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OLG München, Urteil vom 11.10.2023 – 7 U 380/23 e

Anfechtung Hauptversammlungsbeschluss

Tenor

1. Die Berufungen der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 10.11.2022, Az. 5 HK O 2654/22, werden zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 bezeichnete Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer Beschlüsse einer Hauptversammlung der Beklagten vom 03.02.2022.Randnummer2

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in M.    Ihr Grundkapital von 13.288.166,80 € ist in 10.884.940 auf den Namen lautende nennwertlose Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von 1,22 € pro Aktie eingeteilt (vgl. die Angaben in der Niederschrift zur außerordentlichen Hauptversammlung vom 03.02.2022 laut Anl. B 1). Die Aktien der Beklagten wurden am 13.06.1994 an der F. Wertpapierbörse sowie an der Börse M. zum (damals) geregelten Markt zugelassen (vgl. Anl. B 3 S. 2).Randnummer3

Am 07.08.2021 veröffentlichte die V. B GmbH ihre Entscheidung zur Abgabe eines Angebots für den Erwerb von Aktien der Beklagten.Randnummer4

Am 25.08.2021 veröffentlichte die V. B GmbH die Angebotsunterlage laut Anlage K 6 für ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot an die Aktionäre der Beklagten zum Erwerb der Aktien der Beklagten gegen eine Geldleistung in Höhe von 53,50 € je Aktie. In der Angebotsunterlage wies die V. B GmbH darauf hin, dass sie am 06.08.2021 mehrere unwiderrufliche Verpflichtungen mit Aktionären der Beklagten geschlossen habe, u.a. mit der A. O.SICAV-FIS SCS, die zu diesem Zeitpunkt 10,4 % der Aktien der Beklagten hielt. Diese Aktionäre der Beklagten hätten sich darin verpflichtet, das Kaufangebot der V. B GmbH spätestens am fünften Tag nach Beginn der Annahmefrist anzunehmen (S. 26 – 28 der Angebotsunterlage laut Anl. K 6). Gleichzeitig wies die V. B GmbH in der Angebotsunterlage darauf hin, dass sie denjenigen Aktionären, die eine unwiderrufliche Annahmeverpflichtung eingegangen seien, den Abschluss einer Syndizierungsvereinbarung angeboten habe, aufgrund derer diese Aktionäre mit einem Teil des von ihnen erzielten Erlöses aus dem Aktienverkauf Anteile an einer der die V. B GmbH mittelbar beherrschenden Gesellschaften erwerben könnten. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Angebotsunterlage habe die A. O. SICAV-FIS SCS ein solches Angebot auf Abschluss einer Syndizierungsvereinbarung angenommen (S. 28 und 29 der Angebotsunterlage laut Anlage K 6). Die Annahmefrist ende am 22.09.2021 24:00 Uhr. Die weitere Annahmefrist beginne am 28.09.2021 und ende am 11.10.2021 24:00 Uhr.Randnummer5

Am 14.10.2021 machte die V. B GmbH gemäß § 23 Abs 1 S. 1 Nr. 3 WpÜG bekannt, dass bis zum 11.10.2021 (Meldestichtag) das Übernahmeangebot für insgesamt 8.318.522 Aktien der Beklagten angenommen worden sei, was einem Anteil von 76,65 % aller ausgegebenen Aktien der Beklagten entspreche (vgl. die Bekanntmachung laut Anl. K 8).Randnummer6

Mit Bescheid vom 30.11.2021 (Anl. B 3) widerrief die Börse M. auf Antrag der Beklagten deren Zulassung zum regulierten Markt der Börse M. mit Wirkung zum Ablauf des 30.12.2021 und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs an.Randnummer7

Mit Beschluss vom 15.12.2021 (Anl. B 4) widerrief die F. Wertpapierbörse ebenfalls auf Antrag der Beklagten deren Zulassung zum regulierten Markt mit Wirkung zum Ablauf des 20.12.2021. Auch hier wurde die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs angeordnet.Randnummer8

Die Aktien der Beklagten wurden bis zum 31.03.2022 im Freiverkehr an der Börse M. gehandelt.Randnummer9

Am 17.12.2021 schlossen die V. B GmbH als herrschendes Unternehmen und die Beklagte als abhängiges Unternehmen einen Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
, mit dessen Wirksamkeit die Beklagte die Leitung ihrer Gesellschaft der V. B GmbH unterstellt und sich verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an die V. B GmbH abzuführen.Randnummer10

Am gleichen Tag erstatteten die Geschäftsführung der V. B GmbH und der Vorstand der Beklagten einen gemeinsamen Bericht nach § 293a AktG (vgl. Anlage K 2).Randnummer11

Die Beklagte veröffentlichte am 23.12.2021 im Bundesanzeiger die Einladung zu einer außerordentlichen Hauptversammlung am 03.02.2022 laut Anlage K 1. In der Einladung war in Abschnitt B „Teilnahmebedingungen sowie weitere Anordnungen und Hinweise“ unter Punkt 2 a folgendes ausgeführt:Randnummer12

„Aktionäre, die am Tag der virtuellen Hauptversammlung eingetragen und die ordnungsgemäß zur Teilnahme an der virtuellen Hauptversammlung angemeldet sind (…), können ihre Rechte in der virtuellen Hauptversammlung auch durch einen Bevollmächtigten wahrnehmen lassen; bevollmächtigen kann der Aktionär eine Person seiner wahl, auch die depotführende Bank oder eine Aktionärsvereinigung oder einen sonstigen Dritten. Bevollmächtigt der Aktionär mehr als eine Person, so kann die Gesellschaft eine oder mehrere von diesen zurückweisen.“Randnummer13

In der Einladung laut Anlage K 1 wurde darüber hinaus in Abschnitt B u.a. darauf hingewiesen, dass die Hauptversammlung am 03.02.2022 als virtuelle Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten (mit Ausnahme der von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter) durchgeführt werde. Eine physische Teilnahme der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten, mit Ausnahme der von der Gesellschaft benannten weisungsgebundenen Stimmrechtsvertreter, vor Ort sei ausgeschlossen.Randnummer14

Aktionäre, die im Aktienregister der Beklagten als Aktionäre eingetragen seien und die sich bis spätestens 27.01.2022 24:00 Uhr bei der Beklagten zur Teilnahme an der Hauptversammlung angemeldet hätten, oder ihre Bevollmächtigten könnten die Bild- und Tonübertragung der gesamten Hauptversammlung über das InvestorPortal der Gesellschaft verfolgen. Teilnahmeberechtigte Aktionäre und ihre Bevollmächtigten könnten ihr Stimmrecht im Wege elektronischer Kommunikation über das InvestorPortal der Gesellschaft ausüben (Briefwahl). Aktionäre und ihre Bevollmächtigten hätten das Recht, im Wege elektronischer Kommunikation Fragen zu stellen, wobei diese Fragen bis spätestens Dienstag, den 01.02.2022, 24:00 Uhr über das InvestorPortal der Gesellschaft zugegangen sein müssten. Teilnahmeberechtigte Aktionäre und ihre Bevollmächtigten könnten während der Hauptversammlung auf elektronischem Wege über das InvestorPortal Widerspruch zu Protokoll gegen Beschlüsse der Hauptversammlung erklären. Eine darüber hinausgehende Ausübung von Aktionärsrechten sei in der virtuellen Hauptversammlung nicht möglich.Randnummer15

In Abschnitt E „Erläuterungen zu den Rechten der Aktionäre nach §§ 122 Abs. 2, 126 Abs. 1, 127 und 131 Abs. 1 AktG I.V.M. § 1 Abs. 2 COVID-19-MASSNAHMEGESETZ“ hieß es in der Einladung:Randnummer16

Auskunftsrecht der AktionäreRandnummer17

Jedem Aktionär ist grundsätzlich auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachlichen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen. Von einer Beantwortung einzelner Fragen kann der Vorstand aus den in § 131 Abs. 3 AktG genannten Gründen absehen (z.B. keine Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen).Randnummer18

Ferner gelten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, S. 2 COVID-19-Maßnahmengesetz für das Auskunftsrecht der Aktionäre folgende Besonderheiten und Einschränkungen: Ein Rederecht der Aktionäre in Bezug auf die virtuelle Hauptversammlung besteht nicht; sie haben ausschließlich das Recht, Fragen zu stellen. Das Fragerecht ist gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 COVID-19-Maßnahmengesetz im Wege der elektronischen Kommunikation einzuräumen. Der Vorstand entscheidet nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen, wie er Fragen beantwortet. Der Vorstand kann vorgeben, dass Fragen bis spätestens einen Tag vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind. Von dieser Möglichkeit hat der Vorstand der Gesellschaft mit Zustimmung des Aufsichtsrats Gebrauch gemacht. Fragen der Aktionäre bzw. ihrer Bevollmächtigten sind bis spätestens Dienstag, den 1. Februar 2022, 24:00 Uhr (MEZ) (Zeitpunkt des Zugangs), im Wege elektronischer Kommunikation über das unter Internetadresse (…) zugängliche InvestorPortal der Gesellschaft einzureichen. Nach Ablauf der Frist können Fragen nicht mehr eingereicht werden. Insbesondere können damit auch während der virtuellen Hauptversammlung keine Fragen gestellt werden.“Randnummer19

Top 1 der Hauptversammlung vom 03.02.2022 war die „Beschlussfassung über die Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der V. B GmbH als herrschendem Unternehmen und der S. Holding AG als abhängigem Unternehmen“.Randnummer20

Der in der Einladung zur Hauptversammlung wiedergegebene Beschlussvorschlag des Vorstands und des Aufsichtsrats zu Top 1 lautete:Randnummer21

„Dem Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom 17.12.2021 zwischen der V. B GmbH als herrschendem Unternehmen und der S. Holding AG als abhängigem Unternehmen wird zugestimmt.“Randnummer22

Top 3 der Hauptversammlung vom 03.02.2022 waren „Wahlen zum Aufsichtsrat“.Randnummer23

Der in der Einladung zur Hauptversammlung wiedergegebene Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats zu Top 3 lautete:Randnummer24

„Der Aufsichtsrat schlägt auf Vorschlag des Nominierungsausschusses vor, folgende Personen (…) in den Aufsichtsrat zu wählen:Randnummer25

3.1 Dr. F. D. (…)Randnummer26

3.2 V. L. (…)Randnummer27

3.3 W. A. S. (…)Randnummer28

3.4 W. W. (…)“Randnummer29

Am 25.01.2022 machte die Beklagte im Bundesanzeiger eine Mitteilung nach § 20 Abs. 6 AktG bekannt. Danach hätte ihr die V. B GmbH gemäß § 20 Abs. 1, 3 und 4 AktG mitgeteilt, dass dieser unmittelbar mehr als der vierte Teil der Aktien und zugleich eine Mehrheitsbeteiligung an der Beklagten gehörten. Gleichzeitig hätten der Beklagten diverse andere Aktionäre mitgeteilt, dass ihnen jeweils mittelbar mehr als der vierte Teil der Aktien und zugleich eine Mehrheitsbeteiligung an der Beklagten gehörten, da ihnen die unmittelbare Beteiligung der V. B GmbH an der Beklagten nach § 16 Abs. 4 AktG zuzurechnen sei, da sie die V. B GmbH über eine Beherrschungskette beherrschten. Hinsichtlich des Inhalts der Bekanntmachung vom 25.01.2022 wird auf Anl. B 5 Bezug genommen.Randnummer30

In der Hauptversammlung vom 03.02.2022 stimmten die Kläger gegen den Beschlussvorschlag des Vorstands und des Aufsichtsrats zu Top 1. Sie erklärten (u.a.) Widerspruch zur Niederschrift gegen Top 1. Der Versammlungsleiter der Hauptversammlung stellte fest, dass die Abstimmung zu Top 1 bei 9.040.160 Aktien, für die gültige Stimmen abgegeben worden seien (entsprechend 83,00 % des Grundkapitals), 8.841.715 Ja-Stimmen (= 97,80 %) und 198.445 Nein-Stimmen (= 2,2 %) ergeben habe. Die Hauptversammlung habe damit zu Top 1 den Beschlussvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat angenommen (vgl. Niederschrift laut Anl. B 1). Von den 8.841.715 Ja-Stimmen waren 8.521.407 von der V. B GmbH abgegeben.Randnummer31

Die Kläger stimmten auch gegen die Beschlussvorschläge des Aufsichtsrats zu Top 3.1 bis 3.4 und erklärten auch insoweit Widerspruch zur Niederschrift gegen Top 3.1 bis 3.4.Randnummer32

Der Versammlungsleiter der Hauptversammlung stellte fest, dass die Abstimmung zu Top 3.1 bei 9.521.949 Aktien, für die gültige Stimmen abgegeben worden seien (entsprechend 87,42 % des Grundkapitals), 8.544.419 Ja-Stimmen (= 89,73 %) und 977.530 Nein-Stimmen (= 10,27 %) ergeben habe. Die Hauptversammlung habe damit zu Top 3.1 den Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats angenommen (vgl. Niederschrift laut Anl. B 1).Randnummer33

Hinsichtlich Top 3.2 stellte der Versammlungsleiter fest, dass bei 9.521.859 Aktien, für die gültige Stimmen abgegeben worden seien (entsprechend 87,42 % des Grundkapitals), 8.539.879 Ja-Stimmen (= 89,69 %) und 981.980 Nein-Stimmen (= 10,31 %) vorlägen. Die Hauptversammlung habe damit zu Top 3.2 den Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats angenommen (vgl. Niederschrift laut Anl. B 1).Randnummer34

Bezüglich der Abstimmung zu Top 3.3 stellte der Versammlungsleiter fest, dass von 9.521.925 gültigen Stimmen (entsprechend 87,42 % des Grundkapitals), 8.543.289 mit Ja (= 89,72 %) und 978.636 mit Nein (= 10,28 %) votiert hätten. Die Hauptversammlung habe damit zu Top 3.3 den Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats angenommen (vgl. Niederschrift laut Anl. B 1).Randnummer35

Schließlich stellte der Versammlungsleiterbezüglich Top 3.4 fest, dass bei 9.521.859 Aktien, für die gültige Stimmen abgegeben worden seien (entsprechend 87,42 % des Grundkapitals), 8.542.704 Ja-Stimmen (= 89,72 %) und 979.155 Nein-Stimmen (= 10,28 %) vorlägen. Die Hauptversammlung habe damit auch zu Top 3.4 den Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats angenommen (vgl. Niederschrift laut Anl. B 1).Randnummer36

Unter den bei den Abstimmungen zu 3.1 bis 3.4 abgegebenen JA-Stimmen waren jeweils 8.521.407 von der V. B GmbH abgegebene.Randnummer37

Die Kläger trugen vor, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung zu den Top 1 sowie 3.1, 3.2, 3.2 und 3.4 gemäß § 243 Abs. 1 AktG aufgrund ihrer Gesetzeswidrigkeit für nichtig zu erklären seien.Randnummer38

So sei schon die Einladung zur Hauptversammlung fehlerhaft, da der darin enthaltene Hinweis, dass, sollte der Aktionär mehr als eine Person bevollmächtigen, die Gesellschaft einen oder mehrere von diesen Bevollmächtigten zurückweisen könne, eine unzulässige Einschränkung des Teilnahmerechts darstelle. § 134 Abs. 3 S. 2 AktG sei nämlich im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 UA 2 S. 2 der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, derzufolge Aktionäre, die Aktien einer Gesellschaft in mehr als einem Wertpapierdepot halten, berechtigt seien, für die in jedem einzelnen Wertpapierdepot gehaltenen Aktien jeweils einen eigenen Vertreter für jede Hauptversammlung zu bestellen, richtlinienkonform auszulegen. Da die Satzung der Antragstellerin keine dem § 134 Abs. 3 S. 2 AktG entsprechende Regelung enthalte, sei der in Einladung aufgenommene Hinweis auf § 134 Abs. 3 S. 2 AktG fakultativ. Da dieser Hinweis aber zu dem nach der Richtlinie 2007/36/EG einem Aktionär, der Aktien der Gesellschaft in mehreren Wertpapierdepots halte, zustehenden Recht auf Benennung mehrerer Bevollmächtigter schweige, sei er irreführend und „zur Täuschung des Aktionariats angelegt“. Im Übrigen verstoße § 134 Abs. 3 S. 2 AktG als solches gegen Europarecht, da er die Personenzahlbegrenzung in das Ermessen der Gesellschaft stelle, wohingegen in Art. 10 Abs. 2 UA 2 S. 2 der Richtlinie eine Begrenzung der Zahl der Bevollmächtigten durch den Gesetzgeber des Mitgliedsstaates vorsehe. Da diese Fragen die Auslegung europäischen Rechts beträfen, beantragt die Antragsgegnerin zu 1), insoweit ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV durchzuführen.Randnummer39

Darüber hinaus sei das Fragerecht der Aktionäre durch eine unzulässige Verkürzung der Frist zur Einreichung schriftlicher Fragen in rechtswidriger Weise beeinträchtigt worden. Denn die Regelung in § 1 Abs. 2 S. 2 COVID-19-Maßnahmegesetz, wonach der Vorstand vorgeben könne, dass Fragen bis spätestens einen Tag vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen seien, sei nicht dahingehend auszulegen, dass – wie gemäß § 121 Abs. 7 S. 1 AktG – der Tag der Versammlung nicht mitzurechnen sei. Denn die Vorschrift des § 121 Abs. 7 S. 1 AktG gelte nur für den zweiten Unterabschnitt des vierten Abschnitts des ersten Buches des AktG (§§ 121128 AktG), nicht aber auch für den dritten Unterabschnitt, in dem das Auskunftsrecht der Aktionäre geregelt sei. Da das COVID-19-Maßnahmengesetz kein eigenes Fristenregime enthalte, seien – dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 2 COVID-19-Maßnahmengesetz entsprechend – Fragen bis zum Ablauf des 02.02.2022 und nicht – wie in der Einladung ausgeführt – nur bis zum Ablauf des 01.02.2022 zulässig gewesen.Randnummer40

Schließlich stelle auch die fehlende Zweiwegekommunikation bei der Durchführung der virtuellen Hauptversammlung vom 03.02.2022 einen schwerwiegenden Rechtsverstoß dar.Randnummer41

Die Beschlüsse seien auch nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustandegekommen, da die Mehrheitsaktionärin der Beklagten, die V. B GmbH, sowie sämtliche Mutterunternehmen der Beklagten sowie herrschende Personen bei der Abstimmung über den streitgegenständlichen Beschluss am 03.02.2022 aufgrund nach dem WpHG fehlerhafter Stimmrechtsmeldungen einem Stimmrechtsverbot nach § 44 Abs. 1 S. 3 WpHG unterlegen wären. Dieses Stimmrechtsverbot sei auch nicht im Moment des Delistings der Beklagten entfallen, da die sechsmonatige nachwirkende Sperrfrist des § 44 Abs. 1 S. 3 WpHG auch noch nach dem Delisting der Beklagten mit Ablauf des 30.12.2021 gelte. Die Voraussetzungen für eine nachwirkende Stimmrechtssperre lägen vor, da der V. B GmbH bereits am 14.10.2021 78,22 % der Beklagten gehörten. Denn zu diesem Zeitpunkt seien sämtliche Vollzugsvoraussetzungen des Übernahmeangebots erfüllt gewesen, sodass eine Übereignung der zum Verkauf eingereichten Aktien von der V. B GmbH hätte veranlasst werden können. Die V. B GmbH habe daher bereits zum 14.10.2021 einen auf die Übertragung der Aktien gerichteten unbedingten und ohne zeitliche Verzögerung zu erfüllenden Anspruch gehabt, was nach § 33 Abs. 3 WpHG einem Gehören iSd. § 33 Abs. 1 WpHG gleichstehe. Obwohl damit die 75-Prozentmeldeschwelle bereits am 14.10.2021 überschritten gewesen sei, habe die V. B GmbH erst am 27.10.2021 und damit nicht unverzüglich und in der Sache unrichtig bekanntgegeben, dass ihr seit 25.10.2021 78,22 % der Aktien der Beklagten gehörten.Randnummer42

Darüber hinaus sei die 75-prozentige Mehrheit auch nicht mit von der Rechtsordnung gebilligten Methoden zustandegekommen. Durch die Rückbeteiligung u.a. der A. O. SICAV-FIS SCS werde nämlich das 75%-Mehrheitserfordernis des § 293 Abs. 1 S. 2 AktG umgangen.Randnummer43

Es läge ein eklatanter Berichtsmangel gemäß § 293a AktG vor, da darin nicht auf den Stimmrechtsausschluss u.a. der V. B GmbH hingewiesen sei.Randnummer44

Die Kläger beantragten daher:Randnummer45

I. Der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 03.02.02022 unter Top 1 gefasste Beschluss über die Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen der V. B GmbH als herrschendem Unternehmen und der S. Holding AG als abhängigem Unternehmen wird für nichtig erklärt.Randnummer46

II. Die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 03.0.2.2022 unter Top 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4 gefassten Beschlüsse über die Wahlen des Herrn Dr. F. D. (Top 3.1), der Frau V. L. (Top 3.2), des Herrn W. A. S. (Top 3.3) sowie des Herrn W. W. (Top 3.4) in den Aufsichtsrat werden für nichtig erklärt.Randnummer47

Hilfsweise beantragten die Kläger:Randnummer48

Es wird festgestellt, dass die vorgenannten Beschlüsse nichtig sind.Randnummer49

Äußerst hilfsweise beantragten die Kläger:Randnummer50

Es wird festgestellt, dass die vorgenannten Beschlüsse unwirksam sind.Randnummer51

Die Beklagte beantragte:Randnummer52

Klageabweisung:Randnummer53

Die Beklagte erwiderte, dass bei der Abstimmung in der Hauptversammlung vom 03.02.2022 ein Stimmrechtsausschluss der V. B GmbH nach § 44 WpHG wegen der von den Klägern behaupteten Melderechtsverletzungen schon deshalb nicht bestanden habe, da die Beklagte infolge ihres Delistings mit Ablauf des 30.12.2021 nicht mehr den Regelungen des WpHG unterfalle. Meldepflichten bestünden seit dem 31.12.2021 nur noch nach § 20 AktG. Diesen sei mit der Mitteilung vom 25.01.2022 laut Anl. B 5 Genüge getan.Randnummer54

Selbst wenn aber § 44 WpHG trotz des Delistings der Beklagten anwendbar sein sollte, so bestünde danach kein Stimmrechtsausschluss der V. B GmbH (und anderer Aktionäre). Denn diese hätten mit der Bekanntmachung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpÜG vom 14.10.2021 die Meldepflichten erfüllt. Das Überschreiten der höchsten von § 33 WpHG erfassten Meldeschwelle von 75 % sei damit öffentlich bekannt gewesen.Randnummer55

Die Rüge der Kläger, es läge ein Berichtsmangel iSd. § 293a AktG vor, gehe schon deshalb ins Leere, weil zum einen nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 293a AktG über Stimmrechte und etwaige Stimmrechtsverluste gar nicht zu berichten sei und zum anderen – wie oben dargelegt – ein Stimmrechtsverlust der V. B GmbH nicht vorgelegen habe, sodass darüber auch nicht habe berichtet werden können. Darüber hinaus könne sich diese Rüge auch nicht auf die wahl der Aufsichtsratsmitglieder beziehen, da dafür ein Bericht nach § 293 a AktG gar nicht erforderlich sei.Randnummer56

Es sei nicht ersichtlich wie die Erlangung der Mehrheit der in der Hauptversammlung abgegebenen Stimmen durch die V. B GmbH eine Umgehung des Mehrheitserfordernisses von 75 % darstellen solle. Die V. B GmbH habe die Aktien der A. O. SICAV-FIS SCS sowie der Vorstandsmitglieder der Beklagten ordnungsgemäß erworben. Sie habe dies auch offengelegt. Selbst wenn aber mit den Klägern ein Stimmrechtsausschluss hinsichtlich der durch die V. B GmbH von der A. O. SICAV-FIS SCS sowie von Vorstandsmitgliedern der Beklagten erworbenen Aktien bejaht werden sollte, so würde dies nichts daran ändern, dass die streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlüsse mit der notwendigen Mehrheit gefasst worden seien.Randnummer57

Die in der Einladung zur Hauptversammlung vom 03.02.2022 wiedergegebenen Teilnahmebedingungen seien nicht fehlerhaft. Die Anordnung, dass bei Bevollmächtigung von mehr als einer Person durch einen Aktionär eine oder mehrere dieser Personen zurückgewiesen werden könnten, entspreche dem Wortlaut des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG und könne schon deshalb nicht unzulässig sein.Randnummer58

Die Fragerechte der Aktionäre seien nicht in rechtswidriger Weise verkürzt. Die in der Einladung aufgeführten Anordnungen entsprächen dem Covid-Gesetz. Eine Zweiwegekommunikation und damit verbunden eine Nachfragemöglichkeit der Aktionäre sei nicht zwingend vorzusehen.Randnummer59

Die Klage der Kläger ging am 03.03.2022 beim Landgericht München I ein. Nachdem das Landgericht mit Beschluss vom 04.03.2022 (Bl. 22/24 d.A.) den Streitwert auf 275.000,00 € festgesetzt hatte, forderte die Landesjustizkasse am 07.03.2022 beim Klägervertreter zu 1) einen Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 7.545,00 € an (vgl. Kostenbeleg I), woraufhin die Klägerin zu 1) am 15.03.2022 und am 17.03.2022 jeweils 2.515,00 € und der Klägervertreter zu 3) am 16.03.2022 2.515,00 € einzahlten (vgl. Kostenbelege II bis IV). Aufgrund einer Vorsitzendenverfügung vom 30.03.2022 (Bl. 26/27 d.A.) wurde die Klageschrift dem Beklagtenvertreter am 31.03.2022 zugestellt (vgl. Bl. zu 27 d.A.).Randnummer60

Mit Endurteil vom 10.11.2022, Az. 5 HK O 2654/22, das dem Klägervertreter zu 1) am 23.12.2022, dem Klägervertreter zu 2) am 27.12.2022 und dem Klägervertreter zu 3) am 16.01.2023 zugestellt wurde (vgl. die Empfangsbekenntnisse laut Bl. zu 86 d.A.), wies das Landgericht München I die Klagen der Kläger ab. Die zulässigen Anfechtungsklagen seien nicht begründet, da eine Gesetzesverletzung i.S.d. § 243 Abs. 1 AktG nicht vorliege.Randnummer61

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht u.a. aus, dass eine Verletzung des § 44 WpHG nicht anzunehmen sei. Ob die in § 33 WpHG statuierten Mitteilungspflichten erfüllt worden seien, könne dahinstehen, da für die Aktionäre der Beklagten ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Delisting mit Ablauf des 30.12.2021 nur noch die Mitteilungspflichten aus § 20 Abs. 1 bis 6 AktG gegolten hätten mit der Folge des § 20 Abs. 7 AktG im Falle eines Verstoßes. § 33 WpHG beziehe die Mitteilungspflichten nämlich nur auf börsennotierte Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen seien. Dazu gehöre aber nicht der Freiverkehr (LGU S. 10). Da die Mitteilungspflichten nach § 20 Abs. 1, 2 und 4 AktG erfüllt worden seien, sei die V. B GmbH in der Hauptversammlung vom 03.02.2022 nicht aufgrund § 20 Abs. 7 AktG von der Ausübung ihrer Stimmrechte ausgeschlossen gewesen (LGU S. 11).Randnummer62

Es liege auch keine Verletzung des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG vor, da die in der Einladung aufgeführte Beschränkung auf eine Person als Bevollmächtigten und die dadurch eröffnete Zurückweisung von einem oder mehreren weiteren Vertretern inhaltlich exakt dem Wortlaut des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG entspreche. Mit dem Hinweis auf die Beschränkungsmöglichkeit in der Einladung sei auch nicht gegen § 125 Abs. 2 und Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 125 Abs. 5 S. 1 AktG verstoßen worden, obwohl die Einladung keinen Hinweis darauf enthalten habe, dass die Beschränkung im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 UA 2 S. 2 der Richtlinie 2007/36/EG vom 11.07.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären nicht für diejenigen Aktionäre gelte, die ihre Aktien an der Beklagten in unterschiedlichen Wertpapierdepots halten. Zwar komme dies in § 134 Abs. 3 S. 2 AktG so nicht zum Ausdruck, jedoch könne dem durch eine richtlinienkonforme Auslegung dahingehend Rechnung getragen werden, dass das in § 134 Abs. 3 S. 2 AktG eingeräumte Zurückweisungsermessen dahingehend reduziert werde, dass, wenn ein Aktionär Aktien der Beklagten in mehreren Aktiendepots halte, auch mehrere Bevollmächtigte zuzulassen seien (LGU S. 11 und 12 oben).Randnummer63

Letztendlich komme es aber auf Mitteilung einer richtlinienkonformen Auslegung des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG in der Einladung gar nicht an, da die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptversammlung nicht mehr börsennotiert gewesen sei und deshalb die Vorgaben der Aktionärsrechterichtlinie nicht zur Anwendung kämen. Unerheblich sei insoweit, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Einladung noch börsennotiert gewesen sei, da die Delistingbescheide der beiden Börsen vom 30.11.2021 und 15.12.2021 zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen hätten und damit klar gewesen sei, dass die Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Gesellschaft stattfinden werde. Angesichts der nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der Delistingbescheide komme es auch nicht darauf an, dass die Klagefrist gegen die Delistingbescheide unter Umständen noch nicht abgelaufen gewesen sei (LGU S. 12 und 13).Randnummer64

Die Fristberechnung für das Einreichen schriftlicher Frage auf der Grundlage von § 1 Abs. 2 S. 2 COVMG mit dem in der Einberufung genannten Fristende am 01.02.2022, 24:00 Uhr sei gesetzeskonform. Es sei nämlich die Regelung des § 121 Abs. 7 AktG, wonach bei Rückrechnungsfristen der Tag der Versammlung nicht mitzurechnen sei, entsprechend anzuwenden.Randnummer65

Die Einrichtung einer Zwei-Wege-Kommunikation sei nicht erforderlich gewesen, da dies im COVMG nicht vorgesehen sei (LGU S. 14).Randnummer66

Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 293 a Abs. 2 AktG sei nicht gegeben, da in dem Bericht nicht auf einen möglicherweise bestehenden Stimmrechtsausschluss der V. B GmbH hätte hingewiesen werden müssen. Denn der Bericht nach § 293a Abs. 1 AktG beziehe sich nur auf den Vertragsabschluss und den Inhalt des Unternehmensvertrages, da damit den Minderheitsaktionären die rechtlichen und wirtschaftlichen Gründe mitgeteilt werden sollen, die den Vertrag als geeignetes Mittel zur Verfolgung des Unternehmenszwecks erscheinen lassen. Dazu gehöre aber nicht die Frage, inwieweit einem Vertragsteil auf der Hauptversammlung ein Stimmrecht zustehe (LGU S. 15).Randnummer67

Es liege auch keine Umgehung der Mehrheitserfordernisse aus § 293 Abs. 1 S. 1 AktG vor. Ein Rechtsmissbrauch sei nicht anzunehmen, wenn – wie hier – ein Aktionär seine Aktien der Hauptaktionärin überträgt, sich aber vorbehält, eine mittelbare Beteiligung über die Muttergesellschaft zu erwerben (LGU S. 16 und 17).Randnummer68

Da demnach keine Gesetzesverletzung vorliege, seien auch die Hilfsanträge der Kläger unbegründet.Randnummer69

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.Randnummer70

Die Kläger verfolgen mit ihren am 23.01.2023 beim Oberlandesgericht eingegangenen und mit Schriftsätzen vom 22.02.2023 (Kläger zu 2, Bl. 16/24 d. eA, eingegangen beim Oberlandesgericht am 22.02.2023), 23.03.2023 (Klägerin zu 1, Bl. 27/33 d.eA, nach bis 23.03.2023 bewilligter Fristverlängerung eingegangen beim Oberlandesgericht am 23.03.2023) und 13.04.2023 (Kläger zu 3, Bl. 34/38 d. eA., nach bis 17.04.2023 bewilligter Fristverlängerung eingegangen beim Oberlandesgericht am 13.04.2023) begründeten Berufungen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihr Klagebegehren vollumfänglich weiter.Randnummer71

Die Klägerin zu 1) beantragt daher:Randnummer72

Unter Abänderung und Aufhebung des Urteils des Landgerichts München vom 10.11.2022 (Az.: 5 HK O 2654/22)Randnummer73

1.) wird der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 03. Februar 2022 unter Top 1 gefasste Beschluss über die Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der V. B GmbH als herrschendem Unternehmen und der S. Holding AG als abhängigem Unternehmen für nichtig erklärt.Randnummer74

Hilfsweise:Randnummer75

Es wird festgestellt, dass vorgenannter Beschluss nichtig ist.Randnummer76

Äußerst hilfsweise:Randnummer77

Es wird festgestellt, dass vorgenannter Beschluss unwirksam ist.Randnummer78

2.) werden die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 03. Februar 2022 unter Top 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4 gefassten Beschlüsse über die Wahlen des Herrn Dr. F. D. (Top 3.1), der Frau V. L. (Top 3.2), des Herrn W. A. [sic] S. (Top 3.3) sowie des Herrn W. W. (Top 3.4) in den Aufsichtsrat für nichtig erklärt.Randnummer79

Hilfsweise:Randnummer80

Es wird festgestellt, dass vorgenannte Beschlüsse nichtig sind.Randnummer81

Äußerst hilfsweise:Randnummer82

Es wird festgestellt, dass vorgenannte Beschlüsse unwirksam sind.Randnummer83

Der Kläger zu 2) beantragt, unter Abänderung des am 10.11.2022 verkündeten erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts München I, Az.: 5 HK O 2654/22 wie folgt zu entscheiden:Randnummer84

1. Der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 03. Februar 2022 unter Top 1 gefasste Beschluss über die Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der V. B GmbH als herrschendem Unternehmen und der S. Holding AG als abhängigem Unternehmen wird für nichtig erklärt.Randnummer85

Hilfsweise:Randnummer86

Es wird festgestellt, dass vorgenannter Beschluss nichtig ist.Randnummer87

Äußerst hilfsweise:Randnummer88

Es wird festgestellt, dass vorgenannter Beschluss unwirksam ist.Randnummer89

2. Die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 03. Februar 2022 unter Top 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4 gefassten Beschlüsse über die Wahlen des Herrn Dr. F. D. (Top 3.1), der Frau V. L. (Top 3.2), des Herrn W. A. [sic] S. (Top 3.3) sowie des Herrn W. W. (Top 3.4) in den Aufsichtsrat werden für nichtig erklärt.Randnummer90

Hilfsweise:Randnummer91

Es wird festgestellt, dass vorgenannte Beschlüsse nichtig sind.Randnummer92

Äußerst hilfsweise:Randnummer93

Es wird festgestellt, dass vorgenannte Beschlüsse unwirksam sind.Randnummer94

Der Kläger zu 3) beantragt,Randnummer95

1. unter Abänderung des Urteils des LG München I, Az.: 5 HK O 2654/22, vom 10. November 2022, den in der Hauptversammlung der Beklagten vom 03. Februar 2022 unter Top 1 gefassten Beschluss über die Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der V. B GmbH als herrschendem Unternehmen und der S. Holding AG als abhängigem Unternehmen, für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass vorgenannter Beschluss nichtig, äußerst hilfsweise unwirksam ist;Randnummer96

2. unter Abänderung des Urteils des LG München I, Az.: 5 HK O 2654/22, vom 10. November 2022, die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 03. Februar 2022 unter Top 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4 gefassten Beschlüsse über die Wahlen des Herrn Dr. F. D. (Top 3.1), der Frau V. L. (Top 3.2), des Herrn W. A. [sic] Stark (Top 3.3) sowie des Herrn W. W. (Top 3.4) in den Aufsichtsrat werden für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen dass vorgenannte Beschlüsse nichtig, äußerst hilfsweise unwirksam sind;.Randnummer97

3. hilfsweise das Urteil des LG München I, Az.: 5 HK O 2654/22, vom 10.11.2022 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurückzuverweisen.Randnummer98

Die Beklagte beantragt,Randnummer99

die Berufungen zurückzuweisen.Randnummer100

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.Randnummer101

Der Senat hat am 11.10.2023 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2023, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

B.

Die zulässigen, insbesondere fristgerecht eingelegten und begründeten, Berufungen der Kläger sind unbegründet, da – wie das Landgericht in jeder Hinsicht zutreffend festgestellt hat – sowohl die primär erhobene Anfechtungsklage gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 03.02.2022 zu den Top 1 sowie 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4 als auch die hilfsweise erhobenen Nichtigkeits- und Feststellungsklagen in Ermangelung eines Gesetzesverstoßes unbegründet sind.

I.

1. Die Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Hauptversammlung zu Top 1 ist zwar nicht schon deshalb unbegründet, weil die Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht eingehalten wäre. Denn die Klage ging am 03.03.2022 und damit binnen der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG beim Landgericht München I ein und der Klageeingang wirkte gemäß § 167 ZPO zurück, da die Zustellung am 31.03.2022 noch „demnächst“ erfolgte. Es liegt nämlich keine von den Klägern zu vertretende Verzögerung der Zustellung um mehr als 14 Tage vor, nachdem der vom Landgericht am 07.03.2022 angeforderte Gerichtskostenvorschuss bis 17.03.2022 einbezahlt war.Randnummer104

Jedoch liegt eine Gesetzesverletzung iSd. § 243 Abs. 1 AktG nicht vor.Randnummer105

a. Die Beschränkung des Einladungstextes auf die Wiedergabe des Wortlauts des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG stellt keinen Einberufungsmangel dar.Randnummer106

§ 125 Abs. 2, Abs. 1 S. 4 AktG verlangt nämlich nur, dass in der Einladung auf die Möglichkeit der Ausübung des Stimmrechts durch einen Bevollmächtigten, auch durch eine Vereinigung von Aktionären, hingewiesen wird. Diesem Erfordernis hat die Beklagte durch den Hinweis in Abschnitt B 2 a S. 1 der Einladung genügt.Randnummer107

aa. Aus § 125 Abs. 5 S. 1 AktG, der die Vorgaben aus der Durchführungsverordnung EU 2018/1212, die unmittelbar nur für börsennotierte Gesellschaften gilt, auch für nicht börsennotierte Gesellschaften für anwendbar erklärt, ergeben sich, was Hinweise für die Bevollmächtigung betrifft, keine über § 125 Abs. 2, Abs. 1 S. 4 AktG hinausgehenden Anforderungen an die Einladung.Randnummer108

Soweit in der Literatur im Rahmen der Mitteilungspflicht nach § 125 Abs. 2, Abs. 1 S. 4 AktG verlangt wird, dass, soweit die Satzung der Gesellschaft Beschränkungen hinsichtlich des Kreises der Stimmrechtsbevollmächtigten enthält, diese Beschränkungen ebenfalls in den Hinweis nach § 125 Abs. 2, Abs. 1 S. 4 AktG aufzunehmen sind (vgl. bspw. Rieckers in BeckOGKAktG, Stand 01.07.2023, Rdnr. 31 zu § 125 AktG und Kubis in Münchener Kommentar zum AktG, 5. Auflage, München 2022, Rdnr. 12 zu § 125 AktG), so kommt dies im streitgegenständlichen Fall unabhängig von der Frage, inwieweit solche Beschränkungen zulässig sind, schon deshalb nicht zum Tragen, da die Satzung der Beklagten unstreitig solche Beschränkungsmöglichkeiten nicht enthält.Randnummer109

bb. Der demnach von § 125 Abs. 2, Abs. 1 S. 4 AktG nicht zwingend geforderte Hinweis in Abschnitt B 2 a S. 2 der Einladung auf die der Gesellschaft nach § 134 Abs. 3 S. 4 AktG eröffnete Möglichkeit, bei der Bevollmächtigung von mehr als einer Person durch den Aktionär einen oder mehrere dieser Bevollmächtigten zurückzuweisen, ist entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1) auch weder falsch noch irreführend.Randnummer110

(1) Zu Recht führen die Kläger zwar insoweit aus, dass nach Art. 10 Abs. 2 S. 2 der Richtlinie 2007/36/EG vom 11.07.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (im Folgenden als Aktionärsrechterichtlinie bezeichnet) ein Aktionär, der Aktien einer Gesellschaft in mehr als einem Wertpapierdepot hält, nicht gehindert sein darf, für die in jedem einzelnen Wertpapierdepot gehaltenen Aktien jeweils einen eigenen Vertreter für jede Hauptversammlung zu bestellen, und dass dieses Recht in § 134 Abs. 3 S. 2 AktG nicht explizit zum Ausdruck kommt. Diesen Vorgaben der Aktionärsrechterichtlinie kann jedoch ohne weiteres durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG dadurch Rechnung getragen werden, dass in dem in Art. 10 Abs. 2 UA 2 S. 2 der Aktionärsrechterichtlinie geregelten Fall das der Gesellschaft nach § 134 Abs. 3 S. 2 AktG eingeräumte Ermessen dahingehend reduziert ist, dass mehrere Bevollmächtigte zuzulassen sind (vgl. Rieckers in BeckOGKAktG, Stand 01.07.2023, Rdnr. 66 zu § 134 AktG). Ob auf die Notwendigkeit einer solchen richtlinienkonformen Auslegung des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG in der Einladung hingewiesen werden muss, wenn dort auf die Regelung des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG Bezug genommen wird, kann offenbleiben.Randnummer111

(2) Im streitgegenständlichen Fall kommt es darauf nämlich entscheidungserheblich gar nicht an, da die Beklagte zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 03.02.2022 dem Anwendungsbereich der Aktionärsrechterichtlinie nicht mehr unterfiel. Denn sie war seit Ablauf des 30.12.2021 nicht mehr börsennotiert, vielmehr wurden ihre Aktien im Zeitraum bis 31.03.2022 unstreitig nur noch im Freiverkehr i.S.d. § 48 BörsG der Börse M. gehandelt.Randnummer112

(a) Der Anwendungsbereich der Aktionärsrechterichtlinie erstreckt sich gemäß ihres Art. 1 Abs. 1 S. 1 jedoch nur auf „Gesellschaften (…), deren Aktien zum Handel an einem in einem Mitgliedstaat gelegenen oder dort betriebenen geregelten Markt zugelassen sind“. Der Begriff des „geregelten Marktes“ iSd. Art 1 Abs. 1 S. 1 Aktionärsrechterichtlinie bezeichnet dabei nach der in Art. 2 lit. a der Aktionärsrechterichtlinie enthaltenen Legaldefinition „einen Markt im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 21 der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates“. Art. 4 Abs. 1 Nummer 21 der Richtlinie 2014/65/EU (im Folgenden als MiFID II abgekürzt) wiederum definiert den Begriff des „geregelten Marktes“ als ein von einem Marktbetreiber betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Dritten am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nichtdiskretionären Regeln in der Weise zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gemäß den Regeln und/oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, sowie eine Zulassung erhalten und ordnungsgemäß und gemäß Teil III dieser Richtlinie funktioniert.“Randnummer113

Dass der Freiverkehr iSd. § 48 BörsG nicht nach den Regeln des Titels III der MiFID II funktioniert, zeigt sich schon daran, dass zwar der Ablauf des Handels gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 BörsG einer als öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden Handelsordnung unterliegt (vgl. hierzu Kumpan in Hopt, HGB, 42. Auflage, München 2023, Rdnr. 3 zu § 48 BörsG), die Teilnahme am Handel und die Einbeziehung von Wertpapieren zum Handel dagegen nach § 48 Abs. 1 S. 3 BörsG durch Geschäftsbedingungen geregelt wird, die als privatrechtliche Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB zu qualifizieren sind (vgl. LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 14.08.2012 – 3/05 O 91, Rdnr. 18). Die Einbeziehung eines Wertpapieres in den Freihandel ist damit eine privatrechtliche Entscheidung der jeweiligen Börse (vgl. LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 14.08.2012 – 3/05 O 91, Rdnr. 18, Schwark in ders./Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage, München 2020, Rdnr. 15 zu § 48 BörsG) im Gegensatz zur Zulassung eines Wertpapiers zum regulierten Markt nach § 32 BörsG (vgl. Groß in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Auflage, München 2020, Rdnr. 7 zu § 48 BörsG), bei dem es sich um einen Verwaltungsakt handelt. Der Freiverkehr iSd. § 48 BörsG unterliegt damit entgegen Art. 44 Abs. 4 MiFID II nicht dem öffentlichen Recht, funktioniert deshalb auch nicht gemäß den Bestimmungen des Titels III der MiFID II und ist entgegen der Ansicht der Kläger kein „geregelter Markt“ i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II, sondern nur ein multilaterales Handelssystem i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 MiFID II (Kumpan in Hopt, HGB, 42. Auflage, München 2023, Rdnr. 1 zu § 48 BörsG, Schwark in ders./Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Auflage, München 2020, Rdnr. 6 zu § 48 BörsG, Groß in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Auflage, München 2020, Rdnr. 3 zu § 48 BörsG). Dementsprechend hat der Gesetzgeber in § 48 Abs. 3 S. 1 BörsG den Freiverkehr auch ausdrücklich als „multilaterales Handelssystem“ bezeichnet (vgl. zu dieser Einstufung des Freiverkehrs i.S.d. § 48 BörsG auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz, BT-Drs. 18/10936, S. 270 letzter Absatz, wo der Freiverkehr i.S.d. § 48 BörsG ausdrücklich als „multilaterales Handelssystem“ im Gegensatz zu „geregelten Märkten“ bezeichnet wird, vgl. auch OLG München, Beschluss vom 21.05.2008 – 31 Wx 62/07, Rdnr. 22).Randnummer114

(b) (aa) Dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Einladung am 23.12.2021 noch börsennotiert war, ändert an der Nichtanwendbarkeit der Aktionärsrechterichtlinie auf die Hauptversammlung der Beklagten vom 03.02.2022 nichts. Für die Frage des temporalen Anwendungsbereichs der Aktionärsrechterichtlinie ist vielmehr allein auf den Zeitpunkt der Hauptversammlung abzustellen. Regelungsgegenstand der Aktionärsrechterichtlinie ist nämlich – wie sich schon aus Art. 1 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie ergibt – die Ausübung von Aktionärsrechten „im Zusammenhang mit Hauptversammlungen“. Dementsprechend ist in Art. 10 Abs. 2 UA 2 S. 1 der Aktionärsrechterichtlinie auch geregelt, inwiefern die Mitgliedstaaten die Zahl von Vertretern eines Aktionärs in einer Hauptversammlung begrenzen können. Wenn aber aufgrund der Beendigung der Börsennotierung der Beklagten mit Ablauf des 30.12.2021 Art. 10 Abs. 2 UA 2 S. 1 der Aktionärsrechterichtlinie nicht mehr auf die am 03.02.2022 stattfindende Hauptversammlung anzuwenden war und deshalb insoweit nur noch die Regelung des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG mit der darin statuierten Begrenzungs- bzw. Zurückweisungsmöglichkeit galt, so ist nicht erkennbar, warum in der Einberufung zu der nach dem Delisting gar nicht mehr der Aktionärsrechterichtlinie unterfallenden Hauptversammlung darauf hingewiesen werden solle, dass sich das Zurückweisungsrecht der Gesellschaft nach der auf die Hauptversammlung gar nicht mehr anwendbaren Aktionärsrechterichtlinie richten solle. In einem solchen Fall würde der Hinweis in der Einladung bezüglich der Begrenzungs- bzw. Zurückweisungsmöglichkeit auch inhaltlich unrichtig sein. Entgegen der Ansicht der Kläger (vgl. Berufungsbegründung der Klägerin zu 1), S. 3 dritter Absatz, Bl. 29 d. eA.) mussten das Einberufungsregime und damit auch die Formalien der Einberufung deshalb nicht den zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Einladung zur Hauptversammlung für börsennotierte Gesellschaften geltenden Anforderungen entsprechen. Vielmehr war zur Vermeidung inhaltlich unrichtiger Einladungen einheitlich auf die Vorschriften abzustellen, die für den Zeitpunkt der Hauptversammlung am 03.02.2022 galten, und damit auf die Regelungen für nicht börsennotierte Gesellschaften. Dass aufgrund des vor dem Wirksamwerden des Delistings liegenden Veröffentlichungszeitpunkts der Einladung auch für die Hauptversammlung am 03.02.2022 trotz des zwischenzeitlichen Delistings weiterhin die Vorgaben der Aktionärsrechterichtlinie gelten, behaupten nicht einmal die Kläger selbst. Dies wäre auch mit der oben dargelegten Definition des Regelungsgegenstands der Aktionärsrechterichtlinie in Art. 1 Abs. 1 S. 1 nicht vereinbar.Randnummer115

(bb) Dass die Delistingentscheidungen der Börse M. vom 30.11.2021 (Anl. B 3) und der F. Wertpapierbörse vom 15.12.2021 (Anl. B 4) bestandskräftig wurden, ist unstreitig. Ebenso unstreitig ist (was sich im Übrigen auch aus den beiden Bescheiden ergibt), dass in beiden Fällen die sofortige Vollziehung angeordnet wurde, sodass die Beklagte mit Ablauf des 30.12.2021 nicht mehr börsennotiert war. Ob zu diesem Zeitpunkt die Frist nach § 74 Abs. 1 VwGO zur Anfechtung der beiden Bescheide bereits abgelaufen war, ist unerheblich, zumal eine Anfechtung unstreitig nicht erfolgte.Randnummer116

Dass damit – wie die Kläger meinen (vgl. Berufungsbegründung der Klägerin zu 1) S. 4, Bl. 30 d. eA und des Klägers zu 2) S. 5, Bl. 20 d. eA.) – im streitgegenständlichen Fall im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Einladung am 23.12.2021 noch nicht endgültig klar war, ob die Beklagte zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 03.02.2022 nicht mehr börsennotiert sein würde, spielt für die Frage, ob auf die Einladung vom 23.12.2021 die Aktionärsrechterichtlinie zur Anwendung kommt, keine Rolle. Denn selbst wenn das Delisting – aus welchen Gründen auch immer – vor der Durchführung der Hauptversammlung nicht wirksam geworden (was aber tatsächlich unstreitig nicht der Fall war) und damit die Hauptversammlung vom Anwendungsbereich der Aktionärsrechterichtlinie umfasst gewesen wäre, so wäre bei einem (unterstellten) Einladungsmangel der Beschluss anfechtbar gewesen und wären die Rechte der Aktionäre dadurch hinreichend geschützt gewesen. Damit ist es auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich, das Einladungsregime der Aktionärsrechterichtlinie zu unterstellen.Randnummer117

Nach alledem stellt sich die Problematik einer richtlinienkonformen Auslegung des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG für die Hauptversammlung am 03.02.2022 nicht. Für die Beklagte waren damit hinsichtlich der Hauptversammlung vom 03.02.2022 allein die Vorgaben des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG zu beachten, weshalb dessen Wiedergabe im Wortlaut in der Einladung auch weder unzutreffend noch irreführend war.Randnummer118

(c) Die von den Klägern beantragte Vorlage an den EuGH zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Frage, ob die Aktionärsrechterichtlinie auf eine zwar zum Einladungszeitpunkt noch börsennotierte, bei Durchführung der Hauptversammlung aber nicht mehr börsennotierte Gesellschaft anwendbar ist, nicht erforderlich, da es für jeden klar sein muss (acte clair), dass die Richtlinie 2007/36/EG mangels Börsennotierung der Beklagten zum Zeitpunkt der Hauptversammlung im streitgegenständlichen Fall nicht anwendbar ist. Ebenso so klar ist es, dass der Freiverkehr i.S.d. § 48 BörsG kein „geregelter Markt“ i.S.d. der Aktionärsrechterichtlinie ist. Die gegenteilige Meinung wird auch im Schrifttum – soweit ersichtlich – von niemandem vertreten.Randnummer119

Da aufgrund der Nichtanwendbarkeit der Richtlinie 2007/36/EG auf die Beklagte, die von den Antragsgegnern ventilierte Frage, ob es sich bei der Regelung des § 134 Abs. 3 S. 2 AktG um eine ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 UA 2 S. 2 der Richtlinie 2007/36/EG handelt, – wie oben dargelegt – nicht entscheidungserheblich ist, war auch insoweit ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV nicht durchzuführen.Randnummer120

Eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 2 AEUV besteht für den Senat schon deshalb nicht, weil gegen seine Entscheidung die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft ist und deshalb die Vorlagepflicht nur bei dem Gericht eintritt, das über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet, d.h. beim BGH (vgl. BVerfG – Beschluss vom 22.12.1992 – 2 BvR 557/88, Rdnr. 4 zu Art. 177 Abs. 3 EWGV).Randnummer121

Die Gültigkeit der Richtlinie 2007/36/EG steht nicht in Frage, sodass auch insoweit keine Vorlagepflicht besteht.Randnummer122

b. Eine rechtswidrige Verkürzung des Fragerechts der Aktionäre durch die in der Einladung zur Hauptversammlung unter Abschnitt B 4 erfolgte Angabe, dass Fragen von Aktionären oder ihrer Bevollmächtigten bis spätestens Dienstag, den 01.02.2022, 24:00 Uhr über das InvestorPortal der Gesellschaft zugegangen sein müssten, liegt nicht vor. Denn diese Vorgabe entspricht der Regelung des § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 27.03.2020 (im Folgenden als COVMG abgekürzt), in der nach § 7 Abs. 1 COVMG auf bis zum 31.08.2022 stattfindende Hauptversammlungen und damit auch auf die Hauptversammlung der Beklagten vom 03.02.2022 anwendbaren Fassung. Danach kann der Vorstand nämlich „vorgeben, dass Fragen bis spätestens einen Tag vor der Versammlung“ einzureichen sind.Randnummer123

Diese Vorschrift des § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG ist dahingehend auszulegen, dass, da es sich bei der Frist des § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG um eine von der Hauptversammlung zurückzuberechnende Frist handelt, – wie in § 121 Abs. 7 S. 1 AktG – der Tag der Hauptversammlung bei der Fristberechnung nicht mitzurechnen ist, sodass der „Tag vor der Versammlung“ nicht Mittwoch der 02.02.2022, sondern Dienstag der 01.02.2022 ist.Randnummer124

Den Klägern zuzugeben ist, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der „Tag vor der Versammlung“, die am Donnerstag den 03.02.2022 stattfand, zweifellos nicht der Dienstag, sondern der Mittwoch ist. Dem Gesetzgeber steht es jedoch grundsätzlich frei, bei der Gesetzesformulierung vom allgemeinen Sprachgebrauch abzuweichen. Dies setzt aber voraus, dass es für ein derartiges vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichendes Sprachverständnis des Gesetzgebers hinreichende Anhaltspunkte im Gesetz gibt.Randnummer125

Das COVMG selbst enthält zwar keine Regelung zur Fristberechnung (auch nicht in Form eines Verweises auf Fristberechnungsvorschriften in anderen Gesetzen). Auch der Entstehungsgeschichte des Gesetzes lässt sich zur Fristberechnung nichts entnehmen. In der Begründung zum Entwurf des COVMG der Fraktionen der … und … vom 24.03.2020, der im Gegensatz zu der auf die streitgegenständliche Hauptversammlung nunmehr anwendbaren Fassung des COVMG noch eine zweitägige Frist vorsah, wird nämlich insoweit nur ausgeführt, dass der Vorstand auch entscheiden könne, „dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung elektronisch (…) einzureichen“ seien (BT-Drs. 19/18110, S. 26). Die Verkürzung der Frist zur Einreichung von Fragen auf einen Tag kam erst aufgrund einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 19/25251, S. 21) mit Art. 11 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 (BGBl I 2020, S. 3328) in das COVMG. Eine Gesetzesbegründung liegt insoweit nicht vor.Randnummer126

Da es sich bei § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG aber um ein § 131 AktG, der das Fragerecht des Aktionärs regelt und diesem die Fragestellung in der Hauptversammlung gestattet, abänderndes Gesetz handelt (vgl. BT-Drs. 19/8110, S. 26 „abweichend von § 131 AktG“), liegt es nahe, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Berechnung der Frist des § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG den Regelungen folgen sollte, die auch ansonsten für die Fristberechnung im AktG gelten. Nachdem es sich bei der Frist des § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG um eine von der Hauptversammlung zurückzuberechnende Frist handelt, wäre dies § 121 Abs. 7 AktG.Randnummer127

Zwar bezieht sich § 121 Abs. 7 AktG seiner systematischen Stellung im zweiten Unterabschnitt des vierten Abschnitts des vierten Teils des ersten Buches des AktG nach nur auf die Einberufung der HauptversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Hauptversammlung
Hauptversammlung
(§§ 121 bis 128 AktG) und nicht auch auf den dritten Unterabschnitt (§§ 129 bis 132 AktG), in dem das von § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG modifizierte Frage- und Auskunftsrecht des Aktionärs geregelt ist, und spricht auch die Gesetzesbegründung von Fristen „des Unterabschnittes des § 121 ff. AktG [sic]“ (vgl. BT-Drs. 16/11642, S. 28 rechte Spalte, vorletzter Absatz). Jedoch steht dies einer Anwendung des § 121 Abs. 7 AktG auf Rückwärtsfristen außerhalb des zweiten Unterabschnitts (§§ 121 bis 128 AktG), die an die Hauptversammlung anknüpfen, nicht entgegen. Denn schon seinem Wortlaut nach soll sich § 121 Abs. 7 AktG auf alle Fristen und Termine, „die von der Versammlung zurückberechnet werden“ beziehen; eine Einschränkung seines Anwendungsbereichs ist dem Wortlaut der Norm daher nicht zu entnehmen. Der systematischen Stellung des § 121 Abs. 7 AktG und der Gesetzesbegründung können bei der Auslegung des § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG auch deshalb keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen werden, da zum Zeitpunkt der Einführung eines einheitlichen Regimes für auf die Hauptversammlung bezogene Rückwärtsfristen durch das ARUG im Jahr 2009 das Auskunfts- und Fragerecht von den Aktionären gemäß § 131 AktG in der Hauptversammlung auszuüben war und deshalb insoweit ein Bedürfnis, die Berechnung einer derartigen Rückwärtsfrist auch im dritten Unterabschnitt zu regeln, gar nicht gegeben war. Schließlich ist auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Rückwärtsfristen, die auf die Hauptversammlung bezogen sind, nicht zwei unterschiedliche Fristberechnungsmethoden etablieren wollte: zum einen § 121 Abs. 7 AktG und zum anderen §§ 187 ff. BGB. Denn dafür gäbe es keinen sachlichen Grund. Darüber hinaus liegt ein einheitliches Rückwärtsfristenregime auch schon deshalb nahe, da nach § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG die Ausübung des Fragerechts nunmehr bereits im Vorfeld der Hauptversammlung und damit noch im Einberufungsstadium zu erfolgen hat, sodass die Rückwärtsfrist des § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG auch inhaltlich einen engen Bezug zum zweiten Unterabschnitt (§§ 121 bis 128 AktG) aufweist, der die Einberufung der HauptversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Hauptversammlung
Hauptversammlung
zum Gegenstand hat.Randnummer128

Nach alledem ist die Fristenregelung des § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend § 121 Abs. 7 AktG auszulegen, sodass es zulässig war anzuordnen, dass Fragen bis zum Ablauf des 01.02.2022 einzureichen seien (ebenso LG Frankfurt/Main, Urteil vom 23.02.2021 – 3-05 O 64/20, Rdnr. 59 und Koch in ders., AktG, 16. Auflage, München 2022, Rdnr. 81 zu § 131 AktG und Poelzig in BeckOGKAktG, Stand 01.07.2023, Rdnr. 299 zu § 131 AktG).Randnummer129

c. aa. Die fehlende Zweiwegekommunikation bei der Durchführung der virtuellen Hauptversammlung vom 03.02.2022 stellt keinen Rechtsverstoß dar, da das COVMG eine solche Zweiwegekommunikation in seinem § 1 Abs. 2 S. 1 nicht zwingend vorsieht. Vorgeschrieben ist dort nämlich nur eine „Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung“, die Möglichkeit zur Stimmrechtsausübung sowie die Ausübung des Fragerechts (letzteres allerdings nur unter den zusätzlichen Einschränkungsmöglichkeiten des § 1 Abs.2 S. 2 COVMG) im Wege elektronischer Kommunikation. Von einer darüber hinausgehenden Möglichkeit der Aktionäre, durch eine Zweiwegekommunikation „life“ an der virtuellen Hauptversammlung teilzunehmen und sich dort durch Wortmeldungen einzubringen, ist in § 1 COVMG daher entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1) gerade nicht die Rede. Auch aus der von der Klägerin zu 1) in Bezug genommenen Begründung des aktuellen Gesetzentwurfs zur virtuellen Hauptversammlung, nach dem nunmehr eine Zweiwegekommunikation zumindest für das Rederecht der Aktionäre notwendigerweise vorzusehen sei, folgt nicht, dass dies bereits für das COVMG gilt. Vielmehr legen die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 20/1738, S. 2) und die Formulierung des § 118a Abs. 1 S. 3 Nr. 7 Entwurf-AktG (“Rederecht in der Versammlung im Wege der Videokommunikation“) und § 130a Abs. 5 Entwurf-AktG den – sich schon aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG ergebenden – gegenteiligen Schluss nahe, dass eine solche Zweiwegekommunikation nach dem COVMG eben gerade nicht zwingend vorgeschrieben war.Randnummer130

bb. Dass die Möglichkeit, eine Hauptversammlung auch ohne Zweiwegekommunikation durchzuführen, während der Pandemiesituation auch am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG gemessen nicht zu beanstanden war, hat der Senat bereits entschieden (Beschluss vom 28.07.2021 – 7 AktG 4/21, Rdnr. 90). Daran ist aus den dort genannten Gründen festzuhalten.Randnummer131

Da – wie oben dargelegt – eine Zweiwegekommunikation im COVMG nicht vorgeschrieben ist, war die Entscheidung des Vorstands, bei der Durchführung der Hauptversammlung, eine Zwei-Wege-Kommunikation nicht vorzusehen, mangels besonderer Umstände auch entgegen der Ansicht der Kläger (vgl. Berufungsbegründung der Klägerin zu 1), S. 6 Mitte, Bl. 32 d. eA) nicht ermessensfehlerhaft. Die bloße technische Möglichkeit, eine Zweiwegekommunikation einzurichten, verpflichtet die Gesellschaft nicht, dies ohne diesbezügliche gesetzliche Verpflichtung auch zu tun.Randnummer132

d. Der Beschluss zu Top 1 ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil der gemeinsame Bericht der Geschäftsführung der V. B GmbH und des Vorstands der Beklagten zu dem von den beiden geschlossenen Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht den Anforderungen des § 293a Abs. 2 AktG entsprechen würde.Randnummer133

Gemäß § 293a Abs. 2 AktG hat der Vorstand der Gesellschaft „einen ausführlichen schriftlichen Bericht zu erstatten, in dem der Abschluss des Unternehmensvertrags, der Vertrag im einzelnen und insbesondere Art und Höhe des Ausgleichs nach § 304 (AktG) und der Abfindung nach § 305 (AktG) rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden“ muss. Zweck eines solchen Berichts ist es, den Aktionären eine geeignete Entscheidungsgrundlage für ihr Abstimmungsverhalten zu bieten (Veil/Walla in BeckOGKAktG, Stand 01.07.2023, Rdnr. 13 zu § 293a AktG).Randnummer134

Der – von den Klägern behauptete – Stimmrechtsausschluss der V. B GmbH und ihrer Muttergesellschafter in der Hauptversammlung vom 03.02.2022, in der über den Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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beschlossen werden soll, berührt keinen der in § 293a Abs. 2 AktG aufgeführten notwendigen Berichtsinhalte und war deshalb auch nicht in den Bericht aufzunehmen. Ein etwaiger Stimmrechtsausschluss ist nämlich nicht Inhalt des Vertrages und betrifft weder Art und Höhe des Ausgleichs noch die Abfindung. Er hat auch ebenso wenig Bezug zur Bonität des herrschenden Unternehmens, die für den Aktionär hinsichtlich seines Stimmverhaltens von Bedeutung ist (vgl. insoweit Senat, Urteil vom 19.11.2008 – 7 U 2405/08, Rdnr. 53), wie zur aktuellen wirtschaftlichen Lage der beteiligten Unternehmen, gegebenenfalls auch bedeutsamen Rahmenbedingungen für den Vertragsabschluss wie aktuellen Wechselkursen, Aktienkursen der Beteiligten Unternehmen und sonstigen relevanten Wirtschaftsentwicklungen (Senat, Urteil vom 06.08.2008 – 7 U 3905/06, Rdnr. 155).Randnummer135

e. Die V. B GmbH war bei der Beschlussfassung über den streitgegenständlichen Beschluss am 03.02.2022 auch nicht ihrer Stimmrechte gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 und 3 WpHG verlustig. Dabei kann offenbleiben, ob die V. B GmbH ihre Mitteilungspflichten nach § 33 Abs. 1 WpHG vor dem 30.12.2021 nicht erfüllt hat. Denn ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Delistings der Beklagten mit Ablauf des 30.12.2021 galten bezüglich der Beklagten nur noch die Mitteilungspflichten des § 20 Abs. 1 bis 6 AktG und bestimmten sich die Folgen eines Verstoßes gegen die Mitteilungspflichten des § 20 AktG nur noch nach § 20 Abs. 7 AktG. Denn wie sich der Regelung des § 20 Abs. 8 AktG entnehmen lässt, wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 20 AktG durch Art. 15 Nr. 1 b des Gesetzes vom 24.03.1998, BGBl. I 1998, S. 529 (drittes Finanzmarktförderungsgesetz), doppelte Publizitätspflichten der Gesellschaften vermeiden und erreichen, dass börsennotierte Gesellschaften ausschließlich den Mitteilungspflichten des WpHG unterworfen sind, während sich die Mitteilungspflichten bei nicht börsennotierten Gesellschaften alleine nach dem AktG richten sollten (vgl. BT-Drs. 13/8933, S. 147 rechte Spalte und S. 148 linke Spalte, vgl. auch Koch in ders. AktG, 17. Auflage, München 2023, Rdnr. 19 zu § 20 AktG). Diese strikte Trennung kommt auch in § 1 Abs. 1 Nr. 7 WpHG zum Ausdruck, wonach das WpHG Regelungen „in Bezug auf (…) die Veränderungen der Stimmrechtsanteile an börsennotierten Gesellschaften“ enthält. Die Mitteilungspflichten nach dem WpHG einerseits und diejenigen nach dem AktG stehen daher in einem Exklusivitäts- bzw. Alternativitätsverhältnis (vgl. Petersen in BeckOGKAktG, Stand 01.07.2023, Rdnr. 15 zu § 20 AktG).Randnummer136

Mit einer solchen Unterscheidung der Publizitätsregime wäre es nicht nur unvereinbar, wenn trotz mittlerweile erfolgten Wegfalls der Börsennotierung der Gesellschaft Sanktionen für die zuvor (unterstellt) erfolgte Verletzung von Mitteilungspflichten in der Zeit der Börsennotierung auch nach deren Wegfall weiterbestünden. Vielmehr würde es für eine solche vom Kläger zu 2) angenommene nachwirkende Sanktionierung über den 30.12.2021 hinaus nach § 44 Abs. 1 S. 1 und 3 WpHG auch an einer gesetzlichen Grundlage fehlen, da § 44 Abs. 1 S. 1 und 3 WpHG auf die Verletzung von Mitteilungspflichten nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG Bezug nimmt, die aber gemäß § 33 Abs. 4 WpHG mangels Börsennotierung der Beklagten seit dem 31.12.2021 gar nicht mehr bestanden (vgl. Petersen in BeckOGKAktG, Stand 01.07.2023, Rdnr. 210 zu § 22 AktG).Randnummer137

Zwar ist richtig, dass es demnach möglich wäre, dass ein Aktionär einer zunächst noch börsennotierten Gesellschaft Stimmrechtsmeldungen unterlässt, sich „klammheimlich“ eine 75%-Mehrheit verschafft und sodann nach mittlerweile erfolgtem Delisting der Gesellschaft im Vorfeld einer Hauptversammlung eine Mitteilung nach § 20 Abs. 1 – 6 AktG macht, ohne wegen der zunächst unterbliebenen Mitteilungen einen Stimmrechtsverlust in der Hauptversammlung befürchten zu müssen. Der Gesetzgeber hat jedoch bei Aufnahme des sechsmonatigen nachwirkenden Rechteverlusts in den Sanktionskatalog des § 28 Abs. 1 S. 3 WpHG a.F., der dem nunmehr geltenden § 44 Abs. 1 S. 3 WpHG entspricht, durch das Gesetz vom 12.08.2008, BGBl. I 2008, S.1666 (Risikobegrenzungsgesetz), diese Gefahr des unbemerkten „Anschleichens“ eines Investors vor einer Hauptversammlung erkannt und damit auch ausdrücklich die Regelung des § 28 Abs. 1 S. 3 WpHG a.F. begründet (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/7438, S. 16). Diese Einführung des nachwirkenden Rechteverlusts erfolgte jedoch zeitlich weit nach der oben dargelegten scharfen Trennung der Mitteilungsregime bei börsennotierten Gesellschaften einerseits und bei nicht börsennotierten Gesellschaften andererseits im Jahr 1998. Wenn der Gesetzgeber daher zehn Jahre nach der expliziten Trennung der beiden Mitteilungsregime bezüglich eines der beiden Bereiche aufgrund einer von ihm gesehenen Missbrauchsgefahr eine schärfere Sanktion (nachwirkender Rechteverlust) neu einführt, dies jedoch hinsichtlich des anderen Bereichs unterlässt, so ist davon auszugehen, dass es sich dabei um eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung handelt, die nicht durch eine erweiternde Auslegung des § 44 Abs. 1 S. 3 WpHG oder gar durch eine Analogie korrigiert werden kann.Randnummer138

Nach alledem war die V. B GmbH durch einen (unterstellten) Verstoß gegen eine Mitteilungspflicht nach § 33 Abs. 1 WpHG nicht gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 und 3 WpHG gehindert, ihre Stimmrechte in der Hauptversammlung vom 03.02.2022 auszuüben (gegen einen nachwirkenden Rechteverlust nach Wegfall der Börsennotierung auch Petersen in BeckOGKAktG, Stand 01.07.2023, Rdnr. 210 zu § 22 AktG, Bayer in Münchener Kommentar zum AktG, 5. Auflage, München 2019, Rdnr, 74 zu § 44 WpHG, Schürnbrand/Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Auflage, München 2022, Rdnr. 20 zu § 44 WpHG und Zimmermann in Fuchs, Wertpapierhandelsgesetz, 2. Auflage, München 2016, Rdnr. 23 zu § 28 WpHG a.F.).Randnummer139

Dass bei der Hauptversammlung vom 03.02.2022 ein Stimmrechtsausschluss der V. B GmbH nach § 20 Abs. 7 AktG bestanden hätte, haben die Kläger in Anbetracht der Bekanntmachung vom 25.01.2022 laut Anl. B 5 schon nicht einmal behauptet.Randnummer140

f. aa. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die V. B GmbH mit den von der A. O. SICAV-FIS SCS (1.136.301) sowie von verschiedenen Vorstandsmitgliedern der Beklagten (13.018, dazu vgl. die unstreitige Aufschlüsselung im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 13.04.2022, S. 7 und 8, Bl. 37 und 38 d.A. und Anl. B 11) erworbenen Aktien bei der Abstimmung zu Top 1 aufgrund der von der V. B GmbH und deren Muttergesellschaftern diesen Veräußerern angebotenen Rückbeteiligungen an einer der Muttergesellschaften ausgeschlossen gewesen sein sollte. Eine Unwirksamkeit des Verkaufs der Aktien durch die A. O. SICAV-FIS SCS und die Vorstandsmitglieder der Beklagten an die V. B GmbH haben die Kläger nicht einmal behauptet. Der Senat vermag deshalb auch nicht zu erkennen, warum durch die Rückbeteiligungen der Veräußerer das 75-Prozentmehrheitserfordernis des § 293 Abs. 1 S. 2 AktG umgangen worden sein soll.Randnummer141

Ergänzend wird insoweit auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts in den Entscheidungsgründen seines Urteils unter Punkt I 5 b (LGU S. 15 – 17) Bezug genommen.Randnummer142

bb. Im Übrigen hat die auf dieses Vorbringen der Kläger gestützte Anfechtungsklage insoweit schon deshalb keine Aussicht auf Erfolg, da selbst, wenn man die von der gewährten Rückbeteiligung „betroffenen“ 1.149.319 Aktien (1.136.301 + 13.018) bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses unberücksichtigt ließe, immer noch eine nach § 293 Abs. 1 S. 2 AktG hinreichende Mehrheit von 85,2 % erreicht wäre (7.705.414 Ja-Stimmen bei 9.040.160 abgegebenen Stimmen), sodass eine Relevanz des behaupteten Beschlussmangels nicht gegeben wäre.Randnummer143

2. Auch die Anfechtung der Beschlüsse zu den Top 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4 bleibt ohne Erfolg, da auch insoweit eine Rechtsverletzung nicht vorliegt. Insoweit gilt das oben unter 1 a – c und e bis f aa Dargelegte entsprechend.Randnummer144

In Bezug auf die von den Klägern behauptete Rechtsverletzung wegen der von der V. B GmbH der A. O. SICAV-FIS SCS (1.136.301) sowie verschiedenen Vorstandsmitgliedern der Beklagten (13.018) angebotenen Rückbeteiligungen an einer der Muttergesellschaften der V. B GmbH fehlt es auch hinsichtlich der Beschlüsse zu den Top 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4 an einer Relevanz des behaupteten Beschlussmangels. Denn selbst wenn die von der Rückbeteiligung betroffenen 1.149.319 Aktien (1.136.301 + 13.018 Aktien) nicht zu berücksichtigen wären, wären die Beschlüsse mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden.

II.

In Ermangelung eines Gesetzesverstoßes waren auch die hilfsweise erhobene Nichtigkeitsklage sowie die höchst hilfsweise erhobene Feststellungsklage unbegründet.Randnummer146

Nach alledem hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen und sind die Berufungen der Kläger unbegründet.

C.Randnummer147

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Kläger mit ihren Rechtsmitteln zur Gänze ohne Erfolg blieben.Randnummer148

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Randnummer149

Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nicht vorliegt. Der Senat weicht von keiner Entscheidung des BGH oder eines Oberlandesgerichts ab. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht erkenntlich. Es handelt sich um einen Einzelfall.

Schlagworte: AktG § 125, AktG § 134, AktG § 243, Aktionärsrechterichtlinie, Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, Einberufung der Hauptversammlung, Einberufungsform, Einberufungsinhalt, Hauptversammlungsbeschlüsse, Nichtzulassungsbeschwerde, Richtlinienkonforme Auslegung, Sofortige Vollziehbarkeit, Verstoß gegen Gesetz oder Satzung nach § 243 Abs. 1 AktG analog, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Zustellung demnächst