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BGH, Beschluß vom 3. Mai 1999 – II ZR 35/98

Abberufungsverlangen Dritte

GmbHG § 38 Abs. 1; BGB § 626Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 626
                             

Auf die arbeitsrechtlichen Grundsätze der “Druckkündigung” kann die Gesellschaft allenfalls die Abberufungsentscheidung, nicht jedoch die fristlose Kündigung des Dienstvertrages stützen.

Zum Sachverhalt

Im Rahmen der Umstrukturierung der L-Firmengruppe wurde die bekl. GmbH gegründet. Sie schloß 1992 einen auf zehn Jahre befristetenVertrag, nach dem sie für die Gesellschaften der ehemaligen L-Gruppebestimmte Galvanisierungs- und Eloxierungsarbeiten vorzunehmen hatte. 60% ihres Umsatzes (insgesamt 6 Mio. DM) hat die Beklagte (Bekl.) in der Folgezeit durch derartige Geschäfte erzielt, davon rund die Hälfte aufgrund von Arbeiten für die LC-GmbH und die Fa. W.

Der Kläger (Kl.), der zunächst als Arbeitnehmer für die Bekl. tätig gewesen war, wurde mit Wirkung vom 1. 1. 1993 zum Geschäftsführer berufen. Der gleichzeitig geschlossene Anstellungsvertrag wurde auf die Dauer von vier Jahren fest abgeschlossen und sah im übrigen eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Ende eines Kalenderjahres vor. In der Folgezeit strukturierte der Kl. auftragsgemäß die Bekl. in der Weise um, daß er die Gesellschaft aus der alleinigen Lieferbeziehung mit Firmen der früheren L-Gruppe löste und neue Kunden hinzugewann. Mit der LC-GmbH kam es in der Folgezeit zu Spannungen, für die der Kl. und die genannte Kundin sich jeweils die Schuld gaben. LC drohte gegenüber der Bekl. an, sich wegen der aufgetretenen Probleme – ungeachtet der bestehenden langfristigen vertraglichen Bindung – einen anderen Lieferanten zu suchen, und lehnte eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kl. ab. Mit diesem wurden die Probleme erörtert; der Kl. erklärte schriftlich, daß er erkenne, daß LC mit ihm nicht mehr zusammenarbeiten wolle, weil er das Interesse der Bekl. im Auge habe und nicht – wie dies vor der Umstrukturierung der Firmengruppe der Fall gewesen war – das Unternehmen vorbehaltlos den Wünschen von LC unterordnen wolle. Er erwarte, wenn die Bekl. sich den Ansinnen von LC nicht entgegenstellen wolle, Vorschläge zur Auflösung des Vertragsverhältnisses.

Die Gesellschafterversammlung der Bekl. beschloß am 29. 6. 1995 die Abberufung des Kl. Der Mitgeschäftsführer B sprach daraufhin mit Schreiben vom 7. 7. 1995 die fristlose und hilfsweise zum 31. 12. 1996 die ordentliche Kündigung aus; zugleich bot er dem Kl. an, als Geschäftsführer – allerdings zu schlechteren Vertragsbedingungen – zu einem Schwesterunternehmen in den neuen Bundesländern zu wechseln. Der Kl. lehnte dies ab und erhob Feststellungsklage, daß das Anstellungsverhältnisdurch die fristlose Kündigung vom 7. 7. 1995 nicht beendet worden sei. Das LG hat dem Feststellungsbegehren entsprochen. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg. Die Revision der Bekl. hat der II. Zivilsenat des BGH nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. allgemein zum Annahmeverfahren BGH v. 4. 3. 1991, II ZR 188–90, DStR 1991, DSTR Jahr 1991 Seite 584).

Anmerkung:

Seine Abberufung hat der Kl. ebenso hingenommen, wie den Ausspruch der ordentlichen Kündigung. Streitig war allein, ob sich die Bekl. von dem, Kl. auch auf der dienstvertraglichen Ebene – entgegen dem Regelfall des § GMBHG § 38 Abs. GMBHG § 38 Absatz 1 GmbHG, daß die jederzeitige Abberufung “unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen” von Statten geht – sofort trennen und so vermeiden konnte, bis zum ordentlichen Ende des Anstellungsvertrages zwei Geschäftsführer bezahlen zu müssen. Erfahrungsgemäß wird oft die fristlose Kündigung des Dienstvertrageseines abberufenen Geschäftsführers stark motiviert von dem Wunsch der Gesellschaft, diese doppelte Zahlungspflicht zu vermeiden.

Der Verlauf des Rechtsstreits der vorliegenden Sache ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß die Bekl. zunächst dem Kl. nicht den Vorwurf gemacht hat, er habe seine Pflichten als ihr Geschäftsführer nicht ordentlich erfüllt, sondern sich bei ihrerfristlosen Kündigung ausschließlich darauf berufen hat, sie müsse sich dem Druck der LC-GmbH, eine ihrer wichtigsten Abnehmer beugen, weil diese sonst – u. U. gleichzeitig mit den anderen zu derselben Gruppe gehörenden Unternehmen – die Lieferbeziehung abbrechen werde. Erstmals im Berufungsverfahren hat die Bekl. ihre Maßnahme auch darauf gestützt, daß der Kl. sichfehlerhaft verhalten habe.

1. Formelle Seite der fristlosen Kündigung

Nach der feststehenden Rechtsprechung des II. Zivilsenats fallen – über den engeren Wortlaut des § GMBHG § 46 Nr. 5 GmbHG hinaus – alle das Dienstverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers betreffenden Entscheidungen, handele es sich um die Begründung, die Änderung oder die Beendigung des Anstellungsvertrages, in die alleinige Kompetenz der Gesellschafterversammlung, soweitnicht die Satzung etwas anderes bestimmt oder das zwingendeMitbestimmungsG gilt (vgl. BGH v. 19. 4. 1999, II ZR 114–98, m. w. N.). Aus diesem Grunde hätte hier die Gesellschafterversammlung darüber befinden müssen, daß und in welcher Weise – durch ordentliche oder fristlose Kündigung oder durch Aufhebungsvertrag – das neben dem durch die Abberufung beendetenOrganverhältnis fortbestehende Dienstverhältnis sein Ende finden sollte; die Ausführung jenes Beschlusses allerdings hätte die Gesellschafterversammlung einem ihrer Mitglieder, einem von ihr beauftragten Anwalt oder auch einem der Mitgeschäftsführer des Kl. überlassen dürfen. Ob dieser Gesichtspunkt bei der Kündigung beachtet worden ist, ist nicht zweifelsfrei festgestellt, weil der Geschäftsführer B, der zugleich der maßgebliche Gesellschafter der Bekl. war, in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und nicht etwa als Ausführender eines von der Gesellschafterversammlung gefaßten Beschlusses die Kündigungserklärung abgegeben hat, der Gesellschafterversammlungsbeschluß im übrigenauch über eine Entscheidung bezüglich der Beendigung des Dienstvertrages keine Aussage enthält. Deswegen spricht einiges dafür, daß die fristlose Kündigung schon aus formellen Gründenkeinen Erfolg haben kann.

2. Koppelung von Organ- und Anstellungsverhältnis?

Auf die Kündigung, die dann nur deklaratorische Bedeutung hätte, käme es allerdings nicht an, wenn – was die Bekl. in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat – das Dienstverhältnis des Kl. durch Koppelung mit dem Organverhältnis automatisch mit dessen Beendigung sein Ende gefunden hätte. Solche Koppelungkann – in Abweichung von § GMBHG § 38 Abs. GMBHG § 38 Absatz 1 GmbHG durchaus vereinbart werden (vgl. BGH v. 29. 5. 1989, II ZR 220–88, NJW 1989, NJW Jahr 1989 Seite 2683, BGHZ 112, BGHZ Band 112 Seite 103, BGHZ Band 112 Seite 115; v. 1. 12. 1997, II ZR 232–96, DStR 1998, DSTR Jahr 1998 Seite 861 m. Anm. Goette; Hachenburg–Stein, GmbHG,8. Aufl., § GMBHG § 38 Rn. 17 f.) und mag sich aus der Sicht des Unternehmens aus den oben bereits angeführten Gründen auch empfehlen; ob ein Geschäftsführer sich darauf einlassen wird, weil er auf diese Weise jederzeit seine berufliche Stellung verlieren kann und nicht einmal für eine Übergangszeit eine gewisse soziale Sicherung besitzt, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls kann einesolche Koppelung nur ausnahmsweise bejaht werden und bedarfklarer und unzweifelhafter Abreden. Daran fehlt es offensichtlich, wenn ein Dienstvertrag auf vier Jahre fest abgeschlossen ist und auch dann nur mit einer zwölfmonatigen Frist zum Jahresende. gekündigt werden kann.

3. Berechtigte “Druckkündigung”?

Die Bekl., die ausweislich eines von dem Kl. über die maßgebende Besprechung kurz vor der Abberufung gefertigten, inhaltlich nicht angegriffenen Vermerks mit dessen Arbeit zufrieden war und sich zu dem Schritt nur wegen des Vorstoßes der LC-GmbH genötigt gesehen hat, hat gemeint, die im Arbeitsrechtentwickelten Grundsätze über eine “Druckkündigung” (vgl. dazu Küttner–Eisemann, Personalhandbuch, 4. Aufl., §§ 245 Rn. 7 und 249 Rn. 30; Berkowsky, in: Münchner Handbuch des Arbeitsrechts, Bd. 2, § 140 Rn. 7 ff.; Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, 8. Aufl., § 130 II 13, je m. w. N.) stünden ihr zur Seite. Auf diese Argumentation ist das Berufungsgericht näher eingegangen, es hat dabei jedoch nicht hinreichend beachtet, daß der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser – regelmäßig – in einer doppelten Beziehung steht, nämlich dem Verhältnis als die Gesellschaft nach außen repräsentierendes Vertretungsorgan und als Dienstverpflichteter. Unterstellt man das Vorbringen der Bekl. als zutreffend, dann wäre dem Anliegen der LC-GmbH, nichtmehr mit dem für sie untragbaren, weil ihre Interessen nicht in der ihr geboten erscheinenden Weise berücksichtigenden Kl. zusammenarbeiten zu müssen, dadurch Rechnung getragen worden, daß ihm die Möglichkeit genommen wurde, für die Bekl. gegenüber der LC-GmbH zu handeln. Abgesehen davon, daß dafür möglicherweise eine Änderung der internen Geschäftsverteilung ausgereicht hätte, ist dem Anliegen der LC-GmbH, den Kl. als – angeblichen – “Störfaktor” auszuschalten, jedenfalls dadurch Rechnung getragen worden, daß der Kl. aus seiner Organstellung entfernt, also abberufen worden ist. Ob der Kl. aufgrunddieser Maßnahme seine Bezüge bis zum Auslaufen des Anstellungsvertrages weiter erhält, geht die LC-GmbH nichts an. Deswegen können die im Arbeitsrecht für das Kündigungsrecht des Arbeitgebers entwickelten Grundsätze allenfalls insofern auf das GmbH-Recht übertragen werden, als es sich um das nach außen wirkende Organverhältnis handelt. Ob in extremen Ausnahmefällen – wenn etwa die Gesellschaft vor der Alternative steht, ihreExistenz entweder durch den Abbruch der Lieferbeziehungen des “Druck” erzeugenden Kunden oder durch die nach einerAbberufung fortbestehende Pflicht, den Geschäftsführer weiter zu bezahlen, aufs Spiel zu setzen – etwas anderes gelten kann, bedurfte hier keiner Entscheidung, weil ein derartiger Extremfallnicht im entferntesten in Betracht zu ziehen war. Es ist auch sehr zu bezweifeln, ob die Gesellschaft ihr ins Feld geführtes Existenzrecht gegenüber dem gleich gelagerten Interesse des Geschäftsführers überhaupt wird durchsetzen dürfen; das gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, daß sie ihre Belange dadurch wahrenkann, daß sie nur einen Geschäftsführer beruft und anstellt, welcher sich mit einer Koppelung von Organ- und Anstellungsverhältnis einverstanden erklärt. Die Bekl. hat hier also den angeblich von der LC-GmbH ausgeübten Druck für das von ihr verfolgte Ziel instrumentalisiert, den nicht kompromißbereiten Kl. “zum Nulltarif” loszuwerden.

4. Nochschieben von Kündigungsgründen

Die im Laufe des Berufungsverfahrens vorgetragenen Gründe, auf welche die fristlose Kündigung gestützt werden sollte, waren – das hat das Berufungsgericht zutreffend beurteilt – keine “wichtigen” i. S. von § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 1 BGB. Denn bei ihnen handelte es sich lediglich um eine andere Bewertung desselben Verhaltens, das früher ausdrücklich nicht beanstandet worden war. Das Vorgehen der Bekl. wirft ferner die Frage auf, ob überhaupt die kurze Frist des § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 BGB (vgl. dazu zuletzt BGH v. 15. 6. 1998, II ZR 318–96, DStR 1998, DSTR Jahr 1998 Seite 1101; Stein, ZGR 1999, ZGR Jahr 1999 Seite 264 ff.) eingehalten worden und ob – wenn man annehmen wollte, es handele sich um neue Tatsachen – die allein zuständige Gesellschafterversammlung darüber befunden hat, sie wolle ihre Maßnahme auch auf diese Gründe stützen (vgl. BGH v. 14. 10. 1991, II ZR 239–90, DStR 1992, DSTR Jahr 1992 Seite 296). Schließlich kann die Bekl. mit ihrem neuen Vorbringen auch deswegen nicht gehört werden, weil kein Fall eines zulässigen Nachschiebens von Gründen (vgl. dazu näher Goette, Die GmbH nach der BGH-Rechtsprechung, § 8 Rn. 99 ff., m. N.), also eine bloße Ergänzung bereits vorgetragener Gründe vorliegt, sondern die Bekl. nur ihre Bewertung des bekannten Verhaltens des Kl. – aus durchsichtigen Gründen – hat ändern wollen.

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