AktG § 246Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 246
Abs. 1
Zur Anfechtungsfrist für eine Anfechtungsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse einer GmbH.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten und der Nebenintervenientin wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 09.10.2019, 2 HK O 292/19, aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird 100.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beklagte und ihre Streithelferin wenden sich gegen ein Urteil des Landgerichts Leipzig, mit dem dieses einer Anfechtungsklage des klagenden Insolvenzverwalters gegen einen Gesellschafterbeschluss über die Zwangsabtretung eines Anteils im Nennwert von 7.000 € von dem insgesamt von der Schuldnerin gehaltenen Geschäftsanteil im Nennwert von 10.000 € an der beklagten Gesellschaft stattgegeben hat.
Bei der Beklagten handelt es sich um eine GmbH mit Sitz in L…, die mit Gesellschaftsvertrag vom 26.07.2010 gegründet wurde. Der Gesellschaftsvertrag wurde am 01.03.2011 geändert. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, die Projektierung, Erschließung, Vermarktung und Realisierung des Bauvorhabens J… M…-H… und alle damit verbundenen Tätigkeiten, insbesondere der Handel oder die Vermittlung von Immobilien sowie die Vorbereitung und Durchführung des Bauvorhabens als Bauträger. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000,00 €. Gemäß § 8.5 des Gesellschaftsvertrags (Anlage K5, im Folgenden: GV) gewährt je 1 € eines Geschäftsanteils eine Stimme. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden mit einer Mehrheit von mehr als 75 % der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit gesetzlich kein höherer Wert vorgeschrieben ist. Für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters sieht die Satzung der Beklagten die Möglichkeit der Einziehung der Geschäftsanteile des insolventen Gesellschafters vor. Die betreffenden Regelungen in der Satzung lauten:
„15.2
Die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung ist zulässig, wenn
…
b.
über das Vermögen des Gesellschafters ein Insolvenzverfahren eröffnet … wird.
…
15.4
Die Einziehung wird durch Gesellschafterversammlung beschlossen. … Der Beschluss bedarf der Einstimmigkeit der abgegebenen Stimmen. Dabei hat der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht.
…
15.6
Statt der Einziehung eines Geschäftsanteils kann die Gesellschafterversammlung beschließen, dass der betroffene Gesellschafter seinen Geschäftsanteil ganz oder geteilt an die Gesellschaft, an einen oder mehrere andere Gesellschafter oder an einen oder mehrere Dritte abzutreten hat. …“
§ 16 GV regelt die Einziehungsvergütung. § 8 GV bestimmt, dass Gesellschafterversammlungen mit einer Frist von mindestens zwei Wochen unter Angabe der Tagesordnung einzuberufen sind. Beschlussfähigkeit besteht, wenn alle Gesellschafter anwesend oder vertreten sind. Kommt eine beschlussfähige Gesellschafterversammlung nicht zustande, ist auf Verlangen der Geschäftsführung oder eines Gesellschafters eine neue Gesellschafterversammlung mit derselben Tagesordnung einzuberufen, die ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähig ist, wenn in der Einladung hierauf ausdrücklich hingewiesen wurde und die neue Gesellschafterversammlung nicht später als sechs Wochen nach der nicht beschlussfähigen Versammlung stattfindet.
Die Geschäftsanteile an der Beklagten wurden mit den laufenden Nummern 3 bis 25.002 versehen. Jedenfalls seit dem 25.01.2018 hält die F… GmbH (im Folgenden auch: Schuldnerin) mit Sitz in Ulm die Anteile mit den Nummern 3 bis 10.002; dies entspricht 40 % des Stammkapitals. Die Anteile mit den Nummern 10.003 bis 18.127 hält die V… GmbH mit Sitz in L…; dies entspricht 32,5 % des Stammkapitals. Die Geschäftsanteile mit den Nummern 18.128 bis 25.002 hält die M… AG, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in S… in der Schweiz; dies entspricht 27,5 % des Stammkapitals. Die V… GmbH firmierte um in S… GmbH, L… (im Folgenden einheitlich: S… GmbH). Geschäftsführer der Beklagten ist H… B…, der auch Geschäftsführer der S… GmbH ist.
Bereits mit Vertrag vom 01.03.2011 hatte die Schuldnerin der Beklagten ein Gesellschafterdarlehen über 13 Mio € gewährt. Kurz vor einem Insolvenzantrag über das Vermögen der Schuldnerin vereinbarte diese mit der Beklagten einen qualifizierten Rangrücktritt des Darlehens. Mit Beschluss vom 16.02.2018 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger hat die o.g. Vereinbarung des qualifizierten Nachrangs angefochten; die Parteien führen vor dem Landgericht Leipzig unter dem Aktenzeichen 2 HK O 2797/18 einen Rechtsstreit, bei dem es um die Frage geht, ob der qualifizierte Rangrücktritt für das Gesellschafterdarlehen über 13 Mio € wirksam ist.
Unter Hinweis darauf, erst kürzlich von der Insolvenzeröffnung erfahren zu haben, beanstandete die M… AG mit Schreiben vom 26.10.2018 an die Beklagte, nicht über dieses Insolvenzverfahren in Kenntnis gesetzt worden zu sein, und teilte mit, die Gesellschaft nicht mit einem insolventen Gesellschafter fortsetzen zu wollen. Sie verlangte die umgehende Einberufung einer Gesellschafterversammlung mit dem Tagesordnungspunkt, die Zwangsabtretung der Geschäftsanteile der F… GmbH an die H… P… UG (haftungsbeschränkt) L… (im Folgenden: Streithelferin oder Nebenintervenientin) zu beschließen (Anlage 1 zu K 10). Unter dem 05.11.2018 lud der Geschäftsführer der Beklagten die Gesellschafter zur Gesellschafterversammlung am 22.11.2018 ein. Die Tagesordnung sah – neben der Feststellung der Jahresabschlüsse 2015 und 2016, den Beschlüssen zur Ergebnisverwendung von 2015 und 2016 und zur Entlastung der Geschäftsführung für 2015 und 2016 – unter TOP 1 Folgendes vor:
„TOP 1: Zwangsabtretung der Geschäftsanteile der F… GmbH gemäß § 15.6 der Satzung:
Es wird vorgeschlagen, folgende Beschlüsse zu fassen:
a)
Der Gesellschafter F… GmbH hat die Geschäftsanteile Nr. 3 bis 10.002 im Nennbetrag von jeweils 1,00 € gemäß § 15.6 der Satzung der Gesellschaft statt der Einziehung an die H… P… UG (haftungsbeschränkt), …-Straße x, xxxxx L…, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Leipzig unter HRB 35461, abzutreten.
b)
Die S… GmbH wird ermächtigt, der F… GmbH die Beschlüsse dieser Gesellschafterversammlung bekannt zu geben und alle zur Umsetzung der Beschlüsse dieser Gesellschafterversammlung erforderlichen oder geeigneten Maßnahmen zu ergreifen und die Abtretung gemäß lit. a) gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen.
c)
Herr H… B… wird hierzu zum einzelvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Prozessvertreter der Gesellschaft bestellt.
d)
Die Zahlung der Abfindung für die zwangsweise Abtretung gemäß lit. a) durch die Gesellschaft darf nur aus ungebundenem Vermögen der Gesellschaft erfolgen.
Begründung: Die M… AG hat mit Schreiben vom 26.10.20018 … die Einberufung einer Gesellschafterversammlung mit der oben angeführten Tagesordnung von mir verlangt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der F… GmbH durch das zuständige Insolvenzgericht besteht gemäß § 15.2 lit. b) der Satzung der Gesellschaft ein Grund zur Einziehung der Geschäftsanteile, die der insolvente Gesellschafter an der Gesellschaft hält. Anstelle der Einziehung kann gemäß § 15.6 der Satzung der Gesellschaft auch eine Zwangsabtretung verlangt werden. Dies soll in Bezug auf den Antrag bezeichneten Geschäftsanteile geschehen.“
Zur Gesellschafterversammlung am 22.11.2018 erschien für die Schuldnerin niemand. Der Versammlungsleiter stellte fest, dass trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht alle Gesellschafter vertreten sind und dass damit keine Beschlussfähigkeit vorliege. Die Vertreter der Gesellschafterinnen S… GmbH und M… AG verlangten gemäß § 8 Ziffer 4 GV eine zweite Gesellschafterversammlung. Der Geschäftsführer der Beklagten lud darauf die Gesellschafter unter dem 26.11.2018 zu einer zweiten Gesellschafterversammlung am 13.12.2018, verbunden mit dem Hinweis darauf, dass die zweite Gesellschafterversammlung ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähig ist, ein, und fügte das Protokoll der ersten Versammlung sowie die unveränderte Tagesordnung nebst den entsprechenden Anlagen erneut bei.
Die weitere Gesellschafterversammlung fand am 13.12.2018 statt. Wiederum nahm der Kläger den Termin nicht wahr, so dass die Schuldnerin wiederum nicht vertreten war.
In dieser Gesellschafterversammlung (Protokoll Anlage K 8) legte der Geschäftsführer der Beklagten nach Feststellung der BeschlussfähigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung der Beschlussfähigkeit
und Aufruf des TOP 1 in seiner Funktion als Geschäftsführer der Gesellschafterin S… GmbH dar, dass die S… GmbH dem Einzug der Anteile nur dann zustimmen könne, wenn sich durch diese Maßnahme der Status des Gesellschafterdarlehens nicht ändern würde. Die S… GmbH wolle zwar ebenso wie die M… AG erreichen, dass die Mitspracherechte der insolventen Schuldnerin im operativen Geschehen der Gesellschaft eingeschränkt werden, dabei aber den Status des Darlehens als Gesellschafterdarlehen erhalten. Er schlug deshalb vor, die Beschlussfassung zu TOP 1 in zwei Schritten zu behandeln und hierzu zunächst über die von der Schuldnerin gehaltenen Geschäftsanteile Nr. 3 bis 7.002 und anschließend über die Geschäftsanteile Nr. 7.003 bis 10.002 abzustimmen. Alle anwesenden Gesellschafter stimmten dieser schrittweisen Abstimmung zu.
Sodann stimmten die Vertreter der S… GmbH und der M… AG dem Beschluss zu, dass die Schuldnerin die Geschäftsanteile Nr. 3 bis 7.002 im Nennbetrag von jeweils 1 € statt der Einziehung an die Nebenintervenientin abzutreten habe; das Zustandekommen des Beschlusses wurde festgestellt. Zudem wurden durch weitere Beschlussfassung die S… GmbH zur Bekanntgabe der Beschlüsse ermächtigt und Herr H… B… zum Prozessvertreter der Gesellschaft bestellt sowie beschlossen, dass die Zahlung der Abfindung nur aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft erfolgen dürfe.Randnummer23
Nachfolgend wurde über die entsprechende Zwangsabtretung der Geschäftsanteile Nr. 7.003 bis 10.002 abgestimmt. Hier stimmten die M… AG mit ja und die S… GmbH mit nein, so dass festgestellt wurde, dass der Beschluss nicht zustande gekommen sei.
Mit Email vom 10.01.2019 übermittelte Herr B… dem Kläger das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 13.12.2018 und wies darauf hin, als Geschäftsführer der S… beauftragt und ermächtigt zu sein, die Beschlüsse umzusetzen.
Am 11.02.2019 hat der Kläger Anfechtungsklage gegen die Beschlussfassung erhoben, soweit die Zwangsabtretung der Geschäftsanteile Nr. 3 bis 7.002 beschlossen worden sei. Er hat die Erklärung der Nichtigkeit der Beschlüsse beantragt, hilfsweise die Feststellung, dass die Beschlüsse nichtig seien.
Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, dass der Gesellschaftsvertrag rechtswidrig sei, weil die Mitgesellschafter gegen ihre gesellschaftliche Treuepflicht verstoßen hätten. Der Kläger wehre sich ausdrücklich nicht gegen die Möglichkeit, sämtliche Geschäftsanteile der Schuldnerin gemäß § 15.2 lit. b) einzuziehen oder zu den gesellschaftsvertraglichen Bedingungen zwangsabzutreten, weil über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Es sei jedoch nicht zulässig, auf Grundlage dieser Satzungsregelungen durch eine Zwangsabtretung nur eines Teils der Geschäftsanteile der Schuldnerin deren Anteil gezielt unter die Sperrminorität von 25 %, aber über die 10-%-Grenze des § 39 Abs. 5 InsO zu drücken, um die Schuldnerin auf diese Weise in der Gesellschaft „verhungern“ zu lassen.
Die Beklagte und ihre Streithelferin haben die Ansicht vertreten, dass die Zwangsabtretung nur eines Teils der Anteile vom Gesellschaftsvertrag gedeckt sei. Das Abstimmungsverhalten der übrigen Gesellschafter sei nicht treuwidrig, da es im Interesse der Beklagten gelegen habe, dass der Kläger als Insolvenzverwalter der Schuldnerin kein Mitspracherecht am aktiven Geschäft habe, zugleich aber das Gesellschafterdarlehen weiterhin nicht nur dem – im Parallelrechtsstreit streitigen – vereinbarten Nachrang, sondern auch dem gesetzlichen Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterliege.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Kläger habe die Anfechtungsfrist gewahrt. Zwar gelte bei Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH dann, wenn – wie hier – die Satzung keine abweichende Regelung enthalte, grundsätzlich die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG. Diese Frist beginne indes erst mit der Kenntnis des Gesellschafters vom Beschlussinhalt, sodass bei Zugang des Beschlussprotokolls am 10.01.2019 die Einreichung der Klage am Montag, dem 11.02.2019, und einer demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgten Zustellung der Klage rechtzeitig erhoben worden sei. Die Anfechtungsklage sei auch begründet, weil die Bestimmung des Gesellschaftervertrags der Beklagten nicht dahin auszulegen seien, dass die Zwangsabtretung oder Zwangseinziehung nur eines Teils der von einem Gesellschafter gehaltenen Geschäftsanteiles zulässig sei. Die Verwendung des Singulars in § 15.2 GV, wonach die Einziehung „des“ Geschäftsanteils unter den angegebenen Voraussetzungen zulässig sei, sei dahin zu verstehen, dass nur die gesamte Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft eingezogen bzw. zwangsabgetreten werden könne. Auch § 15.6 GV streite dafür, dass nur die Gesamtbeteiligung zwangsabgetreten werden könne. Sinn und Zweck der Satzungsregelung sprächen für ein „Ganz- oder -gar-nicht-Prinzip“, da sich aus den aus § 15.2 GV ersichtlichen Einziehungsgründen ergebe, dass Zweck der Regelung sei, den insolventen Gesellschafter vollständig aus der Gesellschaft zu verdrängen. Auch als „Minus“ sei eine Teilzwangsabtretung nicht zulässig. Der Schutzzweck des § 34 Abs. 2 GmbHG, wonach die Voraussetzungen der zwangsweisen Einziehung und Zeitpunkt des Erwerbs für Geschäftsanteile bereits satzungsgemäß festgelegt sein müssten, gebiete es, den Gesellschafter davor zu schützen, dass er ungewollt seine Beteiligung auf eine Weise einbüße, mit der bei seinem Eintritt in die Gesellschaft nicht habe rechnen brauchen.
Hiergegen richten sich die Berufungen der Beklagten und ihrer Streithelferin.
Diese rügen erstmals, dass das Landgericht fehlerhaft von der Wahrung der Anfechtungsfrist ausgegangen sei. Die Beschlussanfechtungsfrist habe bereits mit Beschlussfassung zu laufen begonnen, wobei der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG Leitbildfunktion zukomme. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Anfechtungsfrist erst nach einer zweiwöchigen Erkundungsfrist für den bei der Gesellschafterversammlung nicht anwesenden Gesellschafter beginne, habe allerspätestens am 27.12.2008 eine einmonatige Anfechtungsfrist zu laufen begonnen, so dass auch dann die am 11.02.2019 erhobene Klage verfristet sei.
Ferner sind die Berufungsführer der Ansicht, dass das Verständnis des Landgerichts zu § 15 GV mit der Systematik dieser Vorschrift nicht vereinbar sei. Wenn § 15.6 GV ausdrücklich gestatte, dass der Gesellschafter seinen Geschäftsanteil ganz oder geteilt abzutreten habe, liege eine explizite Regelung einer Teilabtretung vor. Da die Vorschrift bei genauer Betrachtung auch zulasse, dass der betroffene Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil ganz oder geteilt an die Gesellschaft abtrete, lasse dies nur das Verständnis zu, dass auch ein Teil seines Gesellschaftsanteils abgetreten werden könne, ohne dass zwingend kein restlicher Anteil bei dem betreffenden Gesellschafter verbleiben dürfe. Durch diese satzungsmäßige Regelung erhielten die Gesellschafter die Möglichkeit, die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Interessen der Gesellschaft
dadurch optimal zu wahren, dass zum einen durch Absenken seines Anteils unter die Sperrminoritätsgrenze von 25 % verhindert werde, dass ein Dritter – hier der Kläger als Insolvenzverwalter der bisherigen Gesellschafterin – Einfluss auf die Geschicke der Beklagten nehme und dass zum anderen aber der Rangstatus des Gesellschafterdarlehens und damit der Schutz der Beklagten und ihrer Gläubiger durch § 64 S. 3 GmbHG und § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 5 InsO gewahrt bleibe. Zudem sei die teilweise Zwangsabtretung ein milderes Mittel als die vollständige Zwangsabtretung.
Die Nebenintervenientin und die Beklagte beantragen
das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 09.10.2019, 2 HKO 292/19, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass er die Klagefrist von einem Monat gemäß § 246 AktG analog gewahrt habe. Deren Lauf habe erst mit Kenntnis von der Beschlussfassung nach Zugang des Beschlussprotokolls am 10.01.2019 begonnen. Die in Literatur und Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass eine Erkundigungspflicht des Gesellschafters, der an einer Gesellschafterversammlung nicht teilgenommen hat, bestehe, sei abzulehnen, da es eines solchen Schutzes der beschlussfassenden Gesellschafter und der Gesellschaft nicht bedürfe, da die Gesellschaft durch ungefragte Übersendung eines Protokolls der Gesellschafterversammlung jederzeit in der Lage sei, die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen. Jedenfalls aber habe der Kläger eine etwa im Allgemeinen bestehende Obliegenheit zur Erkundigung nicht verletzt. Der Kläger habe aufgrund der Formulierung der Einladung in der Tagesordnung darauf vertrauen dürfen, dass bei der Gesellschafterversammlung lediglich die vollständige Abtretung der Gesellschaftsanteile beschlossen werde. Da der Kläger niemals beabsichtigt habe, sich gegen eine vollständige Zwangsabtretung der Geschäftsanteile zur Wehr zu setzen, sondern vielmehr damit einverstanden gewesen wäre, habe er vor dem Hintergrund der angekündigten Tagesordnung und der Satzungsregelung davon ausgehen dürfen, dass lediglich die vollständige Abtretung des Gesellschaftsanteils beschlossen worden sei, was er akzeptiert hätte. Es habe deshalb keinen Anlass für eine Erkundigung gegeben. Es wäre vielmehr Aufgabe der Beklagten gewesen, die Teilabtretung in der Tagesordnung anzukündigen oder jedenfalls den Kläger schnellstmöglich von einer abweichenden Beschlussfassung über eine nur teilweise Einziehung zu informieren. Zudem habe der Kläger auch darauf vertrauen dürfen, von der Beklagen ohne Erkundigung durch Übermittlung des Protokolls in Kenntnis gesetzt zu werden, da ihm auch nach der ersten Gesellschafterversammlung vom 22.11.2018 unaufgefordert innerhalb weniger Tage das Protokoll der Versammlung per E-Mail übermittelt worden ist. Er habe daher annehmen dürfen, dass die Beklagte entsprechend verfahren würde.
Der Senat hat die Parteien mit Verfügung vom 17.03.2020 über die vorläufige Auffassung des Berichterstatters unterrichtet, dass zwar die Auslegung des GesellschaftsvertragesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auslegung
Auslegung des Gesellschaftsvertrages
durch das Landgericht nicht zu beanstanden sein dürfte, dass aber nach Maßgabe der überwiegenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung der Kläger die Erkundigungsfrist zum Inhalt des Beschlusses vom 13.12.2018 und infolgedessen auch die Anfechtungsfrist versäumt haben dürfte.
In dem mit Zustimmung der Parteien angeordneten schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 11.05.2020 eingereicht werden konnten, ist der Kläger der Einschätzung, er habe die Anfechtungsfrist nicht gewahrt, entgegengetreten. Er habe keine Erkundigungsobliegenheit verletzt. Eine Erkundigungspflicht bestehe nur dann, wenn der Gesellschafter wisse, dass eine Gesellschafterversammlung stattfinde, und er antizipieren könne, welche Beschlüsse gefasst werden könnten. Aufgrund der Einladung zu TOP 1 und des angekündigten Beschlussantrages, wonach „die Geschäftsanteile Nr. 3 bis 10.002“ zwangsabgetreten werden sollten, habe ein objektiver Empfänger nur erwarten können, dass eine Zwangsabtretung aller von der Schuldnerin gehaltenen Geschäftsanteile Gegenstand des Tagesordnungspunkts sein würde. Die Zwangsabtretung nur eines Teils der Anteile sei hier kein „Minus“ vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen und wirtschaftlichen Folgen bei einer vollständigen gegenüber einer teilweisen Abtretung. Der nur teilweise ausgeschlossene Gesellschafter verbleibe in der Gesellschaft und unterliege weiter gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten, verliere aber zugleich gesellschaftsvertragliche Vetorechte durch Unterschreiten der Sperrminorität. Im konkreten Fall komme hinzu, dass die teilweise Zwangsabtretung dazu führe, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch der Schuldnerin im Falle einer Insolvenz der Beklagten gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO dauerhaft nachrangig bleibe, während der Darlehensrückzahlungsanspruch bei Zwangsabtretung sämtlicher Geschäftsanteile nicht mehr nachrangig wäre. Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Ankündigung von ausformulierten Beschlussvorschlägen in der Einladung zur Gesellschafterversammlung nicht vorgeschrieben sei, da hier jedenfalls ein solcher mitgeteilt worden sei. Der Kläger habe nicht die Absicht gehabt, sich gegen eine vollständige Abtretung der Geschäftsanteile zur Wehr zu setzen und hätte sowohl eine Beschlussfassung über die vollständige Abtretung der Anteile als auch eine Ablehnung des entsprechenden Beschlussvorschlages hingenommen. Es sei daher für ihn nicht relevant gewesen zu erfahren, ob die Schuldnerin die gehaltenen Anteile insgesamt abzutreten habe oder nicht. Im Übrigen gelte im GmbH-Recht nicht die starre Monatsfrist des § 246 AktG. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei eine längere Frist angemessen, wenn der Gesellschafter längere Zeit benötige, um schwierige tatsächliche und rechtliche Fragen zu klären. Dies sei hier der Fall, weil die Auslegung der streitgegenständlichen Satzungsklausel eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dieser unter Berücksichtigung der klassischen Auslegungsmethoden erfordert habe und der Fall besonders komplex wegen des Bestehens des Gesellschafterdarlehens sei. Der Kläger habe auch die Wechselwirkung zwischen der Beschlussfassung und dem Parallelverfahren, in dem es um die Durchsetzbarkeit des Darlehensrückzahlungsanspruches gehe, prüfen und berücksichtigen müssen, so dass selbst dann, wenn die Anfechtungsfrist am 27.12.2019 zu laufen begonnen habe, eine Frist von sieben oder acht Wochen angemessen und deshalb keine Verfristung eingetreten sei.
Die Streithelferin ist der vorläufigen Bewertung entgegengetreten, dass im Fall einer fristgerechten Erhebung der Klage dieser stattzugeben sei. Es bedürfe für die Zulässigkeit einer Teileinziehung von Geschäftsanteilen – und daraus folgend auch für die Zulässigkeit einer Teil-Zwangsabtretung – dann, wenn die Voraussetzungen für die Zwangseinziehung im Gesellschaftsvertrag geregelt seien, keiner ausdrücklichen vertraglichen Regelung einer Teileinziehung. Wenn die vollständige Einziehung auf Grund des Gesellschaftsvertrages zulässig sei, stehe einer Teileinziehung nicht entgegen, dass diese im Gesellschaftsvertrag nicht gesondert benannt werde. Wenn demnach – wie hier – die Voraussetzungen für die vollständige Einziehung/Zwangsabtretung vorlägen, sei nur zu prüfen, ob ein Beschluss über eine Teileinziehung im Einzelfall gegen die gesellschaftsrechtliche TreuepflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
gesellschaftsrechtliche Treuepflicht
Treuepflicht
verstoße. Ein Verstoß gegen die Treuepflicht liege hier jedoch nicht vor, da es im vernünftigen Interesse des Unternehmens, welches satzungsgemäß seine Beschlüsse mit einer Mehrheit von 75 % fasst, gelegen habe, dass der Insolvenzverwalter, dessen Interesse aufgrund seiner Verwertungsaufgabe nicht in erster Linie am Wohl des Unternehmens ausgerichtet sei, überstimmt werden könne. Zugleich habe es im Interesse des Unternehmens gelegen, seine langfristige Finanzierung nicht durch den Verlust des Status des Darlehens der Schuldnerin als Gesellschafterdarlehen zu verlieren, da dies dazu beitrage, dass die Geschäftsführung es wegen § 64 Abs. 3 GmbHG nicht zu einer vorzeitigen Rückzahlung kommen lasse. Auch im Rahmen einer Abwägung mit den Interessen des betroffenen insolventen Gesellschafters stelle sich die Teil-Zwangsabtretung nicht als treuwidrig dar.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die insbesondere Frist- und formgerecht eingelegte und Frist- und formgerecht begründete Berufung hat Erfolg.
1. Der Beschluss, dass die Schuldnerin zwangsweise 7.000 Anteile an der Beklagten an die Streithelferin abzutreten habe, ist nicht nichtig. Nichtigkeitsgründe werden vom Kläger nicht angeführt und sind auch nicht ersichtlich. Es liegt keiner der – auf das GmbH-Recht analog anzuwendenden – Nichtigkeitsgründe des § 241 AktG vor; insbesondere sind keine solchen Einberufungsmängel ersichtlich, die zu einer Nichtigkeit nach § 241 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog führen würden. Die gesellschaftsrechtlich vorgesehene Form und Frist zur Einladung wurden sowohl hinsichtlich der ersten Gesellschafterversammlung als auch hinsichtlich der zweiten Gesellschafterversammlung eingehalten. Selbst wenn man in der Aufteilung der Abstimmung über die Zwangsabtretung in zwei Abschnitte, die in der Tagesordnung nicht angekündigt wurde, einen Einberufungsmangel sehen würde, würde es sich allenfalls um einen solchen handeln, der zur Anfechtung berechtigt, nicht aber zur Nichtigkeit führt (vgl. hierzu Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 20. Aufl., Anh. zu § 47, Rn. 13a); auch wenn man in dem Umstand, dass der exakte Wortlaut der dann zur Abstimmung gestellten Beschlussvorschläge von dem Wortlaut des dem Einladungsschreiben beigefügten Beschlussvorschlag abgewichen ist, einen Verstoß gegen § 51 GmbHG sehen würde, führte die dann anzunehmende ungenaue Ankündigung der Beschlussgegenstände lediglich zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse (MüKoGmbHG/Liebscher, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 51 Rn. 52).
2. Der Kläger hat die Beschlussanfechtungsfrist versäumt. Durch Verstreichen der Frist ist der Gesellschafterbeschluss zur Zwangsabtretung vom 13.12.2018 bereits vor Anhängigkeit der Klage am 11.02.2019 endgültig wirksam geworden.
2.1 Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten enthält keine Bestimmung zu einer Anfechtungsfrist gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung.
2.2 Der Senat teilt die mittlerweile ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG – sofern die Satzung wie hier keine abweichende Regelung enthält – grundsätzlich einzuhalten ist (BGH, Beschluss vom 13.07.2009, II ZR 272/08). Wird diese Frist überschritten, kommt es darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren klageweisen Geltendmachung des Anfechtungsgrundes gehindert haben (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.1998, II ZR 82/93, BGHZ 137, 378 [386]; siehe auch BGH, Urteil vom 14.03.2005, II ZR 153/03). Dabei stellt der Umstand, dass die Beschlussfassung am 13.12.2018 dazu führte, dass die Weihnachtszeit in den Lauf der Beschlussanfechtungsfrist fällt, keinen Rechtfertigungsgrund für eine Fristüberschreitung dar (BGH, Urteil vom 22.12.2004, 8 U 1432/04, NZG 2005, 551 [553]).
2.3 Soweit der Bundesgerichtshof jedenfalls in älteren Entscheidungen (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.1992, II ZR 286/91, WM 1992, 2017 f) in Betracht gezogen hat, dass die aktienrechtliche Monatsfrist dann für den anfechtenden Gesellschafter einer GmbH unzumutbar sein kann, wenn er längere Zeit benötigt, um schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen zu klären, die für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage bedeutsam sind, so liegt entgegen der Ansicht des Klägers ein derartiger Sachverhalt hier nicht vor:
So ist zunächst zu berücksichtigen, ob der Konflikt schon vor der Beschlussfassung absehbar war und sich der Gesellschafter auf die durch den zu erwartenden Beschluss zu klärenden Fragen schon vor der Beschlussfassung vorbereiten konnte. Eine solche Situation lag hier nicht vor; aufgrund der Einladungen zu den Gesellschafterversammlungen musste sich dem Kläger vor der Gesellschafterversammlung noch nicht aufdrängen, dass der Beschluss zur Zwangsabtretung nur einen Teil der von der Schuldnerin gehaltenen Geschäftsanteile betreffen würde.
Weiter ist bei der Beurteilung, ob die Monatsfrist zur Klärung der durch die Beschlussfassung aufgeworfenen Frage ausreichend ist, auch zu betrachten, ob der betroffene Gesellschafter bereits bei Beschlussfassung oder Einladung zur Beschlussfassung anwaltlich vertreten ist (BGH, a.a.O., Rn. 9). Dies ist hier der Fall; bei dem klagenden Insolvenzverwalter handelt es sich um einen Rechtsanwalt.
Zudem kommt es auf die Komplexität des Sachverhalts und der rechtlichen Fragestellungen an. Hier war nach der Beschlussfassung durch den Kläger nur zu prüfen, ob die Rechtslage die Zwangsabtretung nur eines Teils der von der Schuldnerin zu haltenden Anteile überhaupt zulässt und ob bejahendenfalls der Beschluss gegen Treuepflichten verstößt. Mögen die Rechtsfragen auch eine intensive Befassung mit den – vom Umfang überschaubaren – Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages und den Bestimmungen und Kommentierungen des § 51 GmbHG erfordern, so ist es doch einem als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwalt möglich, sich in einigen Tagen zu diesen Fragen eine Rechtsauffassung zu bilden. Auch die mit der Beschlussfassung der Beklagten einhergehenden wirtschaftlichen Auswirkungen sind für einen als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwalt leicht und schnell zu erfassen. Sie bestehen darin, dass das Mitspracherecht der Schuldnerin innerhalb der Gesellschafterversammlung der Beklagten durch Verlust der Sperrminorität drastisch beschnitten wird, dass sie zugleich ihre Pflichten als Gesellschafterin einzuhalten hat und dass das von ihr gewährte Darlehen weiterhin als Gesellschafterdarlehen zu behandeln ist. Insgesamt rechtfertigt die Komplexität der wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen nicht die Annahme, dass der klagende Insolvenzverwalter die Anfechtungsklage nicht mit aller ihm zumutbaren Beschleunigung innerhalb einer Monatsfrist hätte erheben können. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die rechtlichen Fragestellungen erst durch die Entwicklung innerhalb der Gesellschafterversammlung aufgetreten und allein anhand der Einladung noch nicht zu erwarten waren.
2.4 Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob der Lauf der Anfechtungsfrist nach § 246 Abs. 1 AktG analog mit dem Erlass des Beschlusses zu laufen beginnt oder erst mit der Bekanntgabe des Beschlusses an den bei der Beschlussfassung nicht anwesenden oder vertretenen Gesellschafter. Im Ergebnis kann dies dahinstehen, da nach Auffassung des Senats selbst dann, wenn von dem Beginn der Anfechtungsfrist erst mit Bekanntgabe des Beschlusses auszugehen sein sollte, dies hier nicht zu einer fristwahrenden Erhebung der Anfechtungsklage führt, weil der Kläger eine dann zur Überzeugung des Senats bestehende Obliegenheit zur zeitnahen Erkundigung nach dem Ergebnis der Beschlussfassung verletzt hat:
2.4.1 Teilweise wird vertreten, dass – insbesondere auch zur Herstellung der Rechtssicherheit – die Beschlussanfechtungsfrist grundsätzlich mit dem Erlass des Beschlusses zu laufen beginne (OLG Schleswig, Urteil vom 29.01.1998, 5 O 125/96; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 12. Aufl., Rn. 145 zu § 45 GmbHG; Wiegand-Schneider, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Band 7, 5. Aufl., Rn. 43 zu § 39; Leinekugel in: Ziemons/Jaeger/Pöschke, BeckOnline-Kommentar GmbHG, 43. Edition, Rn. 172 in Anh. zu § 47; Drescher in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., AktG, Rn. 4 zu § 246; MüKo GmbHG/Wertenbruch, GmbHG, nach § 47 Rn. 302 Fn. 937; Michalsky, GmbHG, 3. Aufl., Anh. zu § 47 Rn. 469).
Für diese Ansicht spricht, dass sie in Verbindung mit der analogen Anwendung der Regelfrist des § 246 Abs. 1 AktG zu einem hohen Maß an Rechtssicherheit führt, weil dann nach Ablauf der für alle Gesellschafter und die Gesellschaft erkennbaren Frist feststeht, wann der Beschluss nicht mehr angefochten werden kann. Soweit die Gegner dieser Ansicht und auch der Kläger darauf abstellen, dass es der Gesellschaft möglich sei, durch zeitnahe Bekanntgabe des Beschlusses an den abwesenden Gesellschafter den Fristbeginn zu bewirken, hilft dies nicht in jedem Fall anderen Gesellschaftern, die nicht mit der Bekanntgabe betraut worden sind, weiter.
Jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art, in denen ein Gesellschafter zunächst nicht zu der ersten anberaumten Gesellschafterversammlung erscheint, dadurch deren Beschlussunfähigkeit herbeiführt, nachfolgend auch an der zweiten Gesellschafterversammlung nicht teilnimmt und nicht einmal anführt, dass er durch erhebliche Gründe gehindert gewesen wäre, an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen, ist ein Fristbeginn mit Beschlussfassung und damit vor Kenntnis des nicht teilnehmenden Gesellschafters im Ergebnis auch nicht unangemessen.
Nach dieser Auffassung kommt es nicht darauf an, dass der Kläger erst am 10.01.2019 Kenntnis von dem am 13.12.2018 gefassten Beschluss erlangt hat. Die Anfechtungsfrist endete nach dieser Meinung mit Ablauf des 14.01.2019 (Montag), so dass die Einreichung der Anfechtungsklage bei dem Landgericht am 11.02.2019 keine fristwahrende Wirkung mehr entfalten konnte.
2.4.2 Eine inzwischen wohl leicht überwiegende Meinung vertritt, dass es dennoch zum Schutz des an der Gesellschafterversammlung nicht teilnehmenden Gesellschafters sachgerecht und geboten sei, dass die Anfechtungsfrist erst mit Kenntniserlangung vom Inhalt des Beschlusses zu laufen beginne, wobei allerdings Einvernehmen darüber besteht, dass dann aber den bei der Gesellschafterversammlung nicht anwesenden Gesellschafter eine Erkundigungspflicht trifft (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 26.02.2003, 8 U 110/02; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 14.02.2000, 8 U 117/99; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 21.12.2015, 8 U 67/15; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 20. Aufl., Rn. 62 zu § 47; Fleischer, GmbHR 2013, 1289, 1295; Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, GmbHG, Rn. 7 nach § 47; Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., Rn. 153 nach § 47; Wicke, GmbHG, 3. Aufl., Rn. 19 im Anh. zu § 47; Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., Rn. 96 im Anh. zu § 47). Das Oberlandesgericht Hamm geht in seiner Entscheidung vom 21.12.2015 (a.a.O., Rn. 82 bei juris) davon aus, dass die Erkundigungsfrist ca. 2 Wochen betrage und nach Ablauf dieser 2-Wochen-Frist die Beschlussanfechtungsfrist auch ohne Kenntnis des Gesellschafters zu laufen beginne.
Legt man diese Ansicht zugrunde, hätte es dem Kläger oblegen, sich binnen ca. 2 Wochen nach der Beschlussfassung am 13.12.2018 nach dem Ergebnis der Gesellschafterversammlung zu erkundigen. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers vor dem Hintergrund, dass dann das Fristende der zweiwöchigen Erkundigungsfrist hier mit dem 27.12.2018 in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr liegt, ausnahmsweise erst von einem Ablauf der Erkundigungsfrist nach 3 Wochen am 03.01.2019 ausgehen würde, hätte die Klage bis zum 04.02.2019 (Montag) erhoben und dann demnächst zugestellt werden müssen. Die Klageerhebung erst am 11.02.2019 führt auch nach dieser Auffassung zu einer Verfristung.
Entgegen der Auffassung des Klägers entfiel die Obliegenheit zur Erkundigung auch nicht deshalb, weil ihm nach der ersten Gesellschafterversammlung vom 22.11.2018 binnen weniger Tage das Protokoll übermittelt worden war. Zum einen beruhte dies – für den Kläger deutlich erkennbar – darauf, dass wegen seines Fernbleibens von dieser Versammlung diese beschlussunfähig gewesen ist und deshalb zu einer zweiten Versammlung eingeladen werden musste; der Email mit der zu dieser Versammlung eingeladen wurde, lag auch das Protokoll der ersten Versammlung bei (Anlage K 11). Zum anderen ist der Umstand, dass früher einmal ein Protokoll nach nur vier Tagen versandt worden ist, kein Grund, weshalb sich der Gesellschafter nach einer anderen Versammlung nicht erkundigen müsste, wenn ihm diesmal auch nach zwei Wochen noch kein Protokoll übermittelt worden ist.
2.4.3 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen diejenigen, die von einem Beginn der Anfechtungsfrist bereits mit Beschlussfassung ausgehen, aber der Kenntnislosigkeit durch eine angemessene Verlängerung der Monatsfrist Rechnung tragen wollen (vgl. beispielsweise Leinekugel in: BeckOnline-KommentarGmbHG, 43. Edition, Rn. 174 im Anh. zu § 47: Obliegenheit zur Erkundigung) oder generell nicht von einer analogen Anwendung der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG ausgehen, sondern diese Norm nur als Orientierung für die Bestimmung einer angemessenen Frist heranziehen. Sie halten das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen für erforderlich, wenn nach mehr als einem Monat nach BeschlussfassungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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noch fristwahrend die Klageerhebung möglich sein soll. Die Anfechtungsfrist soll nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots zu bestimmen sein (Karsten Schmidt in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. § 45 GmbHG, Rn. 142 ff). Insoweit wird darauf abgestellt, ob besonders schwierige Rechtsfragen vorliegen, ob außergerichtliche Einigungsversuche zu Verzögerungen geführt haben und inwieweit es der Gesellschafter zu verantworten hat, erst spät vom Inhalt des Beschlusses Kenntnis erlangt zu haben (vgl. Karsten Schmidt, aaO, Rn. 143). Auch nach diesem Maßstab wahrt die Erhebung der Klage erst nach mehr als acht Wochen nach BeschlussfassungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im vorliegenden Sachverhalt die Anfechtungsfrist nicht mehr.
2.5 Entgegen der Ansicht des Klägers liegen auch nicht solche besonderen Umstände vor, dass entweder ausnahmsweise die Erkundigungspflicht entfallen wäre oder dass ausnahmsweise die Klageerhebung mehr als 8 Wochen nach BeschlussfassungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und taggenau einen Monat nach Erhalt des erst nach 4 Wochen übermittelten Gesellschafterbeschlusses die Anfechtungsfrist noch gewahrt hätte:
2.5.1 Zum einen ist die Auffassung des Klägers, dass in der zweiten Gesellschafterversammlung am 13.12.2018 etwas gänzlich anderes beschlossen worden sei, als wozu eingeladen worden sei, nicht zutreffend:
Die Angabe der Tagesordnung genügt den Anforderungen des § 51 Abs. 2 GmbHG. In der Einladung wurde dem Kläger mitgeteilt, dass eine der beiden Mitgesellschafterinnen, die M… AG, die Zwangsabtretung der Anteile der Schuldnerin an der Beklagten an die Streithelferin verlange, weil sie nicht mit einer insolventen Gesellschaft in der Beklagten verbunden bleiben wolle. Dem Kläger wurde ein Beschlussvorschlag übermittelt, der die Einziehung der Anteile Nr. 3 bis 10.002 an die vorgenannte Gesellschaft vorschlug.
2.5.1.1 Zwar ist der Einwand des Klägers zutreffend, dass die dann erfolgte Abstimmung in zwei Teilschritten über die Geschäftsanteile Nr. 3 bis 7.002 und über die Geschäftsanteile Nr. 7003 bis 10.002 mit unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen im rechtlichen und im wirtschaftlichen Ergebnis sowohl von dem bisherigen Zustand abgewichen ist, als auch von dem Zustand, der eingetreten wäre, wenn der ursprünglich vorgeschlagene Beschluss unverändert zustande gekommen wäre.
2.5.1.2 Dennoch handelt es sich bei der vorgenommenen Abstimmung nicht um ein Aliud gegenüber der Einladung. Der übermittelte Beschlussvorschlag sah nicht pauschal die Abtretung des Geschäftsanteils der Schuldnerin vor, sondern benannte, dass die „Geschäftsanteile Nr. 3 bis 10.002 im Nennbetrag von jeweils EUR 1,00“ abzutreten seien. Wie angekündigt wurde dann auch über die Zwangsabtretung der Anteile Nr. 3 bis 10.002 abgestimmt; der einzige Unterschied besteht darin, dass die Abstimmung in zwei Teilschritten vorgenommen wurde.
Mit der Einladung ist es erforderlich, den Zweck der Versammlung so deutlich anzukündigen, dass sich die Verhandlungsgegenstände ohne Nachfrage erkennen lassen und die Gesellschafter wissen, um was es geht (vgl. BGH, NJW 1962, 393). Diesen Anforderungen wird die Einladung ohne weiteres gerecht. Allein der Umstand, dass ein Beschlussvorschlag formuliert wurde, der eine Abstimmung über alle Anteile der Schuldnerin vorsah, schloss nicht aus, dass die Gesellschafter in der ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung beschließen, dass – im angekündigten Themenbereich – auch modifizierte und abgewandelte Beschlussvorschläge zur Abstimmung gestellt werden. Der Beschlussantrag muss nicht zwingend in seinem Wortlaut in der Tagesordnung angekündigt sein. Die (auch in § 8.3 GV vorgeschriebene) Ankündigung muss so deutlich sein, dass sich die Gesellschafter auf die Erörterung und Beschlussfassung vorbereiten können und sie vor einer „Überrumpelung“ geschützt werden (BGH, Urteil vom 25.11.2002, II ZR 69/01, Rn. 23). Für den Schutz vor Überrumpelung ist aber nur erforderlich, dass der Beschlussantrag einen sachlichen Bezug zu einem Tagesordnungspunkt hat (Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. 2019, § 47, Rn. 9); er muss aber inhaltlich von der Tagesordnung gedeckt sein (Henssler/Strohn GesR/Hillmann, 4. Aufl. 2019, GmbHG § 47 Rn. 11). Bei einer anderen Betrachtungsweise wäre es den Gesellschaftern sonst regelmäßig gar nicht möglich, in eine sachliche Diskussion einzutreten und hieraus – im angekündigten Themenbereich des Tagesordnungspunktes bleibend – andere Lösungen zu entwickeln, sofern nur ein Gesellschafter der Versammlung fernbleibt. Es liegt im Risikobereich des an der Gesellschafterversammlung nicht teilnehmenden Gesellschafters, dass zu dem angekündigten Thema auch leicht von der Einladung abweichende abgewandelte Beschlussvorschläge unterbreitet werden, die ein „Mehr“ oder „Weniger“ des gleichen Inhalts beinhalten (Seibt in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 51 GmbHG, Rn. 21). So liegt der Sachverhalt hier. Hieran ändert auch der Umstand, dass der Kläger subjektiv nicht mit der tatsächlich erfolgten Entwicklung gerechnet hat, nichts. Dem Kläger war es unbenommen, an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen. Er hätte dort bereits seine Einwände gegen das Satzungsverständnis vortragen können. Jedenfalls hätte er dann auch unverzüglich Kenntnis von der Beschlussfassung erlangt.
2.5.2 Zum anderen hat der klagende Insolvenzverwalter auch dann, wenn man die tatsächlich getroffene Beschlussfassung außer Acht lässt, seine Obliegenheit zur Wahrnehmung der sich aufdrängenden Interessenvertretung der Schuldnerin in mehrfacher Hinsicht verletzt, in dem er es unterlassen hat, bis spätestens 03.01.2019 Erkundigungen dazu anzustellen, welche Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung vom 13.12.2018 gefasst worden sind:
2.5.2.1 Auch wenn hinsichtlich der Zwangsabtretung an die Streithelferin nur über den ursprünglich angekündigten Beschlussantrag in unveränderter Form abgestimmt worden wäre, wäre das Abstimmungsergebnis nach eigener Darlegung des Klägers für diesen von Bedeutung gewesen. Zwar mag sein, dass er entschlossen war, das Abstimmungsergebnis in jedem Fall hinzunehmen. Dennoch war es auch für seine Tätigkeit als Interessenvertreter der Gläubiger der Schuldnerin von Bedeutung zu erfahren, ob der angekündigte Beschluss zustande gekommen ist und er nunmehr den Beschluss umzusetzen und den Abfindungsbetrag einzuziehen hatte. Nach eigener Darstellung des Klägers ist es für ihn bedeutsam, ob es sich bei dem von der Schuldnerin gewährten Darlehen über 13 Mio. € weiterhin um ein Gesellschafterdarlehen handelt, welches im Fall einer Insolvenz der Beklagten auf Grund des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO dauerhaft nachrangig bliebe. Diese Umstände geboten es, sich zeitnah nach dem Ergebnis der Abstimmung über die Zwangseinziehung zu erkundigen.
2.5.2.2 Hinzu kommt ferner, dass in der Tagesordnung für den 13.12.2018 noch weitere Themen angekündigt waren. Dies betraf die Beschlussfassungen zu den Geschäftsabschlüssen der Jahre 2015 und 2016 und zur Ergebnisverwendung (jeweils Vortrag eines Jahresfehlbetrages auf das folgende Geschäftsjahr) sowie die Erteilung der Entlastung für die Geschäftsführung für die Geschäftsjahre 2015 und 2016. Auch insoweit gehörte es zu den Aufgaben des Klägers als Insolvenzverwalter der Schuldnerin, sich von dem Ergebnis der Beschlussfassungen Kenntnis zu verschaffen, um rechtzeitig zu prüfen, ob die Interessenwahrung der Schuldnerin bzw. der Gläubiger der Schuldnerin rechtliche Maßnahmen erfordern.
2.6 Da der Kläger mithin die Anfechtungsfrist versäumt hat, ist das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
3. Es kommt daher im Ergebnis nicht darauf an, ob der Beschluss zur teilweisen Zwangsabtretung bei rechtzeitiger Klageerhebung für nichtig zu erklären gewesen wäre. Es kann mithin dahin stehen, dass sehr viel dafür spricht, dass die Auslegung des Landgerichts dazu, dass der Gesellschaftsvertrag keine Zwangseinziehung nur eines Teils des von der Schuldnerin gehaltenen Geschäftsanteils vorgesehen hat, zutrifft. Ferner kann dahinstehen, ob die Auffassung der Streithelferin, § 34 Abs. 2 GmbHG ermögliche auch ohne ausdrückliche Zulassung im Gesellschaftsvertrag die nur teilweise Zwangsabtretung, wenn nur die Voraussetzungen für die vollständige Zwangsabtretung im Gesellschaftsvertrag niedergelegt seien, mithin nur die Voraussetzungen einer Zwangseinziehung einem scharfen Bestimmtheitsgebot unterworfen seien, nicht aber der Umfang der Einziehung. Auch kann offen bleiben, ob dann, wenn Vorstehendes einer teilweisen Zwangsabtretung nicht entgegenstehen sollte, die zwangsweise Einordnung eines Gesellschafters, dessen Geschäftsanteil bislang über eine Sperrminorität verfügte und der Gesellschaft ein umfangreiches Gesellschafterdarlehen gewährt hat, durch Einziehung nur eines Teils von dessen Gesellschaftsanteil in denjenigen Stimmanteilsbereich, der unterhalb der Sperrminorität des Gesellschaftsvertrages aber oberhalb der Kleinbeteiligtenprivilegierung des § 39 Abs. 5 InsO hinsichtlich des gewährten Darlehens liegt, trotz der in dem Fernbleiben des Klägers von den Gesellschaftsversammlungen zum Ausdruck kommenden fehlenden Bereitschaft an einer aktiven Mitwirkung am Geschäft der Beklagten treuwidrig ist.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Wie oben dargestellt, führen letztlich nahezu alle in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zur Anfechtungsfrist gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH im vorliegenden Sachverhalt dazu, dass die Frist vom Kläger nicht gewahrt worden ist. Selbst wenn man eine analoge Anwendung des § 246 Abs. 1 AktG ablehnt, entsprach die Klageerhebung mehr als 8 Wochen nach BeschlussfassungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht der gebotenen Beschleunigung. Selbst wenn man von einem Fristbeginn einer einmonatigen Frist im Regelfall erst mit Kenntniserlangung vom Beschlussinhalt ausgeht, hat der Kläger seine Obliegenheit zur Erkundigung verletzt. Letztlich handelt es sich um die rechtliche Bewertung eines Einzelfalls.
Der Senat setzt den Streitwert – im Beschlusswege – auf 100.000,00 € fest:
Nach allgemeiner Ansicht ist auf eine Anfechtungsklage gegen den Gesellschafterbeschluss einer GmbH § 247 AktG analog anzuwenden, wobei bislang nicht endgültig geklärt ist, ob die Streitwertobergrenze des § 247 Abs. 1 S. 2 AktG analog anzuwenden ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10.11.2009, II ZR 126/08; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl., Rn. 153 zu § 45). Vielfach wird die Ansicht vertreten, dass diese Streitwertobergrenze auf große Aktiengesellschaften zugeschnitten sei und den kleinen Aktionär schützen solle. Jedenfalls seit Einführung der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft durch den Gesetzgeber liegt auf der Hand, dass 1/10 des Stammkapitals als Obergrenze zur Bemessung des Streitwertes für Beschlussanfechtungsklagen unangemessen ist. Ohnehin ermöglicht § 247 Abs. 1 S. 2 AktG im Einzelfall dann, wenn die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist, auch eine höhere Festsetzung des Streitwerts.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger den Streitwert selbst mit 100.000,00 € beziffert. Das Landgericht ist dem gefolgt. Keine der Parteien ist dem entgegengetreten. Die hier durch die Beschlussfassung eingetretene Situation bewirkt, dass die Schuldnerin ihre Sperrminorität innerhalb der Gesellschaft verliert und dennoch weiterhin dem Risiko ausgesetzt ist, dass einer Rückforderung des Darlehens in Höhe von 13 Mio € § 64 S. 3 GmbHG entgegengehalten wird und das Darlehen im Fall der Insolvenz der Beklagten nicht durch § 39 Abs. 5 InsO privilegiert wird. Insgesamt rechtfertigt dies die Festsetzung des Streitwerts auf 100.000,00 €.
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Schlagworte: AktG § 245, AktG § 246, Anfechtung, Anfechtungsfrist, Anfechtungsklage, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Anfechtungsklage mit kombinierter Beschlussfeststellungsklage bei ablehnender Beschlussfassung, Anfechtungsklage nach § 245 AktG analog, Erkundigungspflicht, Grundsätzliche Monatsfrist nach Gesetz (Leitbild), Klagefrist/Anfechtungsfrist, Präklusion von Anfechtungsgründen nach Ablauf der Anfechtungsfrist, Zustellung der Klage bei Gesellschaft nach Ende der Anfechtungsfrist, Zustellung der Klage bei Gesellschaft vor Ende der Anfechtungsfrist