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ArbG Berlin, Urteil vom 1. November 2018 – 41 Ca 1674/18

§ 613a Abs 1 S 1 BGB, § 138 Abs 1 ZPO, § 138 Abs 2 ZPO, § 24 KSchG, § 1 Abs 2 S 1 Alt 3 KSchG

1. Die Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung ist unbegründet, wenn die kündigende ehemalige Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung auf Grund eines vorherigen Betrieb(steil)übergangs gemäß § 613 a Absatz 1 Satz 1 BGB nicht mehr Arbeitgeberin der gekündigten Arbeitnehmerin war.

2. Trägt die Arbeitnehmerin konkrete Anhaltspunkte für einen Betriebsteilübergang vor, muss nach § 138 Absatz 1, 2 ZPO ein Insolvenzverwalter substantiiert erwidern, soweit es sich um Vorgänge aus seinem Wahrnehmungsbereich handelt. Die Vorgänge bei einer von der Insolvenzschuldnerin abhängigen nicht insolventen Tochtergesellschaft, die auf Betreiben und mit Zustimmung der Schuldnerin als damaliger Konzernmutter und des damaligen Sach- und jetzt Insolvenzverwalters in Erfüllung eines von der Schuldnerin/dem Sachverwalter ausgehandelten Kaufvertrages über mehrere Millionen Euro stattfanden, liegen jedenfalls bis zum Vollzug des Verkaufs der Tochtergesellschaft im Wahrnehmungsbereich des Insolvenzverwalters, so der Insolvenzverwalter nicht konkret etwas Gegenteiliges vorträgt.

3. Werden übergangsfähige Teile eines Betriebsteils von verschiedenen Erwerbern übernommen und ist in diesem Falle einer Betriebsteilspaltung im Wege der Einzelrechtsnachfolge eine Zuordnung des Arbeitsverhältnisses einer in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin zwar zur Ausgangseinheit (hier: Station der Fluggesellschaft), aber mangels vertraglicher Regelung oder tatsächlichen Schwerpunkts nicht zu den übergegangenen Teilen der Ausgangseinheit möglich, wird der Arbeitnehmerin nicht der Schutz des § 613a BGB genommen: die Arbeitnehmerin hat in diesem Fall ein Wahlrecht.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Der Wert des Streitgegenstandes des Urteils wird auf 26.001,78 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung aus Anlass der Insolvenz der Schuldnerin. Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Randnummer2

Die am … geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin (im Folgenden: die klägerische Partei) ist bei der Schuldnerin (zurechenbar) seit dem 13.09.2004 als Copilotin angestellt. Mit Schreiben der Schuldnerin vom 06.02.2017 wurde die klägerische Partei „wunschgemäß ab 01.03.2017 von der Station Berlin zur Station Stuttgart versetzt“. Für Februar 2017 erhielt die Klägerin eine Abrechnung über einen Betrag i.H.v. 8.667,26 Euro (Anlage K2). Die Klägerin befand sich ab einem nicht mitgeteilten Zeitpunkt bis zum 15.01.2018 in Elternzeit. Mit Schreiben vom 16.01.2018, der Klägerin am 18.01.2018 zugegangen, kündigte die Schuldnerin der Klägerin zum 30.04.2018. Mit der am 08.02.2018 bei Gericht per Fax eingegangenen Klage begehrt die klägerische Partei die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Randnummer3

Die Schuldnerin hatte ein eigenes Luftverkehrsbetreiberzeugnis (Air Operator Certificate (AOC)). Ihr fliegendes Personal war in Deutschland an den Flughäfen Berlin-Tegel, Düsseldorf, München, Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart, Leipzig, Köln, Hamburg und Paderborn stationiert. Die Schuldnerin flog u.a. Kurz- und Mittelstrecken. Letztere mit Flugzeugen der Airbus (A) – 320-Familie (A319, A320 und A321) („A 320“ steht teils für die A320 – Familie, teils für das Muster „A320“ der A320 – Familie). Die Flugzeuge waren zuletzt von Leasinggebern („Lessoren“) im „Dry-Lease“ (Leasing nur der Maschinen) geleast. Randnummer4

Aus wirtschaftlichen Gründen entschloss sich die Schuldnerin im Jahr 2016 neben dem eigenwirtschaftlichen Flugbetrieb als ein weiteres Geschäftsfeld „Wet-Lease“ für andere Luftfahrtunternehmen aufzubauen. Von „Wet-Lease“ spricht man in der Luftverkehrswirtschaft, wenn ein Luftfahrtunternehmen einem anderen Luftfahrtunternehmen Flugzeuge nebst Kraftstoff („wet“) und Bedienungspersonal für den Einsatz auf Strecken des anderen Luftfahrtunternehmens nach dessen Vermarktung und auf dessen Rechnung überlässt. Bei längerfristigen Leasingverträgen erhalten die im Wet-Lease fliegenden Flugzeuge häufig die Lackierung (das Signet) der entleihenden Fluggesellschaft. Randnummer5

Ende 2016 schlossen Gesellschaften des L.-Konzerns („L. Group“; hier auch: „L.“) und die Schuldnerin für sechs Jahre einen Wet-Lease – Vertrag für 38 von der Schuldnerin betriebene Flugzeuge der A320-Familie ab (hier: „Wet-Lease – Rahmenvertrag“ – von der EU-Kommission auch „Roof-Wetlease“ genannt). Dies in Form einer „ACMIO“ – Vereinbarung. „ACMIO“ ist ein Akronym und steht für „Aircraft, Crew, Maintenance, Insurance, Overhead“ (Flugzeug, Personal, Wartung, Versicherung, Gemeinkosten), wobei „Overhead“ hier auch die (Kosten für die) Personaleinsatzplanung durch die Schuldnerin meint. Die Ausdrücke „ACMIO“ und „Wet-Lease“ werden hier synonym verwendet. Die Schuldnerin kommunizierte unternehmensintern die mit L. getroffene Wet-Lease – Vereinbarung als „ACMIO-Operation“. Randnummer6

Nach dem Muster der Schreiben vom 14.12.2016 bzw. 19.12.2016 (Anlagen K34) wurde interessiertem Flugpersonal ein Wechsel an die Stationen Köln bzw. Stuttgart u.a. mit der Erläuterung angeboten, dass der Einsatz dann „dedicated im Wetlease/ACMIO“ erfolge. Randnummer7

Im Januar 2017 genehmigte die EU-Kommission den „Wet-Lease – Rahmenvertrag“. Am 14.02.2017 schloss die Schuldnerin mit der PV Cockpit einen „Rahmen-Interessenausgleich zur Umstrukturierung der A. Berlin für das Cockpitpersonal“ (Anlage B8). Darin wird zwischen „ausschließlichen ACMI-Stationen“ und „‚gemischten Stationen'“ unterschieden. Mit „ausschließlichen ACMIO-Stationen“ waren die Stationen Köln, Hamburg und Stuttgart gemeint. Randnummer8

Gemäß dem Wet-Lease – Rahmenvertrag flog die Schuldnerin auf ihrem AOC bis zum Insolvenzantrag mit 38 Flugzeugen im Wet-Lease für Gesellschaften der L.-Group: fünf Flugzeuge für die L.-Tochter „A. Airlines“ und 33 Flugzeuge für die L.-Tochter „E. GmbH“ (auch: „deutsche E.“ oder „E. Deutschland“ genannt). Die E. GmbH hat ihren Sitz in Deutschland. Sie ist Teil der „E. Group“. Die „E. Group“ ist Teil der „L. Group“. Die 33 für die E. GmbH fliegenden Airbus-Maschinen sollten mit der Lackierung von E., das Kabinenpersonal in Uniformen von E. fliegen. Die Personalplanung für das Personal der Air Berlin/E. – Wet-Lease – Flotte erfolgte weiterhin durch die Schuldnerin. Randnummer9

Reicht die Kapazität eines Flughafens nicht zur Befriedigung der Nachfrage, so werden die Zeitfenster („Slots“) für das Starten und Landen auf dem Flughafen („Flughafenslots“) rationiert. Die Vergabe der Slots ist dann durch die EU-Verordnung (EWG) Nr. 95/93 und damit öffentlich-rechtlich geregelt. Besitzt eine Fluggesellschaft einen Slot, kann sie diesen über das sog. „grandfathering“ zeitlich unbegrenzt halten. Die Slots für kontingentierte Flughäfen – das sind u.a. alle größeren deutschen Flughäfen – sind für die Fluggesellschaften von großem wirtschaftlichem Wert. Slots können nicht frei, sondern nur nach Maßgabe der EU-Verordnung übertragen werden. Demgemäß innerhalb eines Konzerns oder durch Erwerb einer ganzen Luftverkehrsgesellschaft. In Kombination kann ein Konzern-Muttergesellschaft Slots auf eine Tochtergesellschaft übertragen und dann die Tochtergesellschaft mit diesen Slots an eine andere Luftverkehrsgesellschaft veräußern. Randnummer10

Die Schuldnerin kooperierte mit der „Luftfahrtgesellschaft W. mbH“ (LGW). Diese hatte keine eigenen Flugstreckenrechte und keine eigenen Flugzeuge mehr. Die LGW leaste von der Schuldnerin „dry“ 20 „Q400“ – Flugzeuge (Turboprop – Regionalflugzeuge) und leaste diese „wet“ (d.h. mit Benzin, vor allem aber mit eigenem Personal) an die Schuldnerin zurück. Das AOC der LGW erstreckte sich nicht auf den Betrieb von Airbus-Flugzeugen. Im Mai/Juni 2017 kaufte die Komplementärin der Schuldnerin die LGW zu einem geringen Kaufpreis. Durch den Erwerb der LGW war es der Schuldnerin im Oktober 2017 möglich, Slots auf die LGW zu übertragen und die LGW für mehrere Millionen Euro an „L.“ zu veräußern. Randnummer11

Am 15.08.2017 wurde über das Vermögen der Schuldnerin ein Insolvenzantragsverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin wurde vorerst weiter geführt. Randnummer12

Am 12.10.2017 gab die Schuldnerin u.a. folgende „Erklärung“ ab (Anlage B1): Randnummer13

„1. Beendigung der Flugzeug-Leasingverträge … sukzessive bis zum 31.01.2018.
2. Einstellung des operativen Geschäftsbetriebs … mit Ablauf des 28. Oktober 2017 … im Namen und auf Rechnung [der Schuldnerin] …
3. Erbringung der Dienstleistungen gegenüber E. im Rahmen des sog. `Wet-Lease´ für den Zeitraum bis maximal 31. Januar 2018. Dies betrifft 13 Flugzeuge. …“ Randnummer14

Das Wet-Lease – Programm der Schuldnerin für E. wurde also von 33 auf 13, d.h. um 20 Airbus-Flugzeuge verkürzt. Im L.-Kaufvertrag („L.-SPA“) war zugleich vereinbart worden, dass die LGW mit ihren 20 Flugzeugen des Typs Q400 statt für die Schuldnerin für die E. im Wet-Lease fliegen sollte. Randnummer15

Am 12.10.2017 hatte „L.“ an die Schuldnerin 16 A320- und ein A319-Flugzeug („dry“) geleast. Nur letzteres wurde nach dem 27.10.2017 von der Schuldnerin noch eingesetzt (im Wet-Lease für die E. GmbH). Randnummer16

Am 13.10.2017 verkaufte die Schuldnerin ihre Anteile an der LGW an die L. C. Holding GmbH (hier: „L.-Kaufvertrag“, der Beklagte spricht synonym vom „L.-SPA“). „Unter dem L.-SPA hatte sich die AB KG [die Schuldnerin] dazu verpflichtet, bis zum Vollzugstag am 09. Januar 2018 den operativen Betrieb der LGW aufrechtzuerhalten, Unterstützung beim Aufrechterhalten des bisherigen Luftverkehrsbetreiberzeugnisses (AOC) der LGW sowie bei der Erweiterung des AOC der LGW auf den Flugzeug-Typ Airbus A320 zu leisten und Flughafen-Slots (Zeitnischen) in die LGW einzubringen“ (Schriftsatz des Beklagten vom 23.10.2018, Bl. 429 d.A.). Im Rahmen der Stilllegung wurde die Wet-Lease-Vereinbarung zwischen der LGW und der Schuldnerin beendet „und zwischen der E. GmbH (EW) als Leasingnehmer und der LGW als Leasinggeber neu abgeschlossen. Unter dieser neuen Vereinbarung hat sich die LGW verpflichtet, … mit Erteilung des AOC für den Flugzeug-Typ Airbus A320 .. Flugzeuge dieses Flugzeug-Typs an die E. im Rahmen eines Wetlease zu vermieten. In dem L.-SPA … haben die Parteien vereinbart, dass mit Erweiterung des AOC der LGW auf den Flugzeug-Typ Airbus A320 auch bis zu 13 Flugzeuge dieses Typs im Wetlease für die EW eingesetzt werden sollen. Hierzu haben die Parteien zusätzlich vereinbart, dass die LGW entsprechend bis zu 13 Besatzungsäquivalente für den Betrieb der A320 Flugzeuge einstellen soll“ (Schriftsatz des Beklagten vom 23.10.2018, S. 28 f., Bl. 429 f. d.A.). Zugleich sollte die Deutsche L. AG die beschriebene Head- und Sublease – Struktur übernehmen, für die Flugzeuge des Typs A320 ohne Festlegung der Anzahl der Flugzeuge. Randnummer17

Die EU-Kommission fasste den kartellrechtlich zu prüfenden Vertrag zunächst unter anderem wie folgt zusammen (Amtsblatt 2017/C 379/08): Randnummer18

„LGW: Bis zum 28. Oktober 2017 betrieb LGW im Rahmen von Wet-Lease – Vereinbarungen an A. Berlin vermietete Luftfahrzeuge für Kurzstreckenlinien nach Düsseldorf und Berlin, in erster Linie als Zubringer für Air-Berlin-Tätigkeiten. LGW soll als Zweckgesellschaft für die Fortsetzung des gegenwärtig von A. Berlin betriebenen Flugplans im Rahmen einer Wet-Lease – Vereinbarung mit der L.-Gruppe vom Dezember 2016 dienen. Vor dem Zusammenschluss soll ein Zeitnischen-Paket für die Wintersaison 2017/2018 sowie für die Sommersaison 2018 (einschließlich Zeitnischen für die Flughäfen Berlin-TXL, DUS, FRA und MUC) auf LGW zur Nutzung durch die L.-Gruppe übertragen werden.“ Randnummer19

(https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2017:379:FULL&from=DE) Randnummer20

Später beschrieb die EU-Kommission den Inhalt des Kaufvertrages u.a. wie folgt: Randnummer21

„(10) Prior to closing of the acquisition, A. Berlin would transfer to LGW up to […] A320 aircraft and corresponding crew, as well as airport slots at notably Duesseldorf, Hamburg, Munich, Berlin Tegel and Zurich airports, which are further described in the next paragraph. As a result of the Transaction, L. would also acquire the aircraft, crew and airport slots that would have thus been transferred to LGW. Randnummer22

(11) The slots that would be transferred by A. Berlin to LGW are slots for the Winter 2017/18 IATA Season and the Summer 2018 IATA Season. They consist of two different groups of slots. One group is … (the „LGW slots“). The second group is made up of some of the slots that were held by Air Berlin and used by Air Berlin (not LGW) on various routes, including in particular slots at Duesseldorf and Berlin Tegel airports, before A. Berlin ceased its operations (the „surplus slots“). Randnummer23

(12) According to L., the acquisition of LGW is designed to ensure continuity of the cooperation between A. Berlin and L. (through its subsidiaries E. and A.) under the wetlease agreement established in December 2016 (the „Roof Wetlease“). … Randnummer24

(22) According to L., the proposed acquisition of LGW has different objectives: (i) the discontinuation of the services that LGW provided to Air Berlin and the replacement of Air Berlin by LGW in the framework of the Roof Wetlease between A. Berlin and L.; (ii) the permanent integration of the aircraft and crew deployed under the Roof Wetlease into L.; and (iii) the takeover of an additional slot package (the LGW slots and the surplus slots)“ (CELEX_32017M8633_EN) Randnummer25

Am 24.10.2017 teilte der Generalbevollmächtigte der Schuldnerin in der Sitzung des vorläufigen Gläubigerausschusses mit: „dass der letzte A. Berlin – Flug am 27.10.2017 stattfinden wird. Danach wird der Geschäftsbetrieb der KG nur noch reduziert mit Ausnahme der noch bis zum Closing fortzuführenden Wetlease-Verträge und des Overheads fortgeführt.“ Der Gläubigerausschuss beschloss daraufhin einstimmig „die dann vollständige Betriebseinstellung zum 31.01.2018“. Randnummer26

Am 27.10.2017 endete der Sommerflugplan 2017 und fand der letzte eigenwirtschaftliche Flug der Schuldnerin statt. Am 28.10.2017 begann der Winterflugplan 2017/2018. Randnummer27

Mit E-Mail vom 30.10.2017 (Anlage K8) wandte sich die Schuldnerin an alle ihre Mitarbeiter. Darin teilte sie u.a. mit, dass die L. Group 1.300 Stellen ausschreibe. Für a.berlin Mitarbeiter gebe es ein vereinfachtes Bewerbungsverfahren: „An den Stationen Hamburg, Düsseldorf, Köln und Stuttgart wird die `E. Deutschland´ neue First Officer, Kapitäne, Flugbegleiter und Purser unter Berücksichtigung der relevanten Vorerfahrungen der a.berliner einstellen.“ Randnummer28

Die LGW suche zum nächstmöglichen Zeitpunkt Piloten und Flugbegleiter für die Standorte Berlin und Stuttgart. Gesucht würden Kapitäne und First Officer der A-320-Familie. Bewerben könnten sich außerdem „Ready Entry Cabin Crew Member und Ready Entry Senior Cabin Crew Member“. Cabin Crew Castings fänden am 31.10.2017 und am 03.11.2017 statt. Randnummer29

Das für das Wet-Lease für die L. Group benötigte Personal bezeichnete die Schuldnerin als „kleineres Team“. Dies sehe wie folgt aus: Randnummer30

„COCKPIT-BESCHÄFTIGTE: Die Piloten der Stationen Hamburg, Stuttgart und Köln sind in ihren Dienstplänen für den weiteren Flugbetrieb vorgesehen. … Randnummer31

CABIN-BESCHÄFTIGTE: Die Cabin Crews der Stationen Hamburg, Stuttgart, Köln und Frankfurt/Main sind in ihren Dienstplänen für den weiteren Flugbetrieb vorgesehen. … Randnummer32

BODEN-BESCHÄFTIGTE: 700 Kolleginnen und Kollegen am Boden …“ Randnummer33

Die Mitarbeiter, die nicht zum „kleineren Team“ gehörten, würden ab dem 01.11.2017 freigestellt werden. Randnummer34

Am 01.11.2017 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Über den 01.11.2017 hinaus erbrachte die Schuldnerin mit anfänglich noch 13 Flugzeugen nur noch Flugleistungen im Rahmen des „Wet-Lease“ für E.. Dies mit fünf A320- und acht A319 – Maschinen mit den Kennzeichen D-ABNI, D-ABNN, D-ABNT, D-ABNU, D-ASTX, D-ABGH, D-ABGQ, D-ABGP, D-ABGN, D-ABGR, D-ABGJ, D-ABNH und D-ABGK. Randnummer35

Am 17.11.2017 schloss die Schuldnerin mit der PV Cockpit einen Interessenausgleich (Anlage B5). Darin heißt es u.a.: „für einen Zeitraum bis maximal 31. Januar 2108 werden voraussichtlich auf zunächst 13, ab Dezember 2017 neun im Besitz der A. Berlin LV KG [die Schuldnerin] verbleibenden Luftfahrzeugen lediglich Flüge und Dienstleistungen im Rahmen des sog. „Wet Lease“ für die E. GmbH von den Stationen Hamburg, Köln und Stuttgart aus erbracht.“ Mit Anhörungsschreiben vom 20.11.2017 nebst Anlage (Anlage B8) hörte die Schuldnerin die Personalvertretung zur betriebsbedingten Kündigung der klägerischen Partei an. Mit Schreiben vom 28.11.2017 kündigte die Schuldnerin den Piloten und dem Bodenpersonal ohne Sonderkündigungsschutz. Am 21.12.2017 genehmigte die EU-Kommission den L.-Kaufvertrag (bezogen auf die LGW). Nach dem 31.12.2017 führte die Schuldnerin keine Wet-Lease – Flüge mehr aus. Am 09.01.2018 wurde der Verkauf der Gesellschaftsanteile der Schuldnerin an der LGW an die L.-Gesellschaft vollzogen. Am 17.01.2018 wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Januar 2018 wurde dem Kabinenpersonal (ohne Sonderkündigungsschutz) gekündigt. Zum 31.01.2018 erlosch das AOC der Schuldnerin. Randnummer36

Mit ihrer Klage begehrt die klägerische Partei die Feststellung der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung. Randnummer37

Die klägerische Partei behauptet: Randnummer38

Die Schuldnerin habe das Wet-Lease – Geschäft für E. bereits ab dem 01.02.2017 aufgenommen. An den Stationen Köln, Stuttgart und Hamburg ausschließlich. Die an diesen Stationen stationierten Crew-Mitglieder seien nicht mehr auf den Strecken der Schuldnerin geflogen, sondern in einem „dedicated Einsatz“ im Wet-Lease (Beweis: Anlagenkonvolut K34). Randnummer39

Noch vor dem Insolvenzantrag habe die Deutsche L. AG 15 Flugzeuge der Airbus A320 – Familie zu Eigentum erworben und diese für den vereinbarten Rahmen – Wet-Lease an die Schuldnerin zurückgeleast (Beweis: Interne Mitteilung vom 12.10.2017, Anlage K8). Randnummer40

Der am 12.10.2017 abgeschlossene L.-Kaufvertrag habe entsprechend der Erklärung der L. gegenüber der EU-Kommission auch die Vertragsabrede enthalten, Besatzungen der Schuldnerin auf die LGW zu übertragen (Anlage K11 (Pressemitteilung der EU-Kommission vom 21.12.2017)) und Anlage K12 (Entscheidung der EU-Kommission vom 21.12.2017)). Randnummer41

Die LGW habe das Wet-Lease – Geschäft der Schuldnerin für die E. GmbH übernommen. Dies von den nationalen und internationalen Flughäfen aus, an denen nach Rn. 61 Fn. 47, 48 der Entscheidung der EU-Kommission vom 21.12.2017 (Anlage K12), die L. Group von der Schuldnerin Slots erhalten habe. Randnummer42

Die LGW habe ihre Mitarbeiter unmittelbar nach dem 27.10.2017 mit einer internen Mitarbeiter-Information gemäß der Anlage K15 u.a. wie folgt informiert: Randnummer43

„… am 27.10.2017 ist … der letzte Flug unserer Muttergesellschaft a.berlin unter eigener Flugnummer gelandet. Zum 1.11.2017 tritt die LGW in einen Wet-Lease mit unserem neuen Partner E., … Die vollständige Eingliederung in die E. … erfolgt dann im Januar 2018 vorbehaltlich der kartellrechtlichen Freigabe. Neben unseren 20 Q400 Maschinen werden wir ab Dez 2017 mit fünf A320 und ab Jan 2018 mit zusätzlichen acht A319 als ein bedeutendes AOC … darstellen. … ab Dez 2017 [werden wir] mit der Produktion auf fünf Airbus A320 starten, die wir ex TXL [Tegel] und STR [Stuttgart] bereedern werden. Diese zeitnahe Übernahme des Geschäfts mit qualifiziertem Personal ist Kernbestandteil unserer neuen Wet Lease Vereinbarung. … Zusätzlich zu den bereits eingeführten A320 werden wir weitere acht A319 in TXL und STR in Produktion bringen. … Eure LGW Geschäftsführung!“ Randnummer44

Die LGW nutze 13 zuvor im Besitz der Schuldnerin befindliche Flugzeuge der A320 – Familie weiter. Im Einzelnen handele es sich um die oben aufgeführten, zuletzt von der Schuldnerin bis Ende Dezember im Wet-Lease für E. geflogene Flugzeuge (Beweis: Zeugnis K., (ehemaliger) Geschäftsführer LGW). Dazu habe sich die L. von der EU-Kommission genehmigen lassen, die entsprechenden Leasingverträge auf sich übertragen zu dürfen (Anlage K12 (Seite 7, Rn. 15); Anlage K13 (Seite 4, Rn. 13)). In der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägervertreterin, dass man im Internet mithilfe der jeweiligen Flugzeug-Kennzeichen leicht die Verwendungsgeschichte eines jeden Flugzeuges ermitteln könne. Randnummer45

Da das AOC der LGW sich nicht auf A320-Flugzeuge erstreckt habe, habe die LGW mit Hilfe der Schuldnerin die Flugbetriebshandbücher („Operation Manual“) der Schuldnerin übernommen und nur durch ihr Logo ersetzt (Zeugnis K.). Zudem habe die LGW Betriebsmittel wie die für Personal- Flug- und Flugzeugplanung wichtige Software „AIMS“ von der Schuldnerin übernommen (Zeugnis K.). Gleichzeitig habe die LGW ehemaliges A320-Flugpersonal der Schuldnerin angeworben (Stellenausschreibungen, Anlagen K17 – K20, ohne Datum) und übernommen (ohne Beweisantritt). Randnummer46

Ausweislich der internen Mitteilung der Schuldnerin vom 12.10.2017 (Anlage K8) habe die Deutsche L. Group sich zunächst Zugriff auf 81 im Besitz der Schuldnerin befindlicher Flugzeuge gesichert. Nach kartellrechtlichen Bedenken der EU-Kommission zuletzt effektiv auf 57 Flugzeuge. Diese dienten unter anderem der Erweiterung des Flugbetriebs unter anderem der E. GmbH oder der für die E. GmbH im Wet-Lease fliegenden Schwestergesellschaft E. Europe GmbH. Die E. Europe GmbH habe für Standorte in DUS, CGN, STR und MUC (Düsseldorf, Köln/Bonn, Stuttgart, München) unbefristete Stellen für Kapitäne und First Officer ausgeschrieben (Anlagen K9, K10 (ohne Datum; Ausdrucksdatum 11.12.2017)). Randnummer47

Die klägerische Partei rügt eine fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG auf Grund eines Betriebs(teil)übergangs und auf Grund einer nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl i.S.d. § 1 Abs. 3 KSchG; eine Unwirksamkeit nach § 613a Abs. 4 BGB; eine nicht ordnungsgemäße Anhörung der Personalvertretung; eine Unwirksamkeit nach § 17 KSchG auf Grund einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige und eines nicht ordnungsgemäßen Konsultationsverfahrens. Auf die nähere Begründung wird verwiesen. Randnummer48

Die klägerische Partei beantragt zuletzt sinngemäß: Randnummer49

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 28.11.2017 aufgelöst worden ist. Randnummer50

Der Beklagte beantragt, Randnummer51

die Klage abzuweisen. Randnummer52

Der Beklagte behauptet, dass die klägerische Partei Weisungen allein von der „Crew Planning“ in der Zentrale in Berlin erhalten habe. Ausschließlich die Unternehmenszentrale in Berlin sei für den gesamten Flugbetrieb an allen Stationen europa- und weltweit zuständig gewesen. Es habe an den Stationen auch keine weisungsbefugten Funktionsträger gegeben, die den Flugverkehr hätten aufrechterhalten können (Beweis: Zeugen). Randnummer53

Der Unterschied zwischen dem „Wet-Lease“ und dem eigenwirtschaftlichen Verkehr seien lediglich die Rechnungsempfänger gewesen. Auch beim Wet-Lease seien die Flugzeuge in einem einheitlichen Flugverkehr unter Nutzung des AOC nach Maßgabe der Nominated Persons und der Personalleitung in der Zentrale der Schuldnerin betrieben worden. Die Personalplanung für das Wet-Lease sei ebenfalls zentral durch die Schuldnerin erfolgt. Piloten seien sowohl im eigenwirtschaftlichen Flugverkehr als auch „für ACMIO“ geflogen, nur nicht – wenn möglich – am demselben Tag. Das Wet-Lease der Schuldnerin nach dem 27.10.2017 sei nicht „auf Dauer“ angelegt gewesen. Die Schuldnerin sei „von allen Stationen“ aus im Wet-Lease geflogen. Eine Beschränkung auf die Stationen Köln, Stuttgart und Hamburg sei erst im Rahmen der Abwicklung erfolgt. Weder habe es eine feste Zuordnung von Flugzeugen zum Wet-Lease, noch des Flugpersonals zu bestimmten Flugzeugen oder Flugstrecken gegeben. Randnummer54

Es sei nicht klar, ob gerade diejenigen A320, die von der Schuldnerin zum Wet-Lease eingesetzt wurden, nunmehr von der LGW betrieben würden. Wenn überhaupt, seien maximal 13 von bis zu 38 Flugzeugen der A320-Familie im Rahmen des Wet-Lease im Einsatz befindlichen Maschinen betroffen. Es seien lediglich noch vereinzelt Flüge durchgeführt worden. Die eingesetzten maximal 13 Flugzeuge seien wöchentlich reduziert worden (ab dem 28.10.2107 dreizehn A320/A319 – Flugzeuge, ab dem 25.11.2017 elf, ab Dezember 2017 sukzessive weniger und am letzten Tag des Flugverkehrs, d.h. am 31.12.2017, lediglich noch acht (Beweis: Zeugen)). Randnummer55

Der Beklagte ist der Ansicht, er habe in der Absicht einer vollständigen Betriebsstilllegung gehandelt. Die Betriebsstilllegungsabsicht sei genügend durch die Einstellung des eigenwirtschaftlichen Flugverkehrs am 27.10.2017 und des fremdwirtschaftlichen am 31.12.2017 manifestiert worden. Randnummer56

Die Schuldnerin habe lediglich einen nicht in einzelne Betriebsteile unterteilbaren einheitlichen Flugbetrieb geführt, der nur als insgesamt eigenständig bestehende Einheit habe funktionieren können. Der Flugbetrieb der Schuldnerin sei ein unteilbarer Flugbetrieb. Dies ergebe sich u.a. auch aus § 24 KSchG und aus dem TV PV. Randnummer57

Ein einzelnes Flugzeug sei kein übergangsfähiger Betriebsteil, sondern Betriebsmittel. Es fehle an einem eigenständigen Teilzweck. Es fehle auch an der Voraussetzung „auf Dauer“, da die Besatzungen eines Flugzeugs ständig wechselten. Anders als bei Seeschiffen gebe es keine feste Zuordnung von Personal zu einer bestimmten Maschine. „Teilweise“ hätte das Crew- und Kabinenpersonal „mehrfach täglich das Flugzeug gewechselt“ und sei auf unterschiedlichen Strecken geflogen. Schon aus sicherheitstechnischen Gründen sei eine Umlaufplanung mit derselben Crew nicht möglich gewesen. Mangels Vorgesetzte vor Ort seien die einzelnen Stationen kein Betriebsteil. Ebenso wenig das organisatorisch nicht verselbständigte Roof-Wet-Lease. Das Insolvenz – Wet-Lease über den 27.10.2017 hinaus habe keine organisatorisch selbständige Teileinheit geschaffen. Es fehle u.a. die notwendige Dauerhaftigkeit. Randnummer58

Die klägerische Partei habe die primäre Darlegungs- und Beweislast für einen Betriebs(teil)übergang. Eine sekundäre des Beklagten sei mangels substantiierten Vortrags der klägerischen Partei nicht ausgelöst. Im Übrigen könne man vom Beklagten keinen Vortrag für negative Tatsachen und für nicht in seine Sphäre fallende Vorgänge verlangen. Bezeichnend könne die klägerische Partei auch keinen Erwerber für ihr konkretes Arbeitsverhältnis benennen und bleibe im Vagen. Es sei dem Beklagten weder möglich noch zumutbar, Erkundigungen einzuholen. Etwaige – bestrittene – Betriebsteilübergänge nach der Betriebsstilllegung seien weder von der Schuldnerin beabsichtigt noch für sie absehbar gewesen. Randnummer59

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Kündigungsschutzklage ist zulässig, jedoch unbegründet. Randnummer61

Dies, weil Randnummer62

(1.) die Begründetheit einer Kündigungsschutzklage das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung voraussetzt;
(2.) zur Beurteilung dieser Frage es nicht auf die Rechtsansichten der Parteien ankommt und
(3.) bei objektiver Beurteilung nach dem i.V.m. § 138 Abs. 1, 2 ZPO unstreitigem Vorbringen der Parteien ein das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei betreffender Betriebsteilübergang auf die LGW oder auf eine (andere) Fluggesellschaft der E. Group vor dem Zugang der Kündigung am 18.01.2018 stattgefunden hat. Randnummer63

1. Eine Kündigungsschutzklage ist unbegründet, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung der kündigende bisherige Arbeitgeber nicht mehr Arbeitgeber ist: „Stützt ein Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage gegen einen Betriebsveräußerer allein auf die Behauptung, der Betrieb sei bereits vor der Kündigung auf einen Erwerber übergegangen, so führt dies zur Unschlüssigkeit der Klage. Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nämlich nach der punktuellen Streitgegenstandstheorie voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) ein Arbeitsverhältnis besteht. Das gilt auch im Falle des Betriebsübergangs. Die Kündigung eines Betriebsveräußerers nach Betriebsübertragung geht damit mangels bestehendem Arbeitsverhältnis ins Leere; eine gleichwohl erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung ist aber unbegründet, denn ein Arbeitsverhältnis besteht – und zwar schon nach dem eigenen Vorbringen des gegen den Veräußerer vorgehenden Klägers – nicht mehr“ (BAG [15.12.2005] – 8 AZR 202/05 – Rn. 37 m.w.N. = NZA 2006, 597 = NJW 2006, 2141 = AP Nr. 294 zu § 613a BGB = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 45 (Druckmaschinen); vgl. schon BAG [20.03.2003] – 8 AZR 312/02 – Rn. 29 = NZA 2003, 1338 = NJW 2003, 3581 = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 7; BAG [18.04.2002] – 8 AZR 346/01Rn. 32 m.w.N. = NZA 2002, 1207 = AP Nr. 232 zu § 613a BGB = EzA § 613a BGB Nr. 207; ebenso BAG [20.03.2014] – 8 AZR 1/13 – Rn. 27 m.w.N. = NJW 2014, 2604 = AP Nr. 450 zu § 613a BGB = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 152). Randnummer64

2. Das Vorliegen des Ob und Wann eines Betriebs(teil)übergangs hängt von dem zugrunde zu legendem Sachverhalt und nicht von den Rechtsansichten der Parteien ab. Einer Klageabweisung steht nicht entgegen, dass der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für einen Betriebsteilübergang vor dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung hat (1); diesen jedoch bestreitet und die Unklarheit des Zeitpunkts des außerhalb seiner Sphäre liegenden, nur vom Gericht angenommenen Betriebsteilübergangs betont (2) und die Grundsätze des BAG zum gleichwertigen Parteivorbringen zu beachten sind (3). Randnummer65

(1) Der Beklagte ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung schon gar kein Arbeitsverhältnis mehr bestand (BAG [12.11.1998] – 8 AZR 282/97 – juris Rn. 25 = NJW 1999, 1131 = NZA 1999, 310 = AP Nr. 186 zu § 613a BGB = EzA § 613a BGB Nr. 170; Wemheuer, in: Gallner/Mestwerdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 6. Aufl. 2018, BGB, § 613a Rn. 55). Randnummer66

(2) Auf das Bestreiten eines Betriebsteilübergangs und auf die Problematisierung des genauen Zeitpunkts des Betriebsteilübergangs durch den Beklagten kommt es nicht an. Es handelt sich um Rechtstatsachen, die weder von Einreden der Parteien noch von deren taktischen Überlegungen abhängen. Entscheidend ist, ob sich aus dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legendem Sachverhalt ein die klägerische Partei betreffender Betriebsteilübergang vor dem 18.01.2018 ergibt oder nicht. Randnummer67

(3) Der klägerischen Partei kommen nicht die Grundsätze des „gleichwertigen Parteivorbringens“ zugute. Danach kann die klägerische Partei sich das in Widerspruch zu ihrem Sachvortrag stehende Vorbringen des Beklagten wenigstens hilfsweise zu Eigen machen und ihre Klage (auch) hierauf stützen (vgl. BAG [18.04.2002] – 8 AZR 346/01Rn. 29 m.w.N., a.a.O.). Nach Ansicht des BAG soll ein Fall des hilfsweise Sich-zu-eigen-Machens schon immer dann – offenbar stillschweigend – vorliegen, wenn eine klägerische Partei sich nicht nur auf einen Betriebs(teil)übergang beruft, sondern die Klage auch auf andere Unwirksamkeitsgründe stützt (vgl. BAG [15.12.2005] – 8 AZR 202/05 – Rn. 38, a.a.O. (Druckmaschinen)). Aber auch wenn man dies hier zugunsten der klägerischen Partei annimmt, führt das nicht zu einem Obsiegen „auf jeden Fall“: „Wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Kündigung nach den festgestellten Umständen allerdings tatsächlich nicht mehr besteht, ist die Kündigungsschutzklage im Ergebnis unbegründet“ (BAG [15.12.2005] – 8 AZR 202/05 – Rn. 37 m.w.N., a.a.O. (Druckmaschinen)). Randnummer68

3. Auf Grund eines vorherigen Betriebsteilübergangs auf die LGW (oder auf andere Erwerberinnen) war die Schuldnerin am 18.01.2018 nicht mehr Arbeitgeberin der klägerischen Partei. Randnummer69

Dies folgt aus folgenden Voraussetzungen: Randnummer70

(1) Die von der Schuldnerin betriebene Station Stuttgart war eine dauerhafte übergangsfähige wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB.
(2) Die Station Stuttgart ging entweder ganz oder zum Teil auf die LGW über.
(3) Dies zu einem Zeitpunkt vor dem 18.01.2018.
(4) Ein Übergang der gesamten Station Stuttgart vor dem 18.01.2018 wäre durch eine etwaige Aufspaltung der Station auf mehrere Gesellschaften der E. Group nicht ausgeschlossen.
(5) Das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei war einer Betriebsteilerwerberin zuordbar.
(6) Art. 6 GG steht einer Abweisung der Kündigungsschutzklage der wegen ihrer Elternzeit erst nachträglich gekündigten klägerischen Partei nicht entgegen. Randnummer71

3.1 Die von der Schuldnerin betriebene Station Stuttgart war eine übergangsfähige wirtschaftliche Einheit auf Dauer (ein „Betriebsteil“) i.S.d. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB schon bei der Schuldnerin. Randnummer72

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die den Parteien bekannte Entscheidung der entscheidenden Kammer ArbG Berlin [19.07.2018] – 41 Ca 15666/17 – juris verwiesen. Randnummer73

3.2 Die ACMIO-Station Stuttgart ging entweder ganz oder zum Teil auf die LGW über. Randnummer74

Auch insofern kann zunächst auf die Ausführungen des ArbG Berlin [19.07.2018] – 41 Ca 15666/17 – juris verwiesen werden. Genügte es dort im Rahmen des § 1 KSchG festzustellen, dass der Beklagte durch seinen eigenen Vortrag selbst konkrete Anhaltspunkte für einen Betriebsteilübergang zumindest die ACMIO-Stationen betreffend vorgetragen, jedoch nicht ausgeräumt hat, ist hier darüber hinaus positiv festzustellen, dass ein Betriebsteilübergang vor dem 18.01.2018 stattfand. Randnummer75

Die Begründung erfolgt zweistufig: zunächst wird dargelegt, dass die LGW Funktionsnachfolgerin der Schuldnerin hinsichtlich eines Wet-Lease zugunsten der E. ist. Dass eine bloße Funktionsnachfolge noch keine Betriebsnachfolge ist, ändert nichts daran, dass ohne eine Funktionsnachfolge (im vorliegenden Zusammenhang) eine Betriebsnachfolge schlecht möglich erscheint. In einem zweiten Schritt ist darzulegen, dass die LGW nicht nur Funktionsnachfolgerin, sondern auch Betriebsnachfolgerin bezogen auf die ACMIO-Station Stuttgart geworden ist. Randnummer76

3.2.1 Die LGW ist Funktionsnachfolgerin der Schuldnerin bezogen auf die Station Stuttgart. Randnummer77

Vor der Insolvenzeröffnung am 01.11.2017 flog die Schuldnerin vom Flughafen Stuttgart aus mit A319/320 – Maschinen im Wet-Lease für die E., d.h. sie stellte der E. die von der Schuldnerin von Dritten „dry“ geleaste Maschinen nebst dem dazu benötigtem Flugpersonal. Die LGW flog hingegen vor der Insolvenzeröffnung im Wet-Lease für die Schuldnerin, aber nicht im Wet-Lease für E.. Das AOC der LGW beinhaltete vor dem 01.11.2017 auch nicht den Betrieb von Flugzeugen aus der A320-Familie. Randnummer78

Nach den Erklärungen der L. Group gegenüber der EU-Kommission diente der Erwerb der LGW durch L. der Sicherung der Kontinuität des Wet-Lease – Rahmenvertrages und der Ersetzung („replacement“) der Schuldnerin durch die LGW. Der Wet-Lease – Rahmenvertrag betraf die (ausschließlichen (klägerische Partei)/“reinen“ (Rahmen-Interessenausgleich)/überwiegenden (Beklagter)) ACMIO-Stationen Stuttgart, Köln, Hamburg und „gemischte“ Stationen. Im L.-Kaufvertrag verpflichtete sich die Schuldnerin, bis zum Vollzugstag am 09.01.2018 den operativen Betrieb der LGW aufrechtzuerhalten und die LGW bei der Erweiterung der AOC auf den Flugzeug-Typ Airbus A320 zu unterstützen. Randnummer79

Die Schuldnerin flog zunächst geplant maximal bis zum 31.01.2018, dann tatsächlich lediglich bis zum 31.12.2017 im Wet-Lease für E.. Randnummer80

Es wird hier als unstreitig angesehen, dass die LGW eine Erweiterung ihres AOC auf Flugzeuge der A320-Familie erlangt hat und Flugzeuge dieser Muster-Familie flog. Nicht eine Funktionsnachfolge, sondern eine Betriebsnachfolge ist im Streit. Ausweislich der Erklärung der L. gegenüber der EU-Kommission diente der L.-Kaufvertrag der Fortführung des Wet-Lease – Rahmenvertrages, d.h. die LGW sollte anstelle der Schuldnerin die Wet-Lease – Dienstleistung zugunsten der E. übernehmen. Randnummer81

Im Lichte der Klarenberg-Entscheidung des EuGH wird eine Funktionsnachfolge auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die L. Group möglicherweise Flugzeuge der LGW teilweise anders einsetzte als zuvor die Schuldnerin. Ebenso wenig wie bei einer Betriebsnachfolge bedurfte es einer 1:1 – Funktionsnachfolge. Randnummer82

3.2.2 LGW war bezogen auf die Wet-Lease – Station Stuttgart nicht nur Funktionsnachfolgerin, sondern auch Betriebsteilnachfolgerin. Randnummer83

(1) Wesentliche Betriebsmittel eines Luftverkehrsunternehmens sind die von ihm eingesetzten Flugzeuge. Dies auch dann, wenn diese nicht im Eigentum des Unternehmens stehen, sondern lediglich geleast sind. Randnummer84

Ob darüber hinaus auch die Slots einzubeziehen sind, kann hier offenbleiben. Im Überlassungsbereich kommt den Slots keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. schon ArbG Berlin [19.07.2018] – 41 Ca 15666/17 – juris). Die Unklarheit des Vortrags der Parteien in diesem Punkt ist daher unschädlich. Einerseits heißt es, dass es für die Flugzeug- und Arbeitnehmerüberlassung (i.w.S.) („Wet-Lease“) zugunsten der Schuldnerin für E. keiner eigenen Slots der Schuldnerin bedurfte und die LGW als reines Wet-Lease – Unternehmen der Schuldnerin ohne eigene „Streckenrechte“ agiert habe (so die klägerische Partei), andererseits soll es nach dem Bericht der EU-Kommission (zuletzt) eigene „LGW-slots“ (und zusätzliche Slots („surplus slots“)) gegeben haben. Randnummer85

(2) Keine Seite hat sich nun die Mühe gemacht, die im Internet recherchierbare Historie der einzelnen zuletzt bei der Schuldnerin im Wet-Lease für E. eingesetzten 13 A320/A319 – Flugzeuge im Einzelnen darzulegen. Die klägerische Partei hat zum Beweis lediglich das Zeugnis des (ehemaligen) Geschäftsführers der LGW angeboten. Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen. Er behauptet zudem, dass der L.-Kaufvertrag der Vertragspartnerin nicht vorschreibe, welche Flugzeuge die LGW bzw. L. letztlich wie einsetzt. Ein Einsatz vormaliger Wet-Lease – Flugzeuge der Schuldnerin bei der LGW werde daher bestritten. Randnummer86

(3) Eine Vernehmung des von der klägerischen Partei angebotenen Zeugen ist gleichwohl nicht notwendig: Für einen Betriebsteilübergang kommt es nicht darauf an, ob genau die Flugzeuge, die die Schuldnerin nach der Insolvenzeröffnung zuletzt im Wet-Lease für E. flog, auch von der LGW für das Wet-Lease für E. übernommen wurden. Ausreichend ist, dass die LGW mit 13 Flugzeugen der ehemaligen A. Berlin – Flotte im Wet-Lease für E. flog. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die LGW im Wet-Lease für E. mit Flugzeugen mit der Lackierung des insolventen Konkurrenten Air Berlin statt mit A320/319 – Flugzeugen der Air Berlin/E. – Insolvenz – Wet-Lease – Flotte mit der Lackierung von E. flog. Aber selbst wenn man diese im Grunde rein theoretische Möglichkeit einbezieht, schließt dies nicht einen Betriebsteilübergang aus. Es kommt für den Betriebsteilübergang nicht auf die konkrete Maschine, sondern darauf an, dass die LGW bestehende Wet-Lease – Linien der Schuldnerin mit ehemaligen Maschinen der Schuldnerin unter Ausnutzung der durch E. und der Schuldnerin geschaffenen Organisation, definiert durch die Station, dortigen Slots, korrespondierende Slots an den Zielflughäfen, die dadurch ermöglichte Linienflugplanung sowie entsprechende Flugbuchungen der Kunden der E., die davon abhängigen Umlaufplanungen der Schuldnerin für Flugzeuge und Personal über den 31.12.2017 hinaus und Hand in Hand mit der Schuldnerin die konkrete Flugzeug- und Personaleinsatzplanung der Schuldnerin jedenfalls bis zum 31.12.2017 übernommen hat. Das ist das, was hier „Flugzeug-Organisation“ genannt wurde und auch „Umlauf-Organisation“ genannt werden kann. Es kommt nicht auf das individuelle Flugzeug, sondern darauf an, dass irgendein Flugzeug, das sich zuvor im Besitz der Schuldnerin als Leasingnehmerin befand, tatsächlich von der LGW wie zuvor von der Schuldnerin eingesetzt wird und dies unter Ausnutzung und Fortführung der vorherigen ACMIO-Organisation der Schuldnerin. Randnummer87

(4) Selbst wenn man die Behauptungen der klägerischen Partei bezüglich der „fliegenden“ Übernahme der A. Berlin/E. – Insolvenz – Wet-Lease – Airbus-Flotte durch die LGW als streiterheblich erachtete, wären diese – zugunsten des Beklagten – nach § 138 Abs. 1, 2 ZPO unstreitig. Denn der Beklagte hätte auf den substantiierten Vortrag der klägerischen Partei substantiiert eingehen müssen. Die Vorgänge bei der LGW lagen bis zum Vollzug des L.-Kaufvertrages am 09.01.2018 im Geschäfts- und Verantwortungsbereich auch der Schuldnerin. Die LGW war bis zum 09.01.2018 Konzerntochter der Schuldnerin als Konzernmutter. Die LGW war völlig abhängig von den Entscheidungen der Schuldnerin bzw. des Sachwalters. Wenn die restliche A. Berlin/E. – Insolvenz – Wet-Lease – Airbus-Flotte von der „rechten Hand“ der Schuldnerin in die „linke Hand“ der Konzerntochter LGW wechselte, kann sich der Beklagte nicht formal auf das konzernrechtliche Trennungsprinzip zurückziehen. Nach dem L.-SPA hatte sich die Schuldnerin verpflichtet, dass die Insolvenz – Wet-Lease – Produktion zunächst von der Schuldnerin weiter- und im „fliegenden Wechsel“ von der eigenen Konzerntochter LGW fortgeführt wurde. Die LGW hatte ersichtlich kein wirtschaftliches Eigengewicht, sondern war bloßes Faktotum der Schuldnerin als herrschender Konzernmutter. Es kann zwar real ganz anders gewesen sein. Dafür bedürfte es eines substantiierten Vortrages durch substantiierte Darlegung, welche A320 – Flugzeuge die LGW auf Ihr AOC bis zum 08.01.2108 übertragen ließ und mit welchen A320 – Flugzeugen sie bis zum 08.01.2018 unter der Ägide der Schuldnerin geflogen ist. Randnummer88

3.3 Die Übernahme der Station Stuttgart oder Teile davon durch die LGW erfolgte vor dem 18.01.2018. Randnummer89

3.3.1 Dies folgt aus den Grundsätzen zur Bestimmung des Zeitpunktes eines Betriebs(teil)übergangs: Randnummer90

Maßgeblich ist die Betriebsübergangsrichtlinie in der autonomen Auslegung durch den EuGH. Konkret ist das die Leitentscheidung „Celtec“ des EuGH, der das BAG folgen muss und nachzuzeichnen versucht: „Der Übergang der Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen erfolgt notwendigerweise zu demselben Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen übergeht. Der Zeitpunkt dieses Übergangs entspricht dem Zeitpunkt, zu dem die Inhaberschaft, mit der die Verantwortung für den Betrieb der übertragenen Einheit verbunden ist, vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht. Dies ist ein genau bestimmter Zeitpunkt, der nicht nach Gutdünken des Veräußerers oder Erwerbers auf einen anderen Zeitpunkt verlegt werden kann“ (EuGH [26.05.2005] – C-478/03 – „Celtec“ – juris Leitsatz und Tenor zu 1. = NZA 2005, 681 = AP Nr. 1 zu Richtlinie 77/187/EWG); folgend BAG [13.12.2007] – 8 AZR 1107/06Rn. 25 = AP Nr. 338 zu § 613a BGB; BAG [21.02.2008] – 8 AZR 77/07 – Rn. 19 = NZA 2008, 825 = AP Nr. 343 zu § 613a BGB (Hotel); BAG [27.10.2005] – 8 AZR 568/04 – Rn. 24 = NZA 2006, 668 = AP Nr. 292 zu § 613a BGB = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 42). Mit anderen Worten des BAG: „Die Inhaberschaft geht dann über, wenn der neue Betriebsinhaber die wirtschaftliche Einheit nutzt und fortführt“ (BAG [13.12.2007] – 8 AZR 1107/06Rn. 25 m.w.N., a.a.O.). „Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Betriebsinhabers ein, also mit dem Wechsel der Person, die für den Betrieb der übertragenen Einheit als Inhaber verantwortlich ist. Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt (vgl. Senat 15. Dezember 2005 – 8 AZR 202/05 [… a.a.O.]). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der neue Inhaber die Geschäftstätigkeit tatsächlich weiterführt oder wieder aufnimmt. Die bloße Möglichkeit zu einer unveränderten Fortsetzung der Betriebstätigkeit genügt für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs nicht. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen“ (BAG [21.02.2008] – 8 AZR 77/07 – Rn. 19 = NZA 2008, 825 = AP Nr. 343 zu § 613a BGB (Hotel)). Randnummer91

Auf den Zeitpunkt des Übertragungsvertrages (Münchener Kommentar/Müller-Glöge, BGB, 6. Aufl. 2012, § 613a Rn. 59) bzw. Verpflichtungsgeschäfts (KR/Treber, 11. Aufl. 2016, § 613a BGB, Rn. 71) kommt es nicht an. Ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Übernahme der arbeitstechnischen Organisations- und Leitungsmacht im eigenen Namen nicht exakt zu bestimmen, soll allerdings „auf das im Übernahmevertrag enthaltene Datum zurückgegriffen werden“ können (so Erman/Edenfeld, BGB, 14. Aufl. 2014, § 613a Rn. 41). Randnummer92

Unerheblich ist das Ob und das Wann eines Übergangs von Eigentum (Münchener Kommentar/Müller-Glöge, a.a.O., Rn. 59 m.w.N.), das Bestehen eines Rücktrittsrechts (BAG [15.12.2005] – 8 AZR 202/05 – Rn. 51, a.a.O. (Druckmaschinen); KR/Treber, a.a.O., Rn. 58) oder die Frage, für wessen Rechnung wann ein Betrieb geführt wird (Schaub/Ahrendt, Arbeitsrechts-Handbuch, 17. Aufl. 2017, § 117 Rn. 28; Steffan, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 5. Aufl. 2017, § 613a BGB Rn. 49 m.w.N.). Der bloße Gesellschafterwechsel ist kein Betriebsübergang (Steffan, a.a.O., Rn. 50 m.w.N.), entsprechend definiert der Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels auch nicht notwendig den Zeitpunkt eines Betriebsübergangs. Randnummer93

„Erfolgt die Übernahme der Betriebsmittel in mehreren Schritten, ist der Betriebsübergang jedenfalls in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem die wesentlichen, zur Fortführung des Betriebs erforderlichen Betriebsmittel übergegangen sind und die Entscheidung über den Betriebsübergang nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BAG [15.12.2005] – 8 AZR 202/05 – Rn. 43 m.w.N., a.a.O. (Druckmaschinen); Schaub/Ahrendt, a.a.O., Rn. 29; KR/Treber, a.a.O., Rn. 72; Kliemt/Teusch, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 613a BGB Rn. 47). Anfängliche Hindernisse und Verzögerungen werden für unerheblich erachtet (vgl. Karthaus/Richter, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2017, BGB, § 613a Rn. 90; vgl. auch Willemsen/Müller-Bonanni, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2018, BGB, § 613a Rn. 84, 86; wohl eher gegenläufig Schaub/Ahrendt, Arbeitsrechts-Handbuch, a.a.O., Rn. 29). Randnummer94

Negativ setzt ein Betriebs(teil)übergang voraus, dass der bisherige Inhaber „in rechtlich relevanter Form die Leitung des Betriebs, d.h. die Koordination sämtlicher für das Erreichen des Betriebszwecks wesentlicher Faktoren im eigenen Namen, endgültig aufgibt“ (Willemsen, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2018, BGB, § 613a Rn. 53 m.w.N.) Randnummer95

3.3.2 Für den zu entscheidenden Fall bedeutet dies einen Betriebsteilübergang der Station Stuttgart (unter anderem) auf die LGW vor dem 18.01.2018: Randnummer96

3.3.2.-1 Ein Betriebsteilübergang vor dem 18.01.2018 liegt vor, obwohl der Beklagte betont, dass der Zeitpunkt eines vermeintlichen Betriebsteilübergang gänzlich unklar sei – was die Nebulosität der gerichtlichen Auffassung von einem Betriebsteilübergang unterstreiche – und obwohl die klägerische Partei ihre Ausführungen zum Betriebsteilübergang überwiegend zeitlich nicht indiziert, d.h. nicht genau vorträgt, wann genau welches Flugzeug im ehemaligen Besitz der Schuldnerin von LGW im Rahmen des Wet-Lease eingesetzt wurde. Auch die damaligen Flugpläne von E. bezogen auf die Station Stuttgart „operated by“ vormals der Schuldnerin und für die Zeit ab dem 01.01.2018 „operated by“ LGW trägt keine Seite vor. Randnummer97

3.3.2.-2 Es kommt dem Beklagten – um dessen Vorteil und damit Darlegungslast geht es hier – auch kein Anscheinsbeweis zugute. Dieser kommt zwar auch im Bereich des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zum Zuge (Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl. 2018, § 613a Rn. 12 m.w.N.), nach dem BAG aber vornehmlich für die Frage der Rechtsgeschäftlichkeit (BAG [03.07.1986] – 2 AZR 68/85 – Rn. 49, 62 = NZA 1987, 123 = EzA § 613a BGB Nr. 53 = AP Nr. 53 zu § 613a BGB; BAG [02.11.1988] – 2 AZR 192/88 – juris Rn. 26). Es mag zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen sein, ihn auch bei der Beurteilung des Übertragungszeitpunktes anzuwenden (so etwa LAG Hamm [27.05.2011] – 18 Sa 1587/09 – juris Rn. 56 f.). Was aber hier fehlt, ist ein „typischer Geschehensablauf“, d.h. ein „Sachverhalt, bei dem nach der Lebenserfahrung auf die Verursachung durch ein bestimmtes Verhalten geschlossen werden kann“ (BAG [30.09.2004] – 8 AZR 462/03Rn. 46 = NZA 2005, 43 = AP Nr. 275 zu § 613a BGB = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 28). Randnummer98

3.3.2.-3 Es bleiben jedoch unstreitige Hilfstatsachen (vgl. zu diesen allgemein BGH [10.01.2017] – XI ZR 365/14Rn. 32 = BKR 2017, 164; BAG [20.11.2003] – 8 AZR 580/02Rn. 29 = NZA 2004, 489), die in der Gesamtschau die Annahme der Haupttatsache „Betriebsteilübergang vor dem 18.01.2017“ rechtfertigen: Randnummer99

(1) Die gegenüber der EU-Kommission von „L.“ erklärte Absicht, den Wet-Lease Rahmenvertrag statt mit der Schuldnerin mit LGW fortzuführen. Dies vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Zusammenhangs mit kontinuierlichen und fortlaufend buchbaren Linienflügen von E. von den ACMIO-Stationen aus, für deren Betrieb zur Vermeidung von Betriebsstörungen E. sorgen musste. Randnummer100

(2) Die unstreitige Beendigung des Wet-Lease durch die Schuldnerin am 31.12.2017. Randnummer101

(3) Die Erlangung eines auf A320-Maschinen erweiterten AOC´s durch die LGW vor dem 31.12.2017. Randnummer102

(4) Der geplante und tatsächliche Vollzug des L.-Kaufvertrages am 09.01.2017. Randnummer103

(5) Die interne Mitteilung der Schuldnerin vom 30.10.2017 (Anlage K8) – fast gleichlautend mit der Stellenausschreibung der LGW (Anlage K17) -, mit der die Schuldnerin ihre Mitarbeiter animierte, sich bei der LGW für die Standorte Stuttgart und Tegel als Flugpersonal zu bewerben, im Fall des Kabinenpersonals schon am 31.10.2017 in Stuttgart und am 02. oder 03.11.2017 (Anlagen K17/K8) in Berlin. Diese interne Mitteilung wurde zwar von der klägerischen Partei vorgelegt, ist jedoch unstreitig, §§ 138 Abs. 1, 2 ZPO. Der Beklagte bestreitet nur außerhalb seiner Wahrnehmung liegende Ereignisse. Die interne Mitteilung ist aber vom jetzigen Beklagtenvertreter als damaliger Vertreter des damaligen Generalbevollmächtigten mit unterschrieben. Randnummer104

(6) Die interne Mitteilung der LGW an ihre Mitarbeiter (Anlage K15) mit konkreten Angaben zur weiteren operativen Planung nach dem 27.10.2017: danach wollte LGW im Dezember 2017 mit fünf A320 – und ab Januar mit acht A319 – Maschinen im Wet-Lease für E. fliegen. Randnummer105

(a) Die Anlage K15 hat zwar die klägerische Partei nur in Kopie und ohne weiteren Beweisantritt vorgelegt. Dies ist aber unschädlich, da der Beklagte sie nicht substantiiert bestritten hat. Der Beklagte betont zwar, dass er alles bestreite, was sich nicht in seiner Wahrnehmung und in seiner Anwesenheit abgespielt habe. Dies erfasst allerdings nicht die Anlage K15. Zum einen nicht, weil unklar ist, ob der Beklagte wirklich die Echtheit der Anlage K15 Bestreiten und behaupten will, dass die klägerische Partei eine gefälschte Kopie vorgelegt habe. Zum anderen nicht, weil die interne Mitteilung gemäß der Anlage K15 nicht in einem maßgeblichen normativen Sinne außerhalb der Wahrnehmung des Beklagten steht: Die Anlage K15 ist eine interne Mitteilung der LGW unmittelbar nach dem letzten eigenwirtschaftlichen Flug der Schuldnerin am 27.10.2017. Zu diesem Zeitpunkt war die LGW 100%ige Konzerntochter der Schuldnerin. Erklärungen der damaligen Konzerntochter LGW ereigneten sich deshalb im Organisations- und damit im Wahrnehmungsbereich (im normativen Sinne) der Schuldnerin/des Beklagten. Wie die fast wörtliche Übereinstimmung der Anlagen K8 und K17 belegen, war der Schuldnerin am 30.10.2017 auch ohne weiteres ein mit der LGW abgestimmtes Verhalten möglich. Der Beklagte kann sich daher hinsichtlich der Erklärungen der Geschäftsführung der LGW nicht auf ein einfaches Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen. Randnummer106

Der Beklagte hat die Anlage K15 nicht bestritten, weil er auf den konkreten Vortrag der klägerischen Partei, welche zuvor für die Schuldnerin geflogene Flugzeuge von der LGW übernommen nur pauschal erwidert hat. Eine Partei ist als Ausfluss ihrer Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 2 ZPO verpflichtet, zu einem substantiiertem Vortrag der gegnerischen Partei substantiiert Stellung zu nehmen (vgl. BAG [20.11.2003] – 8 AZR 580/02NZA 2004, 489 (491 f.); BGH [11.03.2010] – IX ZR 104/08 – Rn. 16 = NJW 2010, 1357 = MDR 2010, 926), so „sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben“ (BGH [11.03.2010] – IX ZR 104/08 – Rn. 16 = NJW 2010, 1357 = MDR 2010, 926). Die vertragsgemäße Umsetzung des L.-Kaufvertrages mit Hilfe der von der Schuldnerin abhängigen Konzerntochter, von der für die Schuldnerin und Konzernmutter Millionen Euro abhingen, lag jedoch im Wahrnehmungsbereich der Schuldnerin bzw. des sie beaufsichtigenden damaligen Sach- und jetzt Insolvenzverwalters. Randnummer107

Da der Beklagte schon die Anlage K15 nicht bestritten hat, braucht nicht erörtert zu werden, ob der umstrittenen Auffassung des BGH zu folgen ist, dass das Bestreiten eines gegnerischen Vorbringens auch dann zu beachten ist, wenn es für die Partei günstig ist (vgl. BGH [23.06.1989] – V ZR 125/88 – Rn. 16 m.w.N. zum Streitstand = NJW 1989, 2756; dem BGH folgend Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 138 Rn. 11). Randnummer108

(b) Der internen Mitteilung der LGW gemäß Anlage K15 ist die konkrete Einsatzplanung für die zuvor von LGW nicht geflogenen A320/319 – Maschinen zu entnehmen: ab Dezember 2017 mit fünf A320 und ab Januar 2018 mit weiteren acht A319 – Flugzeugen zu fliegen. Das „ab Januar 2018“ ist dabei als „ab Beginn des Monats Januar 2018“ zu lesen, da der „operative Support“ durch die Schuldnerin (nur) bis zum Jahreswechsel 2017/18 angekündigt wird. Zugleich wird deutlich gemacht, dass es um einen nahtlosen „fliegenden Wechsel“ geht: „Diese zeitnahe Übernahme des Geschäfts mit qualifiziertem Personal ist Kernbestandteil unserer neuen Wet Lease Vereinbarung“ (Anlage K15). Randnummer109

Die operative Planung der LGW gemäß Anlage K15 entspricht genau dem Volumen, das die klägerische Partei behauptet: 13 Maschinen. Gleicht man die von der klägerischen Partei angegebenen Flugzeug-Kennzeichen mit den Angaben des Beklagten in seiner Rückgabeliste ab, handelt es sich auch um genau fünf A320 – und acht A319 – Maschinen. Randnummer110

Die in der internen Mitteilung beschriebene sukzessive Übernahme des Wet-Lease – Geschäfts der Schuldnerin korrespondiert im Übrigen auch mit der von der klägerischen Partei nicht näher bestrittenen Behauptung des Beklagten, dass die Schuldnerin nach dem 27.10.2017 das Wet-Lease für E. anfänglich mit 13, ab dem 25.11.2017 mit elf, ab Dezember sukzessive mit weniger, und zuletzt am 31.12.2017 mit acht Flugzeugen im Wet-Lease für E. geflogen sei. Randnummer111

Nach allem tragen die Parteien selbst genügend als unstreitig zu behandelnde Hilfstatsachen vor, um auf die Haupttatsache eines „Betriebsteilübergangs vor dem 18.01.2018“ zugunsten des Beklagten schließen zu können. Randnummer112

3.3.2.-4 Ein Betriebsteilübergang auf die LGW wäre auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die LGW auf Grund eines Pilotenmangels nicht wie ursprünglich geplant mit 13 A320/A319 – Maschinen, sondern mit weniger Flugzeugen im Wet-Lease für E. fliegen konnte. Randnummer113

Dies trotz des Erfordernisses der tatsächlichen Fortführung eines Betriebsteils. Zwar verlangt der EuGH und jetzt folgend das BAG zu Recht für einen Betriebs(teil)übergang, dass nicht nur eine Fortsetzungsmöglichkeit, sondern auch eine tatsächliche Fortführung der wirtschaftlichen Einheit erfolgt (vgl. Schaub/Ahrendt, a.a.O., Rn. 27 m.w.N.). Dieses Kriterium soll verhindern, einen bloßen Erwerber von Betriebsmitteln, der mit den Betriebsmitteln den Betrieb zwar fortführen könnte, es aber nicht will und nicht tut, vor den Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs zu bewahren. Das ist aber ein anderer Fall als der hier vorsorglich mit erwogene Fall einer zwar geplanten, aber wegen eines Pilotenmangels (anfänglich) nicht wie geplant zu 100% durchführbaren tatsächlichen Betriebsfortführung. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass der Wet-Lease – Betrieb der Schuldnerin nach dem 27.10.2017 sich auf nur 13 Maschinen reduziert hatte und alles darauf angelegt war, für diesen Wet-Lease – Bereich eine Erweiterung des AOC der LGW für A320 – Maschinen zu erwirken und 13 A320/A319 – Maschinen auf dem AOC der LGW eintragen zu lassen. Die etwaige Situation, dass die LGW planwidrig auf Grund eines Pilotenmangels tatsächlich nur mit weniger Maschinen fliegen konnte/kann, ist dann keine andere, als eine Betriebsführung, die auf Grund eines arbeitsmarkt-, krankheits- oder streikbedingten Personalmangels nur eingeschränkt erfolgen kann. Entsprechend werden selbst vollständige Betriebspausen von wenigen Tagen oder Wochen für unschädlich angesehen (Bayreuther, in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, AR Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2015, BGB, § 613a Rn. 21 f.; vgl. auch EuGH [07.08.2018] – C-472/16 – „Colino Sigüenza“ – Rn. 42 = NZA 2018, 1123): anfängliche Betriebseinschränkungen bei anfänglicher Fortführungsabsicht sind letztlich unerheblich (vgl. Willemsen, a.a.O., Rn. 76 f. („Vorwirkung“); KR/Treber, a.a.O., Rn. 72). Randnummer114

3.4 Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses der klägerischen Partei vor dem 18.01.2018 wäre auch durch weitere Übergänge von Teilen der Station Stuttgart nicht ausgeschlossen. Weder durch gleichzeitige noch durch nachträgliche Betriebsteilübergänge. Randnummer115

Die klägerische Partei legt Stellenanzeigen auch der E. Europe GmbH und zwar auch für eine Stationierung am Flughafen Stuttgart vor. Die E. Europe GmbH ist ein (auch) im Wet-Lease für die E. GmbH fliegendes Unternehmen, nicht anders wie zuvor die Schuldnerin oder jetzt die LGW. Randnummer116

Das wäre eine bloße unerhebliche Funktionsnachfolge, wenn die E. Europe GmbH mit eigenen Maschinen und eigenem Personal neben der LGW einen Teil der Produktion der ehemaligen A. Berlin/E. – Wet-Lease – Operation übernommen hätte. Randnummer117

Es besteht aber hier die konkrete Möglichkeit, dass die E. Europe GmbH zuvor von der Schuldnerin geleaste – Flugzeuge – zumal wenn die L. Lessor war und/oder diese schon mit der Lackierung von E. zur Verfügung standen – für ein Wet-Lease zugunsten der E. GmbH einsetzte und dies zu einem teilweisen Betriebsteilübergang bezogen auf die Station Stuttgart auf die E. Europe GmbH geführt hat. Randnummer118

Entsprechend besteht auch die konkrete Möglichkeit, dass die deutsche E. GmbH die bei Air Berlin freigewordenen Flugzeuge, insbesondere die aus der A. Berlin/E. – Wet-Lease – Flotte, statt durch eine Wet-Leasinggeberin ganz in Eigenregie betrieben hat. Zumindest nach der internen Mitteilung der Schuldnerin (Anlage K8) suchte nicht nur die E. Europe GmbH, sondern (auch) die „E. Deutschland“ Flugpersonal. Randnummer119

Die Parteien machen dazu keine Angaben, so dass der obige Indizienschluss nicht in Frage gestellt ist. Selbst wenn, wäre er nur durch eine Fallunterscheidung in Form eines Trilemmas zu ergänzen: Randnummer120

3.4.1 Entweder es hat zu keiner Zeit ein Betriebsteilübergang (und vielleicht nur eine Funktionsnachfolge) auf die weiteren Kandidaten E. GmbH und E. Europe GmbH stattgefunden. Dann bleibt es beim Betriebsteilübergang auf die LGW vor dem 18.01.2018: Randnummer121

Der LGW käme nicht die Rechtsprechung zugute, dass die Übernahme eines Betriebsteils noch nicht automatisch die Übernahme des gesamten Betriebes bedeutet bzw. hier – übertragen – die Übernahme des Teils eines Betriebsteils noch nicht die Übernahme des ganzen Betriebsteils bedeutet. Hier liegt der Fall vor, dass die LGW jedenfalls ab dem 01.01.2018 das Wet-Lease der Schuldnerin zumindest im Umfang von 13 A320 – Flugzeugen für die E. GmbH von den Stationen Stuttgart, Köln/Bonn, Hamburg übernommen hat bzw. sie hier so gestellt wird (§ 138 Abs. 2 ZPO). Darüber flog die LGW im Wet-Lease für die E. Group mit zuvor schon von der LGW betriebenen rd. 20 Q400 – Flugzeugen. Die Parteien erklären sich zwar nicht dazu, mit wie vielen A320 – Maschinen die Schuldnerin für E. vor der Insolvenzeröffnung am 01.11.2017 im Wet-Lease von diesen Stationen aus geflogen ist. Da die gemischten Stationen von den reinen ACMIO-Stationen zu trennen sein dürften, sind die 13 übernommenen A320-Flugzeuge nicht auf 33, sondern auf eine geringere Anzahl an Flugzeugen zu beziehen. Das stellt aber nicht einen Betriebsteilübergang in Frage: die Rechtsprechung zur Hauptbelegschaft passt hier nicht, da bei Übernahme von wesentlichen sächlichen Betriebsmitteln nicht nach Prozenten, sondern danach zu fragen ist, ob schon beim Arbeitgeber eine übergangsfähige organisatorische wirtschaftliche Einheit, die sich nicht nur auf die Durchführung eines einzelnen Vorhabens beschränkt, bestand und ob die nur teilweise Übernahme wesentlicher Betriebsmittel die Wahrung der Identität in Frage stellt. Man mag zwar bei einer sehr deutlichen Reduktion Identitätsfragen stellen (so BAG [26.04.2007] – 8 AZR 695/05 – Rn. 60 = ZIP 2007, 2136 = AP Nr. 4 zu § 125 InsO (Aero Lloyd/Aero Flight): Übernahme von drei von 21 Flugzeugen)). Diese Fragen sind aber nur rhetorisch, da die Identität einer Fluggesellschaft nicht von der Anzahl der von ihr geflogenen Flugzeugen abhängt. Auch wenn man dies anders sähe, ist sie jedenfalls hier zu bejahen: der Flugbetrieb von 13 von 33 Flugzeugen im Einsatz wie zuvor bei der Schuldnerin ist kein anderer wie der von 33 von 33: die Identität der übernommenen Einheit ändert sich nicht. In anderer Perspektive: die LGW bzw. die von ihr übernommene Airbus-Flotte hätte entsprechend umgekehrt keine andere Identität gehabt, wenn die LGW das Wet-Lease statt nur mit 13 mit 33 A320- zuvor von der Schuldnerin genutzter Maschinen geflogen wäre. Eine Fluggesellschaft ist keine andere, ob sie nun mit 13 oder 33 A320-Flugzeugen fliegt. Randnummer122

3.4.2 Hat neben dem Übergang auf die LGW ein weiterer Übergang eines Teils der Station Stuttgart auf eine andere Gesellschaft der E. Group stattgefunden, dann entweder vor dem 18.01.2018 oder nach dem 18.01.2018. Randnummer123

3.4.2.-1 Wenn vor dem 18.01.2018, dann wäre nicht überhaupt ein Betriebsteilübergang (siehe oben), sondern lediglich die Zuordnung des Arbeitsverhältnisses der klägerischen Partei problematisch (siehe unten). Randnummer124

3.4.2.-2 Wenn nach dem 18.01.2018 wird ein vorheriger Betriebsteilübergang auf die LGW nicht nachträglich annulliert. Den Überlegungen, einen Durchgangs-Betriebsübergang bei einer Kettenübertragung zu vermeiden (vgl. etwa Willemsen, a.a.O., Rn. 58 m.w.N.), ist entweder nicht zu folgen oder – wenn als grundsätzlicher Möglichkeit doch – sie finden jedenfalls hier keine Anwendung, da ein Direkt-Betriebsübergang zu Recht schon immer dann verneint wird, wenn der Ersterwerber „den Vorteil der konkret existierenden Betriebsorganisation jedenfalls für ein notwendiges Durchgangsstadium nutzbar machen will“, wozu wenige Monate oder Tage ausreichen können (vgl. Willemsen, a.a.O., Rn. 66). Randnummer125

3.5 Das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei war der übergegangenen Station Stuttgart zugeordnet und selbst im Fall einer hypothetischen Betriebsteilspaltung zuordbar: Randnummer126

3.5.1 Der Stationsort der klägerischen Partei war auf ihren Wunsch hin von Berlin-Tegel nach Stuttgart verlegt worden. Die vertragliche Festlegung des Stationsortes vermittelt im Normalfall unproblematisch eine organisatorische Zuordnung des Flugpersonals zur betreffenden Station. Randnummer127

Ob und unter welchen Voraussetzungen etwas anderes gilt, wenn die „eigene“ Station stillgelegt wurde und man in einer noch betriebenen Station eingesetzt wird (vgl. zum Meinungsstand Münchener Kommentar/Müller-Glöge, a.a.O., Rn. 87 m.w.N.; Staudinger/Annuß, 2016, BGB, § 613a Rn. 146 m.w.N.), bedarf hier keiner Entscheidung, sondern betrifft möglicherweise das Kabinenpersonal in Frankfurt. Randnummer128

Die organisatorische Zuordnung des Arbeitsverhältnisses der klägerischen Partei wird auch nicht dadurch geändert oder beendet, dass die klägerische Partei sich zuletzt in Elternzeit befand (vgl. explizit für Elternzeit: Schaub/Ahrendt, a.a.O., § 118 Rn. 4; vgl. auch für Altersteilzeit: Bachner, in: Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid, Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2017, § 97 Rn. 12; für ruhende Arbeitsverhältnisse: Breinlinger, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Arbeitsrecht, 2016, BGB § 613a Rn. 70). Wenn es seitens des BAG heißt, dass die Zuordnung bei einem Arbeitsverhältnis ohne Beschäftigungspflicht nach dem zuletzt innegehabten Arbeitsplatz erfolge (BAG [31.01.2018] – 8 AZR 27/07Rn. 50 = NZA 2008, 705), betrifft dies andere Fallkonstellationen als die hiesige. Hier wurde während einer möglicherweise arbeitspflichtfreien Zeit der maßgebliche Stationsort ausdrücklich einvernehmlich geändert. Randnummer129

3.5.2 Auch im Fall einer anfänglichen Betriebsteilspaltung wäre das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei einer Erwerbergesellschaft zuordbar: Randnummer130

Die Parteien haben nicht vorgetragen, ob die klägerische Partei beschäftigungs-/mutterschutz- oder elternzeitbedingt überhaupt tatsächlich von ihrer neuen Station Stuttgart aus gearbeitet hat. Selbst im Fall eines Übergangs der Station auf mehrere Betriebsteilerwerber und damit verbundener Zuordnungsprobleme würde der Übergang eines Arbeitsverhältnisses daran nicht scheitern: wie im Fall der Betriebsspaltung im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge i.V.m. Art. 12 GG (vgl. BAG [19.10.2017] – 8 AZR 63/16Rn. 46 = NJW 2018, 885 = AP Nr. 470 zu § 613a BGB (Betriebsspaltung/Wahlrecht) wäre – erst recht wegen Art. 6 GG (vgl. auch BVerfG [08.06.2016] – 1 BvR 3634/13Rn. 25 = NZA 2016, 939) – der klägerischen Partei im Fall einer Betriebsteilspaltung im Rahmen einer Einzelrechtsnachfolge ein Wahlrecht einzuräumen (vgl. zum Streitstand bei § 613a BGB: KR/Treber, a.a.O., Rn. 83 m.w.N.; Steffan, a.a.O., Rn. 88; Erfurter Kommentar/Preis, 18. Aufl. 2016, BGB, § 613a Rn. 72 m.w.N.; zögerlich Zwanziger, in: Däubler/Deinert/Zwanziger, KSchR, 10. Aufl. 2017, BGB, § 613a Rn. 65: „selten“). Randnummer131

3.6 Art. 6 GG steht einem Unterliegen der klägerischen Partei nicht entgegen. Anders als in der Entscheidung des BVerfG [08.06.2016] – 1 BvR 3634/13Rn. 25 = NZA 2016, 939 und diese exekutierend des BAG [26.01.2017] – 6 AZR 442/16 – = NZA 2017, 577 verlangt ein verfassungsrechtlich gebotener Mutter-/Elternschutz hier nicht eine Änderung des Ergebnisses durch Fiktion des maßgeblichen Zeitpunkts des Betriebsteilübergangs. Die klägerische Partei verliert zwar formal gegen die Schuldnerin, weil ihr elternzeitbedingt später als „die anderen“ Piloten und Pilotinnen gekündigt wurde. Mutter- und elternschutzrechtlich geht es aber nicht darum, ob die klägerische Partei formal gegen den Beklagten gewinnt oder verliert, sondern darum, ob der klägerischen Partei entgegen Art. 6, 12 GG der Schutz des § 613a BGB genommen wird. Die Feststellung einer Nicht-mehr-Arbeitgeber-Stellung der Schuldnerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ist jedoch lediglich Konsequenz der Sachlogik des automatischen Übergangs eines Arbeitsverhältnisses auf einen Dritten im Fall eines Betriebs(teil)übergangs – letztlich zu Gunsten der klägerischen Partei. Randnummer132

4. Die Kostenentscheidung folgt aus den § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO. Dabei wurde der Weiterbeschäftigungsantrag als unbedingt gestellt interpretiert. Die Festsetzung des Streitwerts im Urteil beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 42 Abs. 2 GKG.

Schlagworte: Bestreiten einfach, Bestreiten qualifiziert, Darlegung, Darlegungs- und Beweislast, Parteivorbringen gleichwertiges, sekundäre Darlegungslast, Tatsachenvortrag schlüssig, Tatsachenvortrag substantiiert