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BGH, Urteil vom 20. Mai 1996 – II ZR 190/95

§ 85 GmbHG, § 134 BGB, § 398 BGB, § 402 BGB, Art 1 Abs 1 S 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 203 StGB

Der Schutzzweck des GmbHG § 85 erfordert es nicht, die Abtretung vermögensrechtlicher Vergütungsansprüche eines GmbH-Geschäftsführers an einen Dritten generell als nichtig anzusehen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juni 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger macht aus abgetretenem Recht Vergütungsansprüche für seine Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer geltend. Die Zedentin der Ansprüche war bei der Beklagten zeitweise zur Geschäftsführerin bestellt worden. Die Parteien streiten darüber, ob für die Tätigkeit die Zahlung einer Vergütung vereinbart war. Randnummer2

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der (zugelassenen) Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Kläger nicht Inhaber der an ihn abgetretenen Ansprüche geworden. Die Abtretung sei gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 85 Abs. 1 GmbHG nichtig. Gehaltsforderungen des Geschäftsführers einer GmbH unterlägen in gleicher Weise in der Regel einem Abtretungsverbot wie Honorarforderungen von Ärzten und Rechtsanwälten (BGHZ 122, 115; Urt. v. 13. Mai 1993 – IX ZR 234/92, NJW 1993, 1912; Urt. v. 8. Juli 1993 – IX ZR 12/93, BGHR Nr. 3 zu § 134 BGB Anwaltshonorar), ohne daß es darauf ankomme, ob tatsächlich der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen offenbart worden seien. Es genüge, daß die Zedentin Zugang zu geschäftlichen Unterlagen der Beklagten gehabt habe. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Randnummer4

II. 1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die das Berufungsgericht auf Vergütungsforderungen des Geschäftsführers einer GmbH übertragen will, geht davon aus, daß die Abtretung einer ärztlichen oder anwaltlichen Honorarforderung in aller Regel eine Preisgabe von Geheimnissen zur Folge hat, die Angehörigen dieser Berufsgruppen von ihren Patienten oder Mandanten anvertraut worden sind. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß es die Erteilung der zur Geltendmachung einer solchen Honorarforderung (etwa zum Nachweis der Erfüllung eines bestimmten Gebührentatbestandes) notwendigen Auskünfte (§ 402 BGB) typischerweise erfordert, nicht nur das Mandantschafts- oder Patientenverhältnis als solches, sondern auch die Erledigung einer ganz bestimmten Angelegenheit gegenüber dem Zessionar offenzulegen, was nicht ohne Mitteilung persönlicher Daten geschehen kann, die dem Schweigepflichtigen von seinem Auftraggeber unter dem Schutz der Verschwiegenheitspflicht anvertraut worden sind. Diese rechtliche Beurteilung ist wesentlich dadurch beeinflußt, daß die Schweigepflicht des § 203 StGB Träger von Berufen betrifft, deren Tätigkeit in ganz besonderem Maße voraussetzt, daß sich ihnen der einzelne weitgehend anvertraut, und die deshalb einer besonders umfassenden Schweigepflicht unterliegen. Zwar erstreckt sich der Schutz des § 203 StGB auch auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse (vgl. Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl., § 203 Rdn. 3). In erster Linie aber dient die in § 203 StGB enthaltene Strafandrohung gegenüber Angehörigen bestimmter sozial bedeutsamer Berufe dem Schutz der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten höchstpersönlichen Privatsphäre des einzelnen. Sie ist damit Ausfluß des Rechts des einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung, wonach es grundsätzlich jedem überlassen bleiben muß, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden dürfen (BVerfGE 65, 1 ff., 41 f.; vgl. auch Dreher/Tröndle aaO, § 203 Rdn. 1). Nur dieser besondere Schutzzweck des § 203 StGB in Verbindung mit den spezifischen Bedingungen der Geltendmachung von Honorarforderungen, welche die Besorgung von Angelegenheiten auf den durch § 203 StGB geschützten Lebensbereichen zum Gegenstand haben, rechtfertigt es, die Erfüllung der Informationspflicht des § 402 BGB im Regelfall mit einer Verpflichtung zur Offenbarung von Geheimnissen gleichzusetzen und mit dieser Begründung den davon betroffenen Honorarforderungen generalisierend grundsätzlich die Abtretbarkeit unter dem Gesichtspunkt des § 134 BGB zu versagen. Randnummer5

2. Ein entsprechender Zusammenhang zwischen Erfüllung der Informationspflicht des Zedenten nach § 402 BGB und der Preisgabe der Verschwiegenheitspflicht unterliegender Geheimnisse ist für die Geltendmachung von Gehaltsansprüchen des Geschäftsführers einer GmbH nicht festzustellen. Randnummer6

a) Schutzobjekt des § 85 GmbHG ist ein Geheimnis der Gesellschaft, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das dem Täter in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer, Mitglied des Aufsichtsrats oder Liquidator bekannt geworden ist. Damit wird – anders als mit § 17 UWG – jedes Geheimnis der GmbH erfaßt, gleich ob es einen materiellen oder immateriellen Wert hat (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 85 Rdn. 3). Es muß eine Tatsache vorliegen, die im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb steht und nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, also nicht offenkundig ist. An der Geheimhaltung muß die GmbH ein berechtigtes Interesse haben. Dieses objektive Interesse ist gegeben, wenn die Bekanntgabe der Tatsache der GmbH möglicherweise einen materiellen oder immateriellen Schaden zufügt, insbesondere ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht oder zu Ansehensminderung und Vertrauensverlust führen könnte (vgl. Lutter/Hommelhoff aaO). Ob außerdem noch der Wille der GmbH, die Tatsache geheimzuhalten, hinzutreten muß (so die h.M., vgl. Hachenburg/Kohlmann, GmbHG, 8. Aufl., § 85 Rdn. 19 m.w.N.), braucht hier nicht vertieft zu werden, weil bereits der übrige Tatbestand im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist. Randnummer7

Da der Gehaltsanspruch des Geschäftsführers, zumindest dann, wenn er auf ein vereinbartes Festgehalt und nicht auf eine erfolgsbezogene Vergütung (Tantieme) gerichtet ist, typischerweise nicht vom Vorliegen oder Fehlen bestimmter innerbetrieblicher Interna abhängt, wird die Geltendmachung dieses Anspruchs in zahlreichen Fällen, wenn nicht sogar im Regelfall, ohne Rückgriff auf Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft möglich sein. Bei dieser Sachlage ist es nicht gerechtfertigt, die Erfüllung der Informationspflicht nach § 402 BGB zumindest für den typischen Fall mit der Verpflichtung zur Preisgabe der Schweigepflicht unterliegender Daten des geschützten Unternehmens gleichzusetzen und unter diesem Gesichtspunkt Gehaltsansprüche des GmbH-Geschäftsführers nach § 134 BGB grundsätzlich als unabtretbar anzusehen. Randnummer8

b) Ein solcher Regelfall liegt hier vor. Gegenstand des Streites der Parteien war bisher ausschließlich die Frage, ob die Rechtsvorgängerin des Klägers für ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin der Beklagten vereinbarungsgemäß eine besondere Vergütung zu beanspruchen hatte oder ob ihre Dienste für die Beklagte mit der Erteilung anwaltlicher Mandate abgegolten sein sollten. Die Beklagte hat sich in ihrer Berufung lediglich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts zu dieser Frage gewandt und in diesem Zusammenhang insbesondere gerügt, daß ein von ihr dazu benannter Zeuge in erster Instanz nicht gehört worden war. Auf ein vermeintliches Geheimhaltungsinteresse hat sich die Beklagte erst berufen, nachdem sie vom Berufungsgericht darauf hingewiesen worden war, ohne jedoch Interessen zu benennen, die konkret betroffen sein könnten. Auch das Berufungsgericht trifft dazu keine Feststellungen. Der Umstand, daß die Rechtsvorgängerin des Klägers als Geschäftsführerin eingestellt worden war, um den Anforderungen des Rechtsberatungsgesetzes zu genügen, stellt kein unter den Schutz des § 85 GmbHG fallendes Geschäftsgeheimnis dar, weil sich eine entsprechende Notwendigkeit bereits aus dem Unternehmensgegenstand der Beklagten ergibt. Bei dieser Sachlage fehlt, wie die Revision mit Erfolg rügt, jedenfalls nach dem gegenwärtigen Streitstand die tatsächliche Grundlage für die Annahme einer auch nur potentiellen Geheimnisverletzung. Es kann deshalb dahinstehen, wie zu entscheiden wäre, wenn die zur Geltendmachung der abgetretenen Forderung dem Zessionar nach § 402 BGB zu erteilenden Auskünfte die Mitteilung nach § 85 GmbHG geschützter Daten des Unternehmens bedingen. Randnummer9

III. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht die bisher fehlenden Feststellungen zu der streitigen Vergütungsvereinbarung nachholen kann.

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Schlagworte: GmbH-Geschäftsführer, GmbHG § 85, Verletzung Geheimhaltungspflicht