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OLG München, Beschluss vom 30.09.2021 – 3 U 5812/21

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20.07.2021, Az. 3 O 17747/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 03.11.2021.

Gründe

I.

Zur näheren Darstellung sowohl des Sachverhaltes als auch der erstinstanzlichen Prozessgeschichte wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Ergänzend und zusammenfassend ist folgendes auszuführen:

Mit Schriftsatz vom 28.12.2020 beantragt der Antragsteller den Erlass eines dinglichen Arrestes gegen den Antragsgegner. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller gegen den Antragsgegner eine Schadensersatzforderung in Höhe von 248.696,93 € zustehe, die darauf begründet sei, dass der Antragsgegner als Vorstandsvorsitzender der W. AG und zugleich als größter Einzelaktionär in den Jahren 2002 bis Juni 2020 zusammen mit zwei ehemaligen W.-Managern bandenmäßigen Betrug und Fälschung der Geschäftsbilanzen seit mindestens 2015 sowie Marktmanipulation begangen habe. Die W. AG habe dadurch finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver dargestellt werden sollen, umso regelmäßig Kredite von Banken und sonstigen Investoren zu erlangen und daraus fortwährend eigene Einkünfte zu generieren. Tatsächlich sei dem Antragsgegner jedoch klar gewesen, dass der W. Konzern Verluste erziele. Zur Glaubhaftmachung nahm der Antragsteller auf eine Pressemitteilung der Stadtmannschaft München I vom 22.07.2020 Bezug. Der Antragsgegner sitzt seit dem 22.07.2020 aufgrund dieser Vorwürfe in Untersuchungshaft.

Dem Antragsteller sei aufgrund vorangegangen Aktienkaufs unter Zugrundelegung des Kurswertes von 1,15 € je Aktie am Tag vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der oben genannte Verlust entstanden. Bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände hätte die Antragstellerin die Aktien nicht erworben. Zur Glaubhaftmachung legt die Antragstellerin eine eidesstattliche VersicherungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vor. Ein Arrestgrund liege deshalb vor, da die Vollstreckung eines Schadensersatzanspruches gegen den Antragsgegner aufgrund seiner österreichischen Staatsbürgerschaft und der zahlreichen Immobilien, welche der Beklagte im Ausland besitze, wesentlich erschwert würde.

Mit Beschluss vom 30.12.2020 erließ das Landgericht München I einen Arrestbefehl, mit welchem der dingliche Arrest in Höhe von 248.696,93 angeordnet wurde. Dieser Beschluss wurde dem Antragstellervertreter am 30.12.2021 zugestellt. Dem Antragsgegner wurde der Arrestbefehl im Parteibetrieb am 27.01.2021 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 09.04.2021 legt der Antragsgegner gegen den Arrestbeschluss des Landgerichts München I Widerspruch ein. Zur Begründung führt dieser aus, dass der Arrestbeschluss aufgrund der Missachtung des strafprozessualen Vollstreckungsverbots nach § 111h Abs. 2 StPO aufzuheben sei. Damit liege durch die Antragstellerin keine wirksame Vollziehung innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 StPO vor, weshalb der Beschluss aufzuheben sei. Die Staatsanwaltschaft München I erwirkte am 15.07.2020 (ER V Gs 2075/20), am 31.07.2020 (ER V Gs 2295/20) und am 20.08.2020 (ER V Gs 2516/20) ermittlungsrichterliche Beschlüsse, mit welchen der strafrechtliche Arrest zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe angeordnet wurde. In Vollziehung dieser Beschlüsse erfolgte durch die Staatsanwaltschaft München I eine umfassende Pfändung, auf die durch den Antragsgegner eingereichte Aufstellung (Anlage S & P 1) wird Bezug genommen. Die oben genannte Forderung gegen den Freistaat Bayern auf Rückzahlung der Kaution ist von diesen Pfändungen ebenfalls betroffen.

Mit Endurteil vom 20.07.2021 hob das Landgericht München I den Arrestbefehl auf. Zur Begründung führt das Erstgericht aus, dass auf den Widerspruch hin der Arrestbeschluss aufgrund der abgelaufenen Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO aufzuheben sei. Dieses Endurteil wurde dem Antragstellervertreter am 20.07.2021 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 20.08.2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, legt die Antragstellerin gegen dieses Endurteil Berufung ein, welche mit weiterem Schriftsatz vom 13.09.2021 begründet wurde. Der Antragsteller führt aus, dass die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht abgelaufen sei.

II.

Die Voraussetzungen für die Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Das Urteil des Landgerichts München I vom 20.07.2021 begegnet aus Sicht des Senats keinen rechtlichen Bedenken. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts bemisst sich dabei nach § 529 ZPO, demnach sind die vom Gericht der I. Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Im Hinblick auf die Klageabweisung werden keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen im Sinne des § 529 ZPO vorgetragen. Das Landgericht München I hat den Arrestbeschluss zurecht aufgehoben, da die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO abgelaufen ist. Zu den Angriffen der Berufung im Einzelnen:

1. Entgegen der von der Berufung geäußerten Ansicht ist im Widerspruchsverfahren auch zu prüfen, ob der Arrest aufgrund der versäumten Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO aufzuheben ist. Der Arrestschuldner kann die Versäumung der Vollziehungsfrist entweder im Widerspruchsverfahren, § 924 ZPO, oder im Verfahren der Aufhebung wegen veränderter Umstände, § 927 ZPO, geltend machen (MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO, § 929 Rn. 15; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NJW 2010, 3380). Würde man die Vollziehungsfrist im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht prüfen, so würde dies dazu führen, dass das Arrestgericht in Kenntnis der Versäumung der Vollziehungsfrist den Arrest bestätigen müsste. Zudem wäre der Arrestschuldner gehalten, ein weiteres Verfahren nach § 927 ZPO einzuleiten, was dem Grundsatz der prozessökonomie nicht entspricht.

2. Gemäß § 929 Abs. 2 ZPO ist ein Arrest innerhalb einer Frist von einem Monat zu vollziehen, d. h. der Antragsteller muss innerhalb dieser Frist Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet, die Vollstreckung muss also begonnen haben (Zöller/Vollkommer, 32. Auflage 2018, ZPO, § 929 Rn. 10). Die Vollziehungsfrist ist ein Merkmal des Eilcharakters des einstweiligen Rechtschutzverfahrens und wirkt als eine immanente zeitliche Begrenzung des dem Gläubiger gewährten Rechtschutzes. Sie verhindert, dass die Arrestvollziehung unter Umständen erfolgt, die sich von denen zur Zeit der Arrestanordnung wesentlich unterscheiden, und dient so dem Schutz des Schuldners (MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 929 Rn. 1).

3. Vorliegend wurde von Seiten des Antragstellers keinerlei Vollstreckungshandlungen vorgenommen. Dem Einwand der Antragstellerseite, dass eine Beauftragung der Vollstreckungsorgane bereits deshalb nicht in Betracht gekommen sei, da der Arrestkläger seine pfändbaren Konten verschleiert habe, vermag bereits deshalb nicht durchzugreifen, da der Senat aus einer Vielzahl von anderen Verfahren Kenntnis darüber hat, dass Antragstellern eine Vollstreckungshandlung in Konten des Antragsgegners durchaus möglich war. Zudem erfolgt ein Sachvortrag, welche Verschleierungshandlungen der Beklagte hier begangen haben soll, nicht. Auch der Vortrag in der Berufungsbegründung, wonach nunmehr pfändbare Forderungen bekannt geworden seien, vermag nicht zu helfen, da die Vollziehungsfrist abgelaufen ist. Die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO wird somit nicht gewahrt, der Arrestbeschluss war aufzuheben.

III.

Der Klagepartei wird auferlegt, binnen der oben gesetzten Frist zu den Hinweisen des Senats Stellung zu nehmen. Die Rechtsmittelrücknahme wird ausdrücklich angeregt, auf die in diesem Fall eintretende Gebührenermäßigung von 4,0 auf 2,0 wird ausdrücklich hingewiesen.

Schlagworte: Arrestbefehl, säumnis, Vollziehung, Vollziehungsfrist