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OLG Brandenburg, Urteil vom 29.06.2022 – 4 U 214/21 

§ 30 Abs 1 S 1 GmbHG, § 34 Abs 3 GmbHG, § 42 HGB, § 246 HGB, §§ 246ff HGB, § 266 HGB, §§ 266ff HGB, § 241 Nr 3 AktG          

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen vom 24.09.2021 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der zu Tagesordnungspunkt 1 gefasste Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 23.05.2018 über die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
des Gesellschafters T… K… nichtig ist.

2. Es wird festgestellt, dass der Kläger Gesellschafter der Beklagten ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die aktuelle Gesellschafterliste entsprechend der Anlage zu diesem Urteil unverzüglich bei dem Amtsgericht Potsdam, Registergericht, zum Geschäftszeichen HRB … P zur Hereinnahme in den geführten Registerordner einzureichen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Von den Kosten beider Instanzen haben der Kläger 5 % und die Beklagte 95 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger und F… R… (im Folgenden: F… R. oder Mitgesellschafter) waren ausweislich der Gesellschafterliste vom 28.09.2012 zu gleichen Teilen als Gesellschafter der Beklagten eingetragen. Zwischen den Gesellschaftern besteht jedenfalls seit Ende 2017 Streit, der in diversen einstweiligen Verfügungsverfahren und Rechtsstreitigkeiten über mehrere Instanzen ausgetragen wurde und wird. So erhob F… R. Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
gegen die Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung vom 26.02.2018 und 01.03.2018, mit denen ihm sein Geschäftsanteil entzogen wurde, er als Geschäftsführer abberufen und der hiesige Kläger zum Geschäftsführer berufen wurde, der – rechtskräftig – stattgegeben wurde. Die in jenem Verfahren (52 O 75/18 bzw. 4 U 134/20) von F… R. überdies erhobene allgemeine Feststellungsklage gerichtet darauf festzustellen, dass der Beschluss der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018, mit dem die Geschäftsanteile des hiesigen Klägers eingezogen worden sind, wirksam sei, ist in der Berufungsinstanz ohne Erfolg geblieben, eine Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BGH (II ZR 102/21) anhängig.Randnummer2

Im Nachgang zu der vorgenannten Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 reichte F… R. am 19.06.2018 eine neue Gesellschafterliste ein, die nur noch ihn als Gesellschafter ausweist und am 02.07.2018 in den Registerordner eingestellt wurde.Randnummer3

Mit seiner am 18.06.2018 eingegangenen und am 19.07.2018 zugestellten Klage wendet sich der Kläger u.a. gegen in dieser außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 gefasste Beschlüsse, mit denen sein Geschäftsanteil eingezogen (TOP 1) und das Steuerbüro (X) Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2015 bis 2017 und der entsprechenden Buchungen der Geschäftsvorfälle beauftragt wurde (TOP 2).Randnummer4

Er machte im Wesentlichen geltend, beide Beschlüsse seien unwirksam, weil sie infolge der bereits in der Gesellschafterversammlung vom 01.03.2018 erfolgten Einziehung der Geschäftsanteile des F… R. nicht mit der erforderlichen Stimmenmehrheit gefasst worden seien. Die Beschlüsse seien überdies deshalb nichtig, jedenfalls anfechtbar, da F… R. die Ladungsberechtigung gefehlt habe und die Gesellschafterversammlung an einem untauglichen Ort, nämlich – unstreitig – im Keller des Privathauses des Mitgesellschafters, und in Anwesenheit von 4 weiteren Personen stattgefunden hat. Der Kläger vertrat die Auffassung, bei einer Zwei-Personen-GmbH seien wechselseitige Einziehungsanträge unzulässig, in einem solchen Fall sei eine Auflösungsklage geboten. Ein wichtiger Grund für die Ausschließung des Klägers aus der Gesellschaft sei nicht vorgetragen. Jedenfalls seien F… R. selbst seine Ausschließung rechtfertigende Pflichtverletzungen vorzuwerfen mit der Folge, dass er die Ausschließung des Klägers nicht verlangen könne. Der Einziehungsbeschluss sei nichtig, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht in der Lage gewesen sei, die nach § 14 des Gesellschaftsvertrages geschuldete Einziehungsvergütung, die mit mindestens dem von der Beklagten ermittelten Betrag von 189.476,79 € anzusetzen sei, nicht aus ihrem freien Vermögen habe zahlen können; dies ergebe sich etwa aus den eine bilanzielle Überschuldung ausweisenden veröffentlichten Jahresabschlüssen der Beklagten für 2017 und 2018.Randnummer5

Die klageerweiternd für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1 begehrte Verurteilung zur Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste werde auf ein gesetzliches Schuldverhältnis gestützt; der Rechtsanspruch im Falle einer erforderlichen Änderung der Gesellschafterliste müsse (auch) gegenüber der Gesellschaft durchsetzbar sein.Randnummer6

Die – in erster Instanz durch F… R. als Geschäftsführer vertretene – Beklagte wandte gegen ihre Inanspruchnahme im Wesentlichen ein, der Klageantrag zu 1 sei wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Ohnehin sei der Kläger nicht Gesellschafter geworden; die Anteilsübertragung mit notariellem Vertrag vom 28.09.2012 sei Sittenwidrig sowie wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig; hilfsweise fechte sie diese gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung an. Es habe auch ein wichtiger Grund für die Einziehung vorgelegen; das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern sei aufgrund der Vorgänge im Vorfeld und anlässlich der am 28.02. und 01.03.2018 abgehaltenen Gesellschafterversammlungen zerstört. Entgegen der Behauptung des Klägers könne die auf Grundlage der Unternehmensbewertung des Steuerberaters J. N… auf 189.476,79 € ermittelte Einziehungsvergütung geleistet werden, ohne das Stammkapital der Gesellschaft zu vermindern. Der Klageantrag zu 3 habe sich im Hinblick auf die zwischenzeitlich erstellten Jahresabschlüsse erledigt. Für den Klageantrag zu 4 fehle es an dem erforderlichen Rechtschutzbedürfnis.Randnummer7

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird mit den folgenden Ergänzungen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO):Randnummer8

Am 10.03.2021 fand eine weitere Gesellschafterversammlung statt, in der ausweislich des als Anlage BK 2 (Bl. 1500f d.A.) eingereichten Protokolls der Beschluss gefasst wurde, „die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
von Herrn T… K… wird hiermit bestätigt ersatzweise mit sofortige Wirkung erneut eingezogen“. Über das Vermögen der Beklagten ist zwischenzeitlich, mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 17.01.2022, das Insolvenzverfahren eröffnet worden.Randnummer9

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 24.09.2021 vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klageantrag zu 1 sei nicht wegen doppelter Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig. Die vorliegende Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
habe einen anderen Streitgegenstand als die zum Az. 52 O 75/18 (4 U 134/20 des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, II ZR 102/21) mit Klageantrag zu 3.d) erhobene Klage, beträfe zudem andere Parteien. Der Antrag zu 1 sei auch begründet. Der Kläger sei anfechtungsbefugt, denn er sei zur Zeit der Beschlussfassung in der Gesellschafterliste eingetragen gewesen und gelte damit gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG gegenüber der Beklagten als deren Gesellschafter. Der Beschluss zu TOP 1 der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 sei entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, weil die Beklagte die nach § 4 des Gesellschaftervertrages geschuldete Einziehungsvergütung zur Zeit der Beschlussfassung nicht aus freiem Vermögen habe zahlen können. Der Kläger habe sich in Bezug auf die Einziehungsvergütung im Termin vom 27.08.2021 den Vortrag der Beklagten zu der als Anlage B 8 vorgelegten Unternehmensbewertung zu eigen gemacht und deren Höhe mit mindestens dem darin ermittelten Betrag von 189.476,79 € angegeben. Nach den Berechnungen auf Grundlage der in dem im Unternehmensregister veröffentlichten und von der Beklagten als sachlich richtig bestätigten Jahresabschluss zum 31.12.2018 ausgewiesenen Aktiva und Passiva habe sich für den 31.12.2017 und 31.12.2018 ein Reingewinn von 13.700 € ergeben; mithin habe eine Unterbilanz in dem Sinne bestanden, dass das Reinvermögen das Stammkapital von 25.000 € nicht mehr gedeckt habe. Reduziert um den jeweils bei den Aktiva ausgewiesenen „nicht durch Eigenkapital gedeckte(n) Fehlbetrag“ i.H.v. 91.908,13 € zum 31.12.2017 bzw. 75.643,67 € zum 31.12.2018 habe das Aktivvermögen zu beiden Stichtagen die Summe der Verbindlichkeiten und Rückstellungen unterschritten, so dass kein ungebundenes Vermögen vorhanden gewesen sei. Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche, insbesondere zur Zeit der Beschlussfassung am 23.05.2018, eingetretene Verbesserung der Vermögenssituation seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Das behauptete Gesellschafterdarlehen des Mitgesellschafters, aus dem die Einziehungsvergütung vermeintlich hätte gezahlt werden können, sei bereits als Verbindlichkeit bilanziert, eine Auszahlung der Einziehungsvergütung wegen § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG unzulässig gewesen. Der Einwand, der Anspruch auf Einziehungsvergütung setze den wirksamen Erwerb der Geschäftsanteile voraus, greife wegen § 16 Abs. 1 GmbHG nicht durch. Ob die Beklagte – was sie bestreite – überschuldet i.S.d. § 19 Abs. 2 InsO gewesen sei, sei unerheblich.Randnummer10

Der Klageantrag zu 2 sei als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, weil er vorgreiflich für die Klageanträge zu 3 und 4 sei; ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe wegen des nicht in vollem Umfang durch die Klageanträge zu 1 und 4 geklärten Rechtsverhältnisses. Der Klageantrag zu 2 sei auch begründet, denn aufgrund der Nichtigkeit des Beschlusses unter TOP 1 sei der Kläger weiter Gesellschafter der Beklagten und sein Geschäftsanteil weder der Beklagten noch dem Mitgesellschafter angefallen.Randnummer11

Der Klageantrag zu 3 sei als Nichtigkeitsklage zulässig. Ungeachtet der Frage, ob die Jahresabschlüsse für 2015, 2016 und 2017 bereits erstellt worden seien, bestehe ein Rechtschutzbedürfnis, weil das Mitbestimmungsrecht des Klägers verletzt worden sei. Der Klageantrag sei auch begründet. Der Kläger sei aus den oben dargestellten Gründen anfechtungsbefugt; unter Berücksichtigung seiner Stimmberechtigung mangels wirksamer Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
sei die nach § 7 Nr. 10 des Gesellschaftsvertrages erforderliche Stimmenmehrheit nicht erreicht.Randnummer12

Das Rechtschutzbedürfnis für den Klageantrag zu 4 resultiere daraus, dass der Kläger gegenüber der Beklagten und Dritten gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG erst nach Eintragung in die bei dem Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste als Gesellschafter gelte. Der Anspruch auf Einreichung der geänderten Gesellschafterliste ergebe sich aus § 40 Abs. 1 GmbHG und sei gegen die Gesellschaft gerichtet.Randnummer13

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der inzwischen durch R… W… als Geschäftsführer vertretenen Beklagten, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren vollumfänglich weiter verfolgt.Randnummer14

Die Beklagte rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags, das Landgericht habe den zu der Nichtigkeit des Geschäftsanteilserwerbs angebotenen Beweis – nunmehr sei F… R. als Zeuge zu vernehmen – erheben müssen, denn die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG – und damit die Klagebefugnis des Klägers – fehle, wenn ausnahmsweise ein Widerspruch zur materiellen Rechtslage vorliege.Randnummer15

Der zu TOP 1 gefasste Beschluss sei aber auch nicht nichtig. Der Kläger habe sich entgegen der Sichtweise des Landgerichts den Beklagtenvortrag zur Unternehmensbewertung nicht zu eigen gemacht. Die Kennzahlen aus den Bilanzen für 2017 und 2018 seien überdies nicht geeignet, die Finanzkraft der Beklagten zu belegen oder zu verneinen, denn das Limit des von F… R. gewährten Gesellschafterdarlehens in Höhe von 500.000 € sei noch nicht ausgeschöpft gewesen – es habe zum 31.12.2017 mit 218.895,70 € und zum 31.12.2018 mit 221.548,43 € valutiert. Es sei auch nicht etwa die Auflösungsklage geboten gewesen, denn anders als in den zitierten Urteilen gehe es nicht um in einer Gesellschafterversammlung gestellte wechselseitige Einziehungsanträge, so dass die Beklagte nicht der Gefahr ausgesetzt gewesen sei, beide Gesellschafter zu verlieren.Randnummer16

Ein Rechtschutzbedürfnis für die Klageanträge zu 2 und 3 liege nicht vor; in Bezug auf den Klageantrag zu 3 deshalb, weil der Kläger nicht in die Gesellschafterliste eingetragen sei. Überdies sei sein Mitbestimmungsrecht nicht verletzt, weil die Beauftragung des Steuerberaters nicht in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung falle. Die mit Antrag zu 4 verfolgte Klage sei unbegründet, weil es an einer säumnis der Beklagten fehle.Randnummer17

Die Beklagte beantragt,Randnummer18

das am 24.09.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam – 51 O 7/21 – abzuändern und die Klage abzuweisen.Randnummer19

Der Kläger beantragt,Randnummer20

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Klageantrag zu 2 lautet, festzustellen, dass er Gesellschafter der Beklagten ist.Randnummer21

Er rügt unter Verweis auf die fehlende Eintragung des als Geschäftsführer der Beklagten bezeichneten Herrn W… im Handelsregister die nicht fristgerecht eingelegte Berufung; jedenfalls fehle es im Hinblick auf das eröffnete Insolvenzverfahren an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Beklagten.Randnummer22

Er bestreitet das Vorbringen der Beklagten zu den Geschehnissen im Vorfeld der Geschäftsanteilsübertragung Ende September 2012 und die behauptete Darlehensgewährung unter dem 01.12.2007; es sei zu vermuten, dass der Darlehensvertrag erst aus Anlass des hiesigen Berufungsverfahrens „generiert“ worden sei.Randnummer23

Von einer Gesellschafterversammlung am 10.03.2021 habe er erst mit der Berufung erfahren und gegen den gefassten Einziehungsbeschluss Beschlussanfechtungs- und Nichtigkeitsklage vor dem Landgericht Potsdam erhoben.Randnummer24

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und das Berufungsverfahren nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten unterbrochen worden; das Rechtsmittel hat allerdings nur in Bezug auf den Klageantrag zu 3 Erfolg.

A.

Das Berufungsverfahren ist nicht infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten mit Beschluss des AG Potsdam vom 17.01.2022 (Bl. 1587f d.A.) gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden.Randnummer27

Unterbrochen wird ein Rechtsstreit durch die Insolvenzeröffnung, wenn das Verfahren die Insolvenzmasse betrifft (§ 240 Satz 1 ZPO). Maßgeblich ist dabei, ob der Gegenstand des Rechtsstreits zur Insolvenzmasse gehört (für die Aktiengesellschaft: BGH, Versäumnisurteil vom 19.07.2011 – II ZR 246/09Rn 9; Beschluss vom 21.11.2005 – II ZR 79/04Rn 2, juris; für die Genossenschaft: BGH, Urteil vom 10.03.1960 – II ZR 56/59 -, BGHZ 32, 114, 121 f.; vgl. ferner Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 245 Rn. 29; Drescher in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG § 246 Rn. 12). Dies ist bei Beschlussmängelklagen gegen eine Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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– nicht anders als bei einer Aktiengesellschaft -, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, der Fall, wenn durch den angefochtenen Beschluss Ansprüche der Masse begründet werden oder Verbindlichkeiten wegfallen. Denn dann zielt die Beschlussmängelklage darauf ab, die Insolvenzmasse zu verringern. Ein Beschlussmängelverfahren wird demgegenüber nicht unterbrochen, wenn die Klage entweder keine Veränderung der Masse bewirken kann oder darauf abzielt, die Insolvenzmasse zu vergrößern. Dies hat seinen Grund darin, dass der Insolvenzverwalter nicht gezwungen werden darf, im prozess einen für die Masse nachteiligen Beschluss zu verteidigen (RGZ 76, 244, 249 f.; LG Hamburg, ZIP 2009, 686, 687; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 2010, § 85 Rn. 17a; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 85 Rn. 53; MünchKommInso/Schumacher, 2. Aufl., § 85 Rn. 39; Jaeger/Windel, InsO, § 85 Rn. 53 ff.; MünchKommAktG/Hüffer, 3. Aufl., § 246 Rn. 49; a.A. K. Schmidt, Festschrift Kreft, 2004, S. 503, 518 ff.; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 15).Randnummer28

Danach hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf keinen der angefochtenen Beschlüsse und weiteren Anträge zu einer Unterbrechung des Verfahrens geführt.Randnummer29

a) Der Beschluss zu TOP 1 – Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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des Klägers – (Klageantrag zu 1) ist zwar nicht masseneutral; er führt aber zu einer Verringerung der Masse, weil der von der Einziehung betroffenen Gesellschafter gemäß § 14 des Gesellschaftsvertrages vom 01.10.2012 Anspruch auf Zahlung der Einziehungsvergütung hat. Damit greift insoweit der Grundsatz ein, dass der Insolvenzverwalter nicht zur Verteidigung eines für die Masse nachteiligen Beschlusses verpflichtet sein kann.Randnummer30

b) Der Beschluss zu TOP 2 – wahl des Steuerbüros für die Erstellung von Jahresabschlüssen – ist masseneutral. Durch die wahl des Steuerbüros für die Erstellung von Jahresabschlüssen der Jahre 2015, 2016 und 2017 entsteht noch kein die Masse belastender Vergütungsanspruch. Ein solcher Anspruch wird – ungeachtet der im Insolvenzverfahren fortbestehenden Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht (§ 155 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InsO), infolge derer der Insolvenzverwalter die ausstehenden Jahresabschlüsse erstellen lassen müsste – erst durch den mit dem Steuerbüro abzuschließenden Vertrag begründet.Randnummer31

c) Die Klageanträge zu 2 – Feststellung, dass der Kläger Gesellschafter der Beklagten ist – und zu 4 – Einreichung einer Gesellschafterliste – betreffen die Insolvenzmasse nicht.

B.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517ff ZPO. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2022 dargestellt bestehen entgegen der Sichtweise des Klägers an der ordnungsgemäßen Vertretung der Beklagten durch den in der Gesellschafterversammlung vom 03.09.2021 zum Geschäftsführer bestellten R… W… bei Einlegung der Berufung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Zweifel.Randnummer33

Ist, wie unter A. ausgeführt, mit dem vorliegenden Rechtsstreit die Insolvenzmasse nicht betroffen, folgt hieraus unmittelbar, dass die Beklagte in dem Rechtsstreit trotz des zwischenzeitlich eröffneten Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen weiterhin wirksam durch ihren Geschäftsführer als gesetzlichen Vertreter vertreten wird. Auch die von dem neubestellten Geschäftsführer W… am 25.10.2021 unterzeichnete Prozessvollmacht (Bl. 1519 d.A.) bleibt von der Insolvenzeröffnung unberührt.Randnummer34

Die ordnungsgemäße Vertretung der Beklagten wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger mit einer weiteren, zwischenzeitlich beim Landgericht Potsdam anhängig gemachten Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vom 25.10.2021 (Bl. 1458ff d.A.) die Unwirksamkeit des in der Gesellschafterversammlung vom 03.09.2021 gefassten Beschlusses – Bestellung des R… W… zum Geschäftsführer der Beklagten – festgestellt haben will.Randnummer35

Der Kläger kann sich gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG nicht auf die Anfechtbarkeit des R… W… zum neuen Geschäftsführer bestellenden Beschlusses berufen; Nichtigkeitsgründe (entsprechend § 241 AktG) legt er nicht dar. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Greift diese Vermutung, stehen dem als Inhaber eines Geschäftsanteils in die Gesellschafterliste Eingetragenen sämtliche Mitgliedschaftsrechte zu, ohne dass es auf seine wahre Berechtigung ankommt (vgl. BGH, Urteile vom 20.11.2018 – II ZR 12/17Rn 23; vom 02.07. 2019 – II ZR 406/17Rn 35). Diese Legitimationswirkung greift auch bei einem eingezogenen Geschäftsanteil (BGH, Urteile vom 20.11.2018 – II ZR 12/17Rn. 25ff.; vom 02.07.2019 – II ZR 406/17Rn 38). Wird der Inhaber eines Geschäftsanteils nach dessen Einziehung in der Gesellschafterliste gestrichen, kann der Gesellschafter ab dem Zeitpunkt der Aufnahme einer ihn nicht mehr aufführenden Gesellschafterliste zum Handelsregister seine mitgliedschaftlichen Rechte ungeachtet der Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses nicht länger ausüben (BGH, Urteile vom 02.07.2019 – II ZR 406/17Rn 35, und vom 10.11.2020 – II ZR 211/19Rn 14, juris; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 20. Aufl. 2020, § 16 Rn 36.1).Randnummer36

So war es hier. Die am 02.07.2018 in den Registerordner eingestellte Gesellschafterliste weist den Kläger nicht mehr als Gesellschafter aus. Er konnte daher in der Gesellschafterversammlung vom 03.09.2021 keine Mitgliedschaftsrechte ausüben.Randnummer37

Soweit der Kläger des Weiteren geltend macht, dass R… W… als Geschäftsführer nicht im Handelsregister eingetragen ist, ist die fehlende Eintragung im Handelsregister nicht von Relevanz, da ihr – worauf die Beklagte zutreffend verweist – eine konstitutive Bedeutung nicht zukommt.

C.

Die Berufung der Beklagten hat aus den nachfolgenden, vom Senat bereits im Termin umfassend erörterten Gründen nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Feststellung der Nichtigkeit bzw. Nichtigerklärung des die Beauftragung des Steuerbüros (X) Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2015/2016/2017 und entsprechende Buchungen der Geschäftsvorfälle betreffenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 wendet; im Übrigen ist die Berufung unbegründet, wobei der Tenor des Landgerichts klarstellend dahin zu berichtigen ist, dass (Urteilstenor zu 1) der Beschluss zu TOP 1 nicht für nichtig erklärt wird, sondern seine Nichtigkeit festgestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2021 – II ZR 391/18Rn 20 f).

1.

Zu Unrecht hat das Landgericht eine Klagebefugnis des Klägers bejaht, soweit dieser mit seiner Klage die Feststellung der Nichtigkeit bzw. Nichtigerklärung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 zu TOP 2 – Beauftragung des Steuerbüros (X) Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2015, 2016, 2017 und der entsprechenden Buchungen der Geschäftsvorfälle – begehrt hat.Randnummer40

a) Dem Kläger, der zwar noch zum Zeitpunkt der Klageeinreichung am 18.06.2018, aber nicht mehr zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung am 19.07.2018 in der Gesellschafterliste eingetragen war, fehlt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die Klagebefugnis. Die Zubilligung der Klagebefugnis ist auch nicht zur Durchsetzung der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit des Klägers erforderlich, denn der angefochtene Beschluss zu TOP 2 betrifft weder seinen Ausschluss noch die Einziehung seines Geschäftsanteils.Randnummer41

aa) Die Beklagte ist nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu berufen. Zwar hat der Bundesgerichtshof einen solchen Fall angenommen, wenn es der Gesellschaft aufgrund einer einstweiligen Verfügung untersagt worden war, nach einem Einziehungsbeschluss eine neue Gesellschafterliste beim Amtsgericht zur Aufnahme im Handelsregister einzureichen, und wenn entgegen dieser Anordnung eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht und im Registerordner aufgenommen worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 02.07.2019 – II ZR 406/17Rn. 42). Eine hiermit vergleichbare Konstellation liegt indes nicht vor. Zwar erließ das Landgericht Potsdam am 16.07.2018 (noch unter dem Az.: 2 O 225/18) eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte, mit der dieser geboten wurde, den Kläger weiter als hälftigen Gesellschafter zu dulden und ihm sämtliche Gesellschafterrechte zuzubilligen. Diese einstweilige Verfügung ist jedoch auf den Widerspruch der Beklagten durch das Landgericht durch Urteil vom 01.02.2019 – 52 O 77/18 – mit Wirkung ex tunc (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.03.2011 – 11 W 27/10 -; Vollkommer in: Zöller, 34. Auflage (2022) § 925 ZPO, Rn. 5; Mayer in: BeckOK ZPO, 44. Ed. 01.03.2022, ZPO § 925 Rn. 1-5 m.w.N.) aufgehoben worden; die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts mit Beschluss vom 11.07.2019 – 6 U 23/19 – zurückgewiesen. Das Aufhebungsurteil im Widerspruchsverfahren entspricht der anfänglichen Zurückweisung des Verfügungsantrags (OLG München Beschl. v. 12.02.2013 – 34 Wx 54/13, BeckRS 2013, 6321), so dass sich der Kläger auf die zwischenzeitlich erlassene einstweilige Verfügung vom 16.07.2018 nicht berufen kann.Randnummer42

bb) Soweit der Kläger seine Klagebefugnis daraus abzuleiten versucht, es bestünden bei einer zweigliedrigen GmbH besondere Treuepflichten, ist letzteres zwar zutreffend (vgl. hierzu etwa OLG Frankfurt, Urt. v. 16.07.2019 – 5 U 84/18Rn. 59), aber vor dem Hintergrund des Gesetzeszweckes der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG – der Herstellung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie der Missbrauchs- und Geldwäschebekämpfung – nicht geeignet, die zweigliedrige GmbH von dem Anwendungsbereich dieser Norm auszunehmen.Randnummer43

cc) Der Senat hält auch daran fest, dass sich der Kläger nicht – wie im Verhandlungstermin vom 08.06.2022 geltend gemacht – auf § 265 Abs. 2 ZPO analog stützen kann. § 265 ZPO setzt nach seinem Rechtsgedanken voraus, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung klagebefugt gewesen ist und diese durch ein nachträgliches Ereignis (analog der in § 265 ZPO genannten Veräußerung oder Abtretung) verloren hat. Daran fehlt es jedoch, wenn – wie hier – aufgrund der Aufhebung der einstweiligen Verfügung mit Wirkung ex tune der Kläger zu keinem Zeitpunkt klagebefugt gewesen ist.Randnummer44

b) Das Klagebegehren lässt sich auch nicht in eine – zulässige – allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO umdeuten. Nichtigkeitsgründe – nur diese könnten im Rahmen einer allgemeinen Feststellungsklage geprüft werden – macht der Kläger in Bezug auf den Beschluss zu TOP 2 nicht geltend.Randnummer45

c) Nach alledem kommt es darauf, ob – wie die Beklagte meint – dem Kläger (ausnahmsweise) das Rechtschutzbedürfnis für die Erhebung der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage fehlt, weil die Jahresabschlüsse für die Jahre 2015 bis 2017 zwischenzeitlich erstellt worden sind, nicht mehr an.

2.

Die Berufung ist dagegen zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Nichtigerklärung bzw. Feststellung der Nichtigkeit des die Einziehung betreffenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 23.05.2018 wendet.Randnummer47

a) Der Senat teilt die Sichtweise des Landgerichts, wonach das Klagebegehren nicht im Hinblick auf die vom Mitgesellschafter F… R. erhobene und derzeit noch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim BGH (II ZR 102/21) anhängige allgemeine Feststellungsklage mit dem Ziel festzustellen, dass der Beschluss vom 23.05.2018, mit dem die Geschäftsanteile des Klägers eingezogen worden sind, wirksam sei, unzulässig ist. Dagegen bringt die Berufung nichts vor.Randnummer48

b) Für die Nichtigkeitsklage betreffend den Beschluss über die Einziehung seines Geschäftsanteils steht die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG der Klagebefugnis des Klägers nicht entgegen.Randnummer49

Es ist vielmehr in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass dem Gesellschafter die Anfechtungsbefugnis für die Klage gegen seinen Ausschluss oder die Einziehung seines Geschäftsanteils trotz sofortiger Wirksamkeit erhalten bleibt, um der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit Geltung zu verschaffen (BGH, Urteile vom 24.01.2012 – II ZR 109/11Rn 24 -, vom 19.09.1977 – II ZR 11/76 – zur GmbH, und vom 22.03.2011 – II ZR 229/09Rn. 7 ff. zur AG). Das gilt auch dann, wenn – wie es hier der Fall war – schon vor Erhebung der Anfechtungsklage eine von der Gesellschaft eingereichte geänderte Gesellschafterliste, in der der betroffene Gesellschafter nicht mehr eingetragen ist, in das Handelsregister aufgenommen worden ist (BGH, Beschluss vom 29.01.2019 – II ZR 234/18 – und Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17Rn 41 juris).Randnummer50

Es bedarf entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung der Beklagten an dieser Stelle auch keiner Aufklärung und/oder Entscheidung darüber, ob der Geschäftsanteilserwerb des Klägers wirksam war bzw. wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden ist. Denn ebensowenig wie es für die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG auf die Wirksamkeit des Anteilserwerbs oder die materielle Rechtslage ankommt (BGH, Urteil vom 18.09.2018 – II ZR 312/16Rn 38), ist dies für die Fortgeltung der Anfechtungsbefugnis des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters bedeutsam, der bereits vor Erhebung der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage aus der Gesellschafterliste gestrichen worden ist.Randnummer51

c) Der Einziehungsbeschluss ist nichtig.Randnummer52

aa) Ein Nichtigkeitsgrund liegt zwar nicht bereits deshalb vor, weil – wie der Kläger erstinstanzlich geltend gemacht hat – der Beschluss zu TOP 1 infolge der bereits in der Gesellschafterversammlung vom 01.03.2018 erfolgten Einziehung der Geschäftsanteile des F… R. nicht mit der erforderlichen Stimmenmehrheit gefasst worden ist. Nachdem die Beklagte ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 16.06.2020 (52 O 75/18, Berufungsverfahren 4 U 134/20), mit dem es (u.a.) die in den den Gesellschafterversammlungen vom 28.02.2018 und 01.03.2018 gefassten Beschlüsse über die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
des F… R. für nichtig erklärt hat, steht die Nichtigkeit der Einziehungsbeschlüsse vom 28.02.2018 und 01.03.2018 mit Wirkung für und gegen jedermann (BGH, Urteil vom 17.02.1997 – II ZR 41/96 – juris Rn 12 m.w.N.; Beschluss vom 25.01.1985 – III ZR 108/83 – juris Rn 8 Karsten Schmidt/Bochmann in: Scholz GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff, § 45 GmbHG Rn 48) rechtskräftig fest.Randnummer53

bb) Das Landgericht hat einen Nichtigkeitsgrund betreffend den in der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 gefassten Einziehungsbeschluss indes zutreffend darin gesehen, dass die Beklagte zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht über das zur Zahlung der geschuldeten Abfindung von (insgesamt) mindestens 189.476,79 € notwendige freie Vermögen verfügte.Randnummer54

Auszahlungen an ausgeschiedene Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen (BGH, Urteile vom 04.08.2020 – II ZR 171/19Rn 31 mwN, und vom 26.01.2021 – II ZR 391/18Rn 23). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Einziehungsbeschluss entsprechend § 241 Nr. 3 AktG wegen eines Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 3 GmbHG nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann (BGH, Urteile vom 24.01.2012 – II ZR 109/11Rn 7 mwN; vom 10.05.2016 – II ZR 342/14Rn 13; vom 26.06.2018 – II ZR 65/16Rn 13).Randnummer55

Das ist hier der Fall.Randnummer56

(1) Der Abfindungsanspruch besteht mindestens in Höhe von 189.476,79 €. Denn der Kläger hat sich – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – das Vorbringen der Beklagten, die den Abfindungsbetrag auf 189.476,79 € beziffert hat, zu eigen gemacht und einen mindestens in der beklagtenseits behaupteten Höhe bestehenden Anspruch behauptet mit der Folge, dass die (Mindest)Höhe des Anspruchs unstreitig ist. Die im Sitzungsprotokoll dokumentierte Erklärung des Klägers, „es handelt sich um ein hilfsweises Zu-Eigen-Machen des Vortrags, dass die Einziehungsvergütung mindestens 189.476,79 € betrage“ lässt sich bei verständiger Würdigung nicht dahin verstehen, dass sich der Kläger einen – so nicht gehaltenen – Vortrag der Beklagten, wonach die Einziehungsvergütung „mindestens“ 189.476,79 € beträgt, zu eigen macht, sondern ist dahin auszulegen, dass der Kläger eine Einziehungsvergütung mindestens in der von der Beklagten behaupteten Höhe von 189.476,79 € behauptet.Randnummer57

Der Kläger war auch nicht aufgrund der von ihm geltend gemachten Unzulässigkeit der beklagtenseits zugrunde gelegten Berechnungsmethode aus prozessualen Gründen gehindert, sich den Vortrag der Beklagten im Sinne eines Mindestbetrages seines Abfindungsanspruchs zu eigen zu machen. Eine Partei kann sich das Vorbringen der anderen Partei hilfsweise selbst dann zu eigen zu machen, wenn es mit dem eigenen Hauptvortrag nicht vereinbar ist, sofern sie dadurch nur ihre Wahrheitspflicht nicht verletzt (st. Rspr. des BGH, siehe nur Urteil vom 10.01.1985 – III ZR 93/83Rn 27 mwN).Randnummer58

(2) Freies, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigendes Vermögen, um (auch nur) die am 23.11.2018 fällige erste von insgesamt 3 Raten i.H.v. 63.158,93 € bezahlen zu können, hatte die Beklagte nach dem vom Kläger als Anlage zum Schriftsatz vom 16.08.2021 eingereichten, im Unternehmensregister veröffentlichten Jahresabschluss für 2018 nicht.Randnummer59

Die mögliche Unterbilanz ist durch einen aus dem HGB-Jahresabschluss abgeleiteten Vergleich zwischen dem Nettovermögen der Gesellschaft und ihrem statuarischen Stammkapital ausschließlich Rücklagen und Nachschusskapital zu ermitteln. Das Nettovermögen errechnet sich als die Summe aller in einer Bilanz nach § 42, §§ 246 ff, 266ff HGB angesetzten und (auf den Zeitpunkt der Auszahlung fortgeschrieben) bewerteten Aktiva abzüglich sämtlicher echten Passiva. Denn die Unwägbarkeiten bei der Bewertung stiller Rücklagen dürfen nicht dazu führen, dass an die Gesellschafter Gesellschaftsvermögen ausgekehrt wird, welches zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist (Lutter/Hummelhoff 20. Aufl. 2020 § 30 GmbHG Rn 11).Randnummer60

(a) Mit dem Wirksamwerden der Einziehung entsteht für den betroffenen Gesellschafter zwar grundsätzlich sofort ein Anspruch gegen die Gesellschaft auf Zahlung einer angemessenen Abfindung. Der Abfindungsanspruch kann aber im Gesellschaftsvertrag – wie hier hinsichtlich der ersten, zweiten und dritten Rate in § 15 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 28.09.2012 geschehen – gestundet werden, so dass er erst zu den vereinbarten Zeitpunkten fällig wird (BGH, Urteil vom 10.05.2016 – II ZR 342/14Rn 19). Deshalb kommt es hier für die Frage einer Unterkapitalisierung nicht auf den Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses, sondern auf eine wirtschaftliche Prognose für den Zeitpunkt der ersten fälligen Rate der Einziehungsvergütung – 6 Monate nach Erklärung der Einziehung – an.Randnummer61

Da der danach maßgebliche Zeitpunkt nahe an dem Stichtag für den Jahresabschluss 2018 liegt, ist anzunehmen, dass auch eine zum 23.11.2018 erstellte Stichtagsbilanz zu keinem wesentlich anderen Ergebnis führt.Randnummer62

(b) Die Auszahlung bereits der ersten Rate führte zu einer Vertiefung der (bestehenden) Unterbilanz der Beklagten.Randnummer63

Eine Unterbilanz ergibt sich bereits daraus, dass in dem von der Beklagten in das Unternehmensregister eingestellten Jahresabschluss für 2018 ein „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ i.H.v. 75.643,67 € ausgewiesen ist. Nach § 268 Abs. 3 HGB hat die Ausweisung eines „nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages“ am Schluss der Bilanz auf der Aktivseite (nur) dann zu erfolgen, wenn das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht ist und sich ein Überschuss der Passivposten über die Aktivposten ergibt. War aber das Eigenkapital bereits durch Verluste aufgebraucht, liegt eine sogenannte bilanzielle Überschuldung vor mit der Folge, dass Auszahlungen nach § 30 Abs. 1 GmbHG verboten sind. Damit steht fest, dass die erste Rate des Einziehungsentgeltes i.H.v. 63.158,93 € nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden.Randnummer64

Selbst wenn der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag außer Betracht bliebe, stünden dem ausgewiesenen Aktivvermögen von 782.603,38 € alleine aus Rückstellungen und Verbindlichkeiten gebildete Passivposten i.H.v. insgesamt 844.547,05 € gegenüber, zuzüglich der passiven Rechnungsabgrenzungsposten (i.H.v. 13.700,00 €) betragen die Passiva sogar 858.247,05 €, so dass auch insoweit ein freies Vermögen nicht festzustellen ist.Randnummer65

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Verkehrswert des Betriebsgrundstücks der Beklagten womöglich – darauf deutet der des mit notariellem Kaufvertrag vom 23.07.2019 vereinbarte Kaufpreis von 1,950 Mill. € hin – den in die Bilanz eingestellten Buchwert erheblich überstieg. Da die Gesellschaft für die Unterbilanzrechnung an ihre einmal ausgeübten Bilanzierungswahlrechte gebunden ist, da andernfalls der in § 30 GmbHG bezweckte Gläubigerschutz manipuliert werden könnte, dürfen bei den Aktiva die stillen Reserven nicht aufgelöst werden.Randnummer66

Auch vermag die Beklagte nicht mit ihrem Einwand, die Einziehungsvergütung habe aus einem Gesellschafterdarlehen des F… R. gezahlt werden können, durchzudringen. Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass das behauptete Gesellschafterdarlehen mit dem bereits valutierten Betrag als Passivposten und mit dem (noch) nicht valutierten Teil als Aktivposten in den Jahresabschluss 2018 eingestellt worden sein muss. Denn ebenso wie Verbindlichkeiten aus Gesellschafterdarlehen zu passivieren sind, sind Forderungen aus Gesellschafterdarlehen zu aktivieren (§ 42 Abs. 3 GmbHG). Dagegen bringt die Berufung auch nichts vor; das insoweit als Anlage BK 4 (Bl. 1506 d.A.) eingereichte Schreiben des Steuerberaters J. N… vom 27.12.2021 enthält keine hiervon abweichende Aussage und ist – auch dies war Gegenstand der mündlichen Erörterung des Senats – unbehelflich.Randnummer67

Auch darauf, ob insolvenzrechtlich eine Überschuldung vorliegt, kommt es – wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht an, weil Maßstab für das Bestehen einer Unterbilanz oder bilanzieller Überschuldung die nach § 42 GmbHG, §§ 246 ff, 266 ff HGB angesetzten Werte und nicht die Werte sind, die im Rahmen der Prüfung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung anzusetzen sind.Randnummer68

(c) Der Kläger stützt sich ungeachtet der behaupteten Fehlerhaftigkeit des – von ihm selbst zur Akte gereichten – Jahresabschlusses für 2018 wenigstens konkludent und hilfsweise auf die darin ausgewiesenen Beträge.

3.

Die Berufung der Beklagten hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Feststellung, dass der Kläger Gesellschafter der Beklagten ist, richtet.Randnummer70

a) Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht diesen Klageantrag unter Verweis auf das Urteil des OLG Hamm vom 16.04.2014 – 8 U 82/13 – als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO für zulässig erachtet. Mit dem noch in Rede stehenden Inhalt ist der Klageantrag zu 2 vorgreiflich (nur) für den Klageantrag zu 4, denn die Verpflichtung zur Einreichung einer den Kläger als (Mit)Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste bei dem Registergericht setzt voraus, dass der Kläger materiell-rechtlich Gesellschafter der Beklagten ist. Es besteht auch die Möglichkeit, dass aus dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen den Parteien weitere Ansprüche erwachsen; das genügt für das Rechtschutzbedürfnis (BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 75/10Rn 41).Randnummer71

b) Der Klageantrag ist auch begründet; der Kläger ist Gesellschafter der Beklagten geworden und ist es auch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung geblieben.Randnummer72

aa) Der Kläger ist wirksam aufgrund des Erwerbs des Geschäftsanteils von F… R. mit notariellem Vertrag vom 28.09.2012 Gesellschafter der Beklagten geworden. Den Sachvortrag der Beklagten als wahr unterstellt, trägt dieser die von ihr begehrte Rechtsfolge der Nichtigkeit des Geschäftsanteilserwerbes nicht; der Einräumung einer Schriftsatzfrist zur Ergänzung des Sachvortrages bedurfte es daher nicht.,Randnummer73

(1) Der Anteilskauf ist nicht – wie die Beklagte meint – gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 49b Abs. 2 BRAO und/oder § 43a Abs. 4 BRAO nichtig. Die Beklagte hat in erster Instanz in der Klageerwiderung (dort S. 11f, Bl. 129f d.A.) den Verstoß gegen das in § 43a BRAO normierte Verbot darin gesehen, dass „sich der Kläger von seinem Mandanten den hälftigen Geschäftsanteil an der Beklagten zu einem Preis weit unter Wert“ habe abtreten lassen, der Kläger habe „ausschließlich in seinem eigenen monetären Interesse“ gehandelt und dabei „seine Pflicht, seinen Mandanten ordnungsgemäß und nach bestem Wissen zu beraten“ verletzt. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe seit etwa 2010/2011 als „Haus- und Hofanwalt“ des Geschäftsführers der Beklagten sowie dessen Unternehmungen fungiert. Dieser habe, nachdem es gegenüber seiner Ehefrau aus – wie er vermutet habe – der Sphäre der Mieterin des Betriebsgrundstücks der Beklagten, mit der sich diese in einer rechtlichen Auseinandersetzung befunden habe, zu einer Bedrohungssituation gekommen sei, den Kläger um Rat gebeten. Der Kläger habe vorgeschlagen, den Geschäftsanteil des F… R. aufzuteilen und die Geschäftsführung auf eine andere Person zu übertragen, dies müsse schnellstens umgesetzt werden. Von der Idee, das Betriebsgrundstück an diese Mieterin oder einen Dritten, der Interesse gezeigt habe, das Grundstück zu einem Preis von 500.000 € anzukaufen, habe der Kläger abgeraten. F… R. habe sich gefügt und habe, nach einem Termin mit dem Steuerberater, den Notartermin am 28.09.2012 vereinbart. Die Modalitäten des Vertrages, etwa die Fälligkeit des Kaufpreises für die Anteile erst zum 01.10.2014, habe allein der Kläger festgelegt, die Abtretungsurkunde habe F… R. erst am Beurkundungstermin gesehen. Diesen Vortrag, den der Kläger bereits mit seinen erstinstanzlichen Schriftsätzen vom 22.08.2018 (dort S. 1, Bl. 165 d.A.) und 14.01.2019 (dort S. 3 ff, Bl. 285 ff d.A.) unmissverständlich als unzureichend dargestellt hat, hat die Beklagte im Berufungsrechtszug im Wesentlichen lediglich insoweit modifiziert, als sie die Beteiligten mit Namen bezeichnet und als Zeugen benannt hat.Randnummer74

(a) Dieser – vom Kläger bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom 14.01.2019 (dort S. 2-14, Bl. 285-297 d.A.) umfassend bestrittene Sachvortrag der Beklagten vermag bereits im Ansatz – worauf der Kläger bereits mit seinen erstinstanzlichen Schriftsätzen vom 22.08.2018 und 14.01.2019 unmissverständlich und erneut der Senat im Verhandlungstermin vom 08.06.2022 hingewiesen hat – einen Verstoß des Klägers gegen § 49b Abs. 2 BRAO bei dem Erwerb der Geschäftsanteile an der Beklagten nicht zu stützen. Nach dieser Vorschrift sind Vereinbarungen unzulässig, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird, oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält (Erfolgshonorar), soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt. Überdies zeitigte ein etwaiger Verstoß des Klägers gegen § 49b Abs. 2 BRAO lediglich die Nichtigkeit der Erfolgshonorarvereinbarung als Rechtsfolge (§ 134 BGB).Randnummer75

(b) Das Tatsachenvorbringen der Beklagten begründet auch keine aus § 134 BGB folgende Nichtigkeit des Anteilskauf(vertrages) vom 28.09.2012, weil der Kläger gegen das in § 43a Abs. 4 BRAO normierte Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, verstoßen habe. Zwar ist § 43a Abs. 4 BRAO ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB (BGH, Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14Rdnr. 7ff.). Ob ein Anwalt gegen das in § 43a Abs. 4 BRAO normierte Verbot verstößt, wenn seine eigenen Interessen denjenigen seines Mandanten zuwider laufen, hat der BGH in der genannten Entscheidung offengelassen, bedarf (auch) vorliegend indes keiner Entscheidung. Soweit das Beklagtenvorbringen überhaupt ein bestehendes Mandat zwischen dem Kläger und F… R. erkennen lässt, war dieses mit der Erteilung des erbetenen Rates, was zu tun sei, um eine (weitere) Eskalation zu verhindern, beendet – mithin vor Abschluss des notariellen Geschäftsanteilskaufvertrages vom 28.09.2012. Bei Abschluss des Vertrages über den Erwerb eines Geschäftsanteils des F… R. an der Beklagten vertrat der Kläger unzweifelhaft nur noch seine eigenen Interessen, der Vertrag beinhaltete auch keine Verpflichtung, die Interessen des F… R. und/oder diejenigen der Beklagten wahrzunehmen.Randnummer76

Selbst wenn entgegen der hier vertretenen Sichtweise dem Kläger ein Verstoß gegen § 43a BRAO vorzuwerfen wäre, hätte dieser zwar die Nichtigkeit des Anwaltsvertrages zur Folge, weil der Schutzzweck des § 43a Abs. 4 BRAO, der Schutz des Vertrauens in die Rechtspflege und die Eindämmung von Interessenkollisionen, leer liefe, wenn der Anwalt aus seiner verbotswidrigen Tätigkeit eine Vergütung beanspruchen könnte (BGH; Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14Rn 7 und 12), führte die standesrechtliche Unzulässigkeit der Tätigkeit des Anwalts hingegen nicht zur Nichtigkeit des im Rahmen dieser Tätigkeit geschlossenen (weiteren) Vertrages (BGH, Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14Rn 26; für die Prozessvollmacht: BGH, Urteil vom 14.05.2009 – IX ZR 60/08 -; vgl. OLG München, Beschluss vom 03.08.2020 – 13 W 1030/20 -; Staudinger-Rieble, BGB, Neubearbeitung 2021, § 134 Rn 308 Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 3 BORA Rn 36). Selbst bei Zuwiderhandlung gegen umfassende und generelle Tätigkeitsverbote bleiben die Handlungen des Rechtsanwalts wirksam, um die Beteiligten im Interesse der Rechtssicherheit zu schützen (BGH, Urteil vom 19.03.1993 – V ZR 36/92Rn 9). Insbesondere besteht kein Anlass anzunehmen, von der vermeintlichen Nichtigkeit sei auch die Abtretung des Geschäftsanteils an den Kläger erfasst.Randnummer77

(c) Sofern die Beklagte ihren Vortrag dahin verstanden wissen will, dass die vermeintlich unter Wert verkaufte Beteiligung an der Beklagten ein unter Verstoß gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen vereinbartes Erfolgshonorar für die Beratung dahin, die Zwangssituation durch Aufnahme eines weiteren Gesellschafters und Geschäftsführers zu lösen, darstelle, ist eine solche rechtliche Würdigung fernliegend.Randnummer78

(2) Der Erwerb des Geschäftsanteils durch den Kläger ist auch nicht Sittenwidrig und gemäß § 138 BGB nichtig. Das Vorbringen der Beklagten genügt weder, um den Abschluss des notariellen Anteilskaufvertrages vom 28.09.2012 als in Ausnutzung einer Zwangslage des F… R. erfolgt anzusehen, noch begründet es den Vorwurf der Sittenwidrigkeit wegen eines besonders groben Missverhältnisses der Leistungen. Die diesbezüglich aufgestellte Behauptung, der Wert des Geschäftsanteiles habe mehr als das Doppelte des Kaufpreises (75.000 €) betragen, ist vom Kläger unmissverständlich bestritten worden (Schriftsatz vom 14.01.2019 S. 9, Bl. 292 d.A.) und überdies als offensichtlich bloße Behauptung ins Blaue hinein unbeachtlich. Die Beklagte zieht offenbar einen Vergleich zwischen dem Kaufpreis für den Geschäftsanteil (75.000 €) und dem Wert des Betriebsgrundstücks, für das seinerzeit ein vermeintliches Kaufangebot über 500.000 € existiert habe; es liegt auf der Hand, dass der Wert des Geschäftsanteils an einer Gesellschaft mit dem Wert des von dieser innegehaltenen Grundstücks nicht gleichzusetzen ist. Irgendwelche tatsächlichen Umstände, aus denen sich ein (auch nur) höherer Verkehrswert als der in dem notariellen Anteilskaufvertrag vom 28.09.2012 vereinbarte Kaufpreis für den Geschäftsanteil ableiten ließe, sind erst- und zweitinstanzlich nicht dargetan, ein Beweisantritt fehlt gänzlich. Eine andere Sichtweise ist auch nicht dann geboten, wenn zusätzlich die Vereinbarung zur Fälligkeit des Kaufpreises für den Geschäftsanteil mit in den Blick nimmt.Randnummer79

(3) Die Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung greift ebenfalls nicht durch. Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen einer vom Kläger im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb gegenüber F… R. begangenen arglistigen Täuschung schon nicht dargetan sind – das klägerische Vorbringen lässt einen Wissensvorsprung des Anteilserwerbers gegenüber F… R. als bisheriger Alleingesellschafter in Bezug auf den Wert des Geschäftsanteils nicht erkennen – ist die Anfechtungsfrist von einem Jahr (§ 124 BGB) mit der erstmals im Schriftsatz vom 15.08.2018 (dort S. 14, Bl. 132 d.A.) erklärten Anfechtung offenkundig nicht gewahrt. Auch auf diesen Aspekt hat – wie im Senatstermin angesprochen – bereits der Kläger in erster Instanz unmissverständlich hingewiesen.Randnummer80

bb) Der Kläger hat seine materiell-rechtliche Gesellschafterstellung auch nicht, insbesondere nicht nach dem 23.05.2018 wieder verloren. Die Beklagte beruft sich zwar auf die in der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 gefassten Beschlüsse über die Bestätigung der Einziehung sowie über die erneute Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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des Klägers (Anlage BK 2, Bl. 1500f d.A.: „die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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von Herrn T… K… wird hiermit bestätigt ersatzweise mit sofortiger Wirkung erneut eingezogen“). Beide Beschlüsse sind indes nichtig.Randnummer81

(1) Der in der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 gefasste Beschluss über die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geschäftsanteils
des Klägers ist schon deshalb nichtig, weil ein nichtiger Beschluss – der in der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 gefasste Einziehungsbeschluss (siehe oben zu 2.c) – nicht bestätigt werden kann (BGH, Urteil vom 26.01.2021 – II ZR 391/18Rn 35).Randnummer82

(2) Der vorsorglich in der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 gefasste Beschluss über die erneute Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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des Klägers ging zwar nicht schon deshalb ins Leere, weil der Geschäftsanteil des Klägers infolge der Streichung in der Gesellschafterliste nicht mehr existent und der Kläger nicht mehr Inhaber des Geschäftsanteils war. Denn die formelle und die materielle Gesellschafterstellung können – wie der vorliegende Fall zeigt – auseinanderfallen mit der Folge, dass der am 10.03.2021 getroffene Einziehungsbeschluss einen materiell-rechtlich existenten Geschäftsanteil betraf (siehe nur BGH, Urteil vom 10.11.2020 – II ZR 211/19Rn. 16 ff). Die Gesellschaft musste auch nicht zuvor eine Voreintragung des Klägers herbeiführen.Randnummer83

Der Einziehungsbeschluss vom 10.03.2021 – für den Bestätigungsbeschluss gilt das Nämliche – ist aber analog § 244 AktG nichtig, weil der Kläger zu der Gesellschafterversammlung nicht geladen worden ist.Randnummer84

Die Rechte des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters müssen durch Ladung wie ein Gesellschafter gewahrt werden, wenn die Gesellschaft ihn hinsichtlich der Einziehung wieder als Gesellschafter behandeln will (BGH, Urteil vom 10.11.2020 – II ZR 211/19Rn 32 m.w.N.; vgl. OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 1037). Dass der Kläger zu der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 geladen wurde (§ 241 Nr. 1 AktG analog), behauptet nicht einmal die Beklagte; der Kläger stellt dies explizit in Abrede.Randnummer85

(3) Die in Bezug auf die Gesellschafterversammlung im Übrigen unter den Parteien streitigen Fragen, namentlich wann der Kläger das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 erhalten hat und ob die unter dem 24.01.2022 insoweit eingereichte „Beschlussanfechtungs- und Feststellungsklage“ (Anlage BK 1, Bl. 1553ff d.A.) innerhalb der Anfechtungsfrist beim Landgericht Potsdam erhoben worden ist, sind nicht in dem vorliegenden Rechtsstreit zu klären.

4.

Steht nach den vorstehenden Ausführungen fest, dass der Kläger (immer noch) Gesellschafter der Beklagten ist, kann er auch verlangen, dass eine ihn als (Mit)Gesellschafter ausweisende Gesellschafterliste zur Hereinnahme in den Registerordner eingereicht wird.Randnummer87

Die Beklagte ist für dieses Klagebegehren auch passivlegitimiert. In der Rechtsprechung (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.07.2019 – 6 W 26/19Rn 21 f; KG Berlin, Beschlüsse vom 13.08.2019 – 2 W 22/19 – und vom 10.07.2019 – 2 W 16/19Rn 9; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschluss vom 17.06.2015 – 14 W 1132 – Rn. 29; OLG Hamm, Urteil vom 16.04.2014 – 8 U 82/13 Rn 70; OLG Jena, Urteil vom 09.10.2013 – 2 U 678/12Rn 49f, juris) und im Schrifttum (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG 20. Aufl. 2020 § 40 Rn. 58, 102; Seibt in Scholz GmbHG 12. Aufl. 2018 § 40 Rn 67; vgl. bereits die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/6140, S. 38) ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass auch bei der GmbH entsprechend der Rechtslage bei § 67 Abs. 2 AktG dem tatsächlich Berechtigten ein Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste zusteht, den er im Wege der Leistungsklage gegen die Gesellschaft durchsetzen kann. Daran ändert die in § 40 Abs. 1 GmbHG vorgesehene Pflicht des Geschäftsführers zur unverzüglichen Einreichung einer aktuellen Gesellschafterliste und deren höchstpersönlicher Charakter nichts (a. A. OLG Brandenburg, 7. Zivilsenat, Beschluss vom 12.02.2013 – 7 W 72/12Rn 12). Denn der Geschäftsführer wird bei Erstellung der Liste und Einreichung als Organ der Gesellschaft tätig, gegen die der Anspruch auf Korrektur der Liste gerichtet ist.

5.

Das Vorbringen der Parteien in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 24.06.2022 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da die Voraussetzungen des § 156 ZPO nicht gegeben sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.Randnummer90

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).Randnummer91

Der Streitwert für die erste Instanz wird gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG abgeändert und ebenso wie derjenige für das Berufungsverfahren auf 19.750 € festgesetzt.Randnummer92

Maßgeblich für die Höhe des Streitwertes für die Nichtigkeitsklage (Klageantrag zu 1) ist § 247 Abs. 1 AktG analog. Danach ist der Streitwert nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Der Streitwert bei einem Beschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils entspricht dabei nicht stets dem Verkehrswert dieses Anteils, der lediglich die Obergrenze bildet. Vielmehr ist maßgeblich einerseits das Interesse des Klägers an der Vernichtung des Beschlusses, das wiederum vom wirtschaftlichen Erfolg abhängig ist, den er damit für sich erstrebt. Andererseits ist das (wirtschaftliche) Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung des Beschlusses zu berücksichtigen (vgl. MükoAkt/Schäfer, 5. Aufl., § 247 Rn. 12). Da der Kläger für die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Geschäftsanteils
entschädigt wird, richtet sich der Streitwert auch hier nicht maßgeblich nach dem Verkehrswert des Geschäftsanteils. Vielmehr geht es um das Interesse der Prozessparteien, ob der Kläger Inhaber des streitgegenständlichen Geschäftsanteils bleibt oder dieser Geschäftsanteil wegfällt. Dieses Interesse hat der Senat nach billigem Ermessen auf 12.500 € festgesetzt. Das mit den Klageanträgen zu 2 und zu 4 verfolgte Interesse deckt sich – anders als noch vom Landgericht gesehen – nicht vollständig mit demjenigen zum Klageantrag zu 1 und ist mit 6.250 € zu bemessen. Den Klageantrag zu 3 bemisst der Senat übereinstimmend mit dem Landgericht mit 1.000,00 €.

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Schlagworte: Einstweiliger Rechtsschutz und Gesellschafterliste, Einziehungsbeschluss, Gesellschafterliste, Gesellschafterliste bei Ausschlussvorgängen