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BGH, Urteil vom 27. März 1961 – II ZR 24/60

Abberufungsverlangen ArbeitnehmerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufungsverlangen Arbeitnehmer
Arbeitnehmer

§ 24 GenG, § 40 GenG, § 626 BGB

Ein rechtswidriger Streik mit dem Ziel der Entfernung eines Vorstandsmitgliedes, das sich sozialgerecht verhalten hat, kann im allgemeinen nicht als ein wichtiger Grund zur fristlosen Entlassung dieses Vorstandsmitgliedes anerkannt werden.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 9. Dezember 1959 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger, der seit dem 13. Februar 1948 in sozial abhängiger Stellung bei der Beklagten, einer Konsumgenossenschaft mit mehr als 3 000 Mitgliedern, tätig war, gehörte seit dem 1. Juli 1956 zu ihrem besoldeten Vorstand, der noch aus den Herren D.‚ A. und M. bestand. Am 24. Oktober 1957 trat die rund 300 Mann starke Belegschaft der Zentrale der Beklagten in Streik, dem sich am 25. Oktober 1957 die etwa 1 000 Arbeitnehmer der 175 Verteilerstellen der Beklagten anschlossen. Der Streik bezweckte die Entfernung der vier Vorstandsmitglieder. Am 26. Oktober 1957 nahm die gesamte Belegschaft die Arbeit wieder auf, nachdem am Tage zuvor zwischen der Beklagten und Vertretern ihrer Arbeitnehmerschaft die Beurlaubung des Vorstandes bis auf M. vereinbart war. Am 29. Dezember 1957 beschloß die Vertreterversammlung der Beklagten, den Kläger, D. und A. als Vorstandsmitglieder abzuberufen und das Dienstverhältnis mit ihnen fristlos zu lösen. Diese Maßnahmen wurden wegen angeblicher Verfehlungen und als sog. Druckkündigung vorgenommen. Der Kläger hat beantragt, festzustellen, daß die Kündigung unwirksam sei, und die Beklagte zur Zahlung seines Gehalts und der Familienzulage für Januar 1958 zu verurteilen.Randnummer2

Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag in vollem Umfang und dem Feststellungsantrag mit der Maßgabe stattgegeben, daß die fristlose Entlassung für den 31. März 1958 wirke. Es meint, eine zur fristlosen Kündigung berechtigende Pflichtwidrigkeit des Klägers habe nicht festgestellt werden können. Zwischen dem Vorstand und der Belegschaft der Beklagten sei es zwar zu Spannungen gekommen. Es sei aber nicht erwiesen, daß der Kläger die Auseinandersetzungen verschuldet habe. Der Streik sei ungesetzlich gewesen. Die fristlose Kündigung sei auch unter dem Gesichtspunkt der Druckkündigung unberechtigt gewesen, da sich die Beklagte nicht schützend vor den Kläger gestellt habe. Sie sei daher in eine fristgemäße Kündigung umzudeuten. Eine solche Kündigung habe für den 31 März 1958 ausgesprochen werden können.Randnummer3

Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und damit den Feststellungsantrag, soweit abgewiesen, weiterverfolgt und nunmehr verlangt, die Beklagte zur Zahlung seines Gehalts und der Familienzulage für die Zeit vom 1. Februar 1958 bis zum 30. April 1959 zu verurteilen. Mit der AnschlußBerufung hat die Beklagte die völlige Abweisung der Klage angestrebt.Randnummer4

Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der AnschlußBerufung und der weitergehenden Berufung des Klägers nach dem Zahlungsantrag erkannt und festgestellt, daß das Dienstverhältnis des Klägers erst zum 31. Dezember 1962 ende. Es teilt die Ansicht des Landgerichts, daß ein wichtiger Grund für die ausgesprochene Kündigung nicht vorliege, und legt den Dienstvertrag dahin aus, daß er frühestens für den 31. Dezember 1962 habe gekündigt werden dürfen.Randnummer5

Mit der Revision verfolgt die Beklagte den Klagabweisungsantrag weiter, während der Kläger um Zurückweisung der Revision gebeten hat.

Entscheidungsgründe

Die Parteien streiten nur noch darüber, ob die fristlose Entlassung des Klägers unter dem Gesichtspunkt der Druckkündigung berechtigt war und verneinendenfalls zu welchem Zeitpunkt das Anstellungsverhältnis frühestens hatte gekündigt werden dürfen.Randnummer7

I. In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, daß ein sozial abhängiger Arbeitnehmer auf unausweichlichen und existenzgefährdenden Druck der Belegschaft oder des Betriebsrats fristlos entlassen werden kann. Hierbei wird davon ausgegangen, daß zur Kündigung aus wichtigem Grunde kein Verstoß gegen eine sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Pflicht und kein Verschulden gehört, und demzufolge angenommen, daß schon die Tatsache des Streits mit anderen Arbeitnehmern dem Arbeitgeber berechtigten Anlaß zur Kündigung geben kann. Das bloße Verlangen der Belegschaft oder des Betriebsrats, einen Arbeitnehmer wegen Störung des Betriebsfriedens zu entlassen, wird nicht als Kündigungsgrund anerkannt, wenn es nicht durch das Verhalten des Arbeitnehmers objektiv gerechtfertigt wird. Der Arbeitgeber würde, so wird weiter gesagt, seine Treuepflicht verletzen, wenn er einem sachlich ungerechtfertigten oder gar rechtswidrigen Entlassungsverlangen nachgäbe; er habe die Pflicht, sich schützend vor seinen Arbeitnehmer zu stellen und dürfe sich etwaigen Unannehmlichkeiten nicht einfach dadurch entziehen, daß er sich der Forderung beuge. Die Pflicht, für den Arbeitnehmer, insbesondere aber den schuldlosen, einzustehen, finde aber eine Grenze: Dem Arbeitgeber könne nicht zugemutet werden, den von der Belegschaft oder dem Betriebsrat bekämpften Arbeitnehmer um das Opfer einer schweren wirtschaftlichen Schädigung zu halten und eine Störung des Betriebes von unabsehbarer Dauer auf sich zu nehmen (RAG ArbRS 39, 176, BAG AP Nr. 22 zu § 1 KSchG, Nr. 1 zu § 626 BGBDruckkündigung -; BAG 9, 53; Nikisch, Lehrbuch 2. Aufl. S. 591/92; Nipperdey/Mohnen/Neumann in Staudinger, BGB § 626 Anm. 35, Hueck/Nipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts Bd. 1 § 59 III 8, Bd. 2 § 71 III 3 b; Herschel/Steinmann, KSchG § 1 Anm. 39 b, Hueck, KSchG § 1 Anm. 35; Müller, BB l952, 550 und viele andere).Randnummer8

Das Berufungsgericht wendet diese Ansicht auch auf die Kündigung der Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft an und meint: Es sei nicht erwiesen, daß der Kläger pflichtwidrig irgend welchen nach Gesetz oder Tarifvertrag berechtigten Forderungen der Arbeitnehmerschaft entgegengetreten sei. Für Personal- und Besoldungsfragen sei er überhaupt nicht zuständig gewesen. Es sei eher an dem, daß dem Kläger deshalb Schwierigkeiten bereitet worden seien, weil er nicht Gewerkschaftsmitglied gewesen sei. Die Belegschaft habe zunächst auch nur die Abberufung von D. gefordert. Für die Forderung auf Entlassung auch des Klägers sei letztlich maßgebend gewesen, daß der Kläger ein Schriftstück (Matrize) unterzeichnet habe, in welchem der Vertreterversammlung der Beklagten die Entlassung der im Aufsichtsrat tätigen zehn Arbeitnehmervertreter und ihr Ausschluß aus der Genossenschaft vorgeschlagen werden sollte. Die Tatsache, daß M. dieses Schriftstück nicht mitunterzeichnet habe, habe die Gewerkschaft veranlaßt, von dem Verlangen auf Entlassung dieses Vorstandsmitglieds Abstand zu nehmen. Der Kläger wäre nicht entlassen worden, wenn er dieses Schriftstück nicht mit unterschrieben, sondern sich im entscheidenden Augenblick auf die Seite der Gewerkschaft gestellt hätte. Seine fristlose Entlassung sei unter dem Gesichtspunkt der Druckkündigung nicht berechtigt. Die Beklagte habe zwar zur Zeit seiner Beurlaubung unter Streikdruck gestanden, diesem Druck aber nicht ohne weiteres nachgeben dürfen. Die fristlose Kündigung lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, bei Fortsetzung des Streiks hätten der Beklagten vor allem durch Verderb von Waren oder Kundenabwanderung schwere wirtschaftliche Nachteile gedroht. Denn, wollte man das als Grund für die Berechtigung der Druckkündigung anerkennen, so müßte sich die Beklagte jeder unberechtigten Forderung der Belegschaft beugen. Die Beklagte möge bei Weiterbeschäftigung des beurlaubten Vorstandes mit einem neuen Streik haben rechnen müssen. Eine Feststellung darüber, wie lange der Streik durchgeführt worden wäre, lasse sich aber nicht treffen, Es sei ausgeschlossen, daß die rund 1 300 Arbeitnehmer unter Außerachtlassung ihrer eigenen wirtschaftlichen Existenz den Streik bis zur Vernichtung der Beklagten geführt hätten. Jedenfalls aber habe die Beklagte keine Maßnahmen zur Unterbindung eines neuen Streiks ergriffen. Sie habe weder die Belegschaft durch den Aufsichtsrat über die Haltlosigkeit der gegen den Kläger erhobenen Angriffe unterrichtet, noch auf die wirtschaftlichen Folgen eines Streiks hingewiesen. Bei akuter Streikdrohung habe sie auch eine einstweilige Verfügung erwirken und abwarten können, ob sich die Belegschaft einer gerichtlichen Entscheidung nicht beuge. Sie sei vielmehr den bequemen Weg der fristlosen Entlassung gegangen.Randnummer9

Die Revision meint: Die Mitunterzeichnung des Vorschlags an die Vertreterversammlung schließe es aus, die Angriffe gegen den Kläger als haltlos zu bezeichnen. Wenn der Kläger auch nicht für Personalangelegenheiten zuständig gewesen sei, so sei er doch für das, was er unterschrieben habe, verantwortlich. Er habe sich an der Willensbildung des Vorstands beteiligt und müsse dafür auch einstehen. Die kollektive Entlassung der zehn im Aufsichtsrat tätigen Arbeitnehmer und ihr Ausschluß aus der Genossenschaft müsse als eine Kampfmaßnahme gegen die Belegschaft gewertet werden. Dann sei aber der Streik und damit auch die fristlose Entlassung des Klägers berechtigt gewesen. Der Vorstand sei eben in einem Machtkampf mit der Belegschaft der Unterlegene gewesen. Die fristlose Entlassung sei auch nur als letzter Ausweg gewählt worden, nachdem alle Gegenvorstellungen an der unmißverständlichen Drohung, erneut in den Ausstand zu treten, gescheitert seien. Es sei das Ziel der Belegschaft gewesen, mißliebige Vorstandsmitglieder zur Entlassung zu bringen. Ein erneuter Streik habe sich auf die Beklagte als einer Konsumgenossenschaft, deren Mitglieder sich vornehmlich aus Arbeitnehmerkreisen zusammensetze, besonders nachteilig auswirken müssen. Der Beklagten sei daher nur die Möglichkeit geblieben, sich dem Verlangen der Belegschaft zu fügen.Randnummer10

1. Die Revision kann nicht damit gehört werden, die Mitunterzeichnung des Vorschlags, die zehn Belegschaftsmitglieder des Aufsichtsrats aus der Genossenschaft auszuschließen, stelle einen wichtigen Kündigungsgrund dar. Denn die Beklagte hat die Beteiligung des Klägers an dem Antragsentwurf weder bei Vornahme der Kündigung noch in den Tatsacheninstanzen als Grund der außerordentlichen Kündigung geltend gemacht. Bei der landgerichtlichen Beweisaufnahme ist allerdings zur Sprache gekommen, daß die Matrize der letzte Anlaß gewesen sei, der zum Streik geführt habe. Die hierauf vom Kläger an den Gewerkschaftssekretär P. gerichtete Frage, wie das Schriftstück in den Besitz der Gewerkschaft gelangt sei, hat der Zeuge unter Berufung auf § 384 Nr. 2 ZPO nicht beantwortet. Auch nach dieser Aussageverweigerung hat die Beklagte aus der Mitunterzeichnung jenes Schriftstücks keinen Grund für die fristlose Entlassung des Klägers hergeleitet und die Umstände, unter denen die Gewerkschaft von dem Inhalt der Matrize erfahren hat und in deren Besitz gelangt ist, im Dunkel gelassen. In den Tatsacheninstanzen hat sie mit keinem Wort versucht, dem Kläger vorzuwerfen, daß der Vorschlag, die zehn Belegschaftsmitglieder im Aufsichtsrat aus der Genossenschaft auszuschließen, sachlich ungerechtfertigt war. Immerhin hatten diese zehn Belegschaftsmitglieder in der Aufsichtsratssitzung vom 21. Oktober 1957 die Beurlaubung des Vorstandes verlangt und die hierfür vorgebrachten Gründe sind von der Mehrheit des Aufsichtsrats mit 17 zu 10 Stimmen nicht anerkannt und durch die Beweisaufnahme des vorliegenden Rechtsstreits nicht bestätigt worden. Es bedarf keiner Untersuchung, aus welchen Erwägungen die Beklagte die fristlose Entlassung des Klägers nicht auf seine Mitunterzeichnung der Matrize gestützt hat Denn sie hat diese Unterschrift jedenfalls nach außen hin niemals als Grund für die außerordentliche Kündigung genommen. Die Revision ist nicht in der Lage, einen bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht geltend gemachten Umstand noch in der Revisionsinstanz als Kündigungsgrund nachzuschieben.Randnummer11

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob den von der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur zur Druckkündigung entwickelten Grundsätzen gefolgt werden kann. Denn hier geht es nicht um die Kündigung eines sozial abhängigen Arbeitnehmers, sondern um die Entlassung eines Vorstandsmitglieds. Hierauf können die in Rechtsprechung und Literatur zur Druckkündigung entwickelten Grundsätze nicht ohne weiteres angewendet werden.Randnummer12

a) Schon bei der Druckkündigung eines sozial abhängigen Arbeitnehmers sträubt sich das sittliche Empfinden dagegen, daß letztlich Gewalt vor Recht gehen soll oder daß Druck imstande ist, ein ohne ihn gar nicht erreichbares, sachlich ungerechtfertigtes Ziel zu verwirklichen (Herschel, Festschrift für Heinrich Lehmann, 1956, Bd. 2 S. 662). Die Rechtsidee wird aber noch weit stärker verletzt, wenn der von der Belegschaft oder dem Betriebsrat ausgeübte Druck darauf abzielt, den Vorstand einer juristischen Person, der sich durch seine Haltung oder seinen Einsatz für das Unternehmen beiden Arbeitnehmern mißliebig gemacht hat, durch einen genehmeren, bewilligungsfreudigeren, nachgiebigeren Menschen ersetzt zu erhalten. Bei der unter Druck angestrebten Entlassung eines sozial abhängigen Arbeitnehmers geht es nur um die Entfernung eines Mitarbeiters aus dem Betrieb, bei dem Verlangen nach Abberufung und Entlassung eines Vorstandsmitglieds dagegen um einen Eingriff in die Führung des Unternehmens. Das Mitbestimmungsrecht sieht die rechtliche Möglichkeit der Einflußnahme der Arbeitnehmerschaft auf die Ämterbesetzung vor. Ein Streik, der die Umbesetzung eines Organs anstrebt, sucht durch Bedrängung und Schädigung des sozialen Gegenspielers über die rechtlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten hinaus den Willen der Belegschaft durchzusetzen. Es liegt auf der Hand, daß die Belegschaft einer Genossenschaft nicht die Wahlen zur Vertreterversammlung oder eine Wahl in den Aufsichtsrat bestreiken kann, um ein anderes Ergebnis zu erreichen. Ein Streik mit diesem Zweck ist rechtswidrig, da er nicht die Gestaltung der Arbeitsbedingungen anstrebt und nicht um ein kollektivrechtliches Ziel geführt wird (Hueck/Nipperdey aaO § 49 VI 1, 4), sondern den organisatorischen Aufbau und die freie Selbstverwaltung der Genossenschaft mit Machtelementen zu durchsetzen sucht. Nicht wesentlich anders verhält es sich bei der Besetzung des Vorstands. § 66 Abs. 4 BetrVG gewährt dem Betriebsrat eine rechtliche Handhabe, die Entlassung oder Versetzung eines Arbeitnehmers, der durch unsoziales oder gesetzwidriges Verhalten den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört hat, zu erreichen. Diese Möglichkeit hat der Betriebsrat gegenüber einem Vorstandsmitglied nicht, da in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Vertretungsorgans nicht zu den Arbeitnehmern gehören (§ 4 Abs. 2 Buchst a BetrVG). Hier ging es überdies um einen Mann, der sich nicht unsozial oder gesetzwidrig verhalten hatte.Randnummer13

b) Auch wenn das Schriftstück mit dem Vorschlag, die zehn Belegschaftsmitglieder des Aufsichtsrats aus der Genossenschaft auszuschließen, den Streik ausgelöst hat, hatte die Beklagte keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Klägers. Zur fristlosen Entlassung eines Vorstandsmitglieds genügt nicht, daß es Anlaß zu einem Streik mit dem Ziel seiner sofortigen Entlassung gegeben hat. Sonst würde praktisch jedes Verlangen der Arbeitnehmer, ein Vorstandsmitglied zu entfernen, einen wichtigen Kündigungsgrund abgeben. Denn ein Anlaß für ein solches Verlangen läßt sich wohl immer aus dem natürlichen Gegenspiel von Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder aus der Betätigung oder Haltung eines Vorstandsmitglieds herleiten. Dann würde schon die Verursachung oder auch nur die Entstehung von Spannungen oder der Umstand, daß ein Vorstandsmitglied durch eine gelegentlich unnachgiebige, im allgemeinen aber sachgerechte Ausübung seines Amtes Kritik gefunden oder sich mißliebig gemacht hat, einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen. Das kann nicht richtig sein. Der gegenteilige Standpunkt kann nur bei sachlich ungerechtfertigtem oder anstößigem Verhalten in Erwägung gezogen werden. Wenn ein Vorstandsmitglied wiederholt unsoziale Maßnahmen getroffen und hierdurch oder auf andere Weise ein schlechtes Betriebsklima geschaffen oder den Betriebsfrieden gestört hat, wird möglicherweise schon dieser Sachverhalt für sich allein zur fristlosen Entlassung berechtigen und eine Streikdrohung nur der Anlaß sein, von einem bereits bestehenden Kündigungsgrund Gebrauch zu machen. So liegt es hier jedoch nicht. Was die Beklagte dafür vorgebracht hat, der Kläger habe sich in ernsthaft vorwerfbarer Weise gegen die Belegschaft gestellt und nicht sozialgerecht verhalten, ist teils widerlegt teils nicht bewiesen worden. Von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen ist lediglich übrig geblieben, daß er den Antrag, die zehn Belegschaftsmitglieder des Aufsichtsrats wegen genossenschaftsschädigenden Verhaltens zu entlassen und aus der Genossenschaft auszuschließen, mit unterschrieben hat. Der Entschluß, einen solchen Antrag an die Vertreterversammlung zu richten, mag angesichts der aufgetretenen Spannungen ungeschickt gewesen sein. Daß dieser Antrag, wäre er gestellt worden, sachlich unberechtigt gewesen wäre, hat die Beklagte nicht behauptet.Randnummer14

Die Annahme der Revision, der Vorstand habe mit dem Entschluß, diesen Antrag einzubringen, den sachlichen Boden bei den Auseinandersetzungen ebenso verlassen wie die zehn Belegschaftsmitglieder des Aufsichtsrats mit ihrem zur Abstimmung gestellten Antrag auf Beurlaubung des Vorstands, dieser Entschluß sei ebenso unberechtigt gewesen wie der am 21. Oktober 1957 vom Aufsichtsrat abgelehnte Antrag der Belegschaftsvertreter und beruhe auf persönlichen Differenzen, findet im Vortrag der Tatsacheninstanzen und erst recht in den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Stütze.Randnummer15

Soweit die Revision aber geltend macht, der Vorstand sei in einem Machtkampf unterlegen und müsse die Folgen davon tragen, geht sie daran vorbei, daß die Belegschaft als Kampfmittel rechtswidrigen Streik verwendet hat, und setzt sie die rechtswidrige Anwendung von Gewalt für Recht. Das ist ausgeschlossen. Hier gilt es, den Anfängen zu wehren.Randnummer16

Da der Vorschlag, die zehn Belegschaftsmitglieder des Aufsichtsrats aus der Genossenschaft auszuschließen, gar nicht bei der Vertreterversammlung eingebracht worden ist, konnte er keinen Grund für die Androhung der Wiederaufnahme des Streiks bilden. Die sachliche Berechtigung eines solchen Vorschlags hätte zudem nur das dafür statutarisch vorgesehene Gremium prüfen können. Die Kritik der Belegschaft an einer bestimmten Haltung des Vorstands kann schlechterdings nicht durch Streik oder Streikdrohung durchgesetzt werden. Man denke nur an den Fall, daß der vom Vorstand gefaßte Beschluß, die Entlassung und Ausschließung der zehn Belegschaftsmitglieder des Aufsichtsrats zu beantragen, berechtigt war, aber infolge innerbetrieblichen Drucks unausgeführt geblieben ist. Hieran wird ganz deutlich, wie tief der Streik oder die Androhung seiner Wiederholung in die freie Selbstverwaltung der Genossenschaft eingriff.Randnummer17

Es war allerdings ein Organ der Beklagten, das den Kläger aus seinem Amt abberufen und seine fristlose Entlassung vorgenommen hat. Aber die Entschließung der Vertreterversammlung beruhte auf einem ungesetzlichen Streik und rechtswidrigen Druck.Randnummer18

c) Es kann offen bleiben, ob ein rechtswidriger Streik dann einen wichtigen Grund zu fristloser Kündigung abgibt, wenn dem bestreikten Unternehmen ohne die von den Streikenden verlangte Entlassung ein unbilliger oder unzumutbarer Nachteil, eine Störung des Betriebes von unabsehbarer Dauer oder die Vernichtung seiner Existenz droht. Das Rechtsempfinden sträubt sich dagegen, die Berechtigung einer solchenfalls ausgesprochenen fristlosen Kündigung allein mi Hinblick auf die Streikfolgen für das Unternehmen, ganz ohne Rücksicht auf ihre Folgen für den Gekündigten zu beurteilen, wenn dieser den Streik nicht verschuldet, ja, nicht einmal Anlaß dazu gegeben hat. Selbst wenn die fristlose Entlassung der letzte Ausweg ist, um einen unzumutbaren eigenen Schaden abzuwehren, so kann doch nicht aus den Augen gelassen werden, daß sich eine solche Nachgiebigkeit auf dem Rücken des Gekündigten auswirkt. Diesen Bedenken braucht jedoch nicht nachgegangen zu werden, da keine derartige Notstandssituation gegeben war, daß die fristlose Entlassung des Klägers als gerechtfertigt angesehen werden könnte. Dem Nachteil des zweitägigen Streiks, der Androhung der Wiederaufnahme des Streiks und der damit verbundenen Gefahr des Verderbs größerer Warenmengen und der Abwanderung von Kunden stand die Bedeutung organfremder Einflußnahme auf die Ämterbesetzung gegenüber. Bei richtiger Abwägung dieser Güter war die innere Ordnung der Genossenschaft zu schützen. Das kam überdies einem Mann zugute, der sich sozialgerecht verhalten hat.Randnummer19

Dem Kläger war daher Gehalt zuzuerkennen, ohne daß es darauf ankäme, ob dasselbe Ergebnis auch im Wege eines Schadensausgleichs auf Grund entsprechender Anwendung des § 904 BGB gewonnen werden könnte, wie Herschel (Festschrift für Heinrich Lehmann, 1956, Bd. 2 S. 662 ff) und wohl auch Hueck/Nipperdey (Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 1 § 59 Anm. 32) annehmen.Randnummer20

II. Das Berufungsgericht stellt fest, der Anstellungsvertrag habe die Beschäftigung des Klägers auf Lebenszeit sichern und die ordentliche Kündigung ausschließen sollen. Das sei jedoch unerreichbar gewesen, da das Statut der Beklagten den Aufsichtsrat nur zum Abschluß von Dienstverträgen auf unbestimmte Zeit mit gegenseitigem Kündigungsrecht ermächtige. Nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung müsse aber angenommen werden, daß der Aufsichtsrat die längste zulässige Kündigungsfrist habe vereinbaren dürfen und bei dem Dienstvertrag mit dem Kläger von diesem Recht Gebrauch gemacht habe. Diese Frist sei auf fünf Jahre zu bemessen, Anhaltspunkte hierfür gäben die §§ 624 BGB, 75 AktG. Die Ende 1957 ausgesprochene fristlose Kündigung wirke daher erst für den 31. Dezember 1962.Randnummer21

Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die gesetzlichen Kündigungsfristen sind Mindestfristen, sie können durch Vereinbarung verlängert werden. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision nicht verkannt, daß die § 624 BGB, 75 AktG die höchste Dauer des Vertrages festlegen, und diese Vorschriften lediglich als Anhaltspunkte dafür gewertet, über welchen Zeitraum hinaus eine Kündigungsfrist nicht bemessen werden darf. Mögen auch fünfjährige Kündigungsfristen für ein Anstellungsverhältnis unüblich sein, so sind sie doch, wovon auch die Revision ausgeht, nicht ausgeschlossen. Die Revision greift daher die in den Tatsacheninstanzen vorbehaltene tatsächliche Würdigung an, wenn sie den Standpunkt vertritt, es habe eine kürzere Kündigungsfrist als eine fünfjährige angenommen werden müssen. Ein solcher Angriff ist unzulässig.Randnummer22

Die Revision war daher zurückzuweisen.Randnummer23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

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