das Gesamtvolumen und die in den Verträgen bezeichneten Parteien (Kreditgeber und Kreditnehmer) eingegrenzt ist. Vorgebliche Pflichtverletzung und der Tatbeitrag sind konkretisierbar, da mitgeteilt wird, zwischen welchen Beteiligten sich die Transaktion vollzogen habe soll, welchen ziffernmäßigen Betrag diese zum Gegenstand hatte und worum es sich dem L5 nach handelte.

Bezogen auf den Sachverhalt, wie er Gegenstand von Ziffer I lit. e) ist, nämlich die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
wegen eines Vermögensschadens der Gesellschaft durch die von der U. SE veranlasste Gewährung von Großmutterzuschüssen in Höhe von 276,2 Mio. Euro an die E2J1E2 F F1 AG („E2J1E2“) sowie die Akquisition konzernverbundener Unternehmen der U. SE durch die E2J1E2, insbesondere infolge von Überbewertungen der von der U. SE eingebrachten Beteiligungen, gilt, dass dieser Sachverhalt eingrenzbar und individualisierbar ist.

Soweit die Klägerin U. SE behauptet, der vermeintlich anspruchsbegründende Lebenssachverhalt sei gänzlich falsch wiedergegeben, und der Großmutterzuschuss sei von der Beklagten nicht an die E2J1E2 gewährt worden, genauso wenig habe die E2J1E2 konzernverbundene Unternehmen akquiriert, und es seien auch keine Beteiligungen im Wege einer Sacheinlage in de E2J1E2 eingebracht worden (S. 8 des Schriftsatzes vom „27.01.2016“ – gemeint wohl: 27.01.2017 -, Bl. 927 d. A.), betrifft dies nicht die Individualisierung eines tatsächlichen Geschehens, sondern die Frage, ob ein behauptetes tatsächliches Geschehen sich so oder anders ereignet hat, mithin die materiell – rechtliche Frage, ob ein umrissener Sachverhalt Ersatzansprüche rechtfertigt oder nicht. Mit der Frage der Individualisierbarkeit hat dies nichts zu tun. Die Einwände der Klägerin U. SE greifen daher nicht durch. Ebenso wenig kommt es bezogen auf die Frage, ob der Lebenssachverhalt hinreichend genau umrissen ist, darauf an, ob – wie der Streithelfer der Klägerin T. AG Dr. J. behauptet – der Vorstand der Beklagten Entscheidungen auf einer nicht angemessenen Informationslage getroffen und sein berechtigtes Informationsbegehren blockiert hat oder ob das Gegenteil der Fall ist, wie die Beklagte behauptet (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 02.03.2017, S. 2).

Gegenstand von Ziffer I lit. f) des Beschlusses der Hauptversammlung der Beklagten ist die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
wegen eines Vermögensschadens der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von ausgewählten VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten sowie der F. M. Z. GmbH und Co KG, der M. B. GmbH & Co KG und der D Hartschotterwerg H. N. & A. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
von der F. M. AG, O-G, im Jahr 2010 zu einem überhöhten Kaufpreis.

Bedenken bezogen auf die Individualisierbarkeit des tatsächlichen Geschehens bestehen im Hinblick darauf nicht, dass die Vertragspartner sowie der Inhalt des beanstandeten Rechtsgeschäfts mitgeteilt werden. Was unter „ausgewählten VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten“ zu verstehen ist, ergibt sich dabei aus Ziffer I lit. f) Absatz 2, wonach die durch Tochtergesellschaften der U. AG 2010 von der U. SE erworbenen VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten sowie der Erwerb von drei Gesellschaften Gegenstand von Schadenersatzansprüchen sein sollen. Diese Angaben reichen aus, um das tatsächliche Gesehen als hinreichend konkret umrissen anzusehen.

Nicht gehört werden kann die Klägerin U. SE mit ihrem Einwand, der Beschluss lasse nicht erkennen, in welcher Weise es zu einem Schaden der Beklagten gekommen sein solle, denn bei der Beklagten könne allenfalls ein mittelbarer Schaden entstanden sein, weil sich der Wert ihrer Beteiligung an diesen Gesellschaften entsprechend verringert habe, sofern – unterstellt – bei den Tochtergesellschaften der Beklagten ein unmittelbarer Schaden entstanden sei. Denn ob – und ggfs. in welcher Höhe – ein Schaden entstanden ist, ist nicht im Rahmen der Frage von Bedeutung, ob den Voraussetzungen des § 147 AktG an die Individualisierung eines Tatbeitrags oder einer Pflichtwidrigkeit Genüge getan ist, sondern im Rahmen der Frage, ob ein materiell – rechtlicher Anspruch tatsächlich besteht oder nicht.

Soweit der Beschluss unter Ziffer I lit. g) die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geltendmachung von Ersatzansprüchen
wegen eines Vermögensschadens der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb von drei Grundstücken der F. M. GmbH 2011 zu einem überhöhten Kaufpreis zum Gegenstand hat, ist hiergegen im Hinblick auf die Bestimmtheitsanforderungen des § 147 AktG nichts zu erinnern. Denn der Gegenstand der Überprüfung ist sowohl sachlich – gegenständlich, als auch zeitlich sowie bezogen auf die beteiligten Personen hinreichend genau umrissen. Da die Grundstücke im Eigentum der F. M. GmbH gestanden haben sollen, hängt die Individualisierung nicht – wie die Klägerin U. SE meint – von zufälligen Umständen ab.

Ebenso sind die Parteien des Rechtsgeschäfts sowie der konkrete Erwerbsvorgang sowie die vorgebliche Pflichtverletzung und der Tatbeitrag im Beschluss aufgeführt, soweit er einen Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Erwerb der I1 L1 C1 GmbH von der U. SE – Gruppe zu einem überhöhten Kaufpreis zum Gegenstand hat, vgl. Ziffer I lit. h) des streitgegenständlichen Beschlusses der Beklagten. Durch Mitteilung von Datum („Ende Dezember 2011“), Erwerberin („U. B3 GmbH“) und Gegenstand des Rechtsgeschäfts ist die die hinreichende Individualisierbarkeit gegeben. Die vorgebliche Pflichtverletzung soll in der Zahlung eines überhöhten, d. h. nicht marktgerechten Preises gelegen haben. Ohne Belang ist es dabei – entgegen der Auffassung der Klägerin U. SE – dass die Veräußerin nicht genannt gewesen sein soll, denn der tatsächliche Vorgang ist hinreichend genau umrissen.

Nach Ziffer I lit. i) des streitgegenständlichen Beschlusses ist Gegenstand der Überprüfung von möglichen Ersatzansprüchen auch ein Vermögensschaden, der der Gesellschaft durch von der U. SE veranlasste nicht marktgerechte Darlehensvereinbarungen mit und den Verkauf der G2 T2 a. s., Q/U1 („E1T1Q1“) an eine Tochtergesellschaft der E2J1E2 zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis entstanden sein soll. Der Sachverhalt ist individualisierbar angegeben und ausreichend konkret umrissen. Eine Individualisierung war und ist der Klägerin U. SE auch möglich, was sich daraus ergibt, dass sie selbst als Veräußerin die L2 + X C3 GmbH bezeichnet (S. 11 des Schriftsatzes vom 27.01.2017, Bl. 930 d. A.), denn sie beruft sich darauf, dass etwaige Schäden unmittelbar bei dieser Gesellschaft und nicht bei der Beklagten entstanden seien. Mit letzterem Einwand kann sie bezogen auf die Bestimmtheitsanforderungen der Regelung des § 147 AktG nicht gehört werden, da dies eine Frage der materiell – rechtlichen Begründetheit möglicher Schadensersatzansprüche ist.

Entsprechendes gilt für den weiteren Vortrag der Klägerin T. AG, dass die unterstellten, nicht marktgerechten Darlehensbedingungen für die E1T1Q1 sogar vorteilhaft gewesen wären, da die E1T1Q1 die Kreditgeberin und nicht Kreditnehmerin gewesen sei. Gesichtspunkte einer möglichen Begründetheit von Ansprüchen sind nicht bereits (vorgreiflich) bei der Frage zu erörtern, ob die Ansprüche, derer sich die Beklagte berühmt, tatsächlich (in voller Höhe) bestehen oder nicht.

Schließlich ist auch der Inhalt des Beschlusses unter Ziffer I lit j) nicht zu beanstanden. Dort heißt es, dass Gegenstand möglicher Ersatzansprüche sein soll ein Vermögensschaden der Gesellschaft durch den von der U. SE veranlassten Verkauf der L2 V1 AG („L3“) an die J2 M1 GmbH zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis (Bl. 145 AH I). Tatbeitrag und vorgebliche Pflichtwidrigkeit sind ausreichend konkret umrissen, und Bedenken gegen die Individualisierung bestehen auch nicht im Hinblick auf den von der Klägerin U. SE vorgebrachten Einwand, dass der Beschluss fehlerhaft sei, da eine L2 V1 AG nicht existiere, tatsächlich die L2 V1 GmbH von der L2 + X C3 GmbH veräußert worden sei. Denn hierbei handelte sich um eine unbeachtliche Falschbezeichnung bei gleichzeitig unproblematischer Eingrenzbarkeit, da der zugrundeliegende Sachverhalt hinreichend genau umrissen ist.

Da bereits aufgrund der genannten Erwägungen der Inhalt der Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten zu TOP 7 Ziffer I lit. a) – j) Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit der dort aufgeführten Sachverhalte nicht begegnet, kann offenbleiben, ob der im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigen des Streithelfers zu 2) der Beklagten vom 27.01.2017 (Bl. 820 ff. d. A.; Anl. MHP 16, Bl. 857 ff. d. A.) aufgeführte – unstreitige – Vortrag des Inhalts, dass Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Beklagten am 09. Dezember 2015 Ablichtungen der vom Vorstand der Beklagten erstellten Unterlagen (VorstanE1T1Q1rotokolle, Verträge, notarielle Urkunden und Gutachten) an den besonderen Vertreter übermittelten (dies unter Gliederung und Aufnahme der Unterlagen in gesonderte Ordner gemäß lit. a) bis lit j), vgl. Anl. MHP 16, Bl. 857 ff. d. A., entsprechend dem von der Hauptversammlung gefassten Beschluss) dahingehend zu werten ist, dass dem Vorstand der Beklagten jeweils vollkommen klar war, von welchen zehn anspruchsbegründenden Sachverhalten in den Hauptversammlungsbeschlüssen die Rede war.

Der Inhalt der schriftlichen Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Streithelfers der Klägerin T. AG U. SE im Schriftsatz vom 27.01.2017, eingegangen bei Gericht am 31.01.2017 (Bl. 1042 ff. d. A.), gibt dem Senat dabei keinen Anlass, von den angestellten rechtlichen Erwägungen abzurücken.

Soweit mit Schriftsatz vom 02.03.2017 des Prozessbevollmächtigten des Streithelfers der Klägerin U. SE unter Bezugnahme auf den Schriftsatz der Gegenseite vom 18.02.2017 (Bl. 1188 ff. d. A.) vorgetragen wird (Bl. 1249 d. A.), der gegnerische Schriftsatz enthalte nach erster Durchsicht diverse unzutreffende Behauptungen, vermag dies schon deswegen eine hiervon abweichend Beurteilung nicht zu rechtfertigen, da nicht mitgeteilt wird, welche Behauptung unzutreffend sein soll. Ein entsprechender Hinweis des Senats war insoweit nicht veranlasst.

bb) Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 136 Abs. 1 AktG vor. Soweit die Klägerin U. SE meint, sie sei zu Unrecht von der Abstimmung ausgeschlossen worden, da ein Stimmverbot aus § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG nur in Betracht komme, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für das Bestehen der Ansprüche vorlägen, und die entsprechenden Behauptungen seien nur erfolgt, um sie als Mehrheitsaktionärin rechtsmissbräuchlich von der Abstimmung auszuschließen, kann sie hiermit nicht durchdringen.

Denn die Klägerin T. AG U. SE ist durch den Umstand, dass es – auf ihren eigenen Antrag hin (Bl. 92 AH I – 91 O 30/15 – LG L.) – zu einer getrennten Abstimmung nach Ansprüchen, die sich gegen den Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten einerseits, gegen sie selbst und ihre gesetzlichen Vertreter andererseits, kam, nicht beschwert, und es liegen keine solchen Umstände vor, die insoweit den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Gegenseite rechtfertigen würden: Wäre es nicht zu getrennten Abstimmungen gekommen, sondern bei einer einheitlichen Abstimmung verblieben, wäre die Klägerin U. SE nicht nur daran gehindert gewesen, an der Abstimmung teilzunehmen, die Ansprüche gegen sie betraf, sondern sie wäre darüber hinausgehend insgesamt nicht zur Abstimmung befugt gewesen, d. h. auch insoweit nicht, als Ansprüche gegen Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten geltend gemacht werden sollten.

cc) Schließlich sind die Beschlüsse nicht deshalb mit Erfolg anfechtbar, weil konzernrechtliche Ansprüche gegen das beherrschende Unternehmen nach § 317 AktG nicht von § 147 AktG erfasst seien. Das Gegenteil trifft zu. Geltend machen kann der besondere Vertreter auch die unter Nr. 1 Satz 1 des Hauptversammlungsbeschlusses aufgeführten Schadensersatzansprüche nach § 317 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 318 Abs. 1 und 2 AktG. Der Wortlaut der Regelung des § 147 Abs. 1 AktG schließt konzernrechtliche Verstöße insoweit ein, als diese Maßnahmen der Geschäftsführung der beherrschten Gesellschaft darstellen. Wenn aber die Vorschrift des § 147 AktG bereits für die aus solchen Maßnahmen resultierenden Ersatzansprüche gegen Vorstand und Aufsichtsrat gilt, so legt das in § 318 AktG ausdrücklich angeordnete, bei anderen abhängigkeitsbedingten Geschäftsführungsverstößen von Vorstand und Aufsichtsrat aber ebenfalls anzunehmende (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 27.08.2008 – 7 U 5678/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 37; Hüffer, AktG, a.a.O., § 318 Rn. 10; Koppensteiner in: L.er Kommentar zum AktG, 2. Auflage, § 318 Rn. 10) Gesamtschuldverhältnis mit dem Ersatzpflichtigen nach § 317 AktG nahe, dass § 147 AktG auch auf die Ersatzansprüche gegen das herrschende Unternehmen angewandt werden kann (vgl. Holzborn/Jänig in: Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2017, § 147 Ziffer 1; Spindler in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 147 Rdnr. 4).

Hinzu kommt die nahezu identische Zielrichtung der Haftungstatbestände des § 117 AktG und des § 317 AktG. Ersatzansprüche nach § 117 AktG sind in § 147 AktG ausdrücklich genannt, weshalb die Minderheit erzwingen kann, dass solche Ansprüche gegebenenfalls auch gegen eine beherrschende Gesellschaft geltend gemacht werden. Bei einer faktischen Beherrschung decken sich die nebeneinander anwendbaren Haftungstatbestände nach § 117 AktG und § 317 AktG weitgehend, wobei die an Vorsatz geknüpfte Haftung nach § 117 AktG allerdings kaum praktische Bedeutung erlangt, weil der insofern weitere § 317 AktG die Fälle des § 117 AktG mit umfasst. Im Hinblick auf diesen engen dogmatischen Zusammenhang ist nicht davon auszugehen, dass § 147 AktG nur Ansprüche aus § 117 AktG, nicht jedoch die im Ansatz gleichartige, aber schärfere Haftung des herrschenden Unternehmens nach § 317 AktG erfassen will. Die Geltung des § 147 AktG auch für konzernrechtlichen Ansprüche entspricht zudem dem Sinn und Zweck der Bestimmung. Die Vorschrift will die tatsächliche Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche der Gesellschaft sichern, wodurch dem das pflichtgemäße Verhalten bewirkenden Haftungsdruck für die Organe Nachdruck verliehen werden soll (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a. a. O. unter Hinweis auf BT-Drucks. 15/1592, S. 19 ff.; Schröer in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 147 Rn. 6). Bei Ansprüchen gegen das herrschende Unternehmen besteht die gesteigerte Gefahr, dass die Organe des beherrschten Unternehmens sie unter dem Einfluss des herrschenden Unternehmens nicht von sich aus geltend machen. Dann aber wäre es kaum nachvollziehbar, wenn ausgerechnet hier die Möglichkeit versagt bliebe, eine widerstrebende Verwaltung zur Klage zu zwingen, und hierfür spricht auch die Zielrichtung des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.09.2005, BGBl. I S. 2802 (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a. a. O.). Mit den Änderungen der §§ 147 bis 149 AktG sollte der Minderheitenschutz der Aktionäre nicht geschwächt, sondern gestärkt werden (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a. a. O. unter Hinweis auf BT-Drucks. 15/5092, S. 20). Aus der Tatsache, dass bei dieser Novellierung konzernrechtliche Ansprüche unerwähnt blieben, kann daher nicht geschlossen werden, dass sie von § 147 AktG nicht (mehr) erfasst sein sollten (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a. a. O.). Über den Wortlaut des § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG hinaus betrifft die Vorschrift daher auch Ansprüche aus dem Konzernverhältnis (Spindler in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 147 Rdnr. 4).

B. Berufungen im Verfahren – 18 U 21/16 – OLG L. (= 91 O 31/15 Landgericht L.), jetzt verbunden mit dem führenden Verfahren – 18 U 19/16 – OLG L.

Die Berufung der Klägerin T. AG und ihres Streithelfers ist zulässig aber unbegründet (siehe dazu nachfolgend Ziffer 1), ebenso die Berufung der Beklagten und deren Streithelferin zu 5), der U. SE (siehe dazu nachfolgend Ziffer 2).

Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung, § 513 ZPO:

1. Berufung der Klägerin T. AG und ihres Streithelfers Dr. J.

a) Die Berufung der Klägerin T. AG ist zulässig, insbesondere statthaft, ebenso die Berufung ihres Streithelfers Dr. J..

Der Streithelfer ist als natürliche Person parteifähig, § 50 ZPO. Ob der Streithelfer beim Beitritt der ihm als besonderem Vertreter zugewiesenen Aufgaben als Organ oder Organmitglied handelte, ist für seine Rechts- und Parteifähigkeit ohne Bedeutung (BGH, Beschluss vom 28.04.2015 – II ZB 19/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14). Er hat als besonderer Vertreter ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Gesellschaft im Anfechtungsstreit um seine Bestellung und über die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen (BGH a. a. O., Rdnr. 17). Das Interventionsinteresse folgt aus der Gestaltungswirkung einer Entscheidung, die seine Bestellung und die Verfolgung von Ersatzansprüchen für nichtig erklärt (BGH a. a. O., Rdnr. 19).

b) Die Berufung der Klägerin T. AG ist aber unbegründet. Das Landgericht hat die Klage bezogen auf den Klageantrag zu Ziffer I, Nr. 1 – Nr. 20, zu Recht abgewiesen, da die Klage bezogen hierauf zulässig aber nicht begründet ist.

(1) Die von der Klägerin T. AG erhobene Anfechtungsklage ist zulässig. Die Anfechtungsklage ist statthaft, §§ 241 ff. AktG, und es besteht ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin T. AG, da der Eintritt der Bestandskraft droht.

(2) Die Anfechtungsklage ist aber nicht begründet, da keine Verletzung des Gesetzes oder der Satzung vorliegt, § 243 Abs. 1 AktG.

aa) Die Klägerin T. AG ist als Aktionärin, die in der Hauptversammlung erschienen ist, die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hatte und die gegen die streitgegenständlichen Beschlüsse Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat, anfechtungsbefugt, § 245 Abs. 1 AktG.

bb) Auch die Anfechtungsfrist nach § 246 Abs. 1 AktG ist eingehalten. Die angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse datieren vom 19.06.2015. Eingegangen ist die Klage beim Landgericht L. am 17.07.2015 (Bl. 1 d. A.), also binnen der Monatsfrist. Die Zustellungen erfolgten jeweils demnächst i. S. d. § 167 ZPO.

cc) Die Anfechtungsklage ist aber nicht begründet: Der in der Hauptversammlung gefasste Beschluss der Beklagten des Inhalts, dass Schadensersatzansprüche gegen ihren Vorstand und ihren Aufsichtsrat nicht geltend gemacht werden, war nicht rechtswidrig und stellt keinen Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AktG dar.

Nach § 136 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AktG kann niemand für sich oder einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll.

a. Ein Beschluss, der die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Streithelferin der Beklagten zum Gegenstand hat, sollte nicht gefasst werden. Daher scheidet ein Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AktG unter diesem Gesichtspunkt aus: Die Streithelfern zu 5) der Beklagten hat nicht an einer Abstimmung der Hauptversammlung der Beklagten teilgenommen, die sich darauf bezieht, dass Ansprüche geltend gemacht werden, die sich gegen sie selbst richten sollten.

b. Es liegt auch kein Verstoß gegen die Bestimmung des § 136 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AktG vor. Soweit die Streithelferin zu 5) der Beklagten beantragt hat, über die zur Abstimmung gestellten Punkte getrennt abzustimmen (vgl. Bl. 88, 89 AH I), ist weder hierin noch in der darauf folgenden Abstimmung ein Rechtsformmissbrauch zu sehen, der einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 136 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AktG darstellen würde.

Der auf getrennte Abstimmung gerichtete Antrag war rechtmäßig. Ein Geschäftsordnungsantrag, der auf getrennte Abstimmungen abzielt, ist nicht rechtsformmissbräuchlich, so dass der Antrag und der darauf basierende Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden sind. Bei der Frage der einheitlichen oder getrennten Beschlussfassung handelt es sich um eine verfahrenstechnische Vorfrage, welche die Sachentscheidung nicht präjudiziert, so dass keine Gefahr eines „Richtens in eigener Sache“ besteht (vgl. Tielmann/Gahr, AG 2016, 199, 201). Es handelt sich nicht um ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter, sondern um einen Organisationsakt in Form eines Mitverwaltungsrechts, auf welches die Vorschrift des § 136 AktG keine Anwendung findet (vgl. Tielmann/Gahr a. a. O.; Spindler in K. Schmidt, Lutter, 3. Aufl. 2015, § 136 AktG, Rdnr. 329; offengelassen von Stallknecht, Der Besondere Vertreter nach § 147 AktG, 1. Aufl. 2015, S. 64; vgl. auch BGH, Beschluss vom 04.05.2009 – II ZR 166/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 8 zum Stimmverbot nach § 47 GmbHG und Ablehnung der Zusammenfassung von Beschlussanträgen).

c. Keinen Bedenken im Hinblick auf die Regelung des § 136 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AktG begegnet es, dass die Streithelferin zu 5) der Beklagten an der Abstimmung teilnahm, soweit die Abstimmung die Geltendmachung von Ansprüchen (nur) gegen Mitglieder des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats der Beklagten betraf: Zwar war die Streithelferin zu 5) der Beklagten als deren Mehrheitsaktionärin – mittelbar – durch den Beschluss, der auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten zielte, betroffen. Denn dem Inhalt des Tagesordnungspunkts 7 (Bl. 135R AH I – 18 U 21/16 – OLG L.) zufolge soll die Streithelferin der Beklagten an den Rechtsgeschäften der Beklagten mit Dritten – als deren Mehrheitsaktionärin – wie folgt beteiligt gewesen sein:

-lit a): Sie soll den Erwerb von C3stoffaktivitäten durch die Beklagte veranlasst haben;

-lit b): Sie soll veranlasst haben, dass die Beteiligung der Beklagten an der C. GmbH an einer Gesellschaft der U. SE – Gruppe verkauft worden sei;

-lit c): Sie soll veranlasst haben, dass seit 2009 Darlehensbeziehungen eingegangen wurden zwischen der Beklagten und Unternehmen des U. SE – Konzerns mit nicht marktgerechtem Zins/nicht marktgerechten Kreditkommissionen;

-lit d): Sie soll durch Abschluss eines nicht marktgerechten Darlehensvertrags mit der Beklagten (Kreditvergabe über ein Darlehen i. H. v. 120 Mio. EURO an die Beklagte) einen Schaden verursacht haben;

-lit e): Sie soll veranlasst haben, dass Großmütterzuschüsse in Höhe von 276,2 Mio. EUR an die E2J1E2 gewährt wurden;

-lit f): Sie soll einen Erwerb von VerkehrswegeC3- und C3stoffaktivitäten sowie der H1. N3. A1. GmbH und Co KG, der N3. C2. GmbH und Co KG und der C2 O3. I4. O4. und V1 GmbH und Co KG von der Fa. M. AG im Jahre 2010 zu einem erhöhten Kaufpreis veranlasst haben (Bl. 136R AH I);

-lit g): Sie soll veranlasst haben, dass die U. AG in 2011 drei Grundstücke von der Fa. M. GmbH erworben hat zu einem erhöhten Preis;

-lit h): Sie soll veranlasst haben, dass die Beklagte die die I1 L1 C1 GmbH von der U. SE – Gruppe zu einem überhöhten Kaufpreis erworben habe;

-lit i): Sie soll veranlasst haben, dass die Beklagte nicht marktgerechte Darlehensvereinbarungen mit der E1T1Q1 getroffen habe und die E1T1Q1 an eine Tochtergesellschaft der E2J1E2 zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis verkauft habe (Bl. 137 AH I);

-lit. j): Sie soll veranlasst haben, dass die L3 zu einem nicht marktgerechten, zu niedrigen Kaufpreis an die J2 M1 GmbH verkauft worden sei.

Gleichwohl war die Streithelferin zu 5) der Beklagten nicht wegen eines Verstoßes gegen § 136 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AktG daran gehindert, an der Beschlussfassung hinsichtlich der Frage, ob der besondere Vertreter Ansprüche gegen die Beklagte geltend machen soll, mitzuwirken:

(aa) Die Regelung des § 136 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AktG, welche die Neutralisierung von Sonderinteressen eines Aktionärs bezweckt, die ihrer Art nach typischerweise dazu führen würden, dass sich die Stimmabgabe nicht am Gesellschaftsinteresse, sondern am Eigeninteresse des Abstimmenden orientiert (vgl. RGZ 60, 172; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
a. Main GmbhR 1990, 79, 81; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, ZIP 2008, 73, 74; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 03.03.2010 – z U 4744/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 37; LG Frankfurt, Urteil vom 26.02.2013 – 5 O 110/12, zitiert nach juris, dort Rdnr. 46; Vileda, AG 2013, 57, 58; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141), lautet:

§ 136 AktG Ausschluss des Stimmrechts

(1) Niemand kann für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Für Aktien, aus denen der Aktionär nach Satz 1 das Stimmrecht nicht ausüben kann, kann das Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden.

(2) Ein Vertrag, durch den sich ein Aktionär verpflichtet, nach Weisung der Gesellschaft, des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Gesellschaft oder nach Weisung eines abhängigen Unternehmens das Stimmrecht auszuüben, ist nichtig. Ebenso ist ein Vertrag nichtig, durch den sich ein Aktionär verpflichtet, für die jeweiligen Vorschläge des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Gesellschaft zu stimmen.

(bb) Dem Wortlaut der Vorschrift des § 136 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AktG zufolge ist die Streithelferin zu 5) der Beklagten nicht daran gehindert, das Stimmrecht auszuüben und an der Beschlussfassung mitzuwirken. Denn es handelt sich bei den streitgegenständlichen Beschlüsse nicht um Beschlüsse des Inhalts, dass die Gesellschaft Ansprüche gegen sie geltend machen soll. Vielmehr ist (nach Abtrennung der Beschlussvorlage insoweit, als Ansprüche gegen die Streithelferin selbst isoliert geltend gemacht werden) Gegenstand der Beschlussfassung ausschließlich, ob Ansprüche gegen die Vorstände bzw. Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten (und die Streithelferin zu 5) der Beklagten geltend gemacht werden sollen.

Eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 136 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AktG scheidet aus.

Dies gilt zum einen für die Gesamtanalogie, da es an der erforderlichen Regelungslücke fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 17.03.1995 – 23 U 5930/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17; LG Heilbronn, Urteil vom 15.11.1966 – 11 O 93/66, AG 1971, 94, 95; K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 136 AktG Rdnr. 29; offengelassen vom OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 31.03.2008 – 8 U 222/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 38). Angesichts der kasuistischen Fassung von § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG spricht die normative Auslegung gegen eine generelle Ausdehnung der Vorschrift, und auch die in § 136 Abs. 1 Satz 2 AktG enthaltene Ausnahmeregelung verdeutlicht den Willen des Gesetzgebers, konkrete Fallgestaltungen zu regeln (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, a. a. O.).

Dies gilt zum anderen aber auch für eine Einzelanalogie bezogen auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt.

Soweit die Zulässigkeit einer Einzelanalogie der Vorschrift des § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG für Fälle einer qualitativ und quantitativ vergleichbarer Interessenlage eines nicht von § 136 AktG direkt erfassten Problems der Stimmrechtsausübung und folgende Fallgruppen vertreten wird, etwa für die Beschlussfassung über die Abberufung eines Aufsichtsratsmitgliedes, das Aktionär ist, aus wichtigem Grund (vgl. K. Schmidt/Lutter a. a. O.), die Beschlussfassung über strafbare Handlungen wie Untreue oder Betrug (K. Schmidt/Lutter a. a. O.), die Beschlussfassung des Inhalts, dass eine Entscheidung, ob gegen einen von einem Stimmverbot erfassten Aktionär ein Anspruch geltend gemacht wird, vertagt werden soll (K. Schmidt/Lutter a. a. O.) oder die Beschlussfassung betreffend die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Investmentgesellschaft und Fonds (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 26.02.2013 – 5 O 110/12, zitiert nach juris, dort Rdnr. 46), ist eine der genannten Fallgruppen nicht einschlägig. Vorliegend mangelt es an einer planwidrigen Regelungslücke, denn für den Fall einer ablehnenden Beschlussfassung ist ein Minderheitenschutz über das Recht zur gerichtlichen Bestellung eines Sonderprüfers gewährleistet (vgl. OLG I., Urteil vom 17.08.200 – 11 U 60/01; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 13.01.2006 – 16 U 137/04, zitiert nach juris, dort Rdnr. 67), und im Konzernrecht sind mit den §§ 312 ff. AktG Regelungen enthalten, die dem Zweck dienen, Sonderinteressen des beherrschenden Aktionärs zu neutralisieren (vgl. Tielmann/Gahr, AG 2016, 199, 204).

Der Schutzzweck der Vorschrift des § 136 AktG, der darin besteht, dass kein Aktionär „Richter in eigener Sache“ sein soll, wenn das Gesellschaftsvermögen zugunsten der Gesamtheit der Gesellschafter typischerweise des Schutzes gegenüber einzelnen Gesellschaftern bedarf (vgl. BGHZ 105, 324, 333; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 03.03.2010 – 7 U 4744/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 37; vgl. Nietsch, a. a. O., S. 616, Fn. 131), wird dann nicht berührt, wenn nicht die Gefahr im Raume steht, dass die Geltendmachung der Ansprüche insgesamt vereitelt wird, und dies ist nicht der Fall, da bei der Beschlussfassung über die Geltendmachung von Ansprüchen gegen sich selbst die Mehrheitsaktionärin ausgeschlossen ist (vgl. Tielmann/Gahr, a. a. O., S. 205). Die Regelung des § 136 AktG dient nicht dazu, Interessenkonflikte zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionärin zu regeln (vgl. Neumann/Siebert, DB 2006, 435, 438) und macht den Willen des Gesetzgebers deutlich, konkrete Fallgestaltungen zu erfassen (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 17.03.1995 – 23 U 5930/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17). Die in § 136 Abs. 1 AktG genannten Stimmverbote sollen eine Einflussnahme von verbandsfremden interessen vermeiden, es wird jedoch nicht an diesen Gedanken anknüpfend ein allgemeines Stimmverbot für jeglichen Fall der Gefahr des Einflusses von verbandsfremden Sonderinteressen normiert, sondern erfasst werden nur bestimmte typisierte Interessenkonflikte (vgl. Zöllner in: L.Komm AktG, § 136 Rdnr. 3 u. Rdnr. 6; Holzborn in: Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2017, § 136 Ziffer I).

Gegen die Annahme einer (Einzel-) Analogie spricht zudem, dass dies auf Kosten der Rechtssicherheit ginge und das sachgerechte Zusammenwirken der Gesellschafter in Frage stellen könnte (zu vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11 zu § 47 Abs. 4 GmbHG; BGHZ 68, 107, 109; BGHZ 80, 69, 71). Die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
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sind dadurch gewahrt, dass das Abstimmungsverhalten am Maßstab der mitgliedschaftlichen Treuepflicht gemessen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2012 – II ZR 230/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 33 a. E. zu § 47 GmbHG) und zudem die Verfolgung von Ansprüchen gegen die Mehrheitsaktionärin möglich bleibt. Da die Mehrheitsaktionärin bei der Beschlussfassung von Ansprüchen gegen sich selbst unmittelbar dem Stimmverbot des § 136 Abs. 1 AktG unterliegt, besteht insofern nicht die Gefahr, dass die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft insgesamt vereitelt würde (vgl. Tielmann/Gahr, a. a. O., S. 205; vgl. auch OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Beschluss vom 18.02.2006 – 12 W 185/05, zitiert nach juris, dort Rdnr. 78 für die vollständige Vereitelung von Rechten der Minderheitsaktionäre auf Sonderprüfung nach § 142 AktG).

cc) Eine Ausweitung des Stimmverbots nach § 136 Abs. 1 3. Alt. AktG unter dem Gesichtspunkt, dass eine innere Verbundenheit dergestalt vorliegt, dass der Geltendmachungsbeschluss gegen die Organe der Gesellschaft eine Pflichtverletzung erfassen solle, welche auch dem vom Stimmverbot betroffenen Aktionär zur Last gelegt werde (vgl. dazu Stallknecht, Der besondere Vertreter nach § 147 AktG, 1. Aufl. 2015, S. 65; Nietsch, ZGR 2011, 589, 606, Verhoeven, ZIP 2008, 245, 252) ist nicht vorzunehmen.

Ist das Interesse und somit auch das Ausmaß des Interessenkonflikts für mehrere Gesellschafter identisch, kommt der in der Bestimmung des § 47 Abs. 4 GmbHG (und die Vorschrift ist der Regelung des § 136 AktG insofern vergleichbar, vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2011 – II ZR 58/10, zitiert nach juris) enthaltene Grundgedanke des Stimmverbots zum Tragen, dass nämlich ein Gesellschafter nicht Richter in eigener Sache sein darf (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1986, a. a. O., Rdnr. 11). Ausgeschlossen ist der Gesellschafter nach § 47 Abs. 2 Satz 1 GmbHG von der Abstimmung, wenn es um seine Entlastung, also die Billigung oder Missbilligung seiner Geschäftsführung geht. Das an diesen Fall einer Interessenkollision geknüpfte Stimmverbot ist der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgend über den Gesetzeswortlaut hinaus für alle Gesellschafterbeschlüsse generalisierungsfähig, die darauf abzielen, das Verhalten eines Gesellschafters ähnlich wie bei der Entlastung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zu billigen oder zu missbilligen (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1986, a. a. O., zitiert nach juris, dort Rdnr. 11).

Um die Frage der (Miss-) Billigung geht es danach regelmäßig auch, wenn die Gesellschafter beschließen, ob sie einen Mitgesellschafter wegen einer Pflichtverletzung zur Rechenschaft ziehen oder nicht. Der Gesellschafter, um dessen unmittelbare Inanspruchnahme es geht, kann den ihm vorgeworfenen Sachverhalt nicht unbefangen beurteilen und ist deshalb ausdrücklich nicht stimmberechtigt, und in demselben Maße befangen sind auch die Gesellschafter, die mit ihm die Pflichtverletzung gemeinsam begangen haben. Geht es um den Vorwurf gemeinsamer Verfehlungen, so ist die gegen einen Mittäter erhobene Beschuldigung auch „eigene Sache“ der übrigen Beteiligten, die also – wenn sie das Verhalten des Mittäters zu beurteilen haben – zugleich ihr eigenes Fehlverhalten zu billigen oder zu missbilligen hätten. Dieses Richten in eigener Sache ist ihnen versagt, so dass alle Gesellschafter, gegen die wegen einer gemeinsam begangenen Pflichtverletzung Ersatzansprüche geltend gemacht und gerichtlich durchgesetzt werden sollen, von der Abstimmung darüber ausgeschlossen sind (BGH, a. a. O.; BGH, Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 246/88, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17; BGH, Urteil vom 04.05.2009 – II ZR 166/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11; BGH, Urteil vom 07.02.2012 – II ZR 230/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19; BGH, Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 193/02, zitiert nach juris, dort Rdnr. 10; vgl. Otte, BB 2009, 2729, 2730). Kein Stimmverbot besteht, wenn dem abstimmenden Gesellschafter eine ganz andersartige als die zu beurteilende Pflichtverletzung angelastet wird (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2012 – II ZR 230/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20).

An einer unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen, gemeinsam begangenen Pflichtverletzung der Streithelferin zu 5) der Beklagten einerseits, der Beklagten andererseits fehlt es. Die Klägerin T. AG hat insofern nicht hinreichend konkret dargetan, dass – und wie konkret – beide eine Pflicht gemeinsam verletzt, insbesondere kollusiv zusammengewirkt haben sollen oder ihr Verhalten aufeinander abgestimmt haben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 246/88, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17). Dass – und welche – konkreten Pflichtverletzungen sich wertungsmäßig entsprechen, mit der Folge, dass ein Stimmverbot greift, kann der Senat vorliegend nicht feststellen: Die herrschende Gesellschaft einerseits, die beherrschte Gesellschaft andererseits treffen verschiedene Pflichten, nämlich solche aus § 317 AktG einerseits, solche aus § 93 AktG andererseits. Einer möglichen Personenidentität zwischen Organmitgliedern kommt bei der insoweit zugrunde zu legenden formalen Betrachtungsweise keine Bedeutung zu.

Soweit in der Literatur teilweise verlangt wird, dass bei der Frage, ob ein Stimmrechtsverbot vorliegt, zu prüfen ist, ob sich der beherrschende Gesellschafter durch die Teilnahme an der Abstimmung treuwidrig verhält (vgl. Heckschen, GmbHR 2016, 897, 900), sind die tatsächlichen Voraussetzungen für ein solches treuwidriges Verhalten ebenfalls nicht hinreichend konkret dargetan. Allein der Umstand, dass die Streithelferin der Beklagten zu 5) einerseits, die Beklagte andererseits an den zur Überprüfung gestellten Vorgängen beteiligt sind, reicht insofern nicht aus. Dies lässt weder der Gesetzeswortlaut zu, noch ist der Stimmrechtsausschluss durch die systematische Einordnung der Vorschrift des § 136 AktG, die ebenso wie § 47 GmbG keine Generalklausel vorsieht, gerechtfertigt (vgl. Heckschen, a. a. O. für die Vorschrift des § 47 Abs. 4 GmbHG), und im Hinblick auf die den Aktionären zustehenden Rechte nach §§ 142, 148 AktG besteht auch keine planwidrige Regelungslücke, die es zu schließen gälte.

Gleiches ergibt sich aus rechtlichen Erwägungen. Eine von Vorstand und Aufsichtsrat des beherrschten Unternehmens mit dem beherrschenden Aktionär gemeinsam begangene, unter § 317 Abs. 1 AktG fallende Pflichtverletzung ist ausgeschlossen, weil alleine der beherrschende Aktionär in den Geltungsbereich der Norm fällt. Auch ist das von dem beherrschenden Aktionär beeinflusste Verhalten der genannten Organe für sich gesehen, d.h. alleine aufgrund der Beeinflussung, nicht notwendig haftungsbegründend. Vielmehr müssen die Voraussetzungen der §§ 93, 116 AktG insoweit eigenständig geprüft werden. Denkbar bleibt mithin eine Haftung nur des beherrschenden Aktionärs, wohingegen die genannten Organe, etwa wegen schuldlosen Handelns, von der Haftung frei sind. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, den beherrschenden Aktionär in direkter Anwendung des § 136 Abs. 1 S. 1 AktG betreffend Ansprüche gegen Vorstand und Aufsichtsrat vom Stimmrecht auszuschließen. Der Wortlaut der Norm lässt dies nicht zu. Anlass für eine erweiternde Auslegung besteht wegen der bereits im Ansatz getrennt vorzunehmenden Prüfung von Ansprüchen gegen die genannten Organe und gegen den beherrschenden Aktionär nicht. Eine Analogie ist mangels planwidriger Gesetzeslücke nicht vorzunehmen. Denn die Rechte der Minderheitsaktionäre aus §§ 142, 148 AktG zielen auch und gerade auf eine solche Ausgangssituation ab, so dass der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz gewährleistet ist.

c) Die Berufung der Klägerin T. AG ist auch bezogen auf Ziffer II des Berufungsantrags (= Ziffer II. Nr. 3 des ursprünglichen Klageantrags), inhaltlich gerichtet auf die Feststellung, dass die Nichtzulassung der Abstimmung über den Beschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 9 durch den Versammlungsleiter Dr. C in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.06.2015 rechtswidrig war und sie – die Klägerin T. AG – in ihren Rechten verletzt hat, unbegründet.

Es fehlt, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, an der Zulässigkeit der Klage. Die allgemeine Feststellungsklage ist nicht zulässig. Es mangelt am erforderlichen Feststellungsinteresse.

Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes:

(1) Maßnahmen des Versammlungsleiters, die wegen Verletzung inhaltlicher Vorgaben rechtswidrig sind, können grundsätzlich nicht selbständig rechtlich angegriffen werden. Eine Kontrolle findet in dem Fall, dass tatsächlich ein Beschluss der Gesellschaft ergangen ist, nur inzidenter statt, d. h. wenn der betroffene Aktionär Beschlüsse der Hauptversammlung wegen eines Fehlers bei der Versammlungsleitung mit der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage angreift, und für eine allgemeine Feststellungsklage besteht neben dieser nachträglichen Kontrolle mangels Rechtsschutzinteresse kein Raum (zu vgl. BGH, Urteil vom 11.11.1965 – II ZR 122/63, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19; Drinhausen/Marsch – Barner, AG 2014, 757, 765). Die Rechtmäßigkeit von Geschäftsordnungsmaßnahmen ist im Rahmen der gefassten Sachbeschlüsse nachzuprüfen (BGH a. a. O.).

(2) Mit der Anfechtungsklage kann der Aktionär in dem Fall, dass der Versammlungsleiter einen tatsächlich gefassten, zustimmenden Beschluss nicht konstitutiv feststellt, eine sogenannte positive Feststellungsklage verbinden. Hat die Klage Erfolg, so wird die fehlende konstitutive Feststellung des tatsächlich gefassten zustimmenden Beschlusses durch die entsprechende gerichtliche Feststellung ersetzt (BGH, Urteil vom 13.03.1980 – II ZR 54/78, zitiert nach juris, dort Rdnr. 30 f.; BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85; Schatz, AG 2015, 696, 701).

Für den Fall, dass der Versammlungsleiter zu Unrecht die Ablehnung eines tatsächlich angenommenen Beschlussantrags festgestellt (und damit das Zustandekommen eines zustimmenden Beschlusses vereitelt) hat, wird ein unabweisbares Bedürfnis für die Zulassung der positiven Beschlussfeststellungsklage bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 13.03. 1980, a. a. O. Rdnr. 29; Schatz a. a. O.).

(3) Nicht entschieden ist damit die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Handlungen des Versammlungsleiters angegriffen werden können, die nicht die Vereitelung eines in der Hauptversammlung gefassten Beschlusses durch unrichtige Beschlussfeststellung zum Gegenstand haben, sondern den Einwand betreffen, dass der Versammlungsleiter das Zustandekommen eines zustimmenden Beschlusses im Vorfeld dadurch vereitelt, dass er bereits die Abstimmung über den Beschlussantrag und damit die absehbare Annahme durch die Aktionäre verhindert.

Während teilweise eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der positiven Feststellungsklage befürwortet wird (vgl. J. in: J., Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2014, § 246 AktG, Rdnr. 12a), hat er Senat die Frage bereits entschieden und eine solche Ausdehnung abgelehnt (vgl. OLG L., Urteil vom 06.06.2012 – 18 U 240/11, zitiert nach juris, dort Rdnr. 70 f.; wie hier auch OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 08.10.2012 – 8 U 270/11, zitiert nach juris, dort Rdnr. 66; LG Dortmund, Urteil vom 15.09.2011 – 18 O 33/10, zitiert nach juris, dort Rdnr. 70; vgl. krit. auch Schatz, AG 2015, 696, 702; Grunewald, AG 2015, 689, 691).

Auf die vom Senat bereits entschiedene Frage kommt es aber im Streitfall nicht an. Denn das klägerische Begehren ist nicht darauf gerichtet, einen hypothetischen Beschluss festzustellen, sondern es erschöpft sich darin, dass festgestellt werden soll, dass der Versammlungsleiter der Beklagten Dr. U1 C in die Rechte der Klägerin als Aktionärin eingegriffen hat (Klageantrag zu Ziffer 1) bzw. dass festgestellt werden soll, dass die Nichtzulassung der Abstimmung über den Beschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 9 durch den Versammlungsleiter Dr. U1 C in der ordentlichen Hauptversammlung vom 19.06.2015 rechtswidrig war und sie – die Klägerin T. AG – in ihren Rechten verletzt hat.

Dem auf – reine – Feststellung rechtswidrigen Verhaltens bzw. einer daraus resultierenden Schadensersatzpflicht gerichteten Begehren der Klägerin T. AG fehlt es aber an einem schützenswerten Feststellungsinteresse, denn mit Feststellung der falschen Ergebnisfeststellung allein ist ihr nicht geholfen (vgl. BGH, Urteil vom 13.03.1980, a. a. O., Rdnr. 29; vgl. auch Grunewald a. a. O., S. 691, wonach der Beschluss, einen Tagesordnungspunkt nicht zur Abstimmung zu bringen, „kaum sinnvoll angegriffen werden“ könne). Der Beschlussantrag bliebe trotz Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme des Versammlungsleiters erfolglos (zu vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 08.07.2015 – 20 U 2/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 145 a. E.; BGH WM 1964, 1188, 1191, juris Rn. 54), und dies lässt das Rechtsschutzbedürfnis der Klage entfallen.

(4) Soweit in der Literatur bei fehlerhaften Maßnahmen des Versammlungsleiters ausnahmsweise ein besonderes Feststellungsinteresse für den Fall bejaht wird, dass die fehlerhafte Maßnahme des Versammlungsleiters über die Beschlussfassung in der Hauptversammlung hinauswirkt (vgl. Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 5. Aufl. 2011, D 90, Fn. 168; Kubis in MünchKomm/AktG, 3. Aufl. 2013, § 119 AktG Rz. 177; Drinhausen/Marsch – Barner a. a. O.), und soweit vertreten wird, dass abseits der Beschlussanfechtung Maßnahmen des Versammlungsleiters unmittelbar angreifbar sein sollen, wenn sie über die reinen Ordnungs- und Leitungskompetenzen hinausgehen – dies soll beispielsweise gelten für Beleidigungen einzelner Aktionäre, die diese im ordentlichen Rechtsweg verfolgen könnten (Kubis a. a. O., Rdnr. 177 a. E.; Drinhausen/Marsch – Barner, a. a. O.) – kann auch unter den genannten Gesichtspunkten ein Feststellungsinteresse der Klägerin T. AG nicht begründet werden:

Da das seitens der Klägerin T. AG angegriffene Handeln des Versammlungsleiters der Beklagten Dr. U1 C gerade dessen Ordnungs- und Leistungskompetenzen betrifft und nicht über sie hinausgeht, ist insofern ein Feststellungsinteresse nicht zu bejahen. Die beanstandete Maßnahme wirkt über die Tätigkeit des Versammlungsleiters in der Hauptversammlung nicht hinaus. Ebenso wenig liegt ein ehrverletzender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bzw. in den sozialen Geltungsanspruch (der Klägerin T. AG) vor, welcher dazu führen könnte, das erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen.

(5) Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auch nicht aus den Grundsätzen abgeleitet werden, die der Bundesgerichtshof für die Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen des Vorstands oder Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft entwickelt hat.

(aa) Zwar kann der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zufolge unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, eine Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO auch auf die Feststellung gerichtet sein, dass zwischen der beklagten Partei und einem Dritten ein Rechtsverhältnis nicht bestehe, wenn dies zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von der Bedeutung ist, der Kläger an einer alsbaldigen Klärung dieses Drittverhältnisses ein rechtliches Interesse hat und das Aktienrecht für die Austragung eines solchen Streits keine abschließende Regelung trifft (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2005 – II ZR 90/03, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18).

Danach kann der in seinen Mitgliedschaftsrechten beeinträchtigte Aktionär pflichtwidriges, kompetenzüberschreitendes Organhandeln des Vorstands und des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss (§§ 203, 204 AktG) zum Gegenstand einer gegen die Gesellschaft zu richtenden allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 ZPO) machen, die – da das Handeln der Geschäftsleitung in Form von Beschlüssen nur entweder rechtmäßig und dann wirksam oder aber rechtswidrig und dann nichtig ist – verfahrenstechnisch auf Feststellung der Nichtigkeit des zugrunde liegenden Vorstandsbeschlusses zu richten ist.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht gegeben. Die Feststellung der Nichtigkeit von Organbeschlüssen ist die Feststellung eines Drittrechtsverhältnisses zwischen den Organen und der Beklagten, an dessen alsbaldiger Klärung, weil es zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist, der klagende Aktionär ein rechtliches Interesse hat, ohne dass das Aktienrecht für die Austragung eines solchen Streits eine abschließende Regelung trifft.

Eine derartige Konstellation ist in der Regel auch dann gegeben, wenn im Rahmen der Ausübung des genehmigten Kapitals die Rechtswidrigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses der Geschäftsleitung mit gleichzeitigem Bezugsrechtsausschluss und als Folge davon eine Verletzung individueller Mitgliedschaftsrechte, insbesondere des Mitverwaltungs- und des Vermögensrechts des einzelnen Aktionärs geltend gemacht wird (vgl. BGH, a. a. O., Rdnr. 18 und Rdnr. 19).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch im zur Entscheidung stehenden Fall ein Feststellungsinteresse zu verneinen. Vorliegend geht es nicht um eine mit einem Bezugsrechtsausschluss verbundene Kapitalerhöhung, so dass nicht in unzulässiger Weise in die mitgliedschaftlichen Vermögens- und Herrschaftsrechte der Klägerin T. AG, insbesondere das ihr ohne einen rechtmäßigen Ausschluss zustehende Bezugsrecht sowie ihr Dividendenbezugsrecht eingegriffen wird, wie dies in dem vom BGH zu entscheidenden Sachverhalt der Fall war (BGH, a. a. O., Rdnr. 20). Weder haben Vorstand noch Aufsichtsrat unter Überschreitung des ihnen durch Gesetz und den Ermächtigungsbeschluss gesteckten Rahmens pflichtwidrig von genehmigtem Kapital Gebrauch gemacht, noch sich Kompetenzen angemaßt, die ihnen nicht zustehen.

Unabhängig davon, ob der Versammlungsleiter als „Organ“ anzusehen ist (bejahend: Schürnbrand, NZG 2012, 1211, 1212, Poelzig, AG 2015, 476, 478; a. A. Kubis in: Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl. 2013, § 119 Rdnr. 121: Ziemons in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. 2015, § 129 Rdnr. 62; Theusinger/Schilha, BB 2015, 131, 137) hat er keine Tätigkeit entfaltet, die von ihrem Umfang oder Inhalt her der Tätigkeit von Vorstand oder Aufsichtsrat vergleichbar ist. Die Aufgaben sowie die Sorgfalts- und Treuepflichten von Vorstand und Aufsichtsrat, welche die permanente Führung der Geschäfte und deren Überwachung betreffen, sind nicht mit den eng begrenzten Aufgaben des Versammlungsleiters vergleichbar (Theusinger/Schilha, BB 2015, 131, 137; von der Linden, NZG 2013, 208, 210).

Damit greift die Überlegung nicht, dass es Sache der Gesellschaft ist, durch ihre Organe Abhilfe zu schaffen oder den betroffenen Aktionären dadurch Genüge zu tun, dass eine erneute Verletzung der Mitgliedschaftsrechte unterbleibt oder bereits eingetretener Schaden kompensiert wird (zu vgl. BGH a. a. O., Rdnr. 19). Dies gilt umso mehr, als der Versammlungsleiter selbst verpflichtet ist, für eine ordnungsgemäße Abwicklung der Hauptversammlung und für eine sachgerechte Erledigung ihrer Tagesordnung in einer angemessenen Dauer zu sorgen (vgl. Theusinger/Schilha, BB 2015, 131, 139), ohne dass Aufgabe der Gesellschaft ist, auf sein Verhalten dergestalt Einfluss zu nehmen, dass er solche Maßnahme unterlässt, die – nach Auffassung einzelner Aktionäre – unzulässig sein sollen. Zur Überwachung des Versammlungsleiters ist der Vorstand der Gesellschaft nicht verpflichtet, auch dann nicht, wenn ein Aufsichtsratsmitglied die Aufgabe übernimmt (vgl. Poelzig, AG 2015, 476, 486).

(bb) Das erforderliche Feststellungsinteresse ist maßgeblich aus folgenden Gründen zu versagen: Die Verletzung individueller Mitgliedschaftsrechte der Klägerin T. AG als Folge des behaupteten pflichtwidrigen Handelns des Versammlungsleiters der Beklagten ist nicht selbst ein Rechtsverhältnis, bei dem es sich um aus einem konkreten Lebenssachverhalt entstandene Rechtsbeziehungen von Personen zu Personen oder von Personen zu Sachen handelt und das dann im Übrigen zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits bestehen würde und nicht zwischen der Aktiengesellschaft und deren Versammlungsleiter, sondern Vorfrage oder Element eines solchen Rechtsverhältnisses (vgl. OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 07.09.2010 – 5 U 187/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 59).

Eine Vorfrage oder ein Element kann aber nicht Gegenstand einer Feststellungsklage oder Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1, 2 ZPO sein, welche auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses in vorgenanntem Sinne gerichtet sein müssen (vgl. BGH, Urteil vom 4.05.1984 – V ZR 27/83, NDR 1985, 37, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
a. a. O., Rdnr. 63).

2. Berufung der Beklagten

a) Die Berufung der Beklagten ist statthaft, insbesondere form- und fristgerecht erfolgt, §§ 511 f. ZPO.

b) Die Berufung der Beklagten ist aber unbegründet, soweit das Landgericht den Anträgen der Klägerin T. AG unter Ziffer II. stattgegeben hat. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

(1) Die Klage ist zulässig. Die positive Beschlussfeststellung der Klägerin T. AG, gerichtet auf Feststellung der Abwahl des Versammlungsleiters durch die Hauptversammlung in Kombination mit der Anfechtung des ablehnenden Bescheids, ist statthaft, da durch die Beseitigung des Ablehnungsbeschlusses mittels der Anfechtungsklage der Weg frei wird für die Feststellung dessen, was tatsächlich beschlossen worden ist. Durch die Beseitigung der Ablehnung ist die Möglichkeit gegeben, den wirkungslos abgelehnten Antrag zur Geltung zu bringen, sofern dann eine mehrheitliche Zustimmung vorliegt (OLG Stuttgart a. a. O., zitiert nach juris, dort Rdnr. 150).

(2) Sowohl die Anfechtungsklage als auch die positive Beschlussfeststellungsklage sind begründet, § 243 Abs. 1 AktG. Die Ablehnung des Antrags auf Abwahl des Versammlungsleiters durch die Hauptversammlung der Beklagten war treuwidrig, und es bestand eine Pflicht zur Abwahl des Versammlungsleiters.

Die Abberufung eines satzungsmäßig bestimmten Versammlungsleiters ist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig, insbesondere wenn es der Hauptversammlung auf Grund schwerwiegender Verfahrensverstöße oder aus ähnlichen, ebenso gewichtigen Gründen nicht zumutbar gewesen wäre, an der Person des Versammlungsleiters festzuhalten (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O., Rdnr. 160; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 02.10.2012 – 5 U 10/12, zitiert nach juris, dort Rdnr. 61; OLG BremenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Bremen
– Urteil vom 13.11.2009, AG 2010, 256, zitiert nach juris, dort Rdnr. 32; OLG I., Urteil vom 12.01.2001 – 11 U 162/00, AG 2001, 359, zitiert nach juris, dort Rdnr. 89; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 02.10.2012 – 5 U 10/12; zitiert nach juris, dort Rdnr. 61, 68; a. A. Krieger, AG 2006, 355, 363).

Die Abstimmung über einen Abwahlantrag setzt zumindest voraus, dass ein wichtiger Grund in diesem Sinne schlüssig vorgetragen ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 08.07.2015 – 20 U 2/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 160; OLG Stuttgart – Beschluss vom 02.12.2014 – 20 AktG 1/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 105; OLG BremenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Bremen
, a. a. O., AG 2010, 256, zitiert nach juris, dort Rdnr. 33 f; OLG I., a. a. O., AG 2001, 359, zitiert nach juris, dort Rdnr. 89; Wicke in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rdnr. 4), und dies ist vorliegend der Fall.

Zwar ist aus der Zulässigkeit der Abwahl allein nicht zu schließen, dass die Hauptversammlung den Versammlungsleiter abwählen muss, und grundsätzlich steht es im Ermessen der Hauptversammlung, auch bei einem wichtigen Grund weiterhin an der Person des Versammlungsleiters festzuhalten (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 08.07.2015 – 20 U 2/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 160 u. Rdnr. 17). Aus der Treuepflicht der Aktionärsmehrheit gegenüber der Minderheit können sich aber Schranken ergeben, die zu einer Abwahlpflicht führen (vgl. OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 18.03.2008 – 5 U 171/06, NZG 2008, 429, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 28.10.2008 – 17 U 176/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 131), und dies ist der Fall, wenn offenbare und schwere Leitungsfehler vorliegen.

Vorliegend ergeben sich derartige offenbare und schwere Leitungsfehler des Versammlungsleiters der Hauptversammlung der Beklagten Dr. C unter zwei Gesichtspunkten:

aa) Der Beschlussvorschlag, der seitens des Versammlungsleiters Dr. C nicht zur Abstimmung gestellt wurde, richtet sich auf die Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
nach § 147 AktG gegen die gegenwärtigen und die seit dem Jahr 2012 ausgeschiedenen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten, zudem gegen die Mehrheitsaktionärin (die Streithelferin der Beklagten) sowie gegen die gegenwärtigen und seit dem Jahr 2012 ausgeschiedenen ehemaligen Vorstandsmitglieder, mithin (auch) gegen den Versammlungsleiter selbst, der Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten sowie Vorstandvorsitzender der Streithelferin der Beklagten ist. Es ist daher zu besorgen, dass der Versammlungsleiter – der unter Beachtung seiner Neutralitätspflicht, des Verhältnismäßigkeits- und Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Gebots des Minderheitenschutzes den ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung gewährleisten soll (vgl. OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 20.10.2010 – 23 U 121/08, zitiert nach juris, dort Rdnr. 110) – dem Anliegen der Klägerin T. AG als Minderheitsaktionärin nicht in der gebührenden Weise gerecht werden kann (vgl. OLG L., Beschluss vom 16.06.2015 – 18 Wx 1/15, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11; zustimmend: Schatz, EWiR 2015, 2015, 599; vgl. OLG I., Beschluss vom 16.12.2011 – 11 W 89/11, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19, 20; OLG Report Nord 26/2012 Anm. 4; Werner, Anm. zu AG Frankfurt WM IV 1988, 304 in WuB II A § 122 AktG 2.88; Wilsing/Linden, ZIP 2009, 641 f.).

Dieser Umstand ist nicht nur im Verfahren betreffend ein Ergänzungsverlangen nach § 122 AktG von Bedeutung, sondern rechtfertigt, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, die Annahme eines „wichtigen Grundes“ für die Abberufung des VersammlungsleitersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Versammlungsleiters
. Darauf, ob der Versammlungsleiter Veranlassung für das Entstehen des wichtigen Grundes, der seine Abberufung rechtfertigt, gegeben hat, kommt es nicht an, da es geboten ist, zum Zwecke des Schutzes der Minderheitsaktionärin eine objektive Betrachtungsweise zugrunde zu legen.

bb) Der Umstand, dass der Versammlungsleiter der Beklagten Dr. C den Beschlussvorschlag der Klägerin T. AG zur Tagesordnungspunkt 9 nicht zur Abstimmung stellte (Bl. 111R f. AH I – 18 U 21/16 – OLG L.), rechtfertigt ebenfalls die Annahme eines „wichtigen Grundes“ und eines offenbaren und schweren Leitungsfehlers. Denn er hat die Beschlussvorlage „Anträge zum TOP 9:“Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
nach § 147 AktG und Bestellung eines Besonderen Vertreters, bekanntgemacht im Bundesanzeiger am 26.5.2015″ (Bl. 138R AH I Anlagen zur Klageschrift vom 17.07.15 – 18 U 21/15 – OLG L.)“ rechtswidrig nicht zu Abstimmung gestellt.

Ob und unter welchen Voraussetzungen der Versammlungsleiter befugt ist, eine Beschlussvorlage zur Abstimmung zu stellen oder nicht, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Mit der überwiegenden Ansicht setzt die Befugnis des Versammlungsleiters, einen Sachantrag von der Abstimmung auszuschließen, weil der im Falle seiner Annahme zustande kommende Beschluss rechtswidrig wäre, jedenfalls voraus, dass die Rechtswidrigkeit des erstrebten Beschlusses „evident“ bzw. „offenkundig“ ist (vgl. OLG L., Urteil vom 26.08.2004 – 18 U 48/04, zitiert nach juris, dort Rdnr. 174; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 24.06.2009 – 23 U 90/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 78; Schatz, AG 2015, 696 ff. [697]; Wicke NZG 2007, 772; Martens, WM 1981, 1010, 1015; Mülbert in: Großkomm/AktG, 4. Aufl. 1999, Vor §§ 118 – 147 AktG Rdnr. 114; Zöllner in: L.Komm/AktG, 1. Aufl., § 119 Rdnr. 58; offengelassen von OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 02.10.2012 – 5 U 10/12, zitiert nach juris, dort Rdnr. 62 a. E.; a. A. Oelrichs, GmbHR 1995, 863, 868 für den Fall treuwidrig abgegebener Stimmen).

Danach darf der Versammlungsleiter rechtlich unzulässige Anträge dann nicht zur Abstimmung stellen, wenn der etwa gefasste Beschluss schwere Mängel aufweist und wenn die Mangelhaftigkeit eines entsprechenden Beschlusses evident ist (vgl. OLG L., Urteil vom 26.08.2004 – 18 U 48/04, zitiert nach juris, dort Rdnr. 174).

Soweit vereinzelt vertreten wird, dass bei gravierenden Beschlussmängeln ein Zurückweisungsrecht des Versammlungsleiters nicht davon abhängig ist, dass der Mangel des erstrebten Beschlusses auch „evident“ ist (vgl. Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 5. Auflage 2011, S. 147 Rdnr. 43), und soweit teilweise vertreten wird, dass der Versammlungsleiter einen seiner Ansicht nach rechtswidrigen Beschlussantrag auch dann von der Abstimmung ausschließen darf, wenn der Mangel weder gravierend noch evident ist (vgl. Kubis in MünchKomm/AktG, 3. Aufl. 2013, § 119 Rz. 151), vermag dem der Senat nicht zu folgen, da dies zu einer unangemessenen Ausdehnung der Befugnisse des Versammlungsleiters führen würde.

Vorliegend war der mit der Beschlussvorlage erstrebte Beschluss nicht „evident“ und „offenkundig“ rechtwidrig: „Evident“ ist die Mangelhaftigkeit des angestrebten Beschlusses, wenn sie in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eindeutig und zweifelsfrei ist und eine abweichende Beurteilung nicht ernstlich vertretbar erscheint (vgl. Schatz a. a. O., S. 698; Zöllner in L.Komm/AktG, 1. Auflage, § 119 AktG Rdnr. 58 i. V. m. § 130 AktG Rz. 15). Das ist der Fall, wenn die Rechtswidrigkeit des mit dem Beschlussvorschlag erstrebten Beschlusses aus einer bereits höchstrichterlich geklärten Rechtsfrage folgt. Dies ist bei der vorliegend zur Entscheidung anstehenden Rechtsfrage nicht der Fall: Weder handelt es sich vorliegend ausschließlich um die Beurteilung einer Rechtsfrage, noch ist es unstreitig, welcher Maßstab an ein Vorbringen nach § 147 AktG anzulegen ist.

Hinsichtlich des im Rahmen der Regelung des § 147 Abs. 1 AktG anzulegenden Prüfungsmaßstabes wird auf vorstehende Ausführungen Bezug genommen, wonach es ausreicht, dass umrissen wird, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag bestehen (zu vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14 zu § 147 GmbHG unter Hinweis auf § 147 AktG; vgl. OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Karlsruhe
, Beschluss vom 16.06.2014 – 11 Wx 49/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 49 und Rdnr. 54). Die Sachverhalte, die den Anspruch begründen, müssen hinreichend genau in dem Sinne bestimmt sein, dass im Falle einer späteren Klageerhebung durch den besonderen Vertreter festgestellt werden kann, ob der Gegenstand der Klage mit den von der Hauptversammlung gemeinten Ansprüchen übereinstimmt (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 28.11.2007 – 7 U 4498/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 40; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 27.08.2008 – 7 U 5678/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 499; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
DB 2004, 177f.; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Karlsruhe
, Beschluss vom 16.06.2014 – 11 Wx 49/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 49; KG Berlin, Beschluss vom 25.08.2011 – 25 W 63/11, zitiert nach juris, dort Rdnr. 24 f.; LG Stuttgart, Urteil vom 27.10.2009 – 32 O 5/09 KfH, zitiert nach juris, dort Rdnr. 38; Holzborn/Jänig in: Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2017, § 147 lit. b; vgl. Westermann, AG 2009, 237, 244). Vorgetragen werden muss danach, welche Transaktionen die Annahme einer Pflichtwidrigkeit rechtfertigen sollen und welcher Art der Schaden sein soll (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 27.08.2008 – 7 U 5678/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 52).

Seitens des Versammlungsleiters war vorliegend bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses, der mit der Beschlussvorlage erwirkt werden soll, nicht über eine abstrakte Rechtsfrage, sondern vielmehr über die Frage zu befinden, ob aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts zum TOP 9 (Bl. 138R AH I – 18 U 21/16 – OLG L.), ein Beschluss des Inhalts, Ersatzansprüche nach § 147 AktG geltend zu machen, rechtmäßig oder evident mangelhaft war. Die Beantwortung der Rechtsfrage hing damit vorliegend (unter Heranziehung des zutreffenden rechtlichen Maßstabes) auch und gerade von der Würdigung tatsächlicher Umstände ab. Da der mitgeteilte Lebenssachverhalt rechtlich eingeordnet werden muss, mithin eine Subsumtion anzustellen ist (die ihrerseits in rechtlicher Hinsicht schwierig ist, was der Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 27.08.2008 – 7 U 5678/08, zitiert nach juris, dort Rdnr. 50 f., veranschaulicht: teilweise Bestimmtheit/teilweise Unbestimmtheit mitgeteilter Lebenssachverhalte/Anträge), kann bereits aus diesem Grund nicht von einer evidenten Mangelhaftigkeit des nachgesuchten Beschlusses (mit dem Inhalt Blatt 138R AH I – 18 U 21/16 – OLG L.) ausgegangen werden.

Soweit der Versammlungsleiter ausgeführt hat, die vermeintlichen Pflichtverletzungen seien nicht ansatzweise konkretisiert (Bl. 111f. AH I – 18 U 21/16 – OLG L.), trifft dies insoweit nicht zu, als die Handlungen, die zum Schadensersatz verpflichten sollen, in einen Zeitrahmen eingeordnet sind, auch die maßgeblichen geschäftlichen Vorfälle genannt und nach den an ihnen beteiligten Personen dargestellt sind. In der Beschlussvorlage heißt es insofern:

„( … ) Im Jahr 2012 brachte die U. SE verschiedene Konzerngesellschaften und -beteiligungen im Wege von Sacheinlagen in die E2J1E2 ein, während die U. AG auf Veranlassung der U. SE der E2J1E2 Barmittel i.H.v. 276,2 Mio. Euro zur Verfügung stellen musste. Die U. AG hatte die dafür erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung, sondern musste diese über F1verkäufe und Darlehensaufnahme bei der U. SE aufbringen. Die maßgebliche Ursache der o. g. Wertminderungen war, dass die durch die U. SE eingebrachten Beteiligungen zu Lasten der U. AG bereits zum Zeitpunkt der Einbringung überbewertet waren. Die Einbringungswerte wurden nicht sachgerecht ermitteln, sondern überhöht zugunsten der U. SE und zum Nachteil der U. AG festgelegt.

Das Verhalten der vorbezeichneten Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem vorstehenden Sachverhalt verletzte ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft. Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft hätten die für die Gesellschaft nachteiligen Geschäfte nicht oder jedenfalls nicht zu den akzeptierten Konditionen vorgenommen. Diese Pflichtverletzungen realisierten sich u.a. in den Wertminderungen zum 31.12.2014. Insbesondere sind die Ansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben, dass die U. SE seit dem Jahr 2012 Beteiligungen von vornherein überbewertet in die E2J1E2 eingebracht hat.

( … )“

Damit sind die vorgeblichen Tatbeiträge und Pflichtverletzungen hinreichend konkret umrissen.

Wenn der Versammlungsleiter der Hauptversammlung der Beklagten Dr. C ausweislich des Protokolls der Hauptversammlung weiter ausführte (Bl. 112 AH I – 18 U 21/16 – OLG L.), dass eine Wertminderung, die sich mehr als zwei Jahre später zeige, keine Substantiierung einer früheren Wertminderung darstelle und soweit er weiter jede Substantiierung für den Eintritt eines Schadens verneint, ist dieses Argument nicht tragfähig. Denn dass eine Wertminderung vorliegt, stellt er nicht in Abrede, und die Frage, wie genau ein Schaden zu bemessen ist, ist hiervon gesondert zu betrachten, wobei an die Darlegung des Schadens und der Schadenshöhe keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind und die Frage, ob später vom besonderen Vertreter geltend gemachte Ansprüche begründet sind, von der Frage zu unterscheiden ist, ob die entsprechenden Umstände konkret dargetan sind.

Hinsichtlich der Ansicht des Versammlungsleiters, der Antrag sei unzulässig, weil zu exakt demselben Sachverhalt die Bestellung eines Sonderprüfers beantragt worden sei, ist festzuhalten, dass dies ebensowenig für die evidente Mangelhaftigkeit der Beschlussvorlage spricht, denn dem Gesetz lässt sich die vom Versammlungsleiter befürwortete strikte Abgrenzung zwischen den Befugnissen eines Sonderprüfers einerseits, eines besonderen Vertreters andererseits weder entnehmen, noch liegt sie mit Rücksicht auf den Einfluss des Mehrheitsgesellschafters auf Sonderprüfungen nahe (vgl. OLG L., Urteil vom 04.12.2015 – 18 U 149/15, zitiert nach juris, dort Rdnr. 40) und gegen einen strikten Vorrang der Sonderprüfung spricht, dass die Bestellung eines besonderen Vertreters bei einem derart engen Verständnis im Ergebnis weitestgehend bedeutungslos bliebe (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, 28.11.2007 – 7 U 4498/07, BB 2008, 242 m. BB-Komm. Drinhausen; vgl. auch Linnerz, Anm. zu OLG L., Urteil vom 04.12.2015, BB 2016, 337, 338).

Soweit der Versammlungsleiter (Bl. 112R AH I – 18 U 21/16 – OLG L.) darauf abstellt, dass der Antrag auch deshalb unzulässig sei, weil er redundant sei, denn er beziehe sich auf behauptete Pflichtverletzungen, die bereits als Grundlage für die Anträge zu Tagesordnungspunkt 7 gedient hätten, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Annahme einer evidenten Rechtswidrigkeit der Beschlussvorlage. Denn der Beschlussentwurf zu TOP 9 enthält den Vorwurf der Pflichtverletzung des Inhalts, dass die Beklagte zu F1verkäufen und zur Darlehensaufnahme bei ihrer Streithelferin (zu nachteiligen Konditionen) veranlasst worden sei, worauf TOP 7 Ziffer I lit. e) im Einzelnen nicht eingeht, vielmehr auf den Umstand Bezug nimmt, dass die Beklagte Barmittel habe leisten müssen, wohingegen die Streithelferin der Beklagten lediglich Sacheinlagen geleistet habe (Bl. 138R AH I – 18 U 21/16 – OLG L. einerseits, Bl. 136R AH I – 18 U 21/16 – OLG L. andererseits).

Auch ist insofern zu berücksichtigen, dass der Beschlussvorschlag zu TOP 9 den Passus enthält, dass die Beschlussfassung sich mit der Maßgabe verstehe, dass nur solche Ersatzansprüche geltend zu machen seien, die nicht bereits nach einem anderen Beschluss der Hauptversammlung der Gesellschaft nach § 147 Abs. 1 AktG geltend zu machen seien (Bl. 138R AH I – 18 U 21/16 – OLG L. unten), so dass bei Überschneidungen der zugrunde liegenden Sachverhalten ein unnötiges Tätigwerden des besonderen Vertreters auszuschließen ist. Auch insoweit kann daher von einer evidenten Mangelhaftigkeit des erstrebten Beschlusses nicht ausgegangen werden.

Hinzu kommt, dass der Versammlungsleiter der Beklagten ausweislich des Protokolls der Hauptversammlung auf Vorhalt des für die Klägerin T. AG auftretenden Rechtsanwalts H2 – W1 des Inhalts, es könne nicht zu Tagesordnungspunkt 9 anders verfahren werden als zu Tagesordnungspunkt 7, bekundete, er hätte kein Problem damit gehabt, wenn die T. AG rechtzeitig den Antrag gestellt hätte, Herrn Dr. F3 X auch zum Versammlungsleiter für Tagesordnungspunkt 9 zu bestellen dies habe sie indes nicht getan und deshalb sei nunmehr er verpflichtet, über die Zulässigkeit des Antrags zu entscheiden (Bl. 113 AH I – 18 U 21/16 – OLG L. oben). Dies zeigt, dass ihm die Kontroverse um die Frage der inhaltlichen Bestimmtheit der Beschlussvorlage (auch) zu TOP 9 (ebenso wie zur Beschlussvorlage zu TOP 7) bekannt war, insbesondere, dass der gerichtlich (zu TOP 7) bestellte Versammlungsleiter zur Frage der Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit einer Beschlussvorlage nach § 147 AktG die gegenteilige Auffassung vertrat.

Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Versammlungsleiter der Beklagten davon ausging, dass die Rechtslage geklärt und die Beschlussvorlage zu TOP 9 „evident rechtswidrig“ war, was umso mehr gilt, als die Beklagte selbst dem Ergänzungsverlangen hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 8 und 9 durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger stattgegeben hatte.

Soweit in der Literatur vertreten wird, dass allein aus dem Umstand, dass der Vorstand einem Ergänzungsverlangen stattgegeben habe, nicht geschlossen werden könne, dass er eine Rechtmäßigkeitsprüfung vorgenommen habe, so dass sich in der Regel nicht ableiten lasse, dass der erstrebte Hauptversammlungsbeschluss nicht an einem evidenten Mangel leiden könne (vgl. Schatz, AG 2015, 696, 700), vermag dem der Senat nicht zu folgen: Beschließt der Vorstand der Gesellschaft, das Ergänzungsverlangen zuzulassen, darf der Versammlungsleiter jedenfalls im Grundsatz und abgesehen von eklatanten Fällen des Rechtsmissbrauchs durch den antragstellenden Aktionär (wofür vorliegend keine Anhaltspunkte gegeben sind) gerade nicht davon ausgehen, dass eine evidente Rechtswidrigkeit der Beschlussvorlage gleichwohl gegeben ist.

Der Vorstand ist derjenige, der verbindlich für die Aktiengesellschaft entscheidet. Ihm stehen die Ressourcen zur Überprüfbarkeit der Rechtmäßigkeit des Einberufungsverlangens zur Verfügung, er und nicht der Versammlungsleiter ist autorisiert, für die Aktiengesellschaft zu handeln, und seine Aufgabe ist es, die Tagesordnung abzuarbeiten und nicht die, Entscheidungen des Vorstands zu überprüfen (vgl. Grunewald, AG 2015, 689, 694).

Der Antrag, den Versammlungsleiter abzusetzen, war nicht offenbar missbräuchlich, nämlich nicht unsachlich, willkürlich oder schikanös (vgl. hierzu Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 13.11.2009 – 2 U 57/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 34), so dass der Versammlungsleiter unter diesem Gesichtspunkt nicht befugt und u. U. auch gehalten war, die Abstimmung zurückzuweisen.

Damit war die Nichtannahme der Vorlage zur Abstimmung seitens des Versammlungsleiters der Beklagten – gestützt auf eine evidente Mangelhaftigkeit des Beschlusses – rechtswidrig.

C. Kosten und Nebenentscheidungen

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 97, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Auf die Klägerin U. SE entfallen die Kosten der Streithelferin zu 3) der Beklagten und die Kosten der Streithelferin zu 4) der Beklagten. Der Klägerin T. AG ist der besondere Vertreter als Nebenintervenient beigetreten, der Beklagten sind vier Aktionäre bzw. Aktionärinnen beigetreten. Ein Aktionär, der sich an einem von anderen Aktionären gegen die beklagte Gesellschaft geführten Anfechtungsrechtsstreit auf Seiten der Kläger als Nebenintervenient beteiligt, ist im Hinblick auf die sich aus § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebende Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung eines stattgebenden Anfechtungsurteils als streitgenössischer Nebenintervenient i. S. v. §§ 66, 69 ZPO anzusehen.

Auf die streitgenössische Nebenintervention sind ausschließlich die Bestimmungen der §§ 101 Abs. 2, § 100 ZPO anzuwenden, die den streitgenössischen Nebenintervenienten kostenrechtlich uneingeschränkt einem Streitgenossen der Hauptpartei gleichstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.04.2015 – II ZB 19/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21; BGH, Beschluss vom 3. Juni 1985 – II ZR 248/84, JZ 1985, 853, 854; Beschluss vom 18. Juni 2007 – II ZB 23/06, ZIP 2007, 1337 Rn. 7; Beschluss vom 15. Juni 2009 – II ZB 8/08, ZIP 2009, 1538 Rdnr. 12; Beschluss vom 14. Juni 2010 – II ZB 15/09, ZIP 2010, 1771 Rn. 9; Beschluss vom 15. September 2014 – II ZB 22/13, ZIP 2014, 1995 Rn. 6; LG E., Beschluss vom 18.10.2013 – 35 O 61/12, zitiert nach juris, dort Rdnr. 4 f.).

Unterliegt danach die Klägerseite, haften die Klägerin U. SE und die auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenientin gemäß § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopfteilen für die durch die Nebenintervention auf Beklagtenseite verursachten Kosten.

D. Der Senat lässt nach § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zu, da die Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind.

Streitwert des Berufungsverfahrens:

a) Verfahren 91 O 30/15 LG L. (= 18 U 19/16 OLG L., führendes Verfahren):

550.000,- EUR

b) Verfahren 91 O 31/15 LG L. (= früheres Verfahren 18 U 21/16 OLG L., jetzt verbunden mit 18 U 19/16 OLG L.)

Antrag zu Ziffer I: 550.000,- EUR

Antrag zu Ziffer II: 5.000,- EUR

Antrag zu Ziffer III: 50.000,- EUR

Der Berufungsantrag zu Ziffer I entspricht dem Antrag zu Ziffer I erster Instanz. Der Berufungsantrag zu Ziffer II entspricht dem Antrag zu Ziffer II 3. erster Instanz. Der Berufungsantrag zu Ziffer III entspricht dem Antrag zu Ziffer II 1. und Ziffer II 2. erster Instanz. Der Antrag im Verfahren – 91 O 30/15 – LG L. ist mit dem Antrag zu Ziffer I im Verfahren – 91 O 31/15 – LG L. im Hinblick auf die Beteiligen und den Inhalt der Beschlüsse nicht wertidentisch.

Summe gesamt: 1.155.000,- EUR

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I Minderheitsschutz I Treuepflicht I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Abberufung des Versammlungsleiters, Abwahl Versammlungsleiter, AktG § 147, besonderer Vertreter, Dritte als Nebenintervenienten, Ersatzansprüche, Geltendmachungsbeschluss, Gesellschafter als Nebenintervenient auf Seiten der Gesellschaft, Gesellschafter als Nebenintervenient auf Seiten des Gesellschafters, Minderheitsschutz, Nebenintervention, Positive Beschlussfeststellungsklage

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OLG München, Urteil vom 12. Januar 2017 – 23 U 1994/16

12. Januar 2017

§ 46 Nr 7 GmbHG, § 47 Abs 4 GmbHG, § 538 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 02.03.2016, 1 HK O 2361/15 in der durch Beschluss vom 27.06.2016 berichtigten Fassung abgeändert wie folgt:

1. Gegenüber der Beklagten zu 1) wird die in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten am 15.07.2015 vom Versammlungsleiter Christopher S. jeweils festgestellte Ablehnung nachfolgender Beschlussanträge für nichtig erklärt:

a) TOP 8 a): Gegen Herrn Achim G. und Herrn Christopher S. werden im Zusammenhang mit der erfolgten und einer etwaigen zukünftigen Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der E. Tor- und Sicherheitssysteme Verwaltungs GmbH außergerichtlich und erforderlichenfalls gerichtlich geltend gemacht und durchgesetzt.

b) TOP 8 b): Herr Ulrico B. wird zum besonderen Vertreter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bestellt zur Geltendmachung und Durchsetzung der vorstehend lit a) bezeichneten Ansprüche gegen Herrn Achim G. und Herrn Christopher S. (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes) sowie zur Vertretung in Prozessen, die Herr Christopher S. und/oder Herr Achim G.in diesem Zusammenhang gegen die E. Tor- und Sicherheitssysteme Verwaltungs GmbH aktiv oder passiv führen (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes). Herr B. darf in diesem Zusammenhang Rechtsanwälte für die GmbH beauftragen. Er ist insbesondere befugt, in diesem Zusammenhang Prozessvollmacht für die Gesellschaft zu erteilen sowie Mandats- und Honorarvereinbarungen abzuschließen.

2. Gegenüber der Beklagten zu 1) wird festgestellt, dass in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten vom 15.07.2015 Gesellschafterbeschlüsse des nachfolgenden Inhalts gefasst worden sind:

a) TOP 8 a): Gegen Herrn Achim G. und Herrn Christopher S. werden im Zusammenhang mit der erfolgten und einer etwaigen zukünftigen Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der E. Tor- und Sicherheitssysteme Verwaltungs GmbH außergerichtlich und erforderlichenfalls gerichtlich geltend gemacht und durchgesetzt.

b) TOP 8 b): Herr Ulrico B. wird zum besonderen Vertreter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bestellt zur Geltendmachung und Durchsetzung der vorstehend unter lit a) bezeichneten Ansprüche gegen Herrn Achim G. und Herrn Christopher S. (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes) sowie zur Vertretung in Prozessen, die Herr Christopher S. und/oder Herr Achim G. in diesem Zusammenhang gegen die E. Tor- und Sicherheitssysteme Verwaltungs GmbH aktiv oder passiv führen (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes). Herr B. darf in diesem Zusammenhang Rechtsanwälte für die GmbH beauftragen. Er ist insbesondere befugt, in diesem Zusammenhang Prozessvollmacht für die Gesellschaft zu erteilen sowie Mandats- und Honorarvereinbarungen abzuschließen.

II. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird Ziff 1. des Tenors des landgerichtlichen Urteils in der durch Beschluss vom 27.06.2016 berichtigten Fassung aufgehoben, soweit das Landgericht der Klage stattgegeben hat, und die Klage insoweit abgewiesen.

III. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

IV. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

V. Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 5/6, die Beklagte zu 1) 1/6. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 1) 1/6, die Klägerin 5/6. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Beklagte zu 1) zu 1/4, die Klägerin zu 3/4.

VI. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

VII. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Beschlüssen aus einer gemeinsamen Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) und 2) vom 15.07.2015 im Zusammenhang mit der Prokuraerteilung an Herrn Christopher S.

Die Beklagte zu 1) ist Komplementärin der Beklagten zu 2). Die Klägerin, Frau Petra R. und Herr Christopher S. sind an der Beklagten zu 1) jeweils mit 25,2 % als Gesellschafter, an der Beklagten zu 2) ebenfalls mit je 25,2 % als Kommanditisten beteiligt. Ihre Väter, Herr Gabrijel R. und Herr Manfred S. sind als Gesellschafter an der Beklagten zu 1) mit jeweils 24,8 %, an der Beklagten zu 2) über Beteiligungsgesellschaften jeweils zu 24,8 % beteiligt. Die Klägerin war Geschäftsführerin der Beklagten zu 1) für den Bereich Technik, Herr Christopher S. für den Bereich Vertrieb. Beide wurden mit Beschlüssen vom 23.09.2008 jeweils aus wichtigem Grund als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) wirksam abberufen. Zwischen den beiden Gesellschafterfamilien besteht seit vielen Jahren Streit.

Im Rahmen eines Vergleichsschlusses am 25.06.2013 (Anlage B 1) wurde in § 6 Abs. 3 der Satzung der Beklagten zu 1) ein Recht der Gesellschafterfamilien aufgenommen, für ihren Geschäftsbereich einen Geschäftsführer zu entsenden. Die Entsendung der Gesellschafter selbst ist ausdrücklich ausgeschlossen. Des Weiteren wurde ein neuer § 6 Ziff. 5 in die Satzung eingefügt. Danach ist jede Gesellschafterfamilie berechtigt, ab 01.01.2015 für ihren Geschäftsbereich jeweils einen Prokuristen zu benennen, der von dem für diesen Geschäftsbereich zuständigen Geschäftsführer zu bestellen ist. Ob auch Gesellschafter als Prokuristen benannt werden dürfen, ist nicht ausdrücklich geregelt. Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf die Anlage B 1 Bezug genommen. Bereits am 25.06.2013 war für den Bereich Vertrieb Herr Sch. als Prokurist bestellt.

Die Gesellschafter Manfred und Christopher S. benannten Herrn Christopher S. als weiteren Prokuristen für den Bereich Vertrieb. Der damalige Geschäftsführer Achim G. erteilte Herrn Christopher S. am 19.06.2015 Einzelprokura für die Beklagte zu 1) und meldete dies zur Eintragung ins Handelsregister an.

In einer gemeinsamen Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) und zu 2) am 15.07.2015 wurde u.a. über Beschlussanträge zur Geltendmachung von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen gegen Herrn Achim G. und Herrn Christopher S. im Zusammenhang mit der Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. und in Zusammenhang mit fremdgesteuerten Geschäftsführungshandeln von Herrn G. (TOP 8 a) und über die Bestellung von Herrn Ulrico B. als besonderen Vertreter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG hierfür (TOP 8 b) abgestimmt. Der Beschlussantrag unter TOP 9) sah vor, Herrn Ulrico B., den von der Gesellschafterfamilie R. entsandten Geschäftsführer, anzuweisen, Herrn Christopher S. die erteilte Prokura zu entziehen und das Erlöschen der Prokura zum Handelsregister anzumelden.

Bezüglich der genannten TOP stimmten jeweils die Gesellschafter der Familie R. für den Beschlussantrag, die Gesellschafter der Familie S. dagegen. Herr Christopher S. stellte als Versammlungsleiter jeweils fest, die Beschlussanträge seien abgelehnt worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Benennung von Herrn Christopher S. als Prokurist verstoße gegen die Satzung und sei treuwidrig. Den Gesellschaftern der Familie S. hätte jeweils bei den Beschlussanträgen zu TOP 8 a), 8 b) und 9) kein Stimmrecht zugestanden.

Bezüglich der Anträge der Klägerin in erster Instanz wird Bezug genommen auf das landgerichtliche Urteil, S. 5 bis 7.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, mangels anderer Regelung in der Satzung sei die Benennung von Herrn Christopher S. weder satzungs- noch treuwidrig. Die ihm bei der Abberufung als Geschäftsführer vorgeworfenen Pflichtverletzungen lägen so lange zurück, dass sie einer Bestellung als Prokuristen nicht entgegenstünden.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage teilweise stattgegeben und gegenüber der Beklagten zu 1) festgestellt, dass der Beschluss unter TOP 9) „Herr Ulrico B. wird angewiesen, Herrn Christopher S. die diesem bei der E. Tor- und Sicherheitssysteme Verwaltungs GmbH durch Herrn Achim G. erteilte Prokura zu entziehen und das Löschen der Prokura zum Handelsregister anzumelden“ wirksam gefasst worden sei. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Den Tenor hat das Landgericht mit Berichtigungsbeschluss vom 27.06.2016 (Bl.134 ff d.A.) dahingehend ergänzt, dass der entgegenstehende Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 15.07.2015 unter TOP 9) nichtig sei. Die Gesellschafter der Familie . hätten mit der Benennung von Herrn Christopher S. gegen ihre gesellschaftsrechtliche TreuepflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
gesellschaftsrechtliche Treuepflicht
Treuepflicht
verstoßen, da dieser aus objektiv nachvollziehbaren Gründen für die Gesellschafter der Familie R. nicht akzeptabel sei. Er sei aus wichtigem Grund als Geschäftsführer abberufen worden. Außerdem sei das Verhältnis zwischen den Gesellschafterfamilien zerrüttet. Im Übrigen könne nach den Regelungen der Satzung jede Familie nur einen Prokuristen benennen. Bezüglich TOP 8 a) und b) sei der Beschluss nicht wirksam zustande gekommen, auch wenn man die Stimme von Herrn Christopher S. nicht berücksichtige. Die Klägerin habe keine Sachverhalte vorgetragen, aus denen sich Schadensersatzansprüche ergeben könnten. Damit sei auch die Bestellung von Herrn B. als besonderer Vertreter obsolet. Auch sei die Familie S. nicht verpflichtet gewesen, der Bestellung von Herrn Ulrico B. als besonderen Vertreter zuzustimmen.

Gegen die Klageabweisung bezüglich der Beschlüsse TOP 8 a) und 8 b) wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Das Landgericht habe in fehlerhafter Besetzung entschieden, da an dem Urteil, anders als in der mündlichen Verhandlung, die ehrenamtlichen Handelsrichter nicht mitgewirkt hätten. Das Landgericht habe übersehen, dass es nicht nur um die Geltendmachung von Schadensersatz-, sondern auch um Unterlassungsansprüche gehe. Der geschilderte Sachverhalt habe jedenfalls für die beantragte Beschlussfassung genügt. Ob die Familie S. verpflichtet gewesen sei, der Bestellung von Herrn B. als besonderen Vertreter zuzustimmen, sei nicht maßgeblich. Der Beschluss sei schon deshalb zustande gekommen, weil Herr Christopher S. kein Stimmrecht gehabt hätte. Herr Christopher S. sei als Prokurist der Gesellschafterfamilie R. nicht zumutbar. Er habe im August 2016 über den Kopf der Geschäftsführer und Gesellschafter hinweg eigenmächtig als Prokurist eine strategisch wichtige Entscheidung getroffen, indem er per Mail die Zustimmung zum dem Schuldenbereinigungsplan bezüglich des kanadischen Vertriebspartners E. D. S. Inc. (EDS) erteilt habe.

Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt:

I. Es wird gegenüber beiden Beklagten festgestellt, dass die in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten am 15.07.2015 vom Versammlungsleiter Christopher S. festgestellte Ablehnung nachfolgender Beschlussanträge nichtig ist:

1. „TOP 8 a): Gegen Herrn Achim G. und Herrn Christopher S. werden im Zusammenhang mit der erfolgten und einer etwaigen zukünftigen Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. sowie im Zusammenhang mit dem fremdgesteuerten Geschäftsführungshandeln des Herrn G. (“auf Order“) Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der E. Tor- und Sicherheitssysteme GmbH & Co KG und deren Komplementärin außergerichtlich und erforderlichenfalls gerichtlich geltend gemacht und durchgesetzt.“

2. „TOP 8 b): Herr Ulrico B. wird zum besonderen Vertreter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bestellt zur Geltendmachung und Durchsetzung der vorstehend unter lit a) bezeichneten Ansprüche gegen Herrn Achim G. und Herrn Christopher S. (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes) sowie zur Vertretung in Prozessen, die Herr Christopher S. und/oder Herr Achim G. in diesem Zusammenhang gegen die E. Tor- und Sicherheitssysteme GmbH & Co KG oder deren Komplementärin aktiv oder passiv führen (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes). Herr B. darf in diesem Zusammenhang Rechtsanwälte für die GmbH beauftragen. Er ist insbesondere befugt, in diesem Zusammenhang Prozessvollmacht für die Gesellschaft zu erteilen sowie Mandats- und Honorarvereinbarungen abzuschließen.

II. Es wird weiter gegenüber beiden Beklagten festgestellt, dass in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten vom 15.07.2015 Gesellschafterbeschlüsse des nachfolgenden Inhalts gefasst worden sind:

1. „TOP 8 a): Gegen Herrn Achim G. und Herrn Christopher S. werden im Zusammenhang mit der erfolgten und einer etwaigen zukünftigen Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. sowie im Zusammenhang mit dem fremdgesteuerten Geschäftsführungshandeln des Herrn G. (“auf Order“) Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der E. Tor- und Sicherheitssysteme GmbH & Co KG und deren Komplementärin außergerichtlich und erforderlichenfalls gerichtlich geltend gemacht und durchgesetzt.“

2. „TOP 8 b): Herr Ulrico B. wird zum besonderen Vertreter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bestellt zur Geltendmachung und Durchsetzung der vorstehend unter lit a) bezeichneten Ansprüche gegen Herrn Achim G. und Herrn Christopher S. (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes) sowie zur Vertretung in Prozessen, die Herr Christopher S. und/oder Herr Achim G. in diesem Zusammenhang gegen die E. Tor- und Sicherheitssysteme GmbH & Co KG oder deren Komplementärin aktiv oder passiv führen (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes). Herr B. darf in diesem Zusammenhang Rechtsanwälte für die GmbH beauftragen. Er ist insbesondere befugt, in diesem Zusammenhang Prozessvollmacht für die Gesellschaft zu erteilen sowie Mandats- und Honorarvereinbarungen abzuschließen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1) hat zudem selbst Berufung eingelegt. Sie beantragt,

das Urteil des Landgerichts Landshut vom 02.03.2016 (1 HK O 2361/15) – ergangen im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO – abzuändern, und die Klage insgesamt (auch im Hinblick auf die Beklagte zu 1) abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1) rügt, die Voraussetzungen für eine Urteilsberichtigung hätten nicht vorgelegen. Das Landgericht habe verkannt, dass bezüglich des Benennungsrechts für den Prokuristen die Satzung anders als hinsichtlich des Entsenderechts für Geschäftsführer-Gesellschafter gerade nicht ausschließe. Bei Vergleichsschluss sei nie die Rede davon gewesen, dass für jeden Geschäftsbereich nur ein Prokurist tätig werden dürfe. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei Christopher S. für die Familie R. auch akzeptierbar. Im Übrigen wiederholen und vertiefen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Ergänzend wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2016 und die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise, die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) in vollem Umfang Erfolg.

1. Das Landgericht hat – wie von der Klägerin gerügt – gegen § 349 ZPO verstoßen, indem der Vorsitzende der Handelskammer das Urteil ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Handelsrichter erließ. Weder lag ein Einverständnis der Parteien nach § 349 Abs. 3 ZPO vor, noch stellt der Urteilserlass einen sonstigen der in § 349 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO genannten Fälle dar, in denen der Vorsitzende allein entscheiden könnte. Indessen kommt es darauf vorliegend nicht mehr an. Der Senat entscheidet als gesetzlicher Richter in der Sache. Eine Zurückverweisung kommt auch bei Verstoß des erstinstanzlichen Gerichts gegen den Anspruch der Parteien auf den gesetzlichen Richter nur im Rahmen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Betracht (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 17.10.2006, 4 U 101/06, BeckRS 2009, 23197; Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl, § 349 Rz. 26). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, da der Rechtsstreit entscheidungsreif ist.

2. Die Klägerin rügt des Weiteren zurecht, dass das Landgericht das rechtliche Gehör verletzt hat, da es einerseits das Urteil erlässt „aufgrund des Sachstands vom 19.02.2016“, andererseits aber im Beschluss vom 29.01.2016 (Bl. 86 d.A.) festgelegt hat, es berücksichtige Schriftsätze, die bis 26.02.2016 bei Gericht eingingen. Der Schriftsatz der Klägerin vom 25.02.2016 ging am selben Tag, und daher rechtzeitig, bei Gericht ein. Im Ergebnis kommt es auf diesen Verstoß indessen nicht an. Der Senat berücksichtigt den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 25.02.2016.

3. Der Antrag der Klägerin in Richtung auf die Beklagte zu 1), die in der gemeinsamen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten vom 15.07.2015 vom Versammlungsleiter festgestellte Ablehnung des BeschlussantragsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ablehnung
Ablehnung des Beschlussantrags
zu TOP 8 a) für nichtig zu erklären, ist zulässig und begründet, soweit es um die Geltendmachung von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen im Zusammenhang mit der Prokuraerteilung geht. Insoweit hat die Berufung der Klägerin Erfolg. Im Übrigen, soweit es um die Geltendmachung von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen im Zusammenhang mit dem „fremdgesteuerten Geschäftsführungsverhalten“ geht, verbleibt es bei der Klageabweisung durch das Landgericht.

3.1. Die Klage ist zulässig.

3.1.1. Die Beklagte zu 1) ist wirksam gesetzlich vertreten, § 51 Abs. 1 ZPO. Bei Klageerhebung im September 2015 wurde die Beklagte zu 1) nach Vortrag der Prozessparteien durch ihren Geschäftsführer Achim G. vertreten. Dieser hat unstreitig die Prozessvollmacht nach § 80 ZPO an die Beklagtenvertreter erteilt. Damit kann dahingestellt bleiben, ob derzeit Herr B. oder Herr H. Geschäftsführer der Beklagten zu 1) sind, und ob Herr B. – wie von den Beklagten behauptet – abberufen und ob Herr H. wirksam als Geschäftsführer entsendet wurde. Die Prozessvollmacht wird durch einen etwaigen Verlust der Prozessfähigkeit der Beklagten nicht aufgehoben, § 86 ZPO. Daher würde auch bei Verlust der Prozessfähigkeit der Rechtsstreit nicht unterbrochen, § 246 Abs. 1 ZPO. Die prozessunfähig gewordene Partei ist auch nach Eintritt der Prozessunfähigkeit noch nach den Vorschriften der Gesetze vertreten, so dass ein Sachurteil gegen sie ergehen kann (BGH, Beschluss vom 19.01.2011, XII ZB 326/10, juris Tz. 14; BGH, Urteil vom 08.02.1993, II ZR 62/92, juris Tz. 10 f).

3.1.2. Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen die festgestellte Beschlussablehnung auszulegen und als solche zulässig.

3.1.2.1. Die Klägerin hat in erster Instanz ausdrücklich Anfechtungsklage erhoben. In zweiter Instanz hat die Klägerin nur beantragt festzustellen, dass die festgestellte Ablehnung nichtig ist. Indessen verfolgen Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage dasselbe Rechtsschutzziel, es handelt sich um denselben Streitgegenstand (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl, Anhang nach § 47 Rz. 60), so dass die Nichtigerklärung auch in dem Antrag auf Feststellung, dass die abgelehnte Beschlussfassung nichtig sei, enthalten ist.

3.1.2.2. Der Versammlungsleiter, Herr Christopher S., hat vorläufig wirksam festgestellt, dass der Beschlussantrag bezüglich TOP 8 a) abgelehnt wurde.

Unstreitig war Herr Christopher S. Versammlungsleiter und als solcher grundsätzlich zur Beschlussfeststellung befugt. Zudem ergibt sich aus dem als Anlage K 13 vorgelegten Protokoll (TOP 2), dass er einstimmig zum „Protokollführer“ gewählt wurde.

Entgegen der Ansicht der Klägerin war Herr Christopher S. bezüglich TOP 8 a) nicht aufgrund Befangenheit von der Beschlussfeststellung ausgeschlossen. Ob ein Versammlungsleiter bei einer unmittelbaren Selbstbetroffenheit durch den fraglichen Beschluss von einer verbindlichen Beschlussfeststellung ausgeschlossen ist, wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt (für einen Ausschluss Zöllner /Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl, Anh § 47 Rz. 120; Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, S. 1327, 1332 f; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl, § 48 Rz. 26; a.A. Werner, GmbHR 2006, S. 127, 129; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl, § 48 Rz. 17). Für die erstgenannte Ansicht spricht, dass auch die Beschlussfeststellung letztlich eine Ausübung von Entscheidungsbefugnissen darstellt. Mit der Feststellung ist der Beschluss, so wie vom Versammlungsleiter festgestellt, zumindest vorläufig wirksam und nur noch mit der Anfechtungsklage zu beseitigen. Wird die Anfechtungsfrist versäumt, bleibt der Beschluss – sofern kein Nichtigkeitsgrund vorliegt – wie festgestellt endgültig wirksam. Aus § 47 Abs. 4 GmbHG ist aber der allgemeine Grundsatz ableitbar, niemand solle „Richter in eigener Sache“ sein. Mithin lässt sich erwägen, dass dem Versammlungsleiter jedenfalls in Fällen, in denen er vom Beschluss unmittelbar betroffen und daher vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, auch die Beschlussfeststellungskompetenz fehlt (so auch der Senat noch im Urteil vom 29.01.2004, 23 U 3875/03, juris Tz. 57). Indessen hält der Senat an dieser Ansicht nicht mehr fest und schließt sich den Erwägungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 21.06.2010, II ZR 230/08 (juris Tz. 16 ff) an. Der Versammlungsleiter hat zwar Einfluss auf den Gang der Versammlung und die Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
. Jedoch hat der Versammlungsleiter bei der Beschlussfeststellung – anders als bei einer Stimmabgabe in der Sache – gerade kein eigenes Ermessen, sondern ist an die gesetzlichen Regelungen, insbesondere § 47 Abs. 4 GmbHG, gebunden (BGH, a.a.O, Tz. 16). Verstößt er gegen diese, können die übrigen Gesellschafter die Wirksamkeit der festgestellten Beschlüsse durch Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklagen nachprüfen lassen. Damit werden die übrigen Gesellschafter auch nicht unzumutbar belastet (BGH, a.a.O, Tz. 18). Zudem wird die Frage, ob der Versammlungsleiter in der Sache tatsächlich einem Stimmverbot unterliegt, häufig unklar und umstritten sein. Hinge die Beschlussfeststellungskompetenz aber jeweils davon ab, ob ein Stimmverbot besteht, würde letztlich schon die prozessuale Frage nach der richtigen Klageart unnötig mit Unsicherheiten verbunden und letztlich mit der materiellen Frage nach dem Stimmrechtsausschluss wegen Richtens in eigener Sache vermengt (Bayer, a.a.O., Rz. 17).

3.2. Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit es um die Geltendmachung von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen wegen der erfolgten und etwaigen zukünftigen Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. geht. Im Übrigen verbleibt die Anfechtungsklage ohne Erfolg.

3.2.1. Die Klage wurde rechtzeitig erhoben. Nach § 9 Ziff. 4 der Satzung der Beklagten zu 1) (Anlage K 2) ist die Klage innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Absendung des Protokolls zu erheben. Vorliegend fand die Gesellschafterversammlung am 15.07.2015 statt. Die Klage ist bei Gericht eingegangen am 14.09.2015 und wurde demnächst i.S. des § 167 ZPO, am 17.09.2015, zugestellt. § 167 ZPO findet Anwendung für die Wahrung der Klagefrist bei der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklage (BGH NJW 1989, S. 904, 905 für die Anfechtungsklage im Aktienrecht).

3.2.2. Der Beschlussantrag zu TOP 8 a) wurde mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Zwar haben die Gesellschafter Christopher S. und Manfred S. gegen den Beschlussantrag gestimmt. Jedoch hatte der Gesellschafter Christopher S. nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG kein Stimmrecht. Nach dieser Vorschrift ist das Stimmrecht nicht nur ausgeschlossen, wenn es um die Einleitung eines Rechtsstreits gegen einen Gesellschafter geht, sondern auch schon, wenn es um die außergerichtliche Geltendmachung und Klärung von Ansprüchen gegen den Gesellschafter geht (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 47 Rz. 93). Der Stimmrechtsausschluss erstreckt sich zudem auch auf die vorprozessuale und gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen, die gegen einen – ehemaligen – Geschäftsführer geltend gemacht werden sollen, wenn dem Gesellschafter vorgeworfen wird, die Pflichtverletzung gemeinsam mit dem Geschäftsführer begangen zu haben (BGH, Urteil vom 04.05.2009, II ZR 166/07, juris Tz. 11; BGH, Urteil vom 20.01.1986, II ZR 73/85, juris Tz. 11). Da es vorliegend um die Ansprüche wegen der nach Ansicht der Klägerin pflichtwidrigen Prokuraerteilung durch Herrn Achim G. an Herrn Christopher S. und das Handeln von Herrn Achim G. „auf Order“ von Herrn Christopher S. geht, ist der Gesellschafter Christopher S.insgesamt vom Stimmrecht ausgeschlossen.

3.2.3. Ein wirksamer Beschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG über den TOP 8 a) wurde jedoch nur gefasst, soweit es um die Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche wegen der Prokuraerteilung geht. Im Hinblick auf das Handeln des damaligen Geschäftsführers G. „auf Weisung“ fehlt es dagegen an einem hinreichend klar umrissenen Sachverhalt, aus dem sich Ansprüche ergeben könnten.

3.2.3.1. Geht es um die gerichtliche Geltendmachung von ErsatzansprüchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ersatzansprüchen
Geltendmachung von Ersatzansprüchen
gegen Gesellschafter und Geschäftsführer, reicht es grundsätzlich aus, dass der die Abstimmung beantragende Gesellschafter im einzelnen umreißt, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der einzelnen Mitgesellschafter besteht. Ob der prozess tatsächlich Aussicht auf Erfolg hat, ist hingegen nicht zu prüfen. Andernfalls würde die Durchsetzung von Ersatzansprüchen unzumutbar erschwert, wenn schon im Anfechtungsprozess und – mangels Rechtskrafterstreckung – im nachfolgenden prozess nochmals geklärt werden müsste, ob der Haftungsgrund besteht (BGH, Urteil vom 20.01.1986, II ZR 73/85, juris Tz. 14). Die maßgeblichen Vorfälle müssen im wesentlichen Kern benannt und der Anspruch identifizierbar bezeichnet sein. Nur dann ist die Intention des Gesetzgebers gewahrt, durch das Beschlusserfordernis nach § 46 Nr. 8 GmbHG sicherzustellen, dass ohne den Willen der Gesellschafterversammlung innere Angelegenheiten nicht nach außen getragen werden sollen. Die Höhe eines etwaigen Schadens muss hierfür aber nicht benannt werden (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 46 Rz. 62 ff; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl, § 46 Rz. 156; vgl. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, Urteil vom 18.08.1994, 6 U 185/93, GmbHR 1995, S. 232).

3.2.3.2. Nach diesen Grundsätzen bestehen keine Bedenken, soweit es um Schadensersatz – und Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der Erteilung der Prokura durch Herrn G. an Herrn Christopher S. geht. Insoweit ist der Sachverhalt schon im Beschlusstext hinreichend klar umrissen. Ob die Prokuraerteilung tatsächlich pflichtwidrig war, ist für den Beschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG, wie ausgeführt, ohne Belang. Ein Schadensersatzanspruch allein infolge der Prokuraerteilung an sich erscheint auch nicht völlig ausgeschlossen, da der Beklagten zu 1) bereits durch die Prokuraerteilung jedenfalls Kosten für die Handelsregistereintragung und ggf. -löschung entstanden sind bzw. noch entstehen können. Ob es sonstige pflichtwidrige Handlungen des Herrn Christopher S. als Prokurist gab, mit denen er die Beklagte zu 1) geschädigt hat, ist ohne Belang. Derartige Handlungen sind nicht Gegenstand des unter TOP 8 a) gefassten Beschlusses.

Unterstellt, die Prokuraerteilung war pflichtwidrig, könnte auch ein Unterlassungsanspruch bestehen. Eine Wiederholungsgefahr erscheint nicht ausgeschlossen. Zudem begründet in der Regel bereits eine erstmalige rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für eine Wiederholungsgefahr (vgl. Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl, § 1004 Rz. 32).

3.2.3.3. Soweit es im Beschluss um die Geltendmachung von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen gegen Herrn G. und Herrn Christopher S. „im Zusammenhang mit dem fremdgesteuerten Geschäftsführungshandeln des Herrn G. (auf Order)“ geht, ist der maßgebliche Lebenssachverhalt hingegen nicht ausreichend klar umrissen. Aus dem Beschlusstext selbst ist in keiner Weise erkennbar, welches konkrete Verhalten von Herrn G. und Herrn S. als pflichtwidrig angesehen wird und Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche auslösen soll. Selbst wenn zur Auslegung des Beschlusses der Beschlussantrag TOP 4 b) der Gesellschafterversammlung vom 15.07.2015 (Anlage K 13) herangezogen würde, bleibt der maßgebliche Sachverhalt im Unklaren. Soweit ein Vorfall bei der Abstimmung in der Gesellschafterversammlung der tschechischen E.-Tochter geschildert wird, erschließt sich nicht, wie sich daraus Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche ergeben könnten. In dieser Gesellschafterversammlung hat der damalige Geschäftsführer G. auch nach dem Vortrag der Klägerin letztlich gerade eine eigene Stimme abgegeben, indem er entgegen der behaupteten Order mit „nein“ stimmte. Im Übrigen wird unter TOP 4 b) der allgemeine und unspezifizierte Vorwurf geäußert, Herr G. handle fremdbestimmt nach dem Willen der Gesellschafterseite S. Auf welche konkreten Lebenssachverhalte bzw. Handlungen des damaligen Geschäftsführers G. sich dies bezieht wird daraus nicht erkennbar. Zudem ist auch ein „fremdgesteuertes Verhalten“ nicht per se ein solches, das den Interessen der Beklagten zu 1) widerspricht und ggf. zu Schadensersatzansprüchen führen könnte. Dem Zweck des § 46 Nr. 8 GmbHG, die Gesellschafterversammlung darüber entscheiden zu lassen, welche internen Vorgänge sie durch eine Klage nach außen trägt, wird durch die völlig allgemeine Umschreibung jedenfalls nicht Genüge getan.

4. Der Antrag der Klägerin, in Richtung auf die Beklagte zu 1) festzustellen, dass der Beschluss unter TOP 8 a) mit dem beantragten Inhalt gefasst wurde, ist zulässig, aber nur begründet, soweit es um die Prokuraerteilung geht. Im Übrigen wurde kein wirksamer Beschluss gefasst.

4.1. Die Beschlussfeststellungsklage ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderlich Feststellungsinteresse der Klägerin als Gesellschafterin der Beklagten zu 1).

4.2. Aus den oben Ziff. 3.2. dargestellten Gründen wurde ein wirksamer Beschluss gefasst, soweit es um die Geltendmachung von Schadensersatz- und Unterlassungansprüchen gegen den damaligen Geschäftsführer Achim G. und Herrn Christopher S. wegen der Prokuraerteilung geht. Im Übrigen wurde, wie ausführt, mangels eines ausreichend klar dargestellten Sachverhalts der Beschluss nicht wirksam gefasst.

5. Der Antrag der Klägerin, in Richtung auf die Beklagte zu 2) festzustellen, dass die festgestellte Ablehnung des BeschlussantragsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ablehnung
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zu TOP 8 a) nichtig ist und stattdessen der beantragte Beschluss gefasst wurde, ist zulässig, aber unbegründet.

5.1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Da bei einer Kommanditgesellschaft keine vorläufig wirksame Beschlussfeststellung möglich ist, kommt von vornherein nur die Erhebung einer Feststellungsklage in Betracht. Die Klägerin als Kommanditistin der Beklagten zu 2) hat ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 2 ZPO.

Gemäß § 7 Ziff. 9 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten zu 2) (Anlage K 1) ist die Klage gegen die Gesellschaft und nicht gegen die Gesellschafter zu richten.

5.2. Die Klage verbleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

5.2.1. Die Klage wurde rechtzeitig erhoben. Nach § 7 Ziff. 9 des Gesellschaftsvertrags (Anlage K 1) ist die Unwirksamkeit mit einer Klage innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend zu machen. Die Frist beginnt am zweiten Tag nach Absendung des Beschlussprotokolls an die jeweiligen Gesellschafter. Da die Klage am 14.09.2015 bereits einging und am 17.09.2015 an die Beklagte zu 2) zugestellt wurde, ist die Frist gewahrt (s. schon oben Ziff. 3.2.1).

5.2.2. Ein Beschluss entsprechend § 46 Nr. 8 GmbHG ist für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Gesellschafter bzw. deren Organe durch eine Kommanditgesellschaft zwar nicht erforderlich, kann aber gefasst werden (vgl. Karsten Schmidt in Scholz, a.a.O., § 46 Rz. 176).

5.2.3. Der Beschluss wurde mit der nach § 7 Ziff. 6 des Gesellschaftsvertrags (Anlage K 1) nötigen Mehrheit gefasst. Zwar haben sowohl Herr Christopher S. als auch Herr Manfred S. gegen den Antrag gestimmt. Das Stimmrecht von Herrn Christopher S. war jedoch entsprechend § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG ausgeschlossen.

Bei Beschlussfassungen der Gesellschafter über die Einleitung eines Rechtsstreits oder die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen einen Gesellschafter unterliegt der betroffene Gesellschafter auch im Personengesellschaftsrecht einem Stimmverbot. Dem liegt der allgemein geltende Grundsatz – vgl. § 47 Abs. 4 GmbH – zugrunde, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf (BGH, Urteil vom 07.02.2012, II ZR. 230/09, juris Tz. 16; BGH, NZG 2014, S. 945 Tz. 23). Daher kann vorliegend auf die Ausführungen oben Ziff. 3.2.2 verwiesen werden.

5.2.4. Der Beschluss ist jedoch nicht wirksam gefasst, da es an einer ausreichenden Umschreibung eines Lebenssachverhalts, aus dem sich die Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche ergeben könnten, fehlt (vgl. zu diesem Erfordernis schon oben Ziff. 3.2.3.1).

5.2.4.1. Soweit es um die Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. in der Beklagten zu 1), der Komplementärin, geht ist zwar der Lebenssachverhalt insoweit klar umrissen. Es wird aber in keiner Weise dargetan, wie sich aus der Prokuraerteilung selbst Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der Beklagten zu 2) ergeben könnten. Die Benennung und Bestellung von Herrn S. als Prokuristen könnte Pflichten aus der Satzung der Beklagten zu 1) verletzen. Welche Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten zu 2) berührt sein könnten, wird hingegen nicht dargetan und erschließt sich auch nicht. Zudem trägt die Kosten einer Handelsregistereintragung und etwaigen – löschung nicht die Beklagte zu 2) sondern die Komplementärin, die Beklagte zu 1).

Konkrete, die Beklagte zu 2) schädigende oder beeinträchtigende Verhaltensweisen durch Herrn Christopher S. als Prokuristen sind weder im Beschluss zu TOP 8 a) selbst erwähnt noch ergeben sich diese aus TOP 4 a) (vgl. Protokoll Anlage K 13), selbst wenn man diesen zur Auslegung heranziehen würde.

5.2.4.2. Bezüglich der Ansprüche im Zusammenhang mit einem fremdgesteuerten Geschäftsführerhandeln von Herrn G. fehlt es aus den schon oben Ziff. 3.2.3.3 dargelegten Gründen an einem hinreichend klar umrissenen Lebenssachverhalt. Dabei spielt es keine Rolle, dass vorliegend der Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht nach § 46 Nr. 8 GmbHG erforderlich ist. Wenn die Gesellschafterversammlung mit einem solchen Beschluss befasst wird, muss für die abstimmenden Gesellschafter in gleicher Weise wie bei der Beschlussfassung in der GmbH klar sein, welche internen Vorgänge aufgrund des Beschlusses durch eine Klage nach außen getragen werden sollen.

6. Der Antrag der Klägerin in Richtung auf die Beklagte zu 1), die festgestellte Beschlussablehnung bezüglich TOP 8 b) für nichtig zu erklären, ist zulässig und teilweise begründet.

6.1. Die Klage ist zulässig und als Anfechtungsklage auszulegen (s. oben Ziff. 3.1.1 und 3.1.2). Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt das Rechtsschutzbedürfnis nicht allein deshalb, weil Herr B. einer Mail vom 21.11.2016 angekündigt hat, das Geschäftsführeramt zum 31.12.2016 niederzulegen. Selbst wenn man die Behauptung der Beklagten unterstellt, Herr B. stehe nicht mehr als besonderer Vertreter zur Verfügung, ändert dies nichts an der Zulässigkeit der Klage. Die Klägerin als Gesellschafterin der Beklagten zu 1) hat ein berechtigtes Interesse feststellen zu lassen, ob ein Beschluss, über den abgestimmt wurde, rechtmäßig zustande gekommen ist oder – wie vom Versammlungsleiter festgestellt – abgelehnt wurde.

6.2. Die Klage ist begründet, soweit es um die Bestellung von Herrn B. als besonderer Vertreter für die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund der Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. geht.

6.2.1. Ein besonderer Vertreter nach § 46 Nr. 8 2. Alt GmbHG kann nicht nur für Prozesse gegen Geschäftsführer bestellt werden, sondern ebenso, wenn die Gesellschaft – wie hier – auch Ansprüche gegen Gesellschafter durchsetzen will, die zwar nicht Geschäftsführer sind, aber wegen einer Pflichtverletzung gemeinsam mit einem Geschäftsführer in Anspruch genommen werden sollen (BGH, Urteil vom 20.01.1986, II ZR 73/85, juris Tz. 13; BGH, Beschluss vom 02.02.2016, II ZB 2/15, juris Tz. 13). Dabei kann ein Beschluss nach § 46 Nr. 8 2. Alt GmbHG auch gefasst werden, wenn ein für die Vertretung geeigneter Geschäftsführer vorhanden ist (BGH NJW-RR 1992, S. 993; BGH, Urteil vom 07.06.2010, II ZR 210/09, juris Tz. 13) und es um Verfahren gegen ehemalige Geschäftsführer geht (BGH GmbHR 1992, S. 102, 103; BGH, Beschluss vom 02.02.2016, II ZB 2/15, juris Tz. 13).

6.2.2. Herr Christopher S. hatte entsprechend § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG kein Stimmrecht. Der Stimmrechtsausschluss des wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch zu nehmenden Gesellschafters gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 GmbHG einen besonderen Vertreter zu bestellen, der die Gesellschaft im prozess gegen den Gesellschafter vertreten soll. Von dem betroffenen Gesellschafter kann nicht erwartet werden, dass er einen Prozessvertreter auswählt und bestellt, der gegen ihn selbst die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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am entschiedensten vertritt (BGH, Urteil vom 20.01.1986, II ZR 73/85, juris Tz. 12). Auf die Erfolgsaussichten des geplanten Vorgehens kommt es für den Stimmrechtsausschluss nicht an (BGH, Urteil vom 20.01.1986, II ZR 73/85, juris Tz. 14).

6.2.3. Entgegen der Ansicht des Klägers verstießen Frau Petra R. und Herr Gabrijel R. nicht gegen ihre gesellschafterlichen Treuepflichten, indem sie für die Bestellung von Herrn B. als besonderem Vertreter stimmten, auch wenn es sich hierbei um den von der Gesellschafterfamilie R. entsandten Geschäftsführer handelt. Gegen eine Treuwidrigkeit spricht, dass im Grundsatz jeder Gesellschafter bei der Stimmabgabe frei ist und eine Treuwidrigkeit der Stimmabgabe nur ausnahmsweise in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2016, II ZR 275/14, juris Tz.14).

6.2.3.1. Allein die jahrelangen Streitigkeiten zwischen den Familienstämmen genügen nicht, die Stimmabgabe als treuwidrig anzusehen. Denn mit der Bestellung von Herrn Ulrico B. als besonderer Vertreterin kann der Familienstamm R. nur erreichen, dass etwaige Schadensersatzansprüche gegen Herrn Christopher S. und Herrn Achim G. durch ein unabhängiges Gericht geprüft werden. Konkrete Vorteile oder eine weitergehende Einflussmöglichkeit sind für den Familienstamm R. damit nicht verbunden.

6.2.3.2. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Herr Ulrico B. als besonderer Vertreter von vornherein ungeeignet wäre.

Soweit die Beklagten auf angebliche Pflichtverletzungen von Herrn B. im Zusammenhang mit einer Klage von Frau Petra R. gegen die slowenische Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2) auf Zahlung ihres Geschäftsführergehalts verweisen, dringen sie damit nicht durch. Die maßgeblichen Vorfälle ereigneten sich nach dem Vortrag der Beklagten im Dezember 2015 und Januar 2016. Für die Wirksamkeit des hier streitgegenständlichen Beschlusses vom 15.07.2015 können diese Ereignisse mithin keine Berücksichtigung finden.

Aus demselben Grund ist die mit Mail vom 21.11.2016 durch Herrn B. angekündigte Niederlegung seines Amts als Geschäftsführer zum 31.12.2016 sowie die von den Beklagten behauptete fehlende Bereitschaft von Herrn B., noch als besonderer Vertreter zur Verfügung zu stehen, ohne Belang. Auch insoweit handelt es sich um einen nach der Beschlussfassung eingetretenen Umstand, der auf die Wirksamkeit des Beschlusses keinen Einfluss hat. Dass Herr B. schon am 15.07.2015 erklärt hätte, er werde nicht als besonderer Vertreter zur Verfügung stehen, behaupten noch nicht einmal die Beklagten.

Ohne Erfolg bleibt der pauschale Vortrag der Beklagten, Herr B. hätte nicht als besonderer Vertreter bestellt werden dürfen, weil er bereits vor der streitgegenständlichen Beschlussfassung als Geschäftsführer abberufen worden wäre. Die Tätigkeit als besonderer Vertreter ist mit der eines Geschäftsführers nicht vergleichbar. Ein Geschäftsführer ist ein nach § 35 Abs. 1 GmbHG umfassend zur Vertretung der Gesellschaft befugtes Organ. Die Befugnisse eines besonderen Prozessvertreters umfassen hingegen einen inhaltlich eng begrenzten Bereich und beinhalten gerade keine umfassende Vertretungsmacht. Letztlich geht es nur darum, die Überprüfung der behaupteten Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche durch ein unabhängiges Gericht zu ermöglichen.

6.3. Die Klage ist unbegründet, soweit sie die Bestellung als besonderer Vertreter zur Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem „fremdgesteuerten Geschäftsführungshandeln des Herrn G. („auf Order“)“ betrifft. Insoweit wurde schon die Geltendmachung der Ansprüche nach § 46 Nr. 8 1. Alt GmbHG nicht wirksam beschlossen, s. oben Ziff. 3.2.3, die Bestellung eines besonderen Vertreters hierfür ist daher entsprechend § 139 BGB ebenfalls unwirksam.

7. Der Antrag der Klägerin in Richtung auf die Beklagte zu 1) festzustellen, dass die Beschlüsse zu TOP 8 b) gefasst wurden, ist zulässig, aber aus den oben Ziff. 6 dargestellten Gründen nur begründet, soweit es um die Bestellung von Herrn B. als besonderen Vertreter für die Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen wegen der Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. geht.

8. Der Antrag der Klägerin in Richtung auf die Beklagte zu 2) festzustellen, dass die von Herrn Christopher S. festgestellte Beschlussablehnung zu TOP 8 b) nichtig ist und stattdessen der Beschluss antragsgemäß gefasst wurde, ist zulässig aber unbegründet.

8.1. Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Feststellungsklage ist zulässig, s. oben Ziff. 5.1. Das Feststellungsinteresse der Klägerin als Gesellschafterin der Beklagten zu 2) besteht unabhängig davon, ob Herr B. angekündigt hat, nicht mehr als besonderer Vertreter zur Verfügung zu stehen (s. oben Ziff. 6.1).

8.2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Wie oben ausgeführt (Ziff. 5.2) wurde in Richtung auf die Beklagte zu 2) kein wirksamer Beschluss gefasst, dass Schadensersatz – und Unterlassungsansprüche gegen Herrn Achim G. und Herrn Christopher S. geltend gemacht werden. Der Beschluss über die Bestellung eines besonderen Vertreters hierfür ist daher nach § 139 BGB ebenfalls unwirksam.

9. Die Berufung der Beklagten zu 1) hat Erfolg, soweit sie die Aufhebung des landgerichtlichen Tenors Ziff. 1 in der durch Beschluss vom 27.06.2016 berichtigten Fassung und die Klageabweisung insoweit begehrt. Der Beschluss zu TOP 9 wurde nicht wirksam gefasst, der Beschlussantrag wurde, wie vom Versammlungsleiter festgestellt, abgelehnt.

9.1. Dahingestellt bleiben kann, ob das Landgericht mit Beschluss vom 27.06.2016 (Bl. 134 ff d.A.) den Tenor nach § 319 ZPO berichtigen durfte oder ob stattdessen eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO hätte erfolgen müssen. Der Tenor, soweit das Landgericht der Klage stattgegeben hat, ist aus den nachstehenden Gründen insgesamt aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen. Mangels Beschwerde der Parteien gegen die Berichtigung ist der Beschluss bestandskräftig. Mithin ist der Tenor in der berichtigten Form nunmehr vom Senat im Wege der Berufung zu überprüfen.

9.2. Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen die festgestellte Beschlussablehnung auszulegen (s. oben Ziff. 3.1.2.1) und als solche zulässig.

Herr Christopher S. war auch insoweit zur Beschlussfeststellung befugt und nicht wegen einer etwaigen Befangenheit ausgeschlossen (s. oben Ziff. 3.1.2.2).

Der Anfechtungsklage fehlt auch nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil Herr B. angekündigt hat, sein Geschäftsführeramt niederzulegen. Zum einen fehlt es bislang an einer tatsächlichen Niederlegung des Amts. Zum anderen hat die Klägerin als Gesellschafterin der Beklagten zu 1) ein berechtigtes Interesse daran klären zu lassen, ob ein Beschluss, über den abgestimmt wurde, wirksam zustande gekommen ist oder berechtigterweise als abgelehnt festgestellt wurde.

9.3. Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet, der Beschlussantrag zu TOP 9) wurde, wie vom Versammlungsleiter festgestellt, abgelehnt.

9.3.1. Unstreitig haben für den Beschlussantrag Gabriel und Petra R., gegen den Beschlussantrag Manfred und Christopher S. gestimmt. Eine Stimmmehrheit ist damit nicht erreicht.

9.3.2. Herr Christopher S. durfte sein Stimmrecht ausüben.

9.3.2.1. Bei einer Beschlussfassung nach § 46 Nr. 7 GmbHG über die Erteilung von Prokura an einen Gesellschafter ist dieser stimmberechtigt. Es handelt sich insoweit, ähnlich der Bestellung eines Gesellschafters zum Geschäftsführer, um einen Organisationsakt, so dass ein Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 GmbHG nicht besteht (Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl, § 46 Rz. 128; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl, § 46 Rz. 52; a.A. ohne Begründung Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl, § 46 Rz. 52). Wird mit der Entscheidung über den Entzug der einem Gesellschafter erteilten Prokura die Gesellschafterversammlung befasst, gelten daher ebenfalls die gleichen Grundsätze wie bei der Abberufung eines Geschäftsführers. Somit ist der Gesellschafter auch bei dieser Entscheidung stimmberechtigt. Anderes gilt nur dann, wenn der Entzug der Prokura auf eine Pflichtverletzung des Gesellschafters als Prokuristen gestützt wird, er damit einen Grund für den Entzug der Prokura gegeben hat, und quasi als Richter in eigener Sache sein eigenes Verhalten beurteilen, billigen oder missbilligen müsste (BGH, Urteil vom 27.04.2009, II ZR 167/07, juris Tz. 28 ff). Keinen Unterschied macht es hierfür, dass der Beschlussantrag nicht die Entziehung, sondern lediglich die Weisung an den Geschäftsführer B. enthält, Herrn Christopher S. die erteilte Prokura zu entziehen.

9.3.2.2. Nach diesen Grundsätzen war Herr Christopher S. stimmberechtigt. Die Klägerin hat die Entziehung der Prokura in der Gesellschafterversammlung vom 15.07.2015 (Prokoll S. 7, Anlage K 13) ausschließlich damit begründet, dass bereits die Ausübung des Benennungsrechts durch die Gesellschafterfamilie S. und die Erteilung der Prokura an ihn durch den damaligen Geschäftsführer Achim G. ein Verstoß gegen § 6 Ziff. 5 der Satzung und/oder die gesellschafterliche Treuepflicht gewesen sei. Ob dies zutrifft, ist bereits zweifelhaft (s. unten Ziff. 9.3.3.2 und Ziff. 9.3.3.3). Jedenfalls führt dies aber nicht dazu, dass Herr Christopher S. nach den obigen Grundsätzen gerade ein eigenes Verhalten (als Prokurist) zu beurteilen hätte und daher zum „Richter in eigener Sache“ würde. Die Beschlussfassung zu TOP 9) zielt im Kern gerade nicht auf die Billigung oder Missbilligung eines Verhaltens von Herrn Christopher S. ab. Stattdessen geht es letztlich um die zwischen den Parteien umstrittene Auslegung von § 6 Ziff. 5 der Satzung und den etwaigen Umfang einer gesellschafterlichen Treupflicht bei der Ausübung des Benennungsrechts.

Etwaige von Herrn Christopher S. als Prokuristen begangene Pflichtverletzungen wurden in der Gesellschafterversammlung unstreitig nicht thematisiert. Soweit die Klägerin nunmehr auf angeblich pflichtwidriges Verhalten von Herrn Christopher S. im Jahr 2016, insbesondere die eigenmächtige Zustimmungserklärung zum Schuldenbereinigungsplan für den kanadischen Vertriebspartner EDS, verweist, vermögen diese Vorfälle jedenfalls kein Stimmverbot von Herrn Christopher S. bei der Gesellschafterversammlung am 15.07.2015 begründen.

9.3.3. Die Ausübung des Stimmrechts durch Herrn Manfred S. und Herrn Christopher S. war nicht treuwidrig. Sie waren nicht aus gesellschafterlicher Treuepflicht gehalten, dem Beschlussantrag zu TOP 9) zuzustimmen

Im Grundsatz ist jeder Gesellschafter bei der Stimmabgabe frei. Eine Pflicht, aufgrund der gesellschafterlichen Treuepflicht sein Stimmrecht in einer bestimmten Weise auszuüben, kommt nur ausnahmsweise in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2016, II ZR 275/14, juris Tz. 14). Bei Maßnahmen der Geschäftsführung etwa kommt eine Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit nur in Betracht, wenn der Gesellschaftszweck eine bestimmte Maßnahme zwingend gebietet, also die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung des Geschaffenen oder zu Vermeidung von Verlusten dringend geboten ist, und dem Gesellschafter die Zustimmung zumutbar ist (BGH, a.a.O., Tz. 16).

Auch wenn es sich bei der Anweisung an den Geschäftsführer B., Herrn Christopher S. die Prokura zu entziehen, nicht um eine typische Geschäftsführungsmaßnahme handelt, sind die in der o.g. Entscheidung aufgestellten hohen Maßstäbe für die Bejahung einer Stimmpflicht auch vorliegend nicht ohne Bedeutung. Der Grundsatz, dass jeder Gesellschafter nur in eng begrenzten Ausnahmefällen sein Stimmrecht in einer bestimmten Weise auszuüben hat, ist von allgemeiner Gültigkeit. Vorliegend käme daher eine aus der gesellschafterlichen Treuepflicht abzuleitende Pflicht von Herrn Manfred S. und Herrn Christopher S., dem Beschlussantrag zu TOP 9) zuzustimmen, allenfalls in Betracht, wenn die Rechtslage völlig eindeutig wäre, die Benennung von Herrn Christopher S. einen klaren und offensichtlichen Verstoß gegen die Satzung dargestellt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall:

9.3.3.1. Ob die Benennung von Herrn Christopher S. gegen § 6 Ziff. 5 der Satzung verstieß, weil für den Bereich Vertrieb zusätzlich Herrn Sch. als Prokurist tätig war, ist jedenfalls nicht eindeutig.

Nach dem Wortlaut von § 6 Ziff. 5 der Satzung ist jede Gesellschafterfamilie berechtigt, für ihren Geschäftsbereich jeweils einen Prokuristen zu benennen. Herr Sch. war durch Beschluss der Gesellschafterversammlung zum Prokuristen bestellt worden. Nach dem Wortlaut der Satzung war es daher nicht ausgeschlossen, dass die Gesellschafterfamilie S. ihr Benennungsrecht mit der Benennung von Herrn Christopher S. ausübte. Eine Regelung dazu, es dürfe pro Geschäftsbereich Vertrieb bzw. Technik insgesamt nur ein Prokurist bestellt sein, findet sich in der Satzung nicht.

Grundsätzlich ist die Satzung aus sich selbst heraus und allenfalls anhand allgemein zugänglicher, sie betreffender Unterlagen auszulegen. Der Wille der Gründer und ihre für Dritte nicht erkennbaren Vorstellungen können nicht herangezogen werden (BGH GmbHR 2012, S. 92 Tz. 8; BGH GmbHR 1992, S. 257, 258). Eine Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Satzung kommt daher allenfalls in Betracht, wenn es sich nur um gesellschaftsinterne Probleme unter den Gründungsgesellschaftern handelt, ein Wechsel der Gesellschafter also noch nicht stattgefunden hat (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl, § 2 Rz. 19; Emmerich/Wicke in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl, § 2 Rz. 38 f).

Nach diesen Maßstäben ist vorliegend eine Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte von § 6 Ziff. 5 der Satzung grundsätzlich möglich, da es seit Einfügung dieser Satzungsbestimmung mit Vergleich vom 25.06.2013 (Anlage B 1) keinen Gesellschafterwechsel bei den Beklagten gab. Jedoch trägt keine der Parteien vor, dass über die Frage, ob es pro Geschäftsbereich insgesamt nur einen oder mehr als einen Prokuristen geben sollte, vor Abschluss des Vergleichs unter den Gesellschaftern gesprochen und Einigkeit erzielt wurde. Dass nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen sei, dass es nur einen Prokuristen pro Geschäftsbereich geben soll (so Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 10.11.2016, S. 4, Bl. 189 d.A.) bzw. dass keine Rede davon gewesen sei, dass die Zahl der Prokuristen ausgeweitet werden soll (so Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 11.10.2016, S. 10, Bl. 179 d.A.), kann als wahr unterstellt werden.

Die Tatsache, dass es bei Vergleichsschluss für jeden Geschäftsbereich einen Prokuristen gab, aber nur der Prokurist für den Bereich Technik, Herr H., kurz vor dem Ende seiner beruflichen Tätigkeit stand und zum 31.12.2014 Ausscheiden sollte, führt ebenfalls zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. Einerseits lässt sich – im Sinne der Klägerin – argumentieren, dieser auch der Familie S. bekannte Anlass für das von der Familie R. gewünschte Entsenderecht belege, dass es letztlich nur darum ging sicherzustellen, dass es auch für die Zeit nach dem Ausscheiden von Herrn H. wieder einen Prokuristen für den Bereich Vertrieb gebe. Andererseits hätte dann aber nahegelegen, in die Satzungsänderung ausdrücklich aufzunehmen, dass die Gesamtzahl an Prokuristen pro Geschäftsbereich nicht überschritten werden sollte. Stattdessen erhielt auch die Familie S. das Entsenderecht ab 01.01.2015 ohne Einschränkungen, obwohl bekannt war, dass der für den Bereich Vertrieb bestellte Prokurist Sch. zu diesem Datum seine Tätigkeit aller Voraussicht nach nicht beenden würde. Dies spricht dafür, dass eine Beschränkung der Zahl der Prokuristen pro Geschäftsbereich gerade nicht beabsichtigt war.

Für die Ansicht der Klägerin könnte hingegen sprechen, dass die Gesellschafterfamilien R. und S. jedenfalls auf der Mutterebene des Konzerns streng auf eine Parität der Familien und der Geschäftsbereiche achten. Die Auslegung der Beklagten führt dazu, dass im Geschäftsbereich Vertrieb zwei Prokuristen tätig sind, für den Geschäftsbereich Technik die Gesellschafterfamilie R. aber allenfalls dann einen zweiten Prokuristen bestellen kann, wenn dieser die Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und damit der Gesellschafter Manfred und/oder Christopher S. findet.

Letztlich lässt sich jedenfalls kein völlig klares, eindeutiges Auslegungsergebnis finden.

9.3.3.2. Aus der Satzung ergibt sich auch nicht hinreichend klar und eindeutig, dass keine Gesellschafter als Prokuristen benannt werden dürfen.

Der Text der Satzung spricht eher für das Gegenteil. In § 6 Abs. 3 der Satzung ist ausdrücklich geregelt, dass die Gesellschafter nicht als Geschäftsführer entsendet werden dürfen. In § 6 Ziff. 5 der Satzung fehlt bezüglich des Benennungsrechts für Prokuristen eine entsprechende Ausschlussklausel.

Auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte ergibt sich jedenfalls kein eindeutiges Ergebnis. Einerseits diente der Vergleichsschluss am 23.06.2013 (Anlage B 1) gerade dazu, eine Befriedung zwischen den Gesellschaftern zu erreichen. Dass hierfür die Benennung der früheren Geschäftsführer Petra R. und Christopher S., die jeweils rechtskräftig aus wichtigem Grund abberufen worden waren, als Prokuristen nicht dienlich sein würde, liegt auf der Hand. Andererseits wussten die Gesellschafter aber um die jahrelangen Streitigkeiten zwischen den Gesellschafterfamilien und hatten daher hinsichtlich des Entsenderechts als Geschäftsführer eine ausdrückliche Regelung vorgesehen. Somit hätte es nahegelegen, wenn ein Ausschluss auch bezüglich der Prokuristenstellung gewollt gewesen wäre, diesen explizit zu regeln.

9.3.3.3. Die Gesellschafter der Familie S. waren aus Treuegesichtspunkten nicht deshalb zur Zustimmung verpflichtet, weil Christopher S. als Prokurist völlig ungeeignet wäre.

Dass es zwischen der Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. und der Gesellschafterversammlung vom 15.07.2015 Pflichtverletzungen von Herrn Christopher S. als Prokurist gegeben hätte, behauptet auch die Klägerin nicht.

Die von der Klägerseite geschilderten Vorfälle im Jahr 2016, insbesondere eine eigenmächtig erteilte Zustimmung zum Schuldenbereinigungsplan für den kanadischen Vertriebspartner EDS könnte zwar eventuell einen wichtigen Grund in der Person von Herrn S. für den Entzug der Prokura begründen. Indessen sind diese Vorfälle für die im Juli 2015 gefassten Beschlüsse ohne Belang.

Soweit die Klägerin auf die Pflichtverletzungen von Herrn Christopher S. verweist, die im Jahr 2008 zu seiner Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund führten, dringt sie damit ebenfalls nicht durch. Zum einen handelt es sich um Vorfälle, die bereits ganz erhebliche Zeit zurückliegen. Dass diese Herrn Christopher S. lebenslang als ungeeignet zur Übernahme verantwortungsvoller Positionen bei den Beklagten erscheinen ließen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Zum anderen ist die Stellung eines Prokuristen mit der eines Geschäftsführers nicht vergleichbar. Auch wenn einem Prokuristen Einzelprokura erteilt wird, ist er dennoch kein Organ der Beklagten zu 1).

Die von der Klägerin im hiesigen Verfahren geschilderten Pflichtverletzungen von Herrn Christopher S. im Zeitraum ab August 2011 bis April 2012 (Bl. 62 bis 68 d.A.) führen nicht dazu, dass die Gesellschafter der Familie S. aus Treuegesichtspunkten verpflichtet gewesen wäre, dem Beschlussantrag unter TOP 9) zuzustimmen. Für die Frage, ob ein Gesellschafter bei der Abstimmung gegen seine Treupflicht verstoßen hat, kommt es gerade darauf an, welche Gründe aus Sicht der anderen, den Beschluss beantragenden Gesellschafter den Beschluss rechtfertigen sollen. Dies können nur Gründe sein, die auch Gegenstand der konkreten Gesellschafterversammlung waren. Die von der Klägerin im hiesigen Verfahren geschilderten Tätigkeiten von Herrn Christopher S. zwischen August 2011 und April 2012 waren aber ausweislich des Protokolls (Anlage K 13) gerade nicht Gegenstand der Gesellschafterversammlung vom 15.07.2015.

9.4. Da der Beschlussantrag zu TOP 9), wie ausgeführt, abgelehnt wurde, ist die – zulässige – positive Beschlussfeststellungsklage der Klägerin hierzu unbegründet

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Senat ist dabei davon ausgegangen, dass der Streitwert bezüglich TOP 8 a), 8 b) und 9) jeweils 20.000,00 Euro beträgt und der Streitwert von TOP 8 a) und TOP 8 b) jeweils zu gleichen Teilen auf die Anträge in Richtung auf die Beklagte zu 1) und in Richtung auf die Beklagte zu 2) entfällt. Des Weiteren war zu berücksichtigen, dass die Klägerin auch bezüglich TOP 8 a) und b) gegenüber der Beklagten zu 1) nicht in vollem Umfang obsiegt, sondern nur soweit die Beschlüsse sich auf die Geltendmachung von Schadensersatz – und Unterlassungsansprüchen im Zusammenhang mit der erfolgten und einer etwaigen künftigen Prokuraerteilung an Herrn Christopher S. bezogen haben.

11. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

12. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

Schlagworte: Abberufung des Versammlungsleiters, Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten, Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb, durch Versammlungsleiter, Entzug Prokura, Ersatzansprüche, Geltendmachung von Ersatzansprüchen, Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer und Gesellschafter, Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Gesellschafter, Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder, Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG, Kein Stimmverbot bei körperschaftlichen Sozialakten, Prokura, Schadensersatzanspruch gegen Geschäftsführer, Stimmverbot des Versammlungsleiters, Versammlungsleiter, Zuständigkeiten nach § 46 GmbHG

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