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LG Hannover, Urteil vom 16.08.2022 – 32 O 116/22 

Abberufung Geschäftsführer einstweilige Verfügung Verfügungsanspruch und -grund

§ 940 ZPO, § 46 Nr 8 GmbHG

1. Ein Geschäftsführer kann gegen seine Abberufung vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen und den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, die es ihm ermöglicht, zeitlich oder sachlich beschränkt, seine Tätigkeit als Geschäftsführer bis zu einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache fortzuführen.

2. Gesellschaft und deren Geschäftspartner benötigen Klarheit, ob der Geschäftsführer (als Verfügungskläger) bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin die Geschäfte der Gesellschaft führen und diese vertreten kann.

3. Abberufungsbeschluss eines Geschäftsführers und Bestellung eines Notgeschäftsführers haben Dauerwirkung. Eine dadurch bewirkte zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung ist unwirksam, wenn der Beschluss nicht gleichzeitig in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wird.

Tenor

1. Dem Verfügungskläger wird einstweilen gestattet, das Amt des Geschäftsführers weiterhin auszuüben. Diese Entscheidung gilt bis zur Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung der Verfügungsbeklagten vom 25. Juli 2022 (Rechtsstreit 32 O XXX/XX Landgericht Hannover), es sei denn, der Aufsichtsrat der Verfügungsbeklagten beschließt zwischenzeitlich die Abberufung des Verfügungsklägers als Geschäftsführer oder die Gesellschafterversammlung zieht die Zuständigkeit für die Abberufung durch Änderung des Gesellschaftsvertrags an sich und beschließt ihrerseits erneut die Abberufung des Verfügungsklägers.

2. Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, bis zur Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit des in Ziffer 1 genannten Abberufungsbeschlusses auf der Grundlage jenes Beschlusses Handlungen vorzunehmen, die darauf gerichtet sind, dass im Handelsregister eingetragen wird, der Verfügungskläger sei nicht mehr Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten.

3. Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

Tatbestand

Der Verfügungskläger begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Zusammenhang mit einem – seiner Ansicht nach unwirksamen – Beschluss der Gesellschafterversammlung über seine Abberufung als Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten.Randnummer2

Die Verfügungsbeklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Haftung
. Ihr alleiniger Gesellschafter ist der Verein XXX (nachfolgend kurz: Verein). Zu den Organen der Verfügungsbeklagten gehört ein Aufsichtsrat mit vier Mitgliedern.Randnummer3

Gemäß § 6 des – auch als Satzung bezeichneten – Gesellschaftsvertrags der Verfügungsbeklagten (Fassung Stand 18.10.2006: Anlage ASt 6, Anlagenband ASt.) hat die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer. Derzeit ist im Handelsregister als (alleiniger) Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten der Verfügungskläger eingetragen [4]. Der Verfügungskläger war bis zu seiner Abwahl im Jahr 2019 auch Vorstand des Vereins.Randnummer4

Die Verfügungsbeklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der XXX (nachfolgend kurz: KGaA). Die KGaA wiederum unterhält die am XXX/XXX-Ligabetrieb teilnehmende XXXmannschaft „XXX“. Kommanditaktionärin der KGaA ist die XXX (nachfolgend kurz: XXX KG). Zu den Organen der KGaA gehört ein Aufsichtsrat, dessen Mitglieder überwiegend von der Hauptversammlung der KGaA mit einfacher Mehrheit bestimmt werden.Randnummer5

In § 7 des Gesellschaftsvertrags der Verfügungsbeklagten ist festgelegt, dass Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer dem Aufsichtsrat der Verfügungsbeklagten obliegen. Gemäß § 10 der Satzungüberwacht [der Aufsichtsrat] die Geschäftsführung und nimmt die sonstigen ihm nach Gesetz und Satzung obliegenden Aufgaben wahr“. Von den vier Mitgliedern des Aufsichtsrats werden zwei vom Verein entsandt; die beiden weiteren Mitglieder des Aufsichtsrats der Verfügungsbeklagten bestimmt der Aufsichtsrat der KGaA (§ 8 der Satzung).Randnummer6

Im Jahr 2019 schlossen der Verein, die KGaA und die S&S KG einen als „XXX-Vertrag“ bezeichneten Vertrag (Anlage ASt 4). Durch den XXX-Vertrag hat sich der Verein verpflichtet, die Satzung der Verfügungsbeklagten nicht ohne vorherige schriftliche Zustimmung der XXX KG zu ändern, zu ergänzen oder zu ersetzen. Es ist ausdrücklich angegeben, dass dies insbesondere für die „Funktion“ des Aufsichtsrats, den oder die Geschäftsführer zu bestellen, gelte.Randnummer7

Zudem trafen der Verein und die XXX KG am 23. August 2019 eine Fördervereinbarung (Anlage ASt 5). Sie enthält die Zusage der XXX KG, zur Unterstützung des Breitensports jährlich € 300.000,00 zu spenden.Randnummer8

Zu einem nicht näher angegebenen Zeitpunkt lud der Verfügungskläger den Verein als alleinigen Gesellschafter der Verfügungsbeklagten zur Durchführung einer Gesellschafterversammlung. Den Zeitpunkt der Versammlung legte er dabei auf den 27. Juli 2022.Randnummer9

Zwei Tage vor dem vom Geschäftsführer bestimmten Termin, am 25. Juli 2022, suchten Mitglieder des Vorstands des Vereins einen Notar auf. Der durch die Vorstandsmitglieder vertretene Verein hielt unter Verzicht auf Einhaltung der Form- und Fristvorschriften eine notariell protokollierte (Anlage ASt 9) außerordentliche Gesellschafterversammlung ab. Als alleiniger Gesellschafter der Verfügungsbeklagten fasste der Verein den Beschluss, den Verfügungskläger „mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer der [Verfügungsbeklagten] ab[zu]berufen“.Randnummer10

Am 27. Juli 2022 fand dann die zuvor vom Verfügungskläger einberufene ordentliche GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
ordentliche Gesellschafterversammlung
der Verfügungsbeklagten statt. Zu Beginn jener Versammlung wusste der Verfügungskläger noch nicht, dass der Verein bereits zwei Tage zuvor eine außerordentliche Gesellschafterversammlung abgehalten und einen Beschluss mit dem Inhalt der sofortigen Abberufung gefasst hatte. Der (vom Verein in den Aufsichtsrat der Verfügungsbeklagten entsandte) Aufsichtsratsvorsitzende XXX schlug dem Verfügungskläger zunächst vor, das Amt als Geschäftsführer mit Wirkung zum 31.12.2022 niederzulegen. (Erst) als der Verfügungskläger jenem Vorschlag nicht zustimmte, übergab Rechtsanwalt XXX als Bevollmächtigter des Vereins dem Verfügungskläger das Protokoll der Versammlung vom 25. Juli 2022.Randnummer11

Der Verfügungskläger meint unter Hinweis auf § 7 des Gesellschaftsvertrags, der Abberufungsbeschluss vom 25.07.2022 sei unwirksam, da allein der Aufsichtsrat die Bestellung und die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Abberufung des Geschäftsführers
vornehmen könne, nicht aber die Gesellschafterversammlung. Zudem verstoße der Verein als alleiniger Gesellschafter der GmbH gegen den XXX-Vertrag vom 23. August 2019.Randnummer12

Der Beschluss sei kein zulässiger satzungsdurchbrechender BeschlussBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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satzungsdurchbrechender Beschluss
im Sinne der Rechtsprechung, da er nicht lediglich punktuell (einmalig für den Einzelfall), sondern strukturell in die Gesellschaft eingreife. Ein „zustandsbegründender“ Beschluss erfordere die Einhaltung der für eine Satzungsänderung erforderlichen Formvorschriften, was vorliegend nicht gegeben sei. Der Beschluss habe eine dauerhafte, zustandsbegründende Änderung des Gesellschaftsvertrags zur Folge, denn im Aufsichtsrat herrsche ein „Pattsituation“, was auch dadurch deutlich werde, dass noch kein neuer Geschäftsführer bestellt worden sei. Die Bestellung eines neuen Geschäftsführers durch Organe der Gesellschaft bedürfe, da der Aufsichtsrat uneinig sei, einer weiteren Satzungsdurchbrechung seitens des Vereins.Randnummer13

Einer Satzungsänderung durch den Verein wiederum stehe der XXX-Vertrag entgegen.Randnummer14

Soweit es dem Verein zufolge für die Abberufung einen wichtigen Grund gegeben haben soll, was jedoch nicht zutreffe, und soweit im Abberufungsbeschluss angedeutet sei, dass er, der Verfügungskläger, Weisungen des Vereins nicht beachtet habe, gehe der Vorwurf schon deshalb ins Leere, weil nicht der Verein als Gesellschafter, sondern nur der Aufsichtsrat berechtigt sei, dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen. Ein Weisungsrecht des alleinigen Gesellschafters würde, so der Verfügungskläger, dem Aufgabenkreis des Aufsichtsrats, den Geschäftsführer zu bestellen, dessen Geschäftsführung zu überwachen und ihn abzuberufen, zuwiderlaufen.Randnummer15

Der Verfügungskläger beantragt,Randnummer16

1. dem Verfügungskläger zu gestatten, das Amts des Geschäftsführers einstweilen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit des Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Verfügungsbeklagten vom 25. Juli 2022 über die Abberufung des Verfügungsklägers als Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten, weiterhin auszuüben.Randnummer17

2. der Verfügungsbeklagten es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu untersagen, Anmeldungen zum Handelsregister weiter zu betreiben, die die Löschung des Antragsstellers als Geschäftsführer der Antragsgegnerin zum Gegenstand haben.Randnummer18

Die Verfügungsbeklagte beantragt,Randnummer19

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.Randnummer20

Sie macht unter Hinweis auf § 37 Abs. 1 GmbHG sowie auf § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags geltend, der Verein habe gegenüber dem jeweiligen Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten – hier also gegenüber dem Verfügungskläger – ein Weisungsrecht. Das Weisungsrecht werde weder durch Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag noch durch den XXX-Vertrag verdrängt. Zu bedenken sei dabei, dass im Fall der gesellschaftsrechtlichen Ausgliederung der Profiabteilung der sog. Mutterverein nach den verbandsrechtlichen Bestimmungen des XXX e.V., zu denen die 50+1-Regel gehöre, ein uneingeschränktes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung haben müsse.Randnummer21

Die Verfügungsbeklagte behauptet, der Verfügungskläger habe im Zusammenhang mit Personalentscheidungen gegen am 1. Juni 2021 und am 7. Juni 2021 erteilte Weisungen des Vereins verstoßen. Sie meint, es habe deshalb ein wichtiger Grund für seine Abberufung vorgelegen. In einem solchen Fall stehe der Gesellschafterversammlung, hier also dem Verein, eine Abberufungskompetenz unabhängig von der im Gesellschaftsvertrag festgelegten Kompetenzverteilung zu.Randnummer22

Unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes sei der Abberufungsbeschluss vom 25. Juli 2022 aber auch deshalb wirksam, weil es sich bei der Beschlussfassung vom 25. Juli 2022 um einen einmaligen Vorgang gehandelt habe. Es liege ein lediglich punktuell satzungsdurchbrechender BeschlussBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschluss
satzungsdurchbrechender Beschluss
vor. Der Beschluss sei wirksam, zumal er – insoweit unstreitig – notariell beurkundet wurde.Randnummer23

Die Satzungsdurchbrechung sei nicht als zustandsbegründend einzustufen. Der Aufsichtsrat der Verfügungsbeklagten sei weiterhin befugt, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Bei entsprechender Einigkeit hätte er dies bereits tun können. Ob der Aufsichtsrat dafür aktuell eine Mehrheit findet, sei unerheblich. Die Einstufung des Abberufungsbeschlusses als punktuell oder zustandsbegründend könne nicht davon abhängen, wie sich andere Organe der Gesellschaft später verhalten.Randnummer24

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vortrag der Parteien wird auf ihre vorbereitenden anwaltlichen Schriftsätze Bezug genommen. Die Verfügungsbeklagte hat dabei ihrerseits auf die im Namen des Vereins eingereichte Schutzschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Diese Entscheidung ergeht weder im Wege des Versäumnisurteils (§ 331 ZPO), noch als Entscheidung nach Lage der Akten im Sinne von § 331a ZPO, sondern durch Schlussurteil. Die Verfügungsbeklagte ist durch die für sie in der mündlichen Verhandlung auftretende Rechtsanwaltsgesellschaft XXX anwaltlich vertreten. Die Rechtsanwaltsgesellschaft ist wirksam als Verfahrensbevollmächtigte bestellt worden, obgleich Herr XXX bei der Auftragserteilung nicht im Namen des Aufsichtsrats gehandelt hat, sondern als vom alleinigen Gesellschafter bestimmter besonderer Vertreter.Randnummer26

1. Die Kammer lässt offen, ob die Verfügungsbeklagte im Zeitpunkt des Eingangs der Antragsschrift bei Gericht und im Zeitpunkt der Zustellung der Antragsschrift nebst Terminladung durch ihren Aufsichtsrat vertreten wurde.Randnummer27

Sollte das zu bejahen sein, wozu die Kammer neigt, folgt das allerdings nicht unmittelbar aus § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 112 AktG, denn nach § 8 Abs. 6 der Satzung finden die in § 52 GmbHG angegebenen Vorschriften des AktG (zu denen § 112 AktG gehört) auf den Aufsichtsrat nur insoweit Anwendung, als sie im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich aufgeführt sind. Eine § 112 AktG entsprechende Regelung enthält der Gesellschaftsvertrag jedoch nicht.Randnummer28

Die Satzung der Verfügungsbeklagten dürfte aber unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs (Annexkompetenz) gleichwohl dahingehend auszulegen sein, dass die Gesellschaft in die Geschäftsführung betreffenden Angelegenheiten von ihrem Aufsichtsrat jedenfalls solange vertreten wird, wie die Gesellschafterversammlung nichts Abweichendes beschlossen hat.Randnummer29

2. Eine abschließende Entscheidung zu diesem Punkt ist entbehrlich. Denn seit der Bestellung des Herrn XXX als besonderen Vertreter im Sinne des § 46 Nr. 8 GmbHG wird die Verfügungsbeklagte jetzt durch ihn vertreten, so dass er bestimmen konnte, welche Rechtsanwälte die Verfügungsbeklagte vertreten. Er nimmt insoweit – für das vorliegende Verfahren – den Platz des gesetzlichen Vertreters ein. Auf die Formulierung im Beschluss der Gesellschafterversammlung kommt es dabei nicht an. Mag die Formulierung auch missverständlich sein, ist dem Beschluss deutlich zu entnehmen, dass Herr XXX besonderer Vertreter der Verfügungsbeklagten im vorliegenden Verfahren sein soll.Randnummer30

Der Gesellschafterbeschluss über die Bestellung eines besonderen Vertreters ist wirksam. § 46 Nr. 8 Halbsatz 2 GmbHG ist durch die Satzung bei verständiger Auslegung des Gesellschaftsvertrags jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn aus Sicht eines verständigen Beobachters anzunehmen ist, dass der Aufsichtsrat selbst außerstande ist, im Rahmen der Vertretung gebotene Entscheidungen – beispielsweise zu den Fragen, wer als anwaltlicher Verfahrensbevollmächtigter beauftragt werden soll und welches Ziel angestrebt wird – zu fällen. Ob die Gesellschafterversammlung darüber hinaus stets einen besonderen Vertreter bestimmen darf, kann hier offenbleiben.Randnummer31

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet. Soweit die Urteilsformel vom Wortlaut des Klageantrags abweicht, ist darin keine Teilabweisung des Antrags zu sehen, sondern nur eine dem Willen des Verfügungsklägers entsprechende Klarstellung des Wirkungszeitraums.Randnummer32

1. Der Antrag des Verfügungsklägers ist zulässig.Randnummer33

Der Verfügungskläger begehrt in einem Hauptsacheverfahren (LG Hannover, 32 O XXX/XX) die Feststellung, dass ein Abberufungsbeschluss der Gesellschafterversammlung nichtig ist. Für die Zeit bis zum Abschluss jenes Verfahrens besteht ein Rechtsschutzbedürfnis (auch) des Verfügungsklägers. Es erstreckt sich zum einen auf die Frage, ob er einstweilen weiterhin befugt ist, als Geschäftsführer zu handeln. Zum anderen hat er ein rechtliches Interesse, dass eine seiner Ansicht nach unwirksame Abberufung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht in das Handelsregister eingetragen wird.Randnummer34

2. Der Antrag ist auch begründet.Randnummer35

a) Der Verfügungskläger ist antragsbefugt. Ein Geschäftsführer kann gegen seine Abberufung vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen und den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, die es ihm ermöglicht, zeitlich oder sachlich beschränkt, seine Tätigkeit als Geschäftsführer bis zu einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache fortzuführen (OLG Celle, 01.04.1981 – 9 U 195/80, juris-OS 2, GmbHR 1981, 264).Randnummer36

b) Der Abberufungsbeschluss der Gesellschafterversammlung vom 25. Juli 2022 ist nichtig.Randnummer37

(1) Ein unter § 241 AktG fallender Nichtigkeitsgrund ist vorliegend allerdings nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht. Ob und in welchem Umfang § 241 Nr. 1 AktG auf Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH entsprechend Anwendung findet, bedarf somit keiner Entscheidung.Randnummer38

(2) Offenbleiben kann auch, ob der Abberufungsbeschluss vom 25. Juli 2022 deshalb nichtig ist, weil das Verhalten des Vorstands des alleinigen Gesellschafters unmittelbar nach der Beschlussfassung im Widerspruch zum Inhalt des Beschlusses steht, so dass sich die Frage stellt, ob dem Beschluss im Zeitpunkt der Beschlussfassung überhaupt ein Rechtsbindungswille zugrunde gelegen hat. Es könnte sich um einen Scheinbeschluss handeln. Denn obgleich die Abberufung des Verfügungsklägers dem Wortlaut des Beschlusses zufolge „mit sofortiger Wirkung“ erfolgen sollte, ist der Beschluss dem Verfügungskläger nicht unverzüglich bekanntgegeben worden. Vielmehr hat der Verein den Verfügungskläger am Folgetag und noch zu Beginn der ordentlichen Mitgliederversammlung so behandelt, als sei die Abberufung nicht beschlossen worden, und hat eine Vereinbarung angestrebt, nach der der Verfügungskläger noch bis zum Jahresende hätte Geschäftsführer bleiben können. Erst als er auf der Gesellschafterversammlung am 27. Juli 2022 eine einvernehmliche Beendigung der Geschäftsführertätigkeit ablehnte, wurde ihm der Beschluss bekanntgegeben.Randnummer39

(3) Der Abberufungsbeschluss ist – ausgehend vom Sachvortrag der Parteien im vorliegenden Verfahren – jedenfalls deshalb nichtig, weil er von der Gesellschafterversammlung getroffen wurde, ohne dass er nach dem Willen des Vereins zugleich als Änderung des Gesellschaftsvertrags behandelt werden sollte.Randnummer40

Soweit die Verfügungsbeklagte die Ansicht vertritt, es handele sich um eine bloße punktuelle Satzungsdurchbrechung, vermag die Kammer dem nicht zu folgen.Randnummer41

(a) „Punktuelle Satzungsdurchbrechungen“ sind solche, deren Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme erschöpft; sie sind – sofern kein Nichtigkeitsgrund analog § 241 AktG vorliegt – nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar (vgl. BGH, 25.11.2002 – II ZR 69/01, juris-Rn. 16). Das Anfechtungsrecht steht dann solchen Mitgesellschaftern zu, die gegen die Maßnahme gestimmt oder an der Versammlung nicht teilgenommen haben.Randnummer42

(b) Hier erschöpft sich die Wirkung der Abberufung des Verfügungsklägers aber nicht auf die Maßnahme vom 25. Juli 2022. Der Abberufungsbeschluss hat insoweit weitergehende satzungsrelevante Auswirkungen, als er die Bestellung eines oder mehrerer neuer Geschäftsführer erforderlich macht. Der dazu berufene Aufsichtsrat setzt sich nach dem glaubhaften Vortrag des Verfügungsklägers aus zwei gleichgewichtigen, widerstreitenden Interessengruppen zusammen. Wegen der sog. „Pattsituation“ ist nicht zu erwarten, dass sich innerhalb des Aufsichtsrats für Entscheidungen, die die Geschäftsführung betreffen, eine Mehrheit findet. Bereits der Umstand, dass sich der Verein gehalten sah, einen Beschluss zu fassen, der in die satzungsmäßige Kompetenz des Aufsichtsrats fällt, spricht für die Richtigkeit des Vortrags des Verfügungsklägers, dass eine einvernehmliche Bestellung eines anderen Geschäftsführers derzeit kaum vorstellbar sei. Sollte anstelle des Aufsichtsrats deshalb die Gesellschafterversammlung einen neuen Geschäftsführer bestellen, ginge dies wiederum mit einer Satzungsdurchbrechung einher. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers durch das Amtsgericht (§ 29 BGB analog) wäre gleichermaßen als Satzungsdurchbrechung einzustufen. Unter solchen Umständen kann die mit der Abberufung einhergehende Satzungsdurchbrechung nicht als „punktuell“ angesehen werden. Vielmehr hat der Abberufungsbeschluss eine Dauerwirkung. Eine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung ist unwirksam, wenn der Beschluss nicht gleichzeitig in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wird (vgl. OLG Köln, 24.08.2018 – 4 Wx 4/18, juris-Rn. 15, 17).Randnummer43

Soweit die Verfügungsbeklagte meint, die Wirksamkeit eines Beschlusses könne nicht von späteren Handlungen anderer Organe der Gesellschaft abhängen, ist dem insoweit entgegenzutreten, als satzungsrelevante Folgewirkungen eines Beschlusses durchaus zu berücksichtigen sind, jedenfalls soweit sie im Zeitpunkt der Beschlussfassung – wie hier – als zumindest sehr wahrscheinlich zu erwarten gewesen sind.Randnummer44

(c) Nach Ansicht der Kammer spricht für die Nichtigkeit des AbberufungsbeschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Nichtigkeit
Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses
auch, dass eine Abberufung durch den alleinigen Gesellschafter dem „Geist“ des Gesellschaftsvertrags in seiner bisherigen Fassung widerspricht. Aus den Bestimmungen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Verfügungsbeklagten (§ 8 des Gesellschaftsvertrags) und damit unmittelbar aus der Satzung selbst folgt, dass Bestellung und Abberufung eines Geschäftsführers nicht gegen den (durch entsprechende Stimmabgabe erklärten) Widerspruch beider vom Verein entsandten Aufsichtsratsmitglieder, aber auch nicht gegen den Widerspruch beider von der KGaA bestimmten Aufsichtsratsmitglieder möglich sein soll. Der Gesellschaftsvertrag enthält keine Klausel, nach der die Stimme des Vorsitzenden des Aufsichtsrats den Ausschlag gibt, wenn es bei einer Abstimmung zu einer sog. Pattsituation kommt. Unter Berücksichtigung des Gegenstands des Unternehmens (Übernahme der persönlichen Haftung, der Vertretung und der Geschäftsführung der KGaA, die ihrerseits die Unterhaltung einer Profimannschaft zur Teilnahme an den Lizenzligen der Bundesliga und der 2. Bundesliga zum Gegenstand hat) kommt der Kompetenzverlagerung in § 7 des Gesellschaftsvertrags eine gesellschaftsrechtlich zentrale Bedeutung zu.Randnummer45

Ob die Kompetenzverteilung im Gesellschaftsvertrag mit der 50+1-Regel der XXX im Einklang steht oder diese verletzt, ist vorliegend nicht entscheidend. Wie auch der XXX-Vertrag, ist die 50+1-Regel gegenüber den sich aus Gesetz und dem Gesellschaftsvertrag ergebenden gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen nachrangig.Randnummer46

(d) Die Gesellschafterversammlung hat im Rahmen des Abberufungsbeschlusses ausweislich der Formulierung gerade keine Satzungsänderung gewollt. Auch trägt die Verfügungsbeklagte nicht vor, dass der Notar beauftragt worden sei, den Beschluss als satzungsändernden Beschluss dem Registergericht vorzulegen.Randnummer47

(4) Ob für die Abberufung ein wichtiger Grund vorgelegen hat, kann offenbleiben. Die Kammer teilt nicht die Ansicht der Verfügungsbeklagten, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes könne die Gesellschafterversammlung einen Geschäftsführer stets auch dann abberufen, wenn die Satzung die Abberufungszuständigkeit auf ein anderes Organ (hier: Aufsichtsrat) übertragen hat (so aber z.B. Noack/Servatius/Haas, GmbH, 23. Aufl., § 38 Rn. 29 m.w.N. auch zur Gegenmeinung).Randnummer48

Aus § 38 Abs. 2 GmbHG lässt sich eine solche „Sonderkompetenz“ nicht ableiten. Bedeutsam ist an dieser Stelle, dass die Gesellschafter dann, wenn sie die Abberufungskompetenz im Gesellschaftsvertrag einem anderen Gesellschaftsorgan zuweisen, sich zugleich die Zuständigkeit für die Abberufung aus wichtigem GrundBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vorbehalten können. Das ist vorliegend nicht geschehen. Einer Gesellschafterversammlung ist es unbenommen, den Gesellschaftsvertrag nachträglich zu ändern. Das spricht gegen eine allgemeine Befugnis der Gesellschafterversammlung, einen Geschäftsführer abweichend von den Reglungen im Gesellschaftervertrag dann abberufen zu können, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Auch an dieser Stelle ist zu berücksichtigen, dass der Verein nur einen Teil der Aufsichtsratsmitglieder benennt und dieser Teil alleine keine Mehrheitsentscheidung treffen kann. Dass die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder eine gerade Zahl ist, dass die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats im Ergebnis von der Kapitalgeberseite benannt werden und dass beide „Lager“ gleichgewichtig sind, wird kein Zufall sein. Dem der Satzung zu entnehmenden Grundgedanken, dass die Kapitalgeberseite bei der Bestellung und Abberufung von GeschäftsführernBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern
gleichgewichtig mitbestimmen kann, wird nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn dem alleinigen Gesellschafter eine ungeschriebene Kompetenz für die Abberufung aus wichtigem GrundBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung aus wichtigem Grund
zugesprochen wird. Es ist Sache der Gesellschaftsversammlung, das in der Satzung verankerte Gleichgewicht durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags zu beenden.Randnummer49

c) Es liegt ein Verfügungsgrund im Sinne des § 940 ZPO vor. Der Verfügungskläger, aber auch die Gesellschaft und deren Geschäftspartner, benötigen Klarheit, ob der Verfügungskläger bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin die Geschäfte der Verfügungsbeklagten führen und diese vertreten kann. Eine mildere Maßnahme zur vorläufigen Regelung der Geschäftsführung und Vertretung der Verfügungsbeklagten ist nicht ersichtlich.Randnummer50

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.Randnummer51

IV. Diese einstweilige Verfügung ist vollstreckbar, ohne dass es eines Ausspruchs in der Urteilsformel bedarf.

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