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FG Münster, Beschluss vom 3. Mai 2022 – 8 V 246/22 GrE

§ 69 Abs 3 S 1 FGO, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 133 BGB, § 157 BGB, § 6a S 1 GrEStG 1997, § 1 Abs 1 Nr 2 UmwG, § 123 Abs 3 Nr 2 UmwG

1. Auf welchen Lebenssachverhalt ein Bescheid Bezug nimmt und diesen damit zum Regelungsgegenstand macht, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs festzustellen. Entscheidend sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte.

2. Die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine Kapitalgesellschaft zur Neugründung ist vom Wortlaut des § 6a Satz 1 GrEStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erfasst.

3. Die Anwendung des § 6a GrEStG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der spätere Alleingesellschafter der Kapitalgesellschaft als Einzelunternehmer beteiligt ist. (Herrschendes) „Unternehmen“ meint im Rahmen des § 6a GrEStG alle Rechtsträger, die wirtschaftlich tätig sind, unabhängig von der Rechtsform.

4. Für die Anwendung des § 6a GrEStG muss die Beteiligung an den abhängigen Gesellschaften auch nicht im Betriebsvermögen gehalten werden.

Tenor

Die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 10.12.2021 wird bis einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung, längstens bis zur anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens ausgesetzt und, soweit der Bescheid bereits vollzogen ist, aufgehoben.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob bei der Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründenden Kapitalgesellschaft die Begünstigungsvorschrift des § 6a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) Anwendung findet.Randnummer2

Herr N war Alleineigentümer mehrerer Grundstücke im Bezirk des Antragsgegners, die er im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens mit dem Gegenstand Vermietung und Verpachtung von Gewerbeobjekten und Betriebsausstattung hielt. Er war als Einzelkaufmann im Handelsregister eingetragen. Mit Vertrag vom 17.03.2021 (Urkundenrolle Nummer 00/2021 der Notarin O, L) gliederte er sein Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva gemäß §§ 152, 158 ff., 123 ff. Umwandlungsgesetz (UmwG) auf die im Zuge der Ausgliederung gegründete Antragstellerin aus. Hinsichtlich der zum Teil zum Betriebsvermögen und zum Teil zum Privatvermögen gehörenden Grundstücke wurden im Zuge der Ausgliederung zur Neugründung jeweils zwei entsprechende Miteigentumsanteile begründet und der „betriebliche Miteigentumsanteil“ auf die Antragstellerin übertragen. Mitübertragen wurden auch die Anteile an der A GmbH, die Alleingesellschafterin weiterer, teils grundbesitzender Kapitalgesellschaften war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 17.03.2021 Bezug genommen. Sämtliche vom Ausgliederungsvorgang betroffenen Grundstücke liegen im Bezirk des Antragsgegners.Randnummer3

Die Antragstellerin wurde am 28.04.2021 in das Handelsregister eingetragen. Am 28.05.2021 erfolgte die Eintragung der Ausgliederung im Handelsregister des Sitzes des Einzelunternehmens.Randnummer4

In einem Schreiben des Antragsgegners an die Notarin vom 22.07.2021 – das diese ausweislich der vom Bevollmächtigten der Antragstellerin erstellten Antwort an die Antragstellerin weitergeleitet hat – heißt es (anlässlich der Anforderung von Unterlagen zur A GmbH) unter dem Betreff „Ausgliederungsvertrag N auf die E GmbH vom 17.03.2021“, Herr N habe seinen „gesamten, unter HRA 0000 im Handelsregister eingetragenen Betrieb“ auf die Antragstellerin übertragen. Diese Übertragung sei mit Eintrag im Handelsregister am 28.05.2021 wirksam geworden.Randnummer5

Aus den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten und darin befindlichen handschriftlichen Notizen und Markierungen geht hervor, dass der Sachbearbeiter des Antragsgegners davon ausging, dass Erwerbsvorgänge gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 und § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorliegen und Besteuerungszeitpunkt der 28.05.2021 ist.Randnummer6

Mit Bescheid vom 10.12.2021 setzte der Antragsgegner Grunderwerbsteuer in Höhe von X EUR fest. Der Bescheid nimmt auf den als „Kaufvertrag“ bezeichneten Vertrag vom 17.03.2021 und dessen Datum Bezug; die nachfolgende Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
erwähnt der Bescheid nicht. In den Erläuterungen zur Steuerfestsetzung (Ziffer 4. des Bescheids) ist von „Ausgliederung“ und „Übertragung der Beteiligung an der A GmbH“ die Rede. Die Bemessungsgrundlage sei geschätzt worden. Die Grundbesitzwerte seien noch gesondert festzustellen. In den dem Gericht vorgelegten Akten befindet sich keine den Besteuerungsstichtag ausweisende Anforderung der Grundbesitzwerte.Randnummer7

Gegen den Bescheid vom 10.12.2021 legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der VollziehungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aussetzung
Aussetzung der Vollziehung
Vollziehung
. Sie trug zur Begründung im Wesentlichen vor: Es seien zwar die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfüllt. Die Erwerbsvorgänge seien aber nach § 6a GrEStG steuerfrei. Das Sächsische Finanzgericht habe entschieden, dass diese Vorschrift auch auf die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft Anwendung finde (Urteil vom 30.06.2021, 2 K 121/21). Gegen dieses Urteil habe die Finanzverwaltung Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Es genüge auch, dass die Antragstellerin selbst wirtschaftlich tätig sei; Herr N müsse kein Unternehmer sein (Verweis auf Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 25.11.2015, II R 63/14). Die Verwaltungsauffassung, dass § 6a GrEStG auf Fälle der Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft keine Anwendung finde (Ländererlasse vom 22.09.2022, Tz. 2.1), stehe im Widerspruch zu dieser Rechtsprechung.Randnummer8

Mit Verfügung vom 27.01.2022 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der VollziehungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aussetzung
Aussetzung der Vollziehung
Vollziehung
ab. Das Einspruchsverfahren wurde bis zur Entscheidung des BFH (Aktenzeichen zunächst II B 47/21, nach Zulassung der Revision durch den BFH: II R 2/22) ruhend gestellt.Randnummer9

Die Antragstellerin hat am 03.02.2022 einen Antrag auf Aussetzung der VollziehungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aussetzung
Aussetzung der Vollziehung
Vollziehung
bei Gericht gestellt. Sie wiederholt ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren.Randnummer10

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 10.12.2021 bis einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung, längstens bis zur anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens auszusetzen und, soweit der Bescheid bereits vollzogen ist, aufzuheben;
hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.Randnummer11

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.Randnummer12

Er trägt vor: Selbst wenn die dem Streitfall zugrunde liegende Rechtsfrage vom BFH noch nicht entschieden worden sei und im Schrifttum Bedenken gegen die Rechtsauslegung der Finanzverwaltung erhoben würden, sei die Rechtsfrage im Grunderwerbsteuererlass eindeutig und unmissverständlich geregelt. Dadurch werde sichergestellt, dass gleichgelagerte Lebenssachverhalte einheitlich beurteilt werden. Der Antragsgegner verweist zudem auf eine Verfügung des Landesamts Sachsen vom 27.09.2021 (213-S 4518/3/1-2021/52627), die nach Weisung der Oberfinanzdirektion auch im Streitfall zu beachten sei. In der Verfügung des Landesamts Sachsen heißt es, dass in den Fällen einer Ausgliederung des Unternehmens eines Einzelkaufmanns auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft keine Aussetzung der VollziehungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aussetzung
Aussetzung der Vollziehung
Vollziehung
zu gewähren sei.

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist begründet. Bei der im Verfahren über die Aussetzung der VollziehungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aussetzung
Aussetzung der Vollziehung
Vollziehung
gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).Randnummer14

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts u.a. aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts bestehen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der hiernach gebotenen Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen, wobei diese nicht überwiegen müssen. Es ist eine summarische Prüfung aufgrund des Sachverhalts vorzunehmen, der sich aus den sog. präsenten Beweismitteln, dem Vortrag der Beteiligten und den Akten ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH, Beschluss vom 20.10.2011, VIII S 5/11, BFH/NV 2012, 262, BFH, Beschluss vom 12.07.2017, X B 16/17, BFHE 257, 523; BFH, Beschluss vom 19.02.2018, II B 75/16, BFH/NV 2018, 706). Nach dieser Maßgabe bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids.Randnummer15

Der Senat geht – unter erheblichen Bedenken – davon aus, dass der Bescheid (noch) hinreichend bestimmt ist. Nach § 119 Abs.1 Abgabenordnung (AO) muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein und nach § 157 Abs.1 Satz 2 AO müssen schriftliche Steuerbescheide die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen. Der Regelungsinhalt muss aus dem Verwaltungsakt eindeutig und exakt hervorgehen. Dies dient unter anderem dazu, dass für den Betroffenen erkennbar ist, welcher Sachverhalt besteuert wird (BFH, Urteil vom 13.09.1995, II R 80/92, BStBl. II 1995, 903).Randnummer16

Reicht der vom Grunderwerbsteuerbescheid erfasste Lebenssachverhalt nicht aus, um den Tatbestand, an den das Grunderwerbsteuergesetz die Steuerpflicht knüpft, zu erfüllen, ist der Bescheid rechtswidrig. Der im Bescheid bezeichnete – nicht steuerbare – Lebenssachverhalt kann nicht durch einen anderen – steuerbaren – ersetzt werden (BFH, Urteil vom 12.02.2014, II R 46/12, BStBl. II 2014, 536). Allerdings ist ein Bescheid rechtmäßig, wenn sich eine Steuerbarkeit zwar nicht aus den vom Finanzamt herangezogenen Ausschnitten eines Lebenssachverhalts, aber aus anderen Ausschnitten dieses Lebenssachverhalts ergibt (BFH, Urteil vom 07.06.1978, II R 97/77, BStBl. II 1978, 568).Randnummer17

Auf welchen Lebenssachverhalt ein Bescheid Bezug nimmt und diesen damit zum Regelungsgegenstand macht, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs festzustellen. Entscheidend sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH, Urteil vom 17.12.2014, II R 2/13, BStBl. II 2015, 557 mit weiteren Nachweisen).Randnummer18

Der BFH hat zur Frage, ob ein Erwerbsvorgang zu dem im Bescheid bezeichneten Lebenssachverhalt gehört, folgende Entscheidungen getroffen:Randnummer19

– Ein Steuerbescheid, der rechtsfehlerhaft den Erwerb eines bestimmten Grundstücks besteuert, kann nicht mit der Begründung aufrecht erhalten werden, es sei ein anderes Grundstück erworben worden. Allerdings ist ein Grundstückserwerb nicht deshalb aufzuheben, weil er einen Grundstückserwerb besteuert, dabei aber von einem falschen Erwerbszeitpunkt ausgeht (BFH, Urteil vom 07.06.1978, II R 97/77, BStBl. II 1978, 568).Randnummer20

– Ein Grunderwerbsteuerbescheid ist nicht allein deshalb rechtswidrig, weil der der Besteuerung unterworfene Rechtsvorgang nicht an dem in dem Steuerbescheid genannten, sondern an einem anderen Tage zustande gekommen ist. Die Benennung des falschen Tages führt jedoch zur Aufhebung, wenn die Behörde einen anderen als den im Steuerbescheid benannten Erwerbsvorgang besteuern wollte. Wenn ein grunderwerbsteuerlicher Tatbestand durch die letzte von mehreren rechtsgeschäftlichen Handlungen verwirklicht wurde, ist daher ein Bescheid rechtswidrig, der an eine der vorangegangenen Rechtshandlungen anknüpft (BFH, Urteil vom 12.02.2014, II R 46/12, BStBl. II 2014, 536).Randnummer21

– Stellt ein Bescheid rechtsfehlerhaft auf die Übertragung der Verwertungsbefugnis anlässlich einer Einbringung ab, kann der Bescheid nicht mit Blick auf eine später erfolgte Verpflichtung zur Eigentumsübertragung aufrechterhalten werden (BFH, Urteil vom 27.08.1975, II R 52/70, BStBl. II 1976, 30).Randnummer22

– Auch die Erhöhung der Einlage eines Kommanditisten und der spätere Eintritt einer Kapitalgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin in die Kommanditgesellschaft stellen keinen einheitlichen Lebenssachverhalt dar (BFH, Urteil vom 06.04.1977, II R 87/75, BStBl. II 1977, 616; BFH, Urteil vom 07.06.1978, II R 97/77, BStBl. II 1978, 568).Randnummer23

– Nimmt ein Bescheid auf die „durch Anteilskauf (Anwachsung) verwirklichten Erwerbsvorgänge“ Bezug und nennt als Datum (trotz späteren Eintritts einer aufschiebenden Bedingung) den Tag des Vertragsschlusses, geht daraus auch ohne Erwähnung der Vorschrift des § 1 Abs.1 Nr. 3 GrEStG hinreichend deutlich hervor, dass nicht der Erwerb der Gesellschaftsbeteiligung, sondern der Übergang des Eigentums an den Grundstücken auf die Antragstellerin besteuert werden sollte (BFH, Urteil vom 13.09.1995, II R 80/92, BStBl. II 1995, 903).Randnummer24

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung dürfte der Bescheid (noch) hinreichend bestimmt sein.Randnummer25

Der Bescheid nennt unter Rechtsvorgang den als „Kaufvertrag“ bezeichneten Vertrag vom 17.03.2021 – Urkundenrolle Nummer 00/2021 der Notarin O. Die Bezeichnung mit „Kaufvertrag“ ist eine offenbare Unrichtigkeit, da – wie den Beteiligten bekannt war – kein Kaufvertrag abgeschlossen wurde. In den Erläuterungen zur Steuerfestsetzung (Ziffer 4. des Bescheids) ist von „Ausgliederung“ und „Übertragung der Beteiligung an der A GmbH“ die Rede. Bei der Auslegung des Bescheids ist zudem das an die Notarin gerichtete und von dieser an die Antragstellerin weitergeleitete Schreiben vom 22.07.2021 zu berücksichtigen. Hierin heißt es unter dem Betreff „Ausgliederungsvertrag N auf die E GmbH vom 17.03.2021“, Herr N habe seinen „gesamten, unter HRA 0000 im Handelsregister eingetragenen Betrieb“ auf die Antragstellerin übertragen. Diese Übertragung sei mit Eintrag im Handelsregister am 28.05.2021 wirksam geworden.Randnummer26

Die Antragstellerin konnte hieraus und aus dem Begriff „Ausgliederung“ erkennen, dass hier der Lebenssachverhalt „Ausgliederung“, der sich auf den Zeitpunkt zwischen Abschluss des notariellen Vertrags und Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Handelsregister
erstreckte, besteuert werden sollte. Der Bescheid gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass (nur) der – keinen Grunderwerbsteuertatbestand auslösende, vgl. BFH, Urteil vom 29.09.2005, II R 23/04, BStBl. II 2006, 137Abschluss des Ausgliederungsvertrags und nicht der – bezüglich der Grundstücke nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG und bezüglich der Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbare – Eigentumsübergang besteuert werden sollte.Randnummer27

Jedenfalls aufgrund des Schreibens des Antragsgegners bedurfte es der Nennung des Datums der Eintragung im Handelsregister nicht (vgl. zur Bezugnahme nur auf das Vertragsdatum auch BFH, Urteil vom 13.09.1995, II R 80/92, BStBl. II 1995, 903).Randnummer28

Aus den genannten Entscheidungen des BFH ergibt sich nichts anderes. In den Fällen, in denen der BFH die einen Bescheid aufrechterhaltende „Ersetzung“ eines grunderwerbsteuerbaren Vorgangs durch einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang abgelehnt hat, waren die beiden im Raum stehenden Vorgänge jeweils rechtlich und tatsächlich voneinander unabhängigen Lebenssachverhalten zuzuordnen. Im Streitfall ist hingegen die mit Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Handelsregister
erfolgte Ausgliederung Ausfluss der Regelungen des Ausgliederungsvertrags; es handelt sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt, dessen einzelne Ausschnitte (vgl. BFH, Urteil vom 07.06.1978, II R 97/77, BStBl. II 1978, 568), das heißt die Vorgänge vom Abschluss des Verschmelzungsvertrag bis zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
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Handelsregister
, im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids zu würdigen sind.Randnummer29

Nach Auffassung des Senats dürften die – steuerbaren – Vorgänge jedoch nach § 6a GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sein. Die mit der Ausgliederung erfolgte Übertragung der im Eigentum des Herrn N stehenden Grundstücke auf die Antragstellerin erfüllt jeweils den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG; der Eigentumsübergang tritt kraft Gesetzes nach §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 135 Abs. 1 UmwG ein, ohne dass die Antragstellerin einen Anspruch auf die Übertragung erworben hat (vgl. Pahlke, § 1 GrEStG Rn. 168). Der Übergang der im Eigentum der Tochtergesellschaften der A GmbH stehenden Grundstücke erfüllt jeweils den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. Jedoch wird gemäß § 6a Satz 1 GrEStG unter anderem für nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 und Abs. 3 GrEStG steuerbare Rechtsvorgänge auf Grund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG die Steuer nicht erhoben. Dies setzt voraus, dass an dem Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Abhängig in diesem Sinne ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG). Die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift liegen vor:Randnummer30

– Bei der Ausgliederung zur Neugründung handelt es sich um einen Vorgang auf Grund einer Umwandlung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG (vgl. § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG).Randnummer31

– An dem Vorgang waren nur Herr N als herrschendes und die Antragstellerin als abhängiges Unternehmen beteiligt. Die die Beherrschung vermittelnde Beteiligung kann auch im Privatvermögen einer natürlichen Person gehalten werden, weil diese dann über die Beteiligung am Markt wirtschaftlich tätig sein kann (BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19, BStBl. II 2020, 329). Im Streitfall war Herr N zunächst als Einzelunternehmer und ist weiterhin über die Beteiligung an der Antragstellerin wirtschaftlich tätig. Wie von § 6a GrEStG vorausgesetzt, waren an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich das herrschende und das abhängige Unternehmen beteiligt.Randnummer32

– Die Anwendung des § 6a GrEStG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil Herr N als Einzelunternehmer beteiligt war. „Unternehmen“ meint im Rahmen des § 6a GrEStG alle Rechtsträger, die wirtschaftlich tätig sind (BFH, Beschluss vom 30.05.2017, II R 62/14, BStBl. II 2017, 916; BFH, Urteile vom 21.08.2019, II R 15-21/19, BStBl. II 2020, 329 ff.). herrschendes Unternehmen kann jedes Unternehmen unabhängig von der Rechtsform sein, also Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaft sowie natürliche und juristische Personen, die wirtschaftlich tätig sind (BFH, Beschluss vom 30.05.2017, II R 62/14, BStBl. II 2017, 916; Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19, BStBl. II 2020, 329). Aus dem Begriff „Unternehmen“ lässt sich nicht herleiten, dass für die Anwendung des § 6a GrEStG die Beteiligung an den abhängigen Gesellschaften im Betriebsvermögen gehalten werden müsste (BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19, BStBl. II 2020, 329). Dies gilt auch für die Konstellation des Streitfalls, in der ein Einzelunternehmen im Wege der Ausgliederung zur Neugründung auf eine Kapitalgesellschaft übertragen wird. Der BFH hat dies für den gleichsam umgekehrten Fall einer Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf ihren Alleingesellschafter entschieden und zur Begründung ausgeführt: § 6a Satz 1 GrEStG erfasse alle Umwandlungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwG. Welche Rechtsträger verschmelzungsfähig sind, regele § 3 UmwG. Hätte der Gesetzgeber bestimmte, nach dem UmwG zulässige Verschmelzungen vom Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ausnehmen wollen, hätte dies im Wortlaut des § 6a GrEStG einen Anklang finden müssen (BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19, BStBl. II 2020, 329). Das Sächsische Finanzgericht (FG) hat auf diese Entscheidung aufbauend entschieden, dass auch die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine Kapitalgesellschaft zur Neugründung von § 6a GrEStG erfasst sei (Sächsisches FG, Urteil vom 30.06.2021, 2 K 121/21, DStR 2021, 2969). Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung jedenfalls für das hier vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes an. Die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine Kapitalgesellschaft zur Neugründung ist vom Wortlaut des § 6a Satz 1 GrEStG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erfasst. Zu den Spaltungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG) gehört nach § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG die Ausgliederung zur Neugründung. Im Rahmen einer Ausgliederung sind auch Einzelkaufleute nach § 124 Abs. 1 UmwG spaltungsfähige Rechtsträger.Randnummer33

– Es wurden auch die fünfjährigen Vor- und Nachbehaltensfristen nicht verletzt. Die Vor- und Nachbehaltensfristen gelten nicht, wenn sie aus umwandlungsbedingten Gründen nicht eingehalten werden können. Erlischt ein Rechtsträger (etwa bei der Verschmelzung), verletzt dies nicht die Nachbehaltensfrist; umgekehrt ist keine Vorbehaltensfrist erforderlich, wenn ein Rechtsträger erst im Zuge der Umwandlung gegründet wird: Bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung muss nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden. Sind mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt, muss bei einer Ausgliederung zur Neugründung die Vorbehaltensfrist in Bezug auf die abgebende Gesellschaft und die Nachbehaltensfrist in Bezug auf beide abhängigen Gesellschaften eingehalten werden (BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 16/19, BStBl. II 2020, 333; BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 18/19, BStBl. II 2020, 352). Nach dieser Maßgabe musste keine Vorbehaltensfrist eingehalten werden, weil an der Umstrukturierung nur eine abhängige Gesellschaft (die Antragstellerin) beteiligt war. Eine Verletzung der Nachbehaltensfrist ist nicht ersichtlich.Randnummer34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.Randnummer35

Die Beschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 128 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Der BFH hat über die streitgegenständliche Konstellation noch nicht entschieden und Rechtsprechung und Verwaltung vertreten zu der streitigen Frage unterschiedliche Auffassungen.

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Schlagworte: Ausgliederung, GrEStG § 6a, Grunderwerbsteuer, Grunderwerbsteuerbefreiung