§ 128 HGB, § 93 InsO, § 263 ZPO
Da die Inanspruchnahme eines Scheingesellschafters nach den Grundsätzen der Scheingesellschaft von dem gesetzten Rechtsschein und dem Vertrauen des Vertragspartners im Einzelfall abhängig ist, kommt die Geltendmachung eines solchen Anspruchs nach § 93 InsO nur in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter die Grundsätze der Rechtsscheinhaftung im konkreten Fall hinreichend bestimmt dargelegt hat.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 31.01.2022, Az. 5 O 37/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem jeweiligen Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten als Gesellschafter der Schuldnerin, der Bauservice & Hausmeisterdienste M… O… und A… Z… GbR gemäß § 93 InsO als persönlich Haftenden analog § 128 Abs. 1 HGB in Anspruch.Randnummer2
Über das Vermögen der GbR wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 08.12.2017 – 15 IN 288/17 – das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.Randnummer3
O… und der Beklagte unterzeichneten am 09.10.2003 einen als „Gesellschaftsvertrag“ überschriebenen Vertrag (Anl K2, Bl. 7). Die Gesellschaft sollte „Bauservice und Hausmeisterdienste M… O… und A… Z… GbR heißen (§ 1 Abs. 2) und sich mit dem Maurer- und Betonhandwerk, sowie allen in der Handwerksrolle eingetragenen Tätigkeiten beschäftigen. Unter § 2 ist unter der Überschrift „Geschäftsberechtigung mit Händlern und Geschäftspartnern“ geregelt, dass M… O… alleiniger Unterschriftsberechtigter der Konten, Geschäftsverträge mit Kunden und anderen Gewerbetreibenden ist. Nach § 4 sollte O… mit einem Geschäftsanteil von 70 % und der Beklagte mit 30 % beteiligt sein. In einem weiteren Exemplar des „Gesellschaftsvertrages“ vom 09.10.2003, das ebenfalls von beiden Gesellschaftern unterzeichnet ist (Anl B1, Bl. 28), ist der Name der Gesellschaft mit „Bauservice & Hausmeisterdienste GbR O…“ angegeben. Die Gesellschafter und Geschäftsanteile sind in § 4 wiederum unverändert bestimmt.Randnummer4
Unter dem 14.10.2003 unterzeichneten die Parteien eine „Vereinbarung“ die unter „1.“ regelt, dass das alleinige Stimmrecht der Firma „Bauservice & Hausmeisterdienste GbR O…“ dem „Geschäftsinhaber M… O…“ zugewiesen wird. Ferner wird in „Nr. 2“ vereinbart, dass der Beklagte „an keiner Gewinn und Verlustrechnung beteiligt“ ist „sowie jeglicher Verantwortung des Arbeitsschutzes entbunden“. Der Beklagte sollte nach „Nr. 3“ zum 30. des Monats einen monatlichen Betrag von 200 € in bar erhalten. „Nr. 5“ regelt für den Fall des Ablebens von M… O…, dass die Aufgabe der Firmenführung dessen Erben obliegen und der Beklagte von jeder Verantwortung der Firma entbunden werden soll.Randnummer5
Der Kläger ist der Ansicht gewesen, dass der Beklagte entsprechend § 128 HGB für alle Verbindlichkeiten der Schuldnerin persönlich haftet. Er hat den Beklagten in Höhe der unstreitig festgestellten Forderungen von 315.943,52 € in Anspruch genommen.Randnummer6
Der Beklagte ist der Ansicht gewesen, es liege keine Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vor, weil er keinen Rechtsbindungswillen gehabt habe. Es sei vielmehr ein Gesellschaftsvertrag über eine Gesellschaft anderer Bezeichnung, nämlich die Bauservice & Hausmeisterdienste GbR O… (Anl K2, Bl. 7) am 09.10.2003 geschlossen worden, der dann aber vollständig abgeändert worden sei, weil er nach einer gesonderten Vereinbarung vom 14.10.2003 nicht an der Gewinn- und Verlustrechnung teilhaben und ihm lediglich ein monatlicher Betrag in Höhe von 200 € gezahlt werden sollte. Er habe in der Gesellschaft nicht tätig werden, sondern lediglich beteiligt werden sollen, weil er einen Meistertitel habe. Er sei bei Unterzeichnung 68 Jahre alt und schwer erkrankt gewesen und habe dem deutlich jüngeren M… O… „auf die Beine helfen“ wollen. Er habe keinen Gewinnanteil erhalten, sondern lediglich die monatlichen Zahlungen. Herr O… habe ihm zugesichert, dass er aus geschäftlichen Verpflichtungen herausgehalten werde und dass die steuerlichen Angelegenheiten geregelt würden. Dieses Anliegen sei auch Hintergrund der Unterzeichnung der Vereinbarung vom 14.10.2003 gewesen.Randnummer7
Er hat erstinstanzlich im Rahmen seiner Anhörung erklärt, dass M… O… ihn in eine gemeinsame Firma habe aufnehmen wollen, weil er über einen Meistertitel verfügt habe. Herr O… habe angegeben, dass der Titel für die Gewerbeanmeldung notwendig sei. Herr O… habe sich gelegentlich wegen Unterschriften bei ihm gemeldet. Er habe auch monatlich 200 € gezahlt. Unstreitig hat der Beklagte nicht nur die Gewerbeanmeldung bei Gründung des Baubetriebes unterschrieben, sondern auch eine Mitteilung über die Änderung des Sitzes des Gewerbes im Jahr 2012 (Bl. 79) unterzeichnet. Unstreitig erhielt er auch Mahnungen und Rechnungen, die er dann Herrn O… zuleitete. (Bl. 100). Der Beklagte ist der Ansicht, nicht gesellschaftsrechtlich gebunden zu sein, da er stets deutlich gemacht habe, dass er „aus allem herausgehalten“ werden möchte. Der Gesellschaftsvertrag sei nur zum Schein geschlossen worden. Er hafte allenfalls als Scheingesellschafter gegenüber den einzelnen Gläubigern, sofern er zurechenbar einen Rechtsschein gesetzt haben sollte. Dies sei seiner Auffassung nach nicht der Fall, weil er gegenüber Kunden und Lieferanten nie aufgetreten sei. Über den Umfang der Geschäftstätigkeit sei er nicht unterrichtet gewesen. Als er realisiert habe, dass er als Gesellschafter einer GbR angesehen werde, habe er am 29.04.2017 den Gesellschaftsvertrag vorsorglich gekündigt. Anlass sei eine Rechnung über 90.000 € gewesen. Den Insolvenzantrag habe er dennoch auf Drängen von M… O… unterzeichnet.Randnummer8
Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.Randnummer9
Das Landgericht hat nach Anhörung des Beklagten die Klage abgewiesen, da es der Auffassung war, er habe keinen Rechtsbindungswillen gehabt. Der Beklagte könne lediglich als Scheingesellschafter in Anspruch genommen werden. Insoweit bedürfe es aber des Nachweises eines zurechenbar gesetzten Rechtsscheins in Bezug auf jede einzelne Forderung, die zudem nicht vom Kläger geltend gemacht werden könne, da er nicht Inhaber der Forderung sei und die Scheingesellschaft kein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen habe.Randnummer10
Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung trägt der Kläger erneut vor, dass der Beklagte wirksam Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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geworden sei. Er habe einen Gesellschaftsvertrag unterzeichnet und sich an der Gesellschaft durch Unterzeichnung von Schriftstücken als verantwortliche Person auch beteiligt. Auch wenn er darüber im Irrtum gewesen sei, welche Reichweite seine Beteiligung habe, sei die Beteiligung doch wirksam und ihm bei der Unterzeichnung von Unterlagen (Gewerbeanmeldung) auch bewusst gewesen.Randnummer11
Hilfsweise, falls das Gericht vom Fehlen eines Gesellschaftsverhältnisses ausgehen sollte, stützt er die Klageforderung nach den Grundsätzen der Scheingesellschaft jedenfalls in Höhe von 147.424,82 € auf die Einzelforderungen konkret benannter Gläubiger, die ihm Ermächtigungen zur gerichtlichen Geltendmachung erteilt hätten (Bl. 222 bis 234). Die Ermächtigungen sind nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, nämlich zwischen dem 21.03. und dem 08.04.2022 unterzeichnet worden. Er ist der Auffassung, er dürfe auch diese Ansprüche entsprechend § 93 InsO geltend machen. Er sei aber auch berechtigt, die Ansprüche im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen, weil es für ihn und die Gläubiger wegen der Unsicherheit der Aktivlegitimation von Interesse sei, dass er die Forderungen gesammelt geltend mache. Zudem sei es prozessökonomischer und gereiche dem Beklagten nicht zum Nachteil.Randnummer12
Der Kläger beantragt,Randnummer13
das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 31.01.2022 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 315.943,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Randnummer14
Der Beklagte beantragt,Randnummer15
die Berufung zurückzuweisen.Randnummer16
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und ist der Ansicht, dass aufgrund des Motives des Beklagten, Herrn O… lediglich bei der Gründung eines Betriebes zu unterstützen, vom Fehlen des Rechtsbindungswillens auszugehen sei. Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz seine Klage hilfsweise auf Ermächtigungen einzelner Gläubiger stütze, sei sein Vortrag neu und hätte in erster Instanz bereits dargelegt werden können. Überdies erhebt er gegen diese Ansprüche die Einrede der Verjährung. Die Verjährung der Ansprüche sei nicht durch Anmeldungen zur Tabelle gehemmt worden.Randnummer17
Er ist der Ansicht, dass allenfalls von einer Innengesellschaft ausgegangen werden könne, weil nach außen nur M… O… als Geschäftsinhaber habe angesehen werden sollen und er keine Verantwortung habe übernehmen sollen. Er ist der Ansicht, dass der Insolvenzverwalter nicht gemäß § 93 InsO befugt sei, Ansprüche einzelner Gläubiger aus Rechtsscheinhaftung geltend zu machen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1.
Der vom Kläger in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch entsprechend § 128 HGB, § 93 InsO ist nicht begründet.Randnummer20
Dabei kann die Frage, ob ein Gesellschaftsvertrag geschlossen worden ist, im Ergebnis dahingestellt bleiben. Die Frage, ob ein Gesellschaftsvertrag geschlossen worden ist, ist durch Auslegung der von beiden Vertragsparteien abgegebenen Erklärungen unter Einbeziehung einer objektiven Abwägung der beiderseitigen Interessen zu ermitteln (BGH, Urteil vom 20.09.1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281, Rn 13).Randnummer21
Die Unterzeichnung eines Gesellschaftsvertrages unter Regelung der Geschäftsführungsbefugnis (“Geschäftsberechtigung“, § 2), des Gegenstandes des Unternehmens, der Geschäftsanteile der Gewinn- und Verlustrechnung, der Übertragung von Anteilen sowie der Folgen der Kündigung oder des Ausscheidens eines Gesellschafters durch Tod sprechen für den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages. Die Vereinbarung vom 14.10.2003 über die Modifizierung des Stimmrechts (Ziffer 1.), den Ausschluss von Gewinnen und die Freistellung von Verlusten sowie eine Freistellung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsschutz (Ziffer 2.) sowie die Vereinbarung einer festen Vergütung für den Beklagten (Ziffer 3.) können in Verbindung mit dem Vortrag, der Beklagte habe „mit allem nichts zu tun haben wollen“ und er habe dies auch stets erklärt, gegen den Abschluss einer Vereinbarung über einen gemeinsam zu verfolgenden Gesellschaftszweck i. S. d. § 705 ff BGB sprechen.Randnummer22
Auch ein Scheingeschäft i. S. d. § 117 BGB liegt nicht vor: Die Parteien eines Rechtsgeschäfts schließen kein Scheingeschäft ab, wenn der von ihnen verfolgte rechtliche oder wirtschaftliche Zweck gerade die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts voraussetzt (BGHZ 36, 84; Urteil vom 05.07.1993 – II ZR 114/92, NJW 1993, 2609). Die Parteien des Vertrages beabsichtigten hier die wirksame Beteiligung des Beklagten am Unternehmen, da der Kläger anderenfalls nicht berechtigt gewesen wäre, den Handwerksbetrieb als Gewerbe zu führen. Er bedurfte einer Beteiligung des Beklagten.Randnummer23
Ein etwa abgeschlossener Gesellschaftsvertrag wäre aber gemäß § 134 BGB i. V. m. § 1, § 7 HandwO unwirksam, da der Beklagte lediglich seinen Meistertitel „zur Verfügung stellte“, im Übrigen aber in der Gesellschaft nicht tätig war (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, OLGR 1996, 224; OLG Koblenz, NJW-RR 1994, 493; OLG Hamm, NJW 1986, 2440; NJW-RR 2000, 1565; BAG, Urteil vom 18.03.2009 – 5 AZR 355/08, NZA 2009, 663). Regelmäßig ist davon auszugehen, dass der Gesellschaftsvertrag nichtig ist, wenn ein Handwerksmeister nur an der Gesellschaft beteiligt wird, um dessen Meistertitel für die Unternehmensführung vorweisen zu können, § 1 Abs. 1 HandwO, er tatsächlich aber die nach § 7 HandwO vorgeschriebene technische Leitung des Betriebes gar nicht ausübt. Der Betriebsleiter muss den Betrieb technisch leiten und die in einem Betrieb üblicherweise dem Inhaber überlassenen Entscheidungen fachlicher Art treffen (Detterbeck, HwO, 37 Rn. 3). Davon kann hier nach den unbestrittenen Ausführungen des Beklagten nicht ausgegangen werden. Der Beklagte hatte bei der Gründung und Anmeldung des Gewerbes für das anzumeldende Unternehmen als Verantwortlicher unterzeichnet. Er hat zudem die Ummeldung des Gewerbes unterzeichnet und einige Rechnungen entgegengenommen, die er dann aber an M… O… weiterleitete. Weitere Tätigkeiten im Betrieb des Unternehmens haben die Parteien nicht dargelegt. Vielmehr ist es unstreitig, dass es bei der Beteiligung des Beklagten allein um die „Überlassung“ des Meistertitels ging.Randnummer24
Aus dem Zweck der zwischen O… und dem Beklagten geschlossenen Vereinbarung, dass der Beklagte lediglich für die Anmeldung des Gewerbes zur Verfügung steht um nach außen den Anschein der Leitung des Betriebes durch einen Handwerksmeister hervorzurufen, folgt die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages, auf den die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft keine Anwendung finden (BGH, Urteil vom 25.09.1986 – IX ZR 46/86, NJW 1987, 65 (67); BGHZ 62, 234 (240). BGHZ 75, 214). Das gilt jedenfalls für das Verhältnis der „Gesellschafter“ zueinander: Die Rechtsordnung kann nicht ein von ihr verbotenes und für nichtig erklärtes Rechtsverhältnis anerkennen, das laufend neue Rechte und Pflichten begründet. Hier verdient die fehlerhafte GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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grundsätzlich keinen Bestandsschutz; das Interesse der Gesellschafter an der Anerkennung des von ihnen gewollten und tatsächlich begründeten Zustandes muss gegenüber den entgegenstehenden Belangen der Allgemeinheit zurücktreten (BGHZ 62, 234 (241)).Randnummer25
Für die Haftung gegenüber Dritten wendet die Rechtsprechung auch im Fall eines unwirksam geschlossenen Gesellschaftsvertrages oder der Beendigung der Mitgliedschaft in einer Gesellschaft die Grundsätze an, die für eine Scheingesellschaft, also eine tatsächlich vertraglich gar nicht existierende Gesellschaft, entwickelt wurden (BGH, Urteil vom 29.01.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341; Urteil vom 01.06.2010 – IX ZR 289/09, NJW 2011, 66; Urteil vom 03.05.2007 – IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169; Henssler/Strohn-Servatius, GesR, § 705 Rn. 38; MüKoBGB/Schäfer, § 705 Rn. 334). Die Gesellschafter können gegenüber Dritten als Scheingesellschafter haften, sofern sie in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer existierenden Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft gesetzt haben und der Dritte sich auf den gesetzten Rechtsschein verlassen hat (BGHZ 17, 13 (19); Urteil vom 24.06.1991 – II ZR 293/90, WM 1991, 1505 (1506); Urteil vom 08.07.1996 – II ZR 258/95, WM 1996, 1630; Urteil vom 01.06.2010 – IX ZR 389/09, aaO Rn 23; Urteil vom 17.01.2012 –II ZR 197/10, DStR 2012, 469 Rn 19). Diese Voraussetzungen müssen im Einzelfall konkret für den Vertragsschluss dargelegt und begründet werden. Die Haftung kann darin begründet sein, dass der Handelnde selbst im Namen einer Gesellschaft auftritt und den Anschein erweckt, für die Gesellschaft zu handeln, oder indem er es unterlässt, einen von einem Dritten erweckten Anschein zu unterbinden ( etwa bei Weiterverwendung des Briefpapiers der Sozietät nach Ausscheiden eines RA, BGH, Urteil vom 24.01.1991 – IX ZR 121/90, NJW 1991, 1225). Dieser Rechtsschein muss dem Scheingesellschafter zuzurechnen sein. Voraussetzung der Haftung ist weiter ein individuelles Vertrauen des Vertragspartners auf den Rechtsschein bei Abschluss des Vertrages.
2.
Auch soweit sich der Kläger hilfsweise erstinstanzlich zunächst in allgemeiner Form und mit der Berufung konkreter auf die Geltendmachung von Ansprüchen einzelner Insolvenzgläubiger gegen den Beklagten als Scheingesellschafter stützt, hat die Berufung keinen Erfolg.Randnummer27
Die hilfsweise Geltendmachung dieser Ansprüche stellt – da den Ansprüchen ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde liegt – eine zulässige Klageänderung dar, § 263 ZPO. Die Klageänderung ist zulässig, wenn sie sachdienlich ist oder der Beklagte zustimmt. Die Sachdienlichkeit ist gegeben, wenn mit der geänderten Klage die bestehenden Streitpunkte im bisher geführten Verfahren miterledigt werden können und dadurch ein neuer Streit vermieden werden kann, nicht entscheidend ist der Verlust einer Tatsacheninstanz für den Prozessgegner oder die Verzögerung des Verfahrens infolge notwendig werdender Beweisaufnahme (Zöller/Greger, ZPO, § 263 Rn. 13 mwN). Die Sachdienlichkeit ist gegeben, da die vom Kläger geltend gemachte Forderung Ansprüche der Gläubiger gegen die Schuldnerin betrifft und gegen den Beklagten ursprünglich als Gesellschafter analog § 128 HGB, hilfsweise auf ein unwirksames Gesellschaftsverhältnisses im Wege der Rechtsscheinhaftung gestützt wird.
3.
Nach Auffassung des Senats ist der Kläger zur Geltendmachung dieser Ansprüche nicht aus § 93 InsO befugt. § 93 InsO betrifft, wie der Beklagte zutreffend annimmt, die Haftung des Gesellschafters, die akzessorisch zu dem Anspruch gegen die Gesellschaft hinzutritt (Nerlich/Römermann-Kruth, InsO, § 93 Rn. 4a). Sie betrifft einen Fall, in dem der Gesellschafter aus rechtlichen Gründen gegenüber allen Gläubigern in gleicher Weise wie die Schuldnerin haftet. Vermieden werden soll ein Wettlauf der Gläubiger bei der Inanspruchnahme des Gesellschafters. Zahlungen des Gesellschafters sollen der Haftungsmasse zugeführt werden, um die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger auch bei der Inanspruchnahme des akzessorisch haftenden Gesellschafters zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 09.10.2008 – IX ZR 138/06, NZG 2009, 45 Rn. 11).Randnummer29
Nicht von § 93 InsO erfasst sind daher etwa Bürgschaften oder Garantien, die der Gesellschafter gegenüber einzelnen Gläubigern übernommen hat; Gleiches gilt für Ansprüche gegen einen Handelnden bei der Vorgesellschaft, die nur einzelnen Gläubigern gegenüber begründet ist (Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rn. 17-19). Eine entsprechende Anwendung des § 93 InsO wird demgegenüber angenommen für die lediglich fehlerhafte GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(MüKoInsO-Gehrlein, § 93 InsO Rn. 3). Auch insoweit ist aber ein anderer Sachverhalt gegeben als bei der nach § 134 BGB nichtigen Gesellschaft. Während die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft für die Dauer der lediglich fehlerhaften Führung der Geschäfte auf alle Gläubiger Anwendung finden, ist die erfolgreiche Inanspruchnahme des Scheingesellschafters nach den Grundsätzen der Scheingesellschaft von dem gesetzten Rechtsschein und dem Vertrauen des Vertragspartners im Einzelfall abhängig.
4.
Soweit der Kläger meint, seine Prozessführungsbefugnis sei begründet, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GbR der Gesellschafter O… und Z… lautet, teilt der Senat diese Einschätzung nicht. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat keine verbindliche Entscheidung darüber zum Gegenstand, in welcher Rechtsform die Schuldnerin tatsächlich besteht. Der Eröffnungsbeschluss bleibt wirksam, wenn der benannte Schuldner nicht existent ist, die Auslegung aber auf den wahren Schuldner schließen lässt, etwa wenn über das Vermögen einer Personengesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, die Gesellschaft aber durch Anteilsübertragung nur noch aus einer Person besteht; dann ist das Insolvenzverfahren über dieses Unternehmensvermögen, das auf eine Person übergegangen ist, eröffnet (K.Schmidt/InsO, § 27 Rn. 62). Ähnlich wurde in der Rechtsprechung verfahren bei der Insolvenzeröffnung über das Vermögen einer GbR vor Anerkennung von deren Rechtsfähigkeit. Das Verfahren war ein Insolvenzverfahren über das Sondervermögen dieser nicht konkursfähigen Gesellschaft (so für das Insolvenzverfahren über eine GbR, die als KG eingetragen war, vor der Rechtsprechung über die Rechtsfähigkeit der GbR: BGH Urteil vom 14.01.1991 – II ZR 112/90).
5.
Der Kläger ist schließlich auch nicht aufgrund gewillkürter Prozessstandschaft zur Geltendmachung der Ansprüche berechtigt. Die zulässige gewillkürte Prozessstandschaft setzt voraus, dass der Rechtsinhaber den Kläger wirksam ermächtigt hat, ferner, dass der Ermächtigte ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Geltendmachung hat. Das ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Bevollmächtigten hat (BGH, Urteil vom 05.02.2009 – III ZR 164/08, NJW 2009, 1213; Urteil vom 10.06.2016 – V ZR 125/15, NJW 2017, 486 Rn. 7 ff.), auch ein wirtschaftliches Interesse kann genügen (BGH, Urteil vom 10.06.2016 aaO Rn. 10; BGHZ 119, 242, juris Rn. 30). Es muss ein Bezug dieses eigenen Interesses zu dem geltend gemachten Recht bestehen. Außerdem darf es nicht zu ungerechtfertigten Nachteilen beim Prozessgegner kommen.Randnummer32
Der Kläger meint, dass die Unklarheit bezüglich der Frage des Anspruchsgrundes als eigenes Interesse zu berücksichtigen sei. Insoweit trifft es Z… zu, dass der Kläger aufgrund der hilfsweise geltend gemachten Ansprüche im Erfolgsfall eine günstigere Kostenquote im Verfahren erreichen kann. Dies allein begründet aber keine Verbesserung der eigenen wirtschaftlichen oder rechtlichen Position, die die Prozessstandschaft zulässig macht. Der mögliche Kostenvorteil steht bei hilfsweise erhobenen fremden Ansprüchen immer in Frage. Er bietet daher kein taugliches Abgrenzungskriterium für die zulässige von der unzulässigen Prozessstandschaft.Randnummer33
Ausgehend von der Aufgabe des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners bestmöglich verwertet und der Erlös verteilt wird, besteht ein Interesse des Insolvenzverwalters an der Geltendmachung in der Erzielung der bestmöglichen Quote für die Insolvenzgläubiger. Die erfolgreiche Klage gegen den zahlungsfähigen Scheingesellschafter kann zur Erfüllung des gegen ihn gerichteten Anspruchs führen. Geht man davon aus, dass der Scheingesellschafter mit dem Unternehmensinhaber zumindest wie ein Gesamtschuldner haftet, würde die Erfüllung des gegen den Scheingesellschafter gerichteten Anspruchs sich auch auf die Insolvenzforderung auswirken und damit grundsätzlich die Quote der übrigen Gläubiger verbessern können, § 422 Abs. 1 BGB. Zugleich würde hier aber ein Zahlungsanspruch des Beklagten gegen M… O… entstehen, der sich auf Ausgleich der von ihm an die Gläubiger des Unternehmens geleisteten Beträge richten würde. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass O… dem Beklagten gegenüber wiederholt erklärt hatte, er werde ihn „aus allem raushalten“ und er „regele alles“. Dies kommt auch in der zwischen M… O… und dem Beklagten geschlossenen weiteren Vereinbarung vom 14.10.2003 zum Ausdruck, wonach der Beklagten „an keiner Gewinn- und Verlustrechnung beteiligt“ sein sollte (Anl B2, Bl. 30). Der infolge dieser Vereinbarung begründete Ausgleichsanspruch des Beklagten gegen M… O… wäre eine Insolvenzforderung, weil die Verpflichtung zum Ausgleich bereits vor der Zahlung rechtlich begründet war (so zum Bürgenrückgriff vgl. Kayser / Thole, InsO § 38 InsO Rn 32). Damit wäre der „wirtschaftliche Vorteil“, den der Insolvenzverwalter dadurch für die Masse erzielt, dass er für einen Insolvenzgläubiger Ansprüche gegen einen Scheingesellschafter durchsetzt, wirtschaftlich neutral, weil eine Forderung in derselben Höhe von dem hier beklagten Scheingesellschafter wiederum als Insolvenzforderung angemeldet werden kann.
6.
Darüber hinaus sind auch die Voraussetzungen der Haftung des Beklagten als Scheingesellschafter in Bezug auf die vom Kläger in der Berufungsinstanz vorgetragenen Forderungen nicht hinreichend bestimmt vorgetragen. Gesellschafter können gegenüber Dritten als Scheingesellschafter haften, sofern sie in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer existierenden Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gesellschaft bürgerlichen Rechts
und ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft gesetzt haben und der Dritte sich auf den gesetzten Rechtsschein verlassen hat (BGHZ 17, 13 (19); Urteil vom 24.06.1991 – II ZR 293/90, WM 1991, 1505 (1506); Urteil vom 08.07.1996 – II ZR 258/. Der Kläger ist mit Hinweis vom 01.12.2022 bereits auf diese Voraussetzungen der Inanspruchnahme des Scheingesellschafters, hingewiesen worden. Daraufhin hat er seinen Vortrag nicht um eine nähere Darlegung der Rechtsscheinhaftung in Bezug auf alle im Einzelnen geltend gemachten Ansprüche ergänzt. Der Kläger beruft sich allgemein auf Unterschriften des Beklagten bei der An- und Ummeldung und den Umstand, dass Herr O… für eine GbR gehandelt habe. Von Bedeutung wäre insoweit aber, ob dem Beklagten der gesetzte Rechtsschein zuzurechnen war und der Gläubiger darauf auch vertraute. Diese Voraussetzungen können nicht allgemein angenommen werden, da nicht vorgetragen ist, unter welcher Unternehmensbezeichnung M… O… die jeweiligen Verträge geschlossen hat und welche Firma er gegenüber Sozialversicherungsträgern angegeben hatte. Der Beklagte hat die Zurechenbarkeit des Rechtsscheins bestritten, weil er nicht gewusst habe, dass Herr O… auch unter einer GbR, die den Namen des Beklagten mit aufführte, gehandelt habe. Ob dieser Einwand begründet sein kann, lässt sich mangels Vortrag zum Abschluss der den Gläubigerforderungen zugrunde liegenden Verträge nicht beurteilen.Randnummer35
Da zu den angemeldeten und im Wege der Rechtsscheinhaftung verfolgten Ansprüchen im Einzelnen nicht vorgetragen ist, kann auch nicht festgestellt werden, ob die Ansprüche möglicherweise verjährt sind.
7.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.Randnummer37
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen insoweit nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.Randnummer38
Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird gemäß § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1 GKG auf 315.943,52 € festgesetzt.
Schlagworte: Eingetragener Scheingesellschafter, Haftung des Scheingesellschafters, Scheingesellschafter