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OLG Zweibrücken, Urteil vom 28. Mai 2019 – 5 U 89/18

§ 29 Abs 1 S 1 GmbHG, § 195 BGB, § 199 BGB, § 242 BGB, § 280 Abs 1 BGB

1. Der Umstand, dass ein Schuldner die Ansprüche eines Gläubigers freiwillig erfüllt, die – gleichgelagerten – Ansprüche eines anderen Gläubigers indes nicht, begründet nicht die Treuwidrigkeit der Berufung auf die Einrede der Verjährung.

2. Allein aus § 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG folgt noch kein Anspruch eines Mitgesellschafters auf Gewinnauszahlung. Anspruchsgrundlage ist erst ein Gewinnverwendungsbeschluss der Gesellschafter, der auch dann erforderlich ist, wenn die Ausschüttung durch Gesetz oder Satzung vorgeschrieben ist, da erst durch die Beschlussfassung die spezifische Verwendung für das betreffende Geschäftsjahr verbindlich konkretisiert wird.

3. Der durch Beschlussfassung zu begründende Anspruch des Mitgesellschafters auf Gewinnausschüttung kann jedenfalls dann sogleich im Wege der Leistungsklage als Schadenersatzanspruch (§§ 280 Abs. 1 BGB, 29 Abs. 1 GmbHG) wegen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht durchgesetzt werden, wenn die Satzung eine Verpflichtung zur positiven Beschlussfassung über die Gewinnverwendung vorschreibt, eine solche Beschlussfassung satzungswidrig unterblieben ist und die Gesellschaft keinen Vortrag hält, der es unter Berücksichtigung eines denkbar weiten Ermessensspielraumes der Gesellschafter bei der Entscheidung über die Gewinnverwendung als plausibel erscheinen lässt, die erwirtschafteten Gewinne anders als durch Auszahlung zu verwenden.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 2. Juli 2018 in seinem die Klage teilweise abweisenden Ausspruch abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 632.541,41 € (abzüglich 25 % einzubehaltender und an das Finanzamt abzuführender Kapitalertragssteuer) nebst Zinsen in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.1.2017 zu zahlen.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 2. Juli 2018 in seinem der Klage teilweise stattgebenden Ausspruch abgeändert und die weitergehende Klage (auf Zahlung von Tantiemen aus der Geschäftsführertätigkeit des Klägers) abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Partei bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Gegner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

6. Die Revision gegen das Urteil wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

I.r1

Der Kläger ist zusammen mit seiner geschiedenen Ehefrau, der heute alleinigen Geschäftsführerin der Beklagten, zu jeweils hälftigem Anteil Gesellschafter der beklagten GmbH. Er war bis zu seiner – gerichtlich bestätigten – fristlosen Kündigung Ende 2010 neben seiner damaligen Ehefrau auf der Grundlage eines Anstellungsvertrages (Bl. 79/80 d.A.) auch deren Geschäftsführer.Randnummer2

Die Satzung der Gesellschaft sieht vor, dass eine Gewinnverteilung nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu erfolgen hat und die Gewinnverwendung nach Maßgabe von § 29 GmbHG zu beschließen ist.Randnummer3

Mit seiner am 2. März 2017 – zunächst als Entwurf neben einem PKH – Antrag – eingereichten Klage hat der Kläger als Gesellschafter Zahlung einer Gewinnausschüttung für die Jahre 2012 – 2014 in Höhe von 632.541,41 €, verbunden mit einem entsprechenden „positiven Beschlussfeststellungsantrag“ und als früherer GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
früherer Geschäftsführer
Geschäftsführer
restliches Gehalt in Form von vertraglich vereinbarten Tantiemen für die Jahre 2009 – 2010 in Höhe von 81.313,- €, jeweils nebst Zinsen, verlangt.Randnummer4

Die von den Eheleuten 2004 gegründete Beklagte ist ein IT-Unternehmen, welches seine Umsätze in erster Linie aufgrund einer ständigen Geschäftsbeziehung zur B… erwirtschaftet. Vorangegangen war ihr ein einzelkaufmännisches Unternehmen ihrer Geschäftsführerin, das ebenfalls in die Gesellschaft eingebracht wurde. In den Jahren 2012 bis 2014 erwirtschaftete die Gesellschaft dabei unstreitig Gewinne in Höhe von 1.265.102,82 €, die in entsprechenden Gewinnfeststellungsbeschlüssen bestätigt wurden. In vom Kläger einberufenen Gesellschafterversammlungen vom 12.1.2017 und vom 2.3.2017 erhielten seine Anträge auf hälftige Gewinnausschüttung an die Gesellschafter keine Mehrheit (50:50 Stimmanteile).Randnummer5

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, einer Ausschüttung stehe das „Risiko einer Bedrohungssituation“ durch das Zerwürfnis der Gesellschafter entgegen. Der wirtschaftliche Erfolg der Beklagten sei zudem alleine von der Tätigkeit der Mitgesellschafterin und Geschäftsführerin abhängig. Sollte diese nicht mehr für die Beklagte tätig sein, entstünde ein erhebliches Kosten- und Schadenersatzrisiko für die Beklagte. Die dem Entstehungsgrund und der Höhe nachunstreitigen Tantiemenansprüche seien verjährt.Randnummer6

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der in erster Instanz gestellten Anträge verweist der Senat auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils.Randnummer7

Die Kammer hat den Zeugen D… R… (Steuerberater und Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft) zur „Risiko-Bedrohungssituation“ vernommen und sodann die Tantiemenansprüche in Höhe von 81.313,- € nebst Zinsen (erst) ab Rechtshängigkeit zugesprochen, weil die Berufung der Beklagten auf die – allerdings eingetretene – Verjährung treuwidrig sei, und die Klage im Übrigen abgewiesen.Randnummer8

Hinsichtlich der weiteren Begründung dieser Entscheidung verweist der Senat auf das angegriffene Urteil.Randnummer9

Hiergegen richten sich die Berufung des Klägers unter Weiterverfolgung seiner abgewiesenen Anträge aus erster Instanz und die Berufung der Beklagten mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung.Randnummer10

Der Kläger meint, sein Gewinnauszahlungsanspruch folge bereits aus dem Gesetz. Nach § 29 GmbHG bestehe ein Anspruch des Gesellschafters auf Gewinnausschüttung. Nur eine andere als die Auszahlung an die Gesellschafter mit Mehrheit beschlossene Gewinnverwendung könne diesem Anspruch entgegen gehalten werden. Eine andere Gewinnverwendung sei hier indes nicht mehrheitlich beschlossen worden. Zudem verhalte sich die Mitgesellschafterin treuwidrig, soweit sie seine Anträge auf Beschlüsse über die Verwendung der Gewinne in Form der Auszahlung an die Gesellschafter ablehne. Der von der Kammer vernommene Zeuge R… sei in Wirklichkeit zu Tatsachen befragt worden, die nur ein Sachverständiger beantworten könne, und zudem als Steuerberater der Beklagten befangen. Der Vortrag zur Risiko-Bedrohungssituation der Beklagten sei zudem völlig unsubstantiiert. Die Gesellschaft habe auch in den Folgejahren (ab 2015) maßgebliche Gewinne erwirtschaftet. So sei im Jahr 2015 ein – allerdings nach oben zu korrigierender – Überschuss in Höhe von 246.874,34 € ausgewiesen. Angesichts der im Zeitpunkt der Klageeinreichung – unstreitig – thesaurierten Gewinne in Höhe von 1.865.474,93 € und der fehlenden Inanspruchnahme von Krediten bestehe ein Anspruch auf Gewinnauszahlung.Randnummer11

Der Kläger beantragt,Randnummer12

1. die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 632.541,41 € (abzüglich 25 % einzubehaltender und an das Finanzamt abzuführender Kapitalertragssteuer) nebst Zinsen in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.1.2017 an ihn zu verurteilen,Randnummer13

2. im Wege der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass in der Gesellschaftsversammlung vom 12.1.2017 und vom 2.3.2017 ein Beschluss gefasst wurde, wonach an die Gesellschafter ein Gewinn/Gewinnvortrag in Höhe von insgesamt 1.265.102,82 €, an den Kläger folglich 632.541,41 € ausbezahlt werden,Randnummer14

3. die Beklagte zur Zahlung weiterer 5 % – Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem Betrag in Höhe von 42.933 € seit 1.1.2011 und aus weiteren 38.380 € seit 1.1.2012 bis jeweils 21.8.2017 zu verurteilen.Randnummer15

Die Beklagte beantragt,Randnummer16

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und auf ihre Berufung hin die Klage insgesamt abzuweisen.Randnummer17

Sie verteidigt das angegriffene Urteil in seinem klageabweisenden Teil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags zur „Risiko-Bedrohungssituation“ infolge des persönlichen Zerwürfnisses der beiden Gesellschafter und meint, der Tantiemenanspruch sei verjährt und die Berufung auf diese Einrede auch nicht treuwidrig. Ein Anspruch auf Auszahlung des Gewinns entstehe erst durch entsprechende Beschlussfassung und folge nicht alleine aus dem Gesetz. Die erst- wie auch zweitinstanzlich gestellten Feststellungsanträge des Klägers seien unzulässig.Randnummer18

Der Kläger beantragt,Randnummer19

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.Randnummer20

Er vertritt die Ansicht, die Tantiemenansprüche seien mangels einer Feststellung der entsprechenden Jahresabschlüsse und dem Entstehen des Tantiemenanspruchs erst durch diese Feststellung schon nicht verjährt. Im Übrigen verteidigt er die Rechtsansicht der Kammer.Randnummer21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.Randnummer22

Der Senat hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 15.1.2019 angehört und Hinweise zu Rechtslage erteilt. Mit Beschluss vom 12.3.2019 hat der Senat mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet.Randnummer23

Die nach dem 7.5.2019 von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze hat der Senat zur Kenntnis genommen. Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, bestand nicht.

Entscheidungsgründe

II.

1. Zur Berufung der BeklagtenRandnummer25

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Vergütungsansprüche in Form von Tantiemen für seine Geschäftsführertätigkeit in den Jahren 2009 und 2010 aus § 2 Nr. 1c) des Anstellungsvertrags.Randnummer26

Solche Ansprüche sind zwar dem Grunde nach ohne Weiteres aufgrund der vertraglichen Vereinbarung in dem Anstellungsvertrag entstanden.Randnummer27

Ohne ausdrückliche Regelung im Geschäftsführerdienstvertrag und bei Vereinbarung einer jährlichen Tantieme steht dem früheren Geschäftsführer diese auch zu, wenn das Anstellungsverhältnis – wie hier – durch außerordentliche Kündigung beendet wurde, wobei – anders als die Kammer meint – der Anspruch um die Zeit zu kürzen ist, in dem der Kläger schon entlassen war (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, BeckRS 2018, 26389), auch wenn dies hier nur wenige Tage im Dezember 2010 sind.Randnummer28

Die Ansprüche sind indes verjährt.Randnummer29

Der Vergütungsanspruch des Geschäftsführers einer GmbH verjährt gem. §§ 195, 199 BGB in drei Jahren ab seiner Entstehung (hier 31.12.2013 bzw. 31.12.2014). Die Bezifferbarkeit ist dabei nicht zwingende Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruchs (BeckOK BGB/Henrich § 199 Rn. 5; BGH, NZG 2010, 1020). Für den Beginn der Verjährung ist es auch nicht erforderlich, dass der Ausgleichsanspruch Gegenstand einer Leistungsklage sein kann. Denn ein Anspruch ist entstanden, sobald er geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Hierfür genügt die Möglichkeit, eine die Verjährung unterbrechende Feststellungsklage zu erheben (BGH, NZG 2017, 753). Jedenfalls diese Möglichkeit bestand für den Kläger vor Eintritt der Verjährung seiner Gehaltsansprüche am 31.12.2013 (Tantieme 2009) bzw. am 31.12.2014 (Tantieme 2010) auch ohne vorherigen Jahresabschluss. Die Ansicht der Kammer, die Beklagte verhalte sich mit ihrer Verjährungseinrede treuwidrig angesichts der Weigerungshaltung der Geschäftsführerin, bestimmte Tagesordnungspunkte (Jahresabschluss) aufzunehmen und weil die Tantiemenansprüche der jetzt alleinigen Geschäftsführerin für denselben Zeitraum erfüllt worden seien, teilt der Senat nicht. Der Umstand, dass ein Schuldner die Ansprüche eines Gläubigers freiwillig erfüllt, die – gleichgelagerten – Ansprüche eines anderen Gläubigers indes nicht, begründet nicht die Treuwidrigkeit der Berufung auf die Einrede der Verjährung. Eine Treuwidrigkeit mag vorliegen, wenn die Tantiemenansprüche der Geschäftsführerin in rechtsverjährter Zeit erfüllt worden wären, sich die Gesellschaft ihr gegenüber also nicht auf die – begründete – Einrede der Verjährung berufen hätte. Der Kläger trägt indes selbst vor (Bl. 16 d.A.), dass er davon ausgeht, dass die Tantiemenansprüche der heutigen Geschäftsführerin spätestens im Dezember des Folgejahres erfüllt worden seien.Randnummer30

2. Zur Berufung des KlägersRandnummer31

Die zulässige Berufung des Klägers ist mit ihrem Leistungsantrag ebenfalls begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung des auf ihn entfallenden Anteils an dem erwirtschafteten Gewinn als Schadenersatzanspruch aus §§ 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, 280 Abs. 1 BGB wegen schuldhafter Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht. Im Einzelnen gilt Folgendes:Randnummer32

2.1. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG haben die Gesellschafter Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit der sich ergebende Betrag nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, durch Beschluss nach Absatz 2 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Beschlusses über die Verwendung des Ergebnisses von der Verteilung unter die Gesellschafter ausgeschlossen ist.Randnummer33

Alleine aus § 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG folgt jedoch noch kein Anspruch des Gesellschafters auf Gewinnauszahlung. Die Norm ist für sich alleine keine Anspruchsgrundlage, und zwar auch nicht bei Fehlen einer Beschlussfassung über eine andere Verwendung der Gewinne als in Form der Auszahlung an die Gesellschafter. Anspruchsgrundlage ist – entgegen der Ansicht des Berufungsführers – erst ein Gewinnverwendungsbeschluss der Gesellschafter, der auch dann erforderlich ist, wenn die Ausschüttung durch Gesetz oder Satzung vorgeschrieben ist, da erst durch die Beschlussfassung die spezifische Verwendung für das betreffende Geschäftsjahr verbindlich konkretisiert wird (BGHZ 139, 299 ff.; NJW-RR 2004, 1343; OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Koblenz
, BeckRS 2018, 10975). Hier kommt hinzu, dass der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich die – positive – Beschlussfassung über die Gewinnverwendung (in jeder Form) vorsieht, so dass alleine aus dem Umstand, dass die Gesellschafter eine andere als die in § 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als „Anspruch“ des Gesellschafters normierte Verwendung des Gewinnes nicht mit Mehrheit beschlossen haben, kein gesetzlicher Anspruch folgt. Sofern man – im Gegensatz zu Vorstehendem – in § 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eine Anspruchsgrundlage erblicken würde, so wäre die Norm jedenfalls dispositiv und deshalb einer – hier erfolgten – Änderung durch die Satzung der Gesellschaft zugänglich.Randnummer34

Hiervon ausgehend muss der Gesellschafter, der nicht über eine Stimmenmehrheit verfügt, zur Durchsetzung seines Gewinnbezugsrechts in der Gesellschafterversammlung über einen Beschlussvorschlag zur Gewinnausschüttung abstimmen lassen. Wird sein Vorschlag abgelehnt, kann er den Beschluss anfechten und zugleich im Wege der „positiven Beschlussfeststellungsklage“ das Zustandekommen des Ausschüttungsbeschlusses feststellen lassen, wenn die Ablehnung treuwidrig war (vgl. OLG Nürnberg, NZG 2008, S. 948). Umstritten ist allerdings, wie eine solche „positive Beschlussfeststellungsklage“ einzuordnen ist. Nach einer Auffassung kann der Minderheitsgesellschafter auf Fassung eines Gewinnverwendungsbeschlusses nach billigem Ermessen des Gerichts entsprechend § 315 Abs. 3 HS. 2 BGB klagen mit der Folge, dass sich die Zwangsvollstreckung nach § 894 ZPO (Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung) richtet. Eine zweite, und zwar die in der Rechtsprechung vorherrschend vertretene Meinung hält nur einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Herbeiführung (irgend)eines rechtmäßigen Gewinnverwendungsbeschlusses für begründbar, ohne dass dessen Inhalt festgelegt werden könnte (OLG Düsseldorf, NZG 2001, S. 1085; OLG Nürnberg, NZG 2008, 948 offengelassen in BGHZ 139, 299.) Für die Zwangsvollstreckung soll dann § 888 ZPO (nicht vertretbare Handlung) gelten. Eine dritte Ansicht gewährt dem Minderheitsgesellschafter einen Anspruch auf Vollausschüttung, der im Wege der Leistungsklage durchzusetzen sei und mit rechtskräftigem Urteil nach § 894 ZPO als gefasst gelte (Fleischer/Trinks, Minderheitenschutz bei der Gewinnthesaurierung in der GmbH (NZG 2015, 289)), wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, dass es nicht die beklagte Gesellschaft, sondern deren abstimmungsberechtigte Mitgesellschafter sind, deren willenserklärungsähnliche Äußerung bei der Abstimmung zu ersetzen ist.Randnummer35

Eine solche Klage, worauf auch immer gerichtet, ist im Weiteren keine Feststellungsklage im eigentlichen Sinn (§ 256 ZPO), für die das besondere Rechtsschutzbedürfnis für solche Klagen vorliegen müsste. Nach Ansicht des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(NZG 2008, 339) handelt es sich um eine Gestaltungsklage, die darauf abzielt, einen im Sinne des Klageantrags positiven Gewinnverwendungsbeschluss durch gerichtliche Entscheidung zu ersetzen.Randnummer36

Nach Ansicht des Senats kann der durch Beschlussfassung zu begründende Anspruch des Gesellschafters auf Gewinnausschüttung jedenfalls dann sogleich im Wege der Leistungsklage als Schadenersatzanspruch (§§ 280 Abs. 1 BGB, 29 Abs. 1 GmbHG) wegen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht durchgesetzt werden, wenn die Satzung eine Verpflichtung zur positiven Beschlussfassung über die Gewinnverwendung vorschreibt, eine solche Beschlussfassung satzungswidrig unterblieben ist und die Gesellschaft keinen Vortrag hält, der es unter Berücksichtigung eines denkbar weiten Ermessensspielraumes der Gesellschafter bei der Entscheidung über die Gewinnverwendung als plausibel erscheinen lässt, die erwirtschafteten Gewinne anders als durch Auszahlung zu verwenden. Auch wenn § 29 Abs. 1 Satz 1 GmbHG – wie oben ausgeführt – selbst bei Fehlen einer Beschlussfassung über eine anderweitige Gewinnverwendung keinen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch des Gesellschafters auf Gewinnausschüttung an ihn begründet, so folgt daraus doch, dass das Gesetz die Gewinnausschüttung als den Regelfall ansieht und die Gesellschaft als verpflichtet ansieht, eine hiervon abweichende Gewinnverwendung positiv zu beschließen. Tut sie dies nicht und vermag sie ihr Handeln auch nicht ansatzweise zu begründen, so erfordert nach Überzeugung des Senats die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes für den Gesellschafter, ihm die Möglichkeit der Leistungsklage zu eröffnen, innerhalb derer inzident zu prüfen ist, ob die übrigen Gesellschafter unter Berücksichtigung ihrer Bindung an die gesellschafterliche Treuepflicht, deren Gegenstand auch die Rücksichtnahme auf die Interessen von Mitgesellschaftern ist (BGHZ 65, 15), zur Beschlussfassung einer anderen Gewinnverwendung berechtigt sind. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich bei dem mit der Leistungsklage geltend zu machenden Zahlungsanspruch des Gesellschafters letztlich um einen Schadenersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht. Demgegenüber ist die Verurteilung der Gesellschaft lediglich zu einer neuen Beschlussfassung über den Antrag auf Gewinnausschüttung nicht geeignet, dem berechtigten Rechtsschutzbegehren des (Minderheits-)Gesellschafters gerecht zu werden, weil nicht gewährleistet ist, dass eine weitere Beschlussfassung nicht abermals den Auszahlungsanspruch des Gesellschafters in treuwidriger Weise verneint.Randnummer37

2.2 Die vorgenannten Voraussetzungen sind hier erfüllt.Randnummer38

Die Weigerung der Beklagten, überhaupt (irgendwelche) Gewinne auszuzahlen, ist treuwidrig. Bei Beurteilung, ob die Mehrheitsgesellschafter einen Beschluss über die Thesaurierung des Gewinns entgegen ihrer Bindung an die gesellschafterliche Treuepflicht herbeigeführt haben, sind das berechtigte Gesellschafterinteresse an einer angemessenen Gewinnausschüttung einerseits und das Gesellschaftsinteresse an einer Reservenbildung sowie den Bedürfnissen der Selbstfinanzierung und der Zukunftssicherung andererseits gegeneinander abzuwägen (OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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BeckRS 2018, 10975).Randnummer39

Das von der Beklagten hierfür ins Feld geführte Argument des „Zerwürfnisses der Gesellschafter“ ist nach diesen Kriterien ungeeignet, die verweigerte Gewinnauszahlung zu begründen. Es handelt sich insoweit um einen „Zirkelschluss“, denn das Zerwürfnis der Gesellschafter hat seine wesentliche Ursache gerade in dem Streit über die Gewinnauszahlung.Randnummer40

Objektive Anhaltspunkte für die von der Beklagten bemühte „Risiko-Bedrohungssituation“ trägt die Beklagte im Weiteren auch nach dem Hinweis des Senats nicht vor, selbst wenn man einmal davon ausgeht, dass sie sich die Angaben des von der Kammer vernommenen Zeugen D… R… zu eigen gemacht hat. Die Beklagte ist dem Vortrag des Klägers zu ihrer finanziellen Ausstattung jedenfalls nicht entgegengetreten. Eine „Risiko-Bedrohungssituation“ folgt ausgehend hiervon auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte mehr oder weniger nur einen (Groß-)Kunden hat und sie ggf. Vorsorge treffen möchte für den Fall, dass ihr dieser Kunde verloren geht, denn hierfür ist nichts ersichtlich. Ebenfalls keinen konkreten Anhaltspunkt trägt die Beklagte dafür vor, dass ihre Geschäftsführerin, von deren persönlichem Einsatz die Beklagte ihren wirtschaftlichen Erfolg als abhängig ansieht, ihre Tätigkeit für die Beklagte aufgibt.Randnummer41

Der Senat hält auch die Einholung eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens zu der Frage, ob und welchem Maße die Thesaurierung der Gewinne der Beklagten angesichts der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft kaufmännisch jedenfalls vertretbar ist, nicht für erforderlich. Eine solche Beweiserhebung liefe – wie schon die Vernehmung des Zeugen Räuber durch die Kammer – auf einen Ausforschungsbeweis hinaus, nachdem die Beklagte keinerlei Tatsachen vorgetragen hat, die eine Bewertung ihres Unternehmens und ihre finanzielle Situation zuließen, ohne dass ein Gutachter solche Tatsachen erst zu ermitteln hätte.Randnummer42

2.3 Der Anspruch scheitert schließlich auch nicht daran, dass der Kläger hinsichtlich der beiden Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom 12.1.2017 und vom 2.3.2017, mit denen sein Antrag auf Gewinnauszahlung abgelehnt wurde, keine Anfechtungsklage erhoben hat.Randnummer43

Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass ein Gesellschafter, der einen positiven Gewinnverwendungsbeschluss in Form der Gewinnausschüttung durch eine gerichtliche Entscheidung anstrebt, gegen einen gefassten und diesem Ergebnis entgegenstehenden Beschluss zunächst fristgerecht mit der Anfechtungsklage vorgehen muss, die mit der Klage auf positive Beschlussfeststellung verbunden werden kann (OLG München, NZG 2008, 339).Randnummer44

Hinsichtlich der Beschlussfassung vom 12.1.2017 vertritt die Beklagte selbst die Auffassung, die am 12.1.2017 gefassten Beschlüsse seien wegen Form- und Fristfehlern der Einladung nichtig, so dass es deren Anfechtung nicht bedurfte bzw. eine Berufung der Beklagten hierauf treuwidrig wäre.Randnummer45

Hinsichtlich der Beschlussfassung vom 2.3.2017 lag in dem am selben Tag eingereichten und der Beklagten zur Stellungnahme übermittelten (isolierten) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die u.a. angekündigte „positive Beschlussfeststellungsklage“ zugleich die Anfechtung des diesem Antrag entgegenstehenden Beschlusses. Ein solches Prozesskostenhilfegesuch hält der Senat aus Gründen der Gleichbehandlung der armen Partei mit der reichen für die Einhaltung der nach § 246 AktG vorgesehenen Klagefrist von einem Monat für ausreichend (Hüffer/Koch AktG § 246 Rn. 25; a.A. OLG Karlsruhe NZG 2013, 942).Randnummer46

2.4. Die Zwischenfeststellungsklage auf Feststellung des Zustandekommens eines positiven Gewinnverwendungsbeschlusses bleibt unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ohne Erfolg. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sie neben dem zuzusprechenden Leistungsantrag überhaupt zulässig ist. Jedenfalls aber ist sie unbegründet, weil ein positiver Gewinnverwendungsbeschluss mit dem vom Kläger angestrebten Inhalt nicht zustande gekommen ist.Randnummer47

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.Randnummer48

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Nr.1 ZPO zuzulassen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise ein Anspruch eines Gesellschafters auf Gewinnauszahlung durchgesetzt werden kann, ist eine klärungsbedürftige Frage, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.

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