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OLG München, Urteil vom 23. April 2009 – 23 U 4199/08

Abberufung mehrere Pflichtverstöße

§ 47 Abs 4 GmbHG

Von der Beschlussfassung über die Bestellung eines besonderen Vertreters ist der Gesellschafter, der zum Vertreter bestellt werden soll, grundsätzlich nicht nach § 47 Abs. 4 GmbHG ausgeschlossen.

Bei einem Geschäftsführer, der unter Verstoß gegen die Kompetenzordnung der Gesellschaft an dem Abschluss eines Kreditvertrages im Rahmen einer Umschuldungsmaßnahme mitwirkt, ist ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gegeben.

Tenor

I. Auf die Berufung des Nebenintervenienten wird das Endurteil des Landgerichts München II vom 10.07.2008 aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Nebenintervenienten.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht die Unwirksamkeit von Beschlüssen geltend, die in den Gesellschafterversammlungen der Beklagten vom 15.06.2007 und vom 27.07.2007 gefasst worden sind. Randnummer2

Am Stammkapital der Beklagte in Höhe von 100.000,– DM sind der Kläger mit 35 %, der Nebenintervenient mit 40 % und Herr P. mit 25 % beteiligt. Ursprünglich waren alle drei Gesellschafter als Geschäftsführer bestellt. Der Nebenintervenient wurde mittlerweile rechtskräftig als Geschäftsführer abberufen. Hinsichtlich der Abberufung von Herrn P. ist eine Anfechtungsklage beim Landgericht München II anhängig. Randnummer3

In der Gesellschafterversammlung vom 15.06.2007 beschloss die Beklagte unter TOP 1, den Nebenintervenienten zum besonderen Vertreter der Gesellschaft zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer zu bestimmen, sowie unter TOP 2, dem besonderen Vertreter der Gesellschaft ausdrücklich Prozessauftrag zu erteilen. Der Kläger hat sich im Hinblick auf das Stimmverbot gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG an der Abstimmung nicht beteiligt. Der Beschluss kam daher mit der Mehrheit der Stimmen des Nebenintervenienten zustande. Randnummer4

Der Kläger macht geltend, dass auch der Nebenintervenient einem Stimmrechtsverbot gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG unterlegen sei, da er in den Prozessen, wegen derer die Beklagte Schadensersatzansprüche gegen den Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer erheben wolle, Partei gewesen sei. Randnummer5

Am 27.07.2007 fand eine weitere Gesellschafterversammlung statt. Mit den Stimmen des Nebenintervenienten und gegen die Stimmen des Mitgesellschafters P. wurde ohne die Beteiligung des Klägers an der Abstimmung beschlossen, den Kläger mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Geschäftsführer abzuberufen, den Geschäftsführervertrag zu kündigen sowie den Nebenintervenienten zum besonderen Vertreter hinsichtlich der Abberufung zu bestellen und ihn mit den erforderlichen Rechtshandlungen zu beauftragen. Randnummer6

Die Abberufung aus wichtigem GrundBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung aus wichtigem Grund
war u.a. damit begründet, dass der Kläger entgegen § 4 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages satzungswidrig an der Aufnahme eines Darlehens über 95.000,– € und dem Abschluss von Leasingverträgen für zwei Fahrzeuge mitgewirkt habe. Randnummer7

§ 4 Abs. 3 der Satzung (Anlage S 2) hat folgenden Wortlaut: Randnummer8

„Im Innenverhältnis bedürfen der/die Geschäftsführer zu folgenden Rechtshandlungen eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung:

a) … Randnummer9

b) Anschaffung und Veräußerung von Investitionsgütern und Werte von mehr als DM 2.000,– im Einzelfall, Randnummer10

c) Kreditaufnahme und Kreditgewährung je im Betrag von mehr als insgesamt DM 5.000,–, Randnummer11

…“ Randnummer12

Das Landgericht München II hat mit Endurteil vom 10.07.2008 der Anfechtungsklage stattgegeben und die oben genannten Beschlüsse für nichtig erklärt. Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass die in der Gesellschafterversammlung vom 15.06.2007 zu TOP 1 und TOP 2 gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären seien, da nicht nur der Kläger, sondern auch der Nebenintervenient einem Stimmverbot unterlegen sei. Die in der Gesellschafterversammlung vom 27.07.2007 gefassten Beschlüsse seien für nichtig zu erklären, da wichtige Gründe für die AbberufungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Gründe
Gründe für die Abberufung
des Klägers als Geschäftsführer nicht vorlägen. Randnummer13

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird im Übrigen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Randnummer14

Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben der Nebenintervenient und für die Beklagte Rechtsanwalt Dr. B., der vom Nebenintervenienten in seiner Eigenschaft als Sondervertreter der Gesellschaft mandatiert worden war, Berufung eingelegt. Randnummer15

Die Berufungsführer machen im Wesentlichen geltend, dass die gegen die in der Gesellschafterversammlung vom 16.07.2007 und vom 27.07.2007 gefassten Beschlüsse gerichtete Anfechtungsklage verfristet sei. Ein Stimmrechtsverbot für den Nebenintervenienten habe nicht bestanden, da dieser gerade keinen Interessenkonflikt mit der Beklagten habe, es vielmehr in deren Interesse liege, dass gegen den Kläger als Schädiger vorgegangen werde. Ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer sei sehr wohl gegeben, weil der Kläger gegen § 4 der Satzung verstoßen habe und nicht einmal versucht habe, einen Beschluss der Gesellschaft herbeizuführen. Des Weiteren seien ihm auch noch weitere Verstöße gegen seine Geschäftsführerpflichten vorzuwerfen. Ferner trägt der Nebenintervenient neuerliche Pflichtverstöße des Klägers vor (Blatt 250 ff. d.A.) und vertritt die Auffassung, dass ein Nachschieben dieser Abberufungsgründe rechtlich zulässig sei. Randnummer16

Der Nebenintervenient und für die Beklagte Rechtsanwalt Dr. B. verfolgen mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlichen Klageabweisungsanträge weiter. Randnummer17

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer18

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der Nebenintervenient bei der Beschlussfassung zu TOP 1 und TOP 2 in der Gesellschafterversammlung vom 15.06.2007 sehr wohl einem Stimmverbot unterlegen sei, da dieser als besonderer Vertreter eigene Interessen verfolge und damit eine neutrale Vertretung der Beklagten nicht gewährleistet sei. Randnummer19

Ein wichtiger Grund für seine Abberufung liege nicht vor. Insbesondere liege keine Kreditaufnahme, sondern lediglich eine Umschuldung bereits bestehender Kredite vor. Mit einer solchen Umschuldung seien im Grundsatz alle Gesellschafter einverstanden gewesen. Es sei letztlich nur noch um die Auswahl der Kredit gebenden Bank gegangen. Auch die weiteren genannten Gründe seien nicht geeignet, einen wichtigen Grund zur Abberufung darzustellen. So sei die Auswahl eines neuen Geschäftsführers gar nicht Aufgabe des Klägers in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer gewesen, sondern vielmehr Aufgabe der Gesellschafter. Dies gelte auch für die Regelung der Tantiemen. Hinsichtlich der nachgeschobenen Gründe sei eine Berücksichtigung schon grundsätzlich nicht möglich. Im Übrigen sei auch nicht dargetan, dass der Kläger hinsichtlich der beanstandeten Vertragsänderungen und Vertragsabschlüsse in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer beteiligt gewesen sei. Randnummer20

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 11.12.2008 (Blatt 267/271 d.A.) und vom 19.02.2009 (Blatt 319/323 d.A.) sowie den Hinweisbeschluss vom 22.01.2009 (Blatt 289/291 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Randnummer22

1. Die Berufung ist zulässig. Zwar wurde Herrn Rechtsanwalt Dr. B. von der Beklagten keine wirksame Prozessvollmacht erteilt, weil dieser nicht von einem Geschäftsführer der Beklagten mandatiert worden ist. Die Prozessvollmacht hat vielmehr der Nebenintervenient in seiner Funktion als besonderer Vertreter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG am 20.03.2008 erteilt (vgl. Anlage zu Blatt 148/151). Der Nebenintervenient wurde zwar mit dem streitgegenständlichen Beschluss vom 27.07.2007 unter TOP 5 zum besonderen Vertreter hinsichtlich der Abberufung des Klägers bestellt. In dieser Funktion wäre er zumindest hinsichtlich dieses Verfahrensgegenstandes auch zur Erteilung einer Prozessvollmacht befugt gewesen. Der Nebenintervenient war jedoch bereits in der Gesellschafterversammlung vom 28.08.2007 (vgl. Anlage S 19, TOP 1) mit den Stimmen des Herrn P. und des Klägers als besonderer Vertreter abberufen worden. Zwar war der Nebenintervenient auch bezüglich anderer Verfahren als besonderer Vertreter bestellt worden. Es gibt in dem vorgenannten Beschluss vom 28.08.2007 allerdings keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die Abberufung nur auf seine Stellung als besonderer Vertreter in diesem Verfahren beschränken sollte. Es kann daher offen bleiben, ob die Bestellung des Nebenintervenienten als besonderer Vertreter der Beklagten in den streitgegenständlichen Gesellschafterbeschlüssen vom 15.06. und 27.07.2007 überhaupt auch eine Vertretung der Beklagten hinsichtlich der Anfechtung der in diesen Gesellschafterversammlungen gefassten Beschlüsse mit umfasst hat. Randnummer23

Zwar hätte der Kläger als Prozessgegner bei der Anfechtung des Abberufungsbeschlusses nicht mitstimmen dürfen (§ 47 Abs. 4 GmbHG). Sein Mitstimmen macht den Beschluss jedoch nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Der Nebenintervenient wurde in der Gesellschafterversammlung vom 28.08.2007 auch nicht als besonderer Vertreter wiederbestellt. Der Antrag, ihn im vorliegenden Verfahren 4 HKO 3781/07 zu bestellen, wurde vielmehr mit den Stimmen der beiden anderen Gesellschafter abgelehnt (vgl. TOP 2, Antrag 3). Zwar ist nach Angabe der Beklagten diesbezüglich eine Anfechtungs- und positive Beschlussfeststellungsklage anhängig, eine Entscheidung hierüber steht aber noch aus. Randnummer24

Hier hat jedoch der Nebenintervenient selbst form- und fristgerecht Rechtsmittel eingelegt. Das Rechtsmittel des Streithelfers ist zugleich ein Rechtsmittel für die Hauptpartei. Bei einer von Hauptpartei und Streithelfer eingelegten Berufung handelt es sich stets nur um eine Berufung (BGH NJW 1990, 190 f). Für eine Zurückweisung der für die Beklagte eingelegten Berufung ist damit kein Raum. Randnummer25

2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Randnummer26

a) Die unter TOP 1 und TOP 2 in der Gesellschafterversammlung vom 15.06.2007 gefassten Beschlüsse sind wirksam. Randnummer27

aa) Entgegen der Auffassung der Berufungsführer hat der Kläger die Anfechtungsfrist gewahrt. Grundsätzlich ist von einer Leitbildfunktion der Monatsfrist gemäß § 246 Abs. 1 AktG auszugehen (BGHZ 101, 113, 117; 111, 224, 226). Da eine entsprechende Satzungsregelung fehlt, ist daher grundsätzlich die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach BeschlussfassungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschlussfassung
nach Beschlussfassung
zu erheben. Hier ist die Klage zwar innerhalb der Monatsfrist, nämlich am 16.07.2007 bei Gericht eingegangen, sie wurde jedoch erst am 13.08.2007 der Beklagten zugestellt. Die Zustellung wirkt jedoch gemäß § 167 ZPO zurück, weil sie „demnächst“ im Sinne dieser Vorschrift erfolgt ist. Randnummer28

Zwar ist nur dann „demnächst“ zugestellt, wenn die Partei alles Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hat. Dies ist bei einem nachlässigen Verhalten, dass zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat, zu verneinen. Von einer geringfügigen Zustellungsverzögerung ist jedenfalls bei einem Zeitraum von bis zu 14 Tagen auszugehen (BGH NJW 1971, 891; BGH NJW 2004, 3775, 3776). Hier wurde die Klage am 30.07.2007 an den Prozessbevollmächtigten des Nebenintervenienten zugestellt, weil dieser in der Klage vom Klägervertreter fälschlicherweise als Beklagtenvertreter angegeben worden war. Aufgrund dieses Versehens ist es zu einer Verzögerung der Zustellung an den zutreffenden Beklagtenvertreter bis zum 13.08.2007 gekommen; die Verzögerung hielt sich daher innerhalb eines Zeitraumes von 14 Tagen. Randnummer29

bb) Ein Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor. Der Nebenintervenient war von seinem Stimmrecht nicht nach § 47 Abs. 4 GmbHG ausgeschlossen. Randnummer30

Von der Beschlussfassung über die Bestellung eines besonderen Vertreters ist zwar nach § 47 Abs. 4 GmbHG der betroffene Gesellschafter selbst ausgeschlossen, grundsätzlich jedoch nicht der Gesellschafter, der zum besonderen Vertreter bestellt werden soll (BGHZ 97, 28, 35). Entgegen der Auffassung des Landgerichts war der Nebenintervenient auch nicht deshalb vom Stimmrecht ausgeschlossen, weil die gegen den Kläger als damaligen Geschäftsführer gerichteten Schadensersatzansprüche ihren Grund in drei Verfahren haben, die die Beklagte, vertreten durch den Kläger, erfolglos gegen den Nebenintervenienten geführt hat. Das Stimmrecht ist nicht schon immer dann ausgeschlossen, wenn sich der Gesellschafter in einem irgendwie gearteten Konflikt zwischen seinen außergesellschaftlichen Interessen und denen der Gesellschaft befindet. Eine entsprechende Anwendung des § 47 Abs. 4 GmbHG kommt dann in Betracht, wenn die Beschlussfassung zu einem Richten des Gesellschafters in eigener Sache führt, z. B. wenn es darum geht, das Verhalten des Gesellschafters zu billigen oder zu missbilligen (BGHZ 97, 28, 33). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Ein Interessengegensatz zwischen der Gesellschaft und dem Nebenintervenienten besteht hinsichtlich der Geltendmachung von möglichen Schadensersatzansprüchen gegen den Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer nicht. Im Falle eines Obsiegens profitiert hiervon vorrangig die Gesellschaft. Der Umstand, dass der Nebenintervenient in den früheren Verfahren Prozesspartei war, führt nicht dazu, dass in der Schadensersatzklage der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer ein Richten in eigener Sache zu bejahen wäre. Über die zugrundeliegenden Verfahren haben vielmehr bereits die zuständigen Gerichte entschieden. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer erscheint auch nicht von vornherein als völlig sachwidrig. Unstreitig hat der Nebenintervenient in den genannten Prozessen mit der Gesellschaft jeweils obsiegt. Randnummer31

b) Auch die in der Gesellschafterversammlung vom 27.07.2007 unter TOP 5 gefassten Beschlüsse sind weder nichtig noch anfechtbar. Randnummer32

aa) Auch diesbezüglich hat der Kläger die Anfechtungsfrist gewahrt. Randnummer33

Der Klageerweiterungsschriftsatz vom 27.08.2007 ist am selben Tag bei Gericht eingegangen. Die am 16.10.2007 erfolgte Zustellung ist noch als demnächst im Sinne von § 167 ZPO anzusehen, weil die Verzögerungen im Wesentlichen auf das Gericht zurückzuführen sind (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 167 Rn. 12). Der Kläger hat auf die Aufforderung des Landgerichts vom 28.08.2007, den Streitwert anzugeben, unverzüglich mit Schriftsatz vom 05.09.2007 reagiert und auch auf die Kostenanforderung vom 04.10.2007 unverzüglich am 05.10.2007 die Einzahlung veranlasst. Randnummer34

bb) Ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer lag vor. Gründe, die die weiteren unter TOP 5 gefassten Beschlüsse als nichtig oder anfechtbar erscheinen lassen könnten, sind weder vorgetragen noch erkennbar. Randnummer35

Ein wichtiger Grund für die Abberufung eines Geschäftsführers ist dann zu bejahen, wenn ein Umstand vorliegt, der ein Verbleiben des Abzuberufenden in seiner Organstellung für die Gesellschaft unzumutbar macht (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 38 Rn. 11 m.w.N.). Eine Abwägung sämtlicher Umstände ergibt hier, dass diese Voraussetzungen hier zu bejahen sind. Ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers und eine Rechtfertigung dafür, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages zu beschließen, liegt in der Tatsache, dass der Kläger durch die Mitunterzeichnung eines Darlehensvertrages über 95.000,– € im Namen der Beklagten mit der Volksbank Raiffeisenbank S. (vgl. Anlage S 3) in erheblicher Weise gegen die Kompetenzordnung der Gesellschaft verstoßen hat. Nach § 4 Abs. 3 lit. c der Satzung (Anlage S 2) bedürfen die Geschäftsführer für eine Kreditaufnahme von mehr als 5.000,– DM eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Einen solchen gibt es hier unstreitig nicht. Eine Missachtung der Kompetenzordnung kann grundsätzlich einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Pflichten des Geschäftsführers darstellen und zwar unabhängig davon, ob die veranlassten Maßnahmen im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im Interesse der Gesellschaft
lagen (OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 46). Randnummer36

Es kann offen bleiben, ob dies auch dann der Fall ist, wenn ein Geschäftsführer versehentlich, z. B. in Unkenntnis der Satzungsregelung gehandelt hat. Hier haben der Nebenintervenient und der weitere Geschäftsführer P. im Vorfeld der Darlehensvereinbarung eingehend über die Aufnahme des Darlehens bei der Volksbank Raiffeisenbank S., die Hausbank der Beklagten war, korrespondiert (Anlage S 4 bis S 7). Der Nebenintervenient hat in seinem Schreiben vom 21.12.2004 (S 6) an die Beklagte darauf hingewiesen, dass er einen Kreditvertrag bei einer anderen Bank mit günstigeren Konditionen anstrebe und den vorgesehenen Darlehensvertrag mit der Hausbank ausdrücklich ablehne. Unstreitig war diese Ablehnung auch dem Kläger bekannt. Dennoch haben sich der Mitgeschäftsführer P. und der Kläger über diese Ablehnung hinweggesetzt und entgegen der Regelung in § 4 Abs. 3 der Satzung den Darlehensvertrag unterzeichnet. Mit einem Einverständnis des Nebenintervenienten zu dieser Handhabung konnten sie zu keinem Zeitpunkt rechnen. Nach Auffassung des Senats gilt das Einstimmigkeitserfordernis in § 4 Abs. 3 lit. c der Satzung nicht nur für eine Neuaufnahme von Krediten, sondern auch für den Abschluss eines Kreditvertrages im Rahmen einer Umschuldungsmaßnahme. Der Wortlaut der genannten Satzungsvorschrift enthält keine Einschränkung dahingehend, dass nur die Neuaufnahme von Krediten betroffen sein soll. Die gebotene objektive Auslegung ergibt daher, dass unter Kreditaufnahme der Abschluss sämtlicher Kreditverträge zu verstehen ist. Es kann daher offen bleiben, ob der neue Vortrag des Nebenintervenienten in der Berufungsinstanz, es habe sich auch nicht lediglich um eine bloße Umschuldung, sondern de facto auch um ein darüber hinausgehende Aufnahme eines neuen Kredites in Höhe von ca. 17.000,00 € gehandelt, weil der ursprüngliche Kredit bereits auf 77.826,80 zurückgeführt war (Bl. 278 d.A.), zutreffend ist. Randnummer37

Der Umstand, dass sich der Nebenintervenient, ebenso wie der weitere Mitgesellschafter P. grundsätzlich mit einer Umschuldung einverstanden erklärt hat, stellt weder eine Zustimmung zu der konkreten Kreditaufnahme dar, noch lässt die Erklärung des Nebenintervenienten den Verstoß des Klägers gegen § 4 der Satzung weniger gewichtig erscheinen. Dem Kläger war bekannt, dass sich der Nebenintervenient gerade der Kreditaufnahme bei der Hausbank der Beklagten widersetzte. Vom Kläger ist auch nicht dargetan, dass die Weigerung des Nebenintervenienten den Kredit bei der Hausbank aufzunehmen, als treuwidrig anzusehen wäre und aus diesem Grund der Verstoß gegen die Kompetenzordnung geringeres Gewicht haben könnte. Das Anliegen des Nebenintervenienten, günstigere Konditionen für eine Kreditaufnahme zu erreichen, ist nicht von vornherein sachwidrig. Auch wenn es zutreffen sollte, dass der Nebenintervenient letztlich nicht in der Lage war, günstige Kreditbedingungen bei einer anderen Bank zu erreichen, hätte dennoch sein Einverständnis mit der beabsichtigten Kreditaufnahme bei der Hausbank eingeholt werden müssen. Soweit der Kläger die Verletzung einer Treuepflicht durch den Nebenintervenienten im Hinblick auf die beabsichtigte Umschuldung geltend macht, hätte er im Klagewege versuchen müssen, die Zustimmung des Nebenintervenienten ersetzen zu lassen. Vom Kläger wurde nicht vorgebracht, dass Umstände vorlagen, die eine sofortige Entscheidung über die Umschuldung notwendig machten, um insbesondere den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern oder diese vor gravierenden Nachteilen zu bewahren. Randnummer38

Entgegen der Auffassung des Landgerichts reicht auch der Umstand, dass nach der Auffassung aller Gesellschafter die Satzung reformbedürftig ist und insbesondere die niedrigen Wertgrenzen in § 4 der Satzung anachronistisch sind, nicht aus, um einen Verstoß gegen die nach wie vor geltende Satzungsregelung in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Die Gesellschafter haben zwar unstreitig eine Änderung dieser Satzungsregelung diskutiert, konnten sich aber gerade hierüber nicht einigen. Der Kläger hatte diese daher in seiner Funktion als Geschäftsführer weiterhin als für sich verbindlich zu beachten. Randnummer39

Zwar ist zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er seit vielen Jahren offenbar unbeanstandet für die Beklagte als Geschäftsführer tätig war. Dies kann aber im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung nicht zu dem Ergebnis führen, dass ihm ein bewusster Verstoß gegen die Kompetenzordnung nachzusehen wäre. Der Kläger trägt im Übrigen selbst vor, dass er im Wesentlichen seine eigene Firma führe und die laufende Geschäftsführung nicht von ihm, sondern von Herrn P. ausgeübt werde. Er habe nur in Einzelfällen, wie der Umschuldung, als Geschäftsführer gehandelt (Bl. 348 d.A.). Zu berücksichtigen ist hier insbesondere, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den drei Gesellschaftern ohnehin bereits schwer beschädigt war, wie sich in einer erheblichen Anzahl von Rechtsstreitigkeiten zeigt. Gerade in einer solchen Situation fällt es umso schwerer ins Gewicht, wenn sich ein Geschäftsführer zu Lasten eines Mitgesellschafters über dessen Mitbestimmungsrecht hinwegsetzt. Randnummer40

Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob der Kläger auch dadurch gegen § 4 Abs. 3 lit. e der Satzung verstoßen hat, dass er Leasingverträge für zwei Fahrzeuge mit zu verantworten hat, die zu wiederkehrenden Verpflichtungen mit einem Jahreswert von mehr als 1.000,– DM geführt haben. Unstreitig hat der Nebenintervenient auch diesen beiden Verträgen nicht zugestimmt, sondern weitere Informationen eingefordert. Die Beklagte behauptet allerdings selbst nicht, dass der Kläger sie hierbei als Geschäftsführer vertreten hat, sondern macht nur geltend, der Geschäftsführer P. habe die Verträge „im Einvernehmen“ mit dem Kläger geschlossen; dieser habe daran „mitgewirkt“. Eine bloße Mitwirkung des Klägers als Gesellschafter könnte indes seine Abberufung als Geschäftsführer nicht begründen. Randnummer41

Keiner Entscheidung bedarf auch die Frage, ob die von der Berufungsklägerin behaupteten weiteren Verstöße geeignet sind, einen wichtigen Grund für die Abberufung des Klägers darzustellen. Insbesondere bedarf es keiner Entscheidung, ob im vorliegenden Fall ein Nachschieben von Gründen überhaupt in Betracht kommt. Randnummer42

Die Abberufung des Klägers ist auch nicht verfristet. Für die Abberufung gemäß § 38 GmbHG gilt die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht; es kommt allenfalls eine Verwirkung in Betracht (Zöller/Noack in Baumbach/Hueck, a.a.O., § 38 Rn. 14). Weder das Zeit- noch das Umstandsmoment sind hierfür hinreichend dargetan. Maßgeblich ist die Kenntnis der Gesellschafterversammlung. Da die beiden anderen Gesellschafter den Darlehensvertrag selbst unterschrieben haben, kommt es darauf an, wann der Nebenintervenient hiervon Kenntnis erlangt hat. Zwar wusste dieser unstreitig von den Bemühungen um eine Umschuldung. Er hat jedoch dargetan, vom Darlehensvertrag erst am 18.06.2007 Kenntnis erlangt zu haben. Der Kläger legt weder dar noch stellt er unter Beweis, dass der Nebenintervenient diese Kenntnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt hatte. Seine 2005 erteilte generelle Zustimmung mit der Umschuldung stellt eine solche Kenntnis noch nicht dar. Im Übrigen sind keine Umstände dargetan, dass der Kläger darauf vertrauen durfte, dass ein Verstoß gegen § 4 der Satzung keinen Grund mehr für eine Abberufung darstellen würde. Randnummer43

Auch die weiteren unter TOP 5 gefassten Beschlüsse begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Der Beschluss, die fristlose Kündigung auszusprechen, ist nach dem oben Gesagten nicht zu beanstanden. Ob sich der Kläger gegen den Ausspruch der Kündigung erfolgreich zur Wehr setzen kann, ist im Beschlussanfechtungsverfahren nicht zu entscheiden. Der Nebenintervenient wurde auch wirksam zum besonderen Vertreter der Gesellschaft im Sinne von § 46 Nr. 8 GmbHG bestellt. Gegen seine Bevollmächtigung, die im Zusammenhang mit der Abberufung des Klägers und der beschlossenen fristlosen Kündigung erforderlichen Erklärungen abzugeben, bestehen gleichfalls keine Bedenken. Randnummer44

Die Schriftsätze des Klägers vom 12.03. und 20.04.2009, der Beklagten vom 11.03.2009 und des Nebenintervenienten vom 19.02., 12.03. und 03.04.2009 haben dem Senat keine Veranlassung gegeben, gem. § 156 ZPO erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 101, 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO. Randnummer46

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da insbesondere hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes lediglich gesicherte Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall anzuwenden waren.

Schlagworte: Abberufung, Abberufung aus wichtigem Grund, Abberufung aus wichtigem Grund Abberufung außerhalb des gesetzlichen Sofortvollzugs, Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund, Abberufung des GmbH-Geschäftsführers und Beendigung des Anstellungsvertrags, Abschluss und Kündigung von Geschäftsführeranstellungsverträgen, Abwesenheit von längerer oder nicht absehbarer Dauer, Änderung Aufgabenverteilung, Änderung der Geschäftspolitik, Anordnung Gesamtvertretung, Anspruchsberechtigte Gesellschaft, Ausnahme wenn Verschulden des Gesellschafters so schwer ins Gewicht fällt dass allein seine Abberufung gerechtfertigt ist, Außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages, Auszuschließender hat Zerwürfnis durch sein Verhalten überwiegend verursacht, Beendigung der Organstellung insbesondere durch Widerruf, Beendigung des Anstellungsvertrages, Beendigung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund, bei ordentlicher Abberufung keine Anwendung des § 626 Abs. 2 BGB, Berücksichtigung aller Gesamtumstände, Berücksichtigung wechselseitiger Interessen, Beschränkung Kompetenzen, besonderer Vertreter, Besonderheiten bei der Zwei-Personen-GmbH, Besonderheiten in Zwei-Personen-GmbH, bloßer Vertrauensentzug bzw. Vertrauensverlust in die Tätigkeit des Geschäftsführers, Dauer der Tätigkeit für die Gesellschaft, Dauer der Zugehörigkeit des Gesellschafters zu der Gesellschaft, Duldung Pflichtwidrigkeiten Duldung des pflichtwidrigen Handelns, Einschränkungen der Kompetenz der Geschäftsführer, Entscheidungskompetenz der Geschäftsführer, Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht als milderes Mittel, Entziehung der organschaftlichen Vertretung der Geschäftsführer durch Gesellschafter, Erlangung der Kenntnis durch das Gremium, Fortdauernde Rufbeeinträchtigung, früherer Geschäftsführer, Gesamtabwägung, Geschäftsführer, Geschäftsführungsbefugnis, Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG, Gesellschafterzerwürfnis, gesetzliche Vertretung, GmbHG § 47 Abs 4 S 2, GmbHG § 47 Abs. 4, GmbHG § 47 Abs. 4 S. 2, GmbHG 47 Abs. 4 S. 2, grundsätzlich freie Abberufbarkeit, grundsätzliches Stimmrecht, Haftung nach § 43 GmbHG, im Interesse der Gesellschaft, Innenhaftung, Interesse des Unternehmens, Interessenabwägung, Ist Gesellschaft Schaden entstanden Schadenswidergutmachung, jeder Gesellschafter kann abberufen werden, jeder Gesellschafter kann abberufen werden selbst wenn sein Beitrag zum Zerwürfnis geringer ausfällt, Keine Übereinstimmung von wichtiger Grund für Abberufung und für Beendigung des Anstellungsvertrags, Kenntnis vom pflichtwidrigen Handeln, Kenntnis vom wichtigen Grund, Kompetenzen, Kompetenzüberschreitung, Kompetenzüberschreitungen, Kompetenzzuordnung, langjährige Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft, massive Kompetenzüberschreitungen, mehrere Pflichtenverstöße, mehrere Pflichtverletzungen, milder Kompetenzverstoß, milderes Mittel, Mitgesellschafter haben am Verhalten des Betroffenen längere Zeit keinen Anstoß genommen, Mitgesellschafter haben am Verhalten des Betroffenen längere Zeit keinen Anstoß genommen Zeitfaktor wichtiger Grund, nicht erforderlich dass Verursachungsanteil des Abzuberufenden denjenigen des Mitgeschäftsführers überwiegt, Objektiver Zweifel ob eine Maßnahme die Kompetenz der Geschäftsführung überschreitet, Objektives Vorliegen des wichtigen Grundes erforderlich oder reicht bloße Behauptung aus, Pflichtverletzung gegenüber KG, Pflichtverstöße im Konzern, positive Kenntnis von Pflichtwidrigkeit, Prozessvertreter, Schuldhafte Herbeiführung eines tiefgreifenden unheilbaren Zerwürfnisses, Schwere der Pflichtverletzungen und ihre Folgen für das Unternehmen, selbst wenn sein Beitrag zum Zerwürfnis geringer ausfällt, Struktur der Gesellschaft, Struktur und Dauer der Gesellschaft, tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern als zusätzlicher Grund nach § 38 Abs.2 GmbHG, tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen Gesellschaftern/Geschäftsführern, Trägt Geschäftsführer Schuld, über längere Zeit keine Beanstandungen mehr, Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Geschäftsführerverhältnisses, Unzumutbarkeit Fortsetzung des Geschäftsführerverhältnisses wegen Vertrauensverlusts, Verbleibende Dauer des Anstellungsvertrags, Verheimlichen schadensstiftendes Verhalten, Verschulden, Verstoß gegen Geschäftsordnung, Verstoß gegen gesetzlich zwingende Kompetenzordnung, Vertrauensentzug, Vertretung, Vertretung bei Rechtsstreit mit Geschäftsführern, Vertretung der GmbH, Verwirkung der Abberufung aus wichtigem Grund, Verwirkung des Widerrufs, Wegfall wichtiger Grund durch Zeitablauf, Wichtiger Grund, Widerruf aus wichtigem Grund, Wiederholungsgefahr, Wissenszurechnung Organ, Zeitablauf wichtiger Grund, Zeitfaktor wichtiger Grund, Zerrüttung der Gesellschafter rechtfertigt den Ausschluss nur eines Gesellschafters nicht – es bleibt nur die Auflösungsklage, Zerrüttung der Gesellschafter rechtfertigt die Einziehung der Geschäftsanteile nur des einen Gesellschafters nicht – es bleibt nur die Auflösungsklage, Zerwürfnis, Zerwürfnis Gesellschafter, Zerwürfnis von Gesellschaftern, Zukunftsprognose für Betroffenen