Auseinandersetzungsansprüche
BGB § 138Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 138
, § 242, § 738 Abs. 1 S. 2, § 735 S. 1, § 127 Abs. 1, § 125 S. 1
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 18.07.2023 (Aktenzeichen: 41 O 11360/20) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtsstreits.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen. Zuständig ist der Bundesgerichtshof.
Der Streitwert wird für den Berufungsrechtsstreit auf € 521.456,39 festgesetzt.
Entscheidungsgründe
A
1
Die Parteien streiten um (einen Teil der) Auseinandersetzungsansprüche (für die Jahre 1995 bis 2019) aus von 1995 bis 2020 bestehender gemeinsamer Zwei-Personen-Steuerberatergesellschaft des bürgerlichen Rechts (künftig: Sozietät), aus der die Beklagte zum 31.12.2020 ausgeschieden ist, sodass die Klägerin sich in Liquidation befindet, weil ihr einziger Gesellschafter nur noch deren Inhaber (künftig: Inhaber der Klägerin) ist. [Streichung jeweils aufgrund Senatsbeschlusses vom 05.06.2025 nach Tatsachenfeststellungsberichtigungsantrag]
2
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil des LG München I vom 18.07.2023 (Bl. 261/276 der erstinstanzlichen Akte; künftig: Erstakte) mit nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen verwiesen.
3
§ 19 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages des Inhabers der Klägerin und der Beklagten (künftig: der Parteien) vom 30.01.1995 (Anlage K 1) enthält folgende Sätze: „Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Mündliche Vereinbarungen und Befreiungen wurden nicht getroffen und sind daher unwirksam.“
4
Aus Nachtrag I (Anlage BB 11) ergibt sich im Hinblick auf etwaige Schriftformklauseln nichts.
5
§ 4 Abs. 2 des Nachtrags II vom 20.11.1998 (Anlage K 4) enthält folgende Sätze: „Mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag sind unwirksam. Änderungen oder Zusätze zu diesem Vertrag haben nur Gültigkeit, wenn sie schriftlich niedergelegt und von den Vertragsparteien unterzeichnet werden. Auch die Abbedingung dieser Vereinbarung hat schriftlich zu erfolgen.“
6
Die Vereinbarung der Parteien vom 30.04.2007 (Anlage K 5), die den Sozietätsvertrag von 1995 ebenfalls ändert bzw. modifiziert, enthält in § 4 Abs. 1 folgende Regelung: „Mündliche Abreden zu diesem Nachtrag, zum Sozietätsvertrag und zu den Nachträgen I und II sind ungültig. Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieser Verträge bedürfen zur Rechtswirksamkeit der Schriftform. Auch die Abbedingung dieser Vereinbarung hat schriftlich zu erfolgen.“
7
Tatsächlich haben die Parteien von Anfang an mündlich Vorwegentnahmen beider Parteien in Höhe von zunächst DM 15.000,00 pro Monat und Gesellschafter, die nicht auf den Gewinn der Gesellschaft angerechnet wurden, und ab 2002 Vorwegentnahmen in Höhe von jeweils € 92.040,00 pro Jahr (ebenfalls ohne Anrechnung auf den Gewinn) und ab 2012 weiter mündlich vereinbart (und diese Vereinbarungen jeweils auch so durchgeführt), dass der Beklagten jährlich vorab mindestens € 118.800,00 (ohne Anrechnung) zustehen sollten.
8
Die Beklagte behauptet, Mitte 2011 hätten die Parteien vereinbart, dass der Inhaber der Klägerin monatlich lediglich noch € 4.000,00 zuzüglich Einkommensteuervorauszahlungen vorab und die Beklagte den restlichen Gewinn insgesamt erhalten sollte.
9
Wegen der den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag abändernden Vereinbarungen der Parteien stünde ihr unter Zugrundelegung des bestrittenen Klägervortrags für die Jahre ab 2013 ein über die ihr jeweils jährlich zustehenden € 118.800,00 hinausgehender Ersatz für Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von jährlich mindestens € 90.000,00 zu.
10
Das LG München I hat mit Endurteil vom 18.07.2023 u.a. festgestellt, dass in die Auseinandersetzungsrechnung der Klägerin als unselbständiger Rechnungsposten € 651.820,49 wegen Überentnahmen im Zeitraum 01.01.1995 bis 31.12.2019 durch die Beklagte zu deren Lasten einzustellen ist.
11
Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte,
das am 18.07.2023 verkündete Urteil des LG München I, Az.: 41 O 11360/20, aufzuheben und die Klage ab- bzw. zurückzuweisen.
12
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten vom 19.08.2023 kostenpflichtig zurückzuweisen.
13
Hinsichtlich des Vortrags der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
14
Der Senat hat Beweis erhoben durch (uneidliche) Einvernahme der Zeugin M.-L. sowie durch die Anhörung der Beklagten als Partei. Eine beabsichtigte Einvernahme des Inhabers der Klägerin als Partei war mangels dessen Vernehmungsfähigkeit nicht möglich. Insoweit hat das Gericht weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen St., auf das verwiesen wird (vgl. Bl. 95/106 der Berufungsakte; künftig: d. A.).
B
15
Die Klägerin ist ordnungsgemäß vertreten: Laut Gutachten des Sachverständigen B. S. vom 28.09.2024, von dessen Richtigkeit der Senat überzeugt ist, ist der Inhaber der Klägerin imstande, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Für eine dementielle Erkrankung oder eine andere schwere geistige Beeinträchtigung hätten sich weder bei der Untersuchung des Probanden noch in der vorliegenden Dokumentation der Vorgeschichte Belege gefunden. Durch körperliche und emotionale Schwäche sei der Proband jedoch besonders gefährdet, auf die in der Verhandlung zu erwartenden Stressoren mit einer erheblichen psychischen und körperlichen Dekompensation (Panikattacke, hypertone Krise u.a.m.) zu reagieren, weshalb er sowohl körperlich als auch psychisch nicht in der Lage sei, an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen, weshalb keine Verhandlungsfähigkeit bestehe.
16
Damit bleibt die Zeugenstellung der Zeugin M.-L., die Betreuungsvollmacht für ihren Vater besitzt, erhalten.
17
Da die Beklagte zum 31.12.2020 unstrittig aus der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zwischen den Parteien ausgeschieden ist, ist der Inhaber der Klägerin als alleiniger Gesellschafter zu deren Liquidation und damit zu deren alleiniger Vertretung befugt (und verpflichtet), sodass auch unter diesem Aspekt die Klage zulässig ist.
C
18
Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 511, 517, 520 ZPO) hat im Ergebnis keinen Erfolg (§ 735 Satz 1, § 739 BGB jeweils in der bis 31.12.2023 geltenden Fassung: Art. 229 § 61 EGBGB):
I.
19
Die Klage ist zulässig.
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1. Nicht recht nachvollziehbar ist die Rüge, das erstinstanzliche Urteil sei mangels Erlasses eines Teilversäumnisurteils unvollständig. Das Erstgericht hat die Klage im Übrigen abgewiesen, weshalb die Beklagte nicht beschwert sein kann. Im Übrigen wäre bei Unvollständigkeit des erstinstanzlichen Urteils der richtige Antrag nicht in der Berufungsinstanz zu stellen, sondern Urteilsergänzung nach § 321 ZPO zu beantragen. Dies hat die Beklagte jedoch nicht getan.
21
2. Ein Vermittlungsverfahren durch die Steuerberaterkammer nach § 7 Abs. 3 der Berufsordnung für Steuerberater (künftig: BOStB) steht dem Klageverfahren nicht entgegen: Dort ist lediglich der Versuch einer gütlichen Einigung vorgeschrieben. Dem ist die Klägerin nachgekommen, wie die Beklagte selbst einräumt. Zu Weiterem ist die Klägerin jedoch schon unter dem Blickwinkel der Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 20 Abs. 3 GG nicht verpflichtet, zumal die BOStB kein formelles Gesetz sondern lediglich eine Satzung der berufsständischen Selbstverwaltung ist.
22
3. Aus dem gleichen Grund verfängt auch nicht der Verweis auf die Schlichtungsklausel in § 19 letzter Satz des Sozietätsvertrages vom 30.01.1995 (Anlage K 1): Die Entscheidung des BGH vom 14.03.2023 (II ZR 152/21, WM 2023, 816) ist zu einer ganz anderen Klausel ergangen (Frist von 4 Wochen, zusätzliche Befristungsklausel der Klagemöglichkeit nach diesen 4 Wochen). Im vorliegenden Vertrag findet sich keinerlei Befristung, theoretisch könnte also, wenn die Argumentation der Beklagten, der Inhaber der Klägerin habe sich auf gar keine Schlichtung einlassen wollen, richtig wäre, die Beklagte dieses Verfahren so in die Länge ziehen, dass der Klägerin faktisch der Weg zu den ordentlichen Gerichten versperrt wäre. Darüber hinaus handelt es sich um eine Schlichtungsklausel zwischen dem Inhaber der Klägerin und der Beklagten, nicht aber zwischen der Klägerin und der Beklagten (auch wenn natürlich nicht übersehen werden darf, dass die sich in Liquidation befindliche Klägerin letztlich eine als werbende Gesellschaft rechtlich nicht mögliche Ein-Mann-Gesellschaft des bürgerlichen Rechts darstellt). Die Schlichtungsklausel hindert, nachdem die Steuerberaterkammer auch nach Beklagtenvortrag angerufen worden war, den vorliegenden Rechtsstreit nicht.
23
4. Vorgänge aus dem Jahr 2020 hindern die Klage ebenfalls nicht, da es hier nur um die Teilauseinandersetzung bis 2019 geht.
II.
24
Die Klägerin als Gesellschaft in Liquidation ist aktivlegitimiert: Im Sozietätsvertrag der Parteien vom 30.01.1995 (Anlage K 1) ist in § 17 auf der Seite 15 unten im letzten Absatz geregelt, dass der kündigende Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und durch den verbleibenden Gesellschafter fortgesetzt wird. Die Klägerin ist damit aktivlegitimiert und wird allein durch den verbleibenden Partner entgegen der Ansicht der Beklagten vertreten (da die Beklagte ja zum 31.12.2020 ausgeschieden ist). In Liquidation befindet sich die Klägerin, weil sie nur noch aus einem Gesellschafter besteht.
III.
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Der Senat ist davon überzeugt, dass die Parteien im Jahr 2011 für die Jahre 2011 und Folgejahre mündlich vereinbart haben, dass der Inhaber der Klägerin monatlich lediglich noch € 4.000,00 plus Einkommensteuervorauszahlungen und die Beklagte den gesamten übrigen Gewinn jährlich erhalten sollte:
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1. Der Inhaber der Klägerin hat, erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2021 als Partei angehört, angegeben, 2011 habe es (im Gegensatz zu den Angaben der Beklagten) keine Besprechung zu Gewinnverteilungsänderungen gegeben. Das sei am 14.05.2012 gewesen, man habe sich geeinigt, dass er € 4.000,00 monatlich vorab plus 75% Gewinnanteil plus Steuervorauszahlungen erhalten solle (wobei bei Letzterem unklar ist, ob als Vorwegentnahme oder auf den Gewinnanteil anzurechnende Vorwegentnahme) und die Beklagte vorab € 118.800,00 zuzüglich ihren Gewinnanteil von 25%.
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2. Die Zeugin M.-L., vom Senat vernommen, hat diese Angaben mit einem Zusatz im Wesentlichen bestätigt. Der Zusatz war, dass auch der Beklagten noch die Einkommensteuervorauszahlungen zugestanden worden seien.
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3. Die Beklagte, vom Senat als Partei angehört, gab an, wohl im August 2011 habe der Inhaber der Klägerin allein ihr in ihrem Büro angeboten, ihm monatlich vorab noch € 4.000,00 zuzüglich Einkommensteuervorauszahlungen zu zahlen, während der Rest des Gewinns an die Beklagte gehen sollte. Die von der Zeugin geschilderte Besprechung am 14.05.2012 habe tatsächlich erst am 18.01.2013 stattgefunden, man habe ihr € 8.500,00 monatlich vorweg zuzüglich € 8.400,00 x 2 für ein KFW-Darlehen, das sie damals aber schon gar nicht mehr offen gehabt habe, angeboten. Das habe sie abgelehnt.
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4. Alle Angaben der drei Beteiligten sind auffällig:
30
a) Beim Inhaber der Klägerin bleibt ungeklärt, warum er zwar von Einkommensteuervorauszahlungen für sich, nicht jedoch für die Beklagte sprach, obwohl diese wiederum die Zeugin M.-L. bekundet hat.
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b) Für die Zeugin M.-L. war ein wesentlicher Punkt der Besprechung am 14.05.2012 die Überentnahmen der Beklagten, daneben die Reduktion der Vorwegentnahmen durch ihren Vater. Ersteres erwähnte der Inhaber der Klägerin ausweislich des Protokolls bei seiner Anhörung durch das LG München I nicht einmal, obwohl die Beklagte zuvor bereits ihre Sicht der Dinge entsprechend ihrer Anhörung durch den Senat geschildert hatte. Ein Eingehen hierauf wäre also äußerst naheliegend gewesen.
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c) Bei der Beklagten ist auffällig, dass sie bei ihrer Schilderung des Inhalts der Besprechung am (nach ihren Angaben) 18.01.2013 nicht einmal erwähnt, damals darauf hingewiesen zu haben, dass sie sich mit dem Inhaber der Klägerin 2011 bereits entsprechend geeinigt hätte (was äußerst nahe gelegen hätte).
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d) Überhaupt nicht nachvollziehbar ist die Schilderung der Zeugin M.-L., warum es nach Ansicht ihres Vaters mit den Überentnahmen durch die Beklagte bereits 2012 nicht habe weitergehen können, es tatsächlich aber so weitergegangen ist („Kanzleikonto immer am Anschlag“), die Zeugin, auf diese Diskrepanz hingewiesen, ausgewichen ist auf diesbezügliche Feststellungen erst 2014 (obwohl auf Veranlassung des Inhabers der Klägerin diese Entnahmen schon Jahre zuvor laufend gesondert mitgeschrieben worden und der Beklagten am 12.05.2012 auch vorgehalten worden seien). Und selbst danach wären noch 6 bis 7 Jahre Zeit gewesen, auf das aus Sicht der Klägerseite absprachewidrige Verhalten der Beklagten gegebenenfalls durch Kündigung der Beklagten aus wichtigem Grund zu reagieren. Letzteres deutet eindeutig auf die Richtigkeit der Angaben der Beklagten hin, sodass die weitere Besprechung (ob nun 2012 oder Anfang 2013) nur als eine Art Absprachereue des Inhabers der Klägerin zu interpretieren wäre.
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e) Ferner passt zur etwaigen Richtigkeit der Angaben der Beklagten, dass die Zeugin M.-L. in ihrer ersten Vernehmung am 01.04.2022 bekundet hat, ihr Vater habe noch bis 2015 in der Kanzlei mitgearbeitet und dann noch im Jahr 2019 einen großen Fall mit ihr zusammen mit einem Umsatz von € 100.000,00 abgeschlossen. Wenn das so war (ab 2016 also keine wesentliche Mitarbeit des Inhabers der Beklagten mehr), wäre bei einer Einkommensverteilung entsprechend den Schilderungen der Zeugin und des Inhabers der Klägerin zwingend zu erwarten gewesen, dass die Beklagte ihrerseits eine neue Verteilung der eingenommenen Gelder gefordert hätte, was sie aber offensichtlich nicht getan hat (zumindest wurde dies von keinem der Beteiligten so geschildert und auch in den Schriftsätzen so nicht vorgetragen).
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5. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kommt der Senat zu dem (Zwischen-) Ergebnis, der Beklagten den geschilderten Ablauf zu glauben und sich von der Richtigkeit von deren Angaben zu überzeugen (allerdings mit Folgen, von denen die Beklagte eher nicht bei ihrem eigenen Vortrag ausgegangen sein dürfte, vgl. dazu unten unter Ziffer B V).
IV.
36
Diese mündliche Vereinbarung (€ 4.000,00 plus Einkommensteuervorauszahlung an den Inhaber der Klägerin, den Rest des Gewinns an die Beklagte) ist jedoch im Hinblick insbesondere auf § 4 Abs. 1 der Vereinbarung vom 30.04.2007 (Anlage K 5) unwirksam, weshalb zu Lasten der Beklagten insgesamt € 1.845.009,40 für die Jahre 1995 bis 2019 in die Auseinandersetzungsbilanz einzustellen wären. Deshalb verbleibt es wegen des Verbots der reformatio in peius (§ 528 Satz 2 ZPO; nur die Beklagte hat Berufung eingelegt) bei dem Ersturteil.
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1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind solche qualifizierten (bzw. doppelten) Schriftformklauseln (abgesehen vom Problem des § 305b BGB im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen, was hier aber schon im Hinblick auf § 310 Abs. 4 BGB keine Rolle spielt) speziell unter Kaufleuten wirksam und auch so zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 02.06.1976, VIII ZR 97/74, WM 1976, 717, 718, Ziffer II 2; Urteil vom 17.09.2009, I ZR 43/07, MMR 2010, 336, 337, Randziffer 21), lediglich im Urteil vom 17.03.2004 (XII ZR 306/00, Randziffer 20 – nach juris) wurde im Rahmen einer Aufrechnungsklausel eine mündliche (Teil-) Abänderung trotz qualifizierter Schriftformklausel zugelassen. Bei den hiesigen Parteien handelt es sich im Hinblick auf die freien Berufe nicht um Kaufleute, aber um kaufleuteähnliche Personen, noch dazu mit, wenn auch eingeschränktem, juristischem Berufsbezug, weshalb der Senat keine Veranlassung sieht, hiervon abzugehen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Beklagte damit faktisch für einen relativ geringfügigen Verdienst über 25 Jahre gearbeitet hat. An einer Korrektur über § 242 BGB sieht sich der Senat jedoch gehindert, da für eine treuwidrige Vereitelung der Schriftform durch den Inhaber der Klägerin als einzigem Grund für eine Anwendung des § 242 BGB in diesem Zusammenhang (vgl. BGH, Urteil vom 02.06.1976, VIII ZR 97/74, WM 1976, 717, 718f., Ziffer II 3; Urteil vom 17.09.2009, I ZR 43/07, MMR 2010, 336, 337, Randziffer 22) kein Anhaltspunkt besteht und die Beklagte sich hierauf nicht einmal beruft.
38
2. Das bedeutet für die Berechnung der Gelder, die der Beklagten zustehen.
39
a) Für die Jahre 1995 und 1996 hatten die Parteien in § 9 des Ausgangsvertrags vom 30.01.1995 (Anlage K 1) eine Vorabpauschale für den Inhaber der Klägerin von DM 25.000,00 (1995) bzw. DM 50.000,00 (1996) vereinbart bei einer Gewinnaufteilung im Übrigen von jeweils 50%.
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b) Für die Jahre ab 1997 war in § 9 des Ausgangsvertrags vom 30.01.1995 (Anlage K 1) vereinbart, dass der Inhaber der Klägerin vorab 4,25% des Unterschiedsbetrages der von den Parteien in die Sozietät eingebrachten Vermögensgegenstände, also DM 1.245.000,00 – DM 104.500,00 = DM 1.140.500,00 erhalten sollte.
41
c) Aus Anhang I zum Sozietätsvertrag der Parteien vom 31.01.1995 (Anlage BB 12) ergibt sich für die Gewinnverteilung einschließlich Vorabpauschalen nichts anderes.
42
d) Laut zweitem Nachtrag zum Sozietätsvertrag zwischen den Parteien vom 20.11.1998 (Anlage K 4) sollte die Vorwegvergütung des Inhabers der Klägerin entsprechend seiner gesunkenen Gesellschaftsbeteiligung mit Wirkung zum 01.09.1998 sinken, also statt 91,61% 75%, während die Gewinnbeteiligung der Beklagten auf 25% sinken sollte. Der rechnerische Vermögensanteil der Beklagten stieg um DM 210.000,00, sodass sich der Vermögensanteilsfaktor für die Vorwegentnahme durch den Inhaber der Klägerin reduzierte auf DM 1.245.000,00 – DM 314.500,00 = DM 930.500,00.
43
Mangels genauerer Angaben kann der Senat daher nur den für 1998 erzielten Gewinn zeitanteilig auf die 12 Monate des Jahres 1998 gleichmäßig durch Schätzung (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO) verteilen.
44
e) Durch den dritten Nachtrag zum Sozietätsvertrag vom 30.04.2007 (Anlage K 5) haben die Parteien an dieser Gewinnaufteilung nichts geändert.
45
f) Entgegen der Ansicht beider Parteien kommt es auf eine Vereinbarung zwischen ihnen hinsichtlich der Gewinnverteilung für Jahre bis 2010 nicht an, da auch diese Vereinbarung lediglich mündlich getroffen wurde (zumindest haben die Parteien keine entsprechende schriftliche Vereinbarung vorgelegt).
46
g) Soweit sich die Beklagte jetzt darauf beruft, dass die Jahresabschlüsse nicht unstrittig seien, ist dieser Vortrag in der Berufungsinstanz neu (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO), und es ist nicht ersichtlich, wieso die Beklagte diesen Vortrag nicht schon erstinstanzlich hätte halten können. Die Jahresabschlüsse selbst sind nicht Inhalt des Gesellschaftsvertrages der Parteien und unterfallen daher nicht der Schriftformklausel.
47
h) Die Berechnung findet sich in der diesem Urteil als Anlage 1 beiliegende Excel-Tabelle.
V.
48
Der Senat hat im Hinblick auf das vorstehende Ergebnis erhebliche Zweifel an dessen Vereinbarkeit mit § 138 Abs. 1, § 242 BGB, sieht sich aber durch die eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hieran gebunden. Vorsorglich berechnet der Senat jedoch die Ergebnisse für die Fallvarianten, dass die qualifizierte Schriftformklausel aufgrund mündlicher Aufhebung durch die Parteien nicht zum Tragen kommt, und zwar unter dieser Ziffer B V unter Zugrundelegung des vorstehenden Beweisergebnisses des Senats und unter Ziffer B VI unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin (entsprechend dem Verständnis durch den Senat).
49
1. Die Gewinnanteile und die Entnahmen der Beklagten haben die Parteien für die Jahre bis 2010 unstrittig gestellt und werden vom Senat übernommen.
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2. Ab dem Jahr 2011 wurden dem Inhaber der Klägerin pro Monat nur noch € 4.000,00 zugeschrieben, über seine Einkommensteuervorauszahlungen ist nichts bekannt. Sie wurden daher bei einem jährlichen Gesamtgewinn zwischen 2011 und 2019 von durchschnittlich € 236.148,52 und einer Beteiligung des Inhabers der Klägerin von 75%, also € 177.111,39, hieran mit jährlich 33% geschätzt.
51
3. Die Berechnung ergibt sich aus diesem Urteil als Anlage 2 beiliegende Excel-Liste. Zu Lasten der Beklagten wären € 526.944,67 in die Auseinandersetzungsbilanz einzustellen.
VI.
52
Setzt man eine Vorwegentnahme des Inhabers der Klägerin von monatlich € 4.000,00 zuzüglich Einkommensteuervorauszahlungen wie unter Ziffer B V an und berücksichtigt zusätzlich eine Vorwegentnahme der Beklagten in Höhe von jährlich € 118.800,00 sowie eine Einkommensteuervorauszahlung der Beklagten von jährlich geschätzt 29% von 25% der durchschnittlichen Gewinne (in Höhe von € 59.037,13; die Angaben der Beklagten hierzu kann der Senat nicht nachvollziehen), ergeben sich die Ergebnisse entsprechend der diesem Urteil beiliegenden Anlage 3. Wichtig: Der Rest„gewinn“anteil ist tatsächlich zu erheblichen Teilen im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Vorwegpauschalen ein Verlust, an dem die Beklagte ebenfalls mit (lediglich) 25% beteiligt ist, sodass zu Lasten der Beklagten ein Betrag in Höhe von € 484.966,35 in die Auseinandersetzungsbilanz einzustellen wären.
VII.
53
Die Beklagte kann sich hinsichtlich der Anpassung ihres Gewinnanteils bzw. eines an sie vorab zu zahlenden „Geschäftsführergehalts“ auch nicht erfolgreich auf die gesellschaftsrechtliche TreuepflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
gesellschaftsrechtliche Treuepflicht
Treuepflicht
berufen: Denn die Parteien haben für die Zeit ab 2012 nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Erstgerichts die der Beklagten zu zahlende Vorwegvergütung angehoben (von € 92.040,00 auf € 118.800,00 jährlich [nicht, wie das Erstgericht versehentlich schrieb: monatlich]; vgl. Schriftsatz Klägerseite vom 13.06.2023, Seite 6 = Bl. 258 der erstinstanzlichen Akte). Da der Inhaber der Klägerin im November 2010 ernsthaft erkrankte, wäre es der Beklagten für die Jahre ab 2011 ohne Weiteres möglich gewesen, auch auf eine endgültige andere Gewinnverteilung zu dringen bzw. den Sozietätsvertrag bereits damals zu kündigen. Eine entsprechende Treuepflicht(verletzung) (außerhalb einer vertraglichen Vereinbarung) sieht der Senat hier jedenfalls nicht.
C
54
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
55
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit dieses Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13.11.2014, NJW 2015, 77, 78, Randziffer 16).
56
Der Streitwert für den Berufungsrechtsstreit errechnet sich mit 80% der nominellen Beschwer der Beklagten.
57
Da, wie unter Ziffer B V ausgeführt, der Senat erhebliche Zweifel daran hat, ob in einem Fall wie dem vorliegenden die ständige Rechtsprechung des BGH zur qualifizierten Schriftformklausel uneingeschränkt anzuwenden ist, bejaht der Senat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO und lässt zugunsten der Beklagten die Revision zu.
Schlagworte: Auseinandersetzung, Auseinandersetzung von Gesellschaftern, Auseinandersetzungsverfahren