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LG München I, Beschluss vom 29. Juli 2021 – 5 HK O 7359/21

§ 131 AktG, § 132 AktG, § 243 AktG, § 264 HGB, § 284 HGB

Tenor

I. Der Antrag auf Auskunft wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf € 10.000,– festgesetzt.

IV. Die Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.Randnummer1

1. Am 21.5.2021 fand die ordentliche Hauptversammlung der Antragsgegnerin als virtuelle Hauptversammlung statt, zu der sie durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 12.4.2021 eingeladen hatte (Anlage ASt 1). Die Einladung enthielt unter anderem folgende Tagesordnungspunkte:Randnummer2

Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des VorstandsRandnummer3

Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des AufsichtsratsRandnummer4

Beschlussfassung über die Billigung des Vergütungssystems für die VorstandsmitgliederRandnummer5

– Wahl des Abschlussprüfers und des Konzernabschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2021 sowie, für den Fall einer prüferischen Durchsicht, des Prüfers für den verkürzten Abschluss und den Zwischenlagebericht für das erste Halbjahr des Geschäftsjahres 2021.Randnummer6

Der Antragsteller hatte entsprechend den Hinweisen in der Einberufung, Fragen seien bis spätestens Mittwoch, den 19.5.2021, 24.00 Uhr über die dafür vorgesehene Eingabemaske im Online-Service der Gesellschaft einzureichen, folgende Fragen eingereicht:Randnummer7

„Ich bitte um zusätzliche Details zu dem Bewertungsparametern beim Impairment-Test, jeweils mit Angabe zum Vorjahr:Randnummer8

o Wie hoch ist der Basiszinssatz?Randnummer9

o Wie setzen sich die jeweiligen Peer Groups zusammen?Randnummer10

o Wie hoch sind die Beta-Faktoren der einzelnen Vergleichsunternehmen (verschuldet und unverschuldet)?Randnummer11

o Nach welcher Methode erfolgte das Levering bzw. Relervering (z.B. Hamada-Formel??Randnummer12

o Welche Parameter wurden angesetzt hinsichtlich des Beobachtungszeitraums und des Beobachtungsintervalls (z.B. wöchentlich)?Randnummer13

o Wurde mit Länderrisikoprämien gerechnet? Wenn ja, wie hoch waren diese für die einzelnen CGU?Randnummer14

o Mit welchem Fremdkapitalkostensatz wurde gerechnet und wie wurde dieser abgeleitet (z.B. bezogen auf ein bestimmtes Rating)?“Randnummer15

Der Vorstand verwies im Verlaufe der Hauptversammlung auf den Geschäftsbericht, dem auf Seite 86 die erforderlichen Angaben zu entnehmen seien, um sich ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu verschaffen; eine darüber hinausgehende Antwort gab der Vorstand nicht. Der Antragsteller erklärte über das Hauptversammlungsportal Widerspruch zu den Beschlussfassungen der Hauptversammlung.Randnummer16

Der Jahresabschluss der Antragsgegnerin enthielt unter anderem folgende Erläuterungen:Randnummer17

„Geschäfts- oder FirmenwerteRandnummer18

Die Zusammensetzung der Cash Generating Units (sog. CGUs) entsprach der des Vorjahres. Der doppelte Ausweis der chinesischen Gesellschaften, der im Segmentbericht vorgenommen wurde, ist im Impairment Test nicht berücksichtigt. Die chinesischen Einheiten wurden daher für den Impairment Test den … und … zugeordnet.Randnummer19

Nachfolgend aufgeführt sind die sogenannten Cash Generating Units (CGUs) bzw. Zahlungsmittel generierenden Einheiten mit dem jeweiligen Goodwill und dem dazugehörigen verwendeten Diskontierungssatz vor Steuern (gewichtete durchschnittliche Kapitalkosten (WACC)) für die Geschäftsjahre 2019 sowie 2020:Randnummer20

in Mio. €31.12.201931.12.2020
GoodwillWACC (%)GoodwillWACC (%)
27,811,027,311,1
69,412,627,312,8
126,811,4126,210,2
56,99,856,68,0
34,412,334,113,1
Summe315,3313,2

Randnummer21

Der Goodwill zum 31. Dezember 2020 belief sich auf 313,2 Mio. € und lag damit leicht unter dem Wert des Vorjahres (2019: 315,3 Mio. €). Der Rückgang bezieht sich im Wesentlichen auf Währungseffekte.Randnummer22

Dem Impairment Test lagen ein dreijähriger Detailplanungszeitrum sowie ein weiterer Zeitraum über zwei Jahre zugrunde, bei dem die strategische Planung herangezogen wurde. Diese fünf Jahre bildeten zusammen mit der marktspezifischen Wachstumsrate in Höhe von 2,0 % die Grundlage für die Berechnung der ewigen Rente.Randnummer23

Die Eigen- und Fremdkapitalkosten wurden auf Basis von segmentspezifischen Vergleichsgruppen (sogenannten Peer Groups) ermittelt, die sich aus den wichtigsten nationalen und internationalen Wettbewerbern der … zusammensetzten. Dementsprechend wiesen diese Unternehmen ähnliche Tätigkeits- und Produktportfolios auf.Als eine der wesentlichsten Komponenten ging die Marktrisikoprämie für die jeweiligen CGUs in die Berechnung des WACC ein. In sämtlichen Business Segmenten wurde eine Marktrisikoprämie von 7,50 % (2019: 7,00 %) angewandt. Der Betafaktor, der als zweijähriger Durchschnitt der jeweiligen Peer Group berechnet wurde, belief sich bei der CGU … auf 1,142 (2019: 1,025), bei der CGU … auf 1,281 (2019: 1,187), bei der GCU … auf 1,134 (2019: 1,158), bei der CGU … auf 0,826 (2019: 0,888) und bei der CGU … auf 1,096 (2019: 1,135). Gegenüber dem Vorjahr stieg die Marktrisikoprämie an. Der Betafaktor hingegen ging – mit Ausnahme der CGU … – im Vergleich zum Vorjahr zurück. Unter Wahrung der möglichen Bandbreiten der Marktrisikoprämie beeinflusst ein um 1 % höherer WACC die Firmenwerte ebenso wenig wie eine Reduzierung der UmsatzerlöSE über die gesamte Planungsdauer um 10 % mit entsprechender Reduzierung der Cashflows.Randnummer24

Die Gewichtung der Eigen- und Fremdkapitalkostensätze erfolgte je CGU auf Basis der durchschnittlichen Verschuldungsgrade der jeweiligen Peer Group der letzten zwei Jahre. Die verwendeten Steuersätze pro Segment lagen zwischen 21,2 % und 27,6 % (CGU … 27,0 % (2019: 21,0 %); CGU … 25,5 % (2019: 27,6 %); CGU … 21,2 % (2019: 22,0 %); CGU … 27,6 % (2019: 22,1 %); CGU … 25,0 % (2019: 20,8 %)).“Randnummer25

Der Bestätigungsvermerk der Abschlussprüfer (Anlage CC 3)enthielt unter anderem folgende Ausführungen:Randnummer26

„Gemäß § 322 Abs. 3 Satz 1 HGB erklärten wir, dass unsere Prüfung zu keinen Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts geführt hat.“ [S. 121]Randnummer27

„2. Werthaltigkeit der Geschäfts- oder FirmenwerteRandnummer28

1. In dem Konzernabschluss der Gesellschaft werden Geschäfts- oder Firmenwerte mit einem Betrag von insgesamt EUR 313,2 Mio. (10 % der Bilanzsumme bzw. 26,0 % des Eigenkapitals) unter dem Bilanzposten ‚Immaterielle Vermögenswerte‘ ausgewiesen. Geschäfts- oder Firmenwerte werden einmal jährlich oder anlassbezogen von den gesetzlichen Vertretern einem Werthaltigkeitstest unterzogen, um einen möglichen Abschreibungsbedarf zu ermitteln. Der Werthaltigkeitstest erfolgt auf Ebene der Gruppen von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten, denen der jeweilige Geschäfts- oder Firmenwert zugeordnet ist. Im Rahmen des Werthaltigkeitstests wird der Buchwert der jeweiligen zahlungsmittelgenerierenden Einheiten inklusive des Geschäfts- oder Firmenwerts dem entsprechenden erzielbaren Betrag gegenübergestellt. Die Ermittlung des erzielbaren Betrags erfolgt grundsätzlich anhand des Nutzungswerts. Grundlage der Bewertung ist dabei regelmäßig der Barwert künftiger Zahlungsströme der jeweiligen Gruppe von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten. Die Barwerte werden mittels Discounted-Cash-Flow Modellen ermittelt. Dabei bildet die verabschiedete Mittelfristplanung des Konzerns den Ausgangspunkt, die um die strategische Planung ergänzt und mit Annahmen über langfristige Wachstumsraten fortgeschrieben wird. Hierbei werden auch Erwartungen über die zukünftige Marktentwicklung und Annahmen über die Entwicklung makroökonomischer Einflussfaktoren sowie die erwarteten Auswirkungen der anhaltenden Corona-Krise auf die Geschäftstätigkeit des Konzerns berücksichtigt. Die Diskontierung erfolgt mittels der gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten der jeweiligen Gruppe von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten. Als Ergebnis des Werthaltigkeitstests wurde kein Wertminderungsbedarf festgestellt.Randnummer29

Das Ergebnis dieser Bewertung ist in hohem Maße von der Einschätzung der gesetzlichen Vertreter hinsichtlich der künftigen Zahlungsmittelzuflüsse der jeweiligen Gruppe von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten, des verwendeten Diskontierungssatzes, der Wachstumsrate sowie weiteren Annahmen abhängig und dadurch, auch vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona-Krise, mit einer erheblichen Unsicherheit behaftet. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Komplexität der Bewertung war dieser Sachverhalt im Rahmen unserer Prüfung von besonderer Bedeutung.Randnummer30

2. Im Rahmen unserer Prüfung haben wir unter anderem das methodische Vorgehen zur Durchführung des Werthaltigkeitstests nachvollzogen. Nach Abgleich der bei der Berechnung verwendeten künftigen Zahlungsmittelzuflüsse mit der von den gesetzlichen Vertretern erstellten und vom Aufsichtsrat genehmigten Planung des Konzerns haben wir die Angemessenheit der Berechnung insbesondere durch Abstimmung mit allgemeinen und branchenspezifischen Markterwartungen beurteilt. In dem Zusammenhang haben wir auch die Einschätzung der gesetzlichen Vertreter hinsichtlich der Auswirkungen der Corona-Krise auf die Geschäftstätigkeit des Konzerns gewürdigt und deren Berücksichtigung bei der Ermittlung der künftigen Zahlungsströme nachvollzogen. Zudem haben wir die sachgerechte Berücksichtigung der Kosten von Konzernfunktionen beurteilt. Mit der Kenntnis, dass bereits relativ kleine Veränderungen des verwendeten Diskontierungszinssatzes oder der Wachstumsrate eine wesentliche Auswirkungen auf die Höhe des auf diese Weise ermittelten Unternehmenswerts haben können, haben wir uns intensiv mit den bei der Bestimmung des verwendeten Diskontierungszinssatzes herangezogenen Parametern beschäftigt und das Berechnungsschema nachvollzogen. Um den bestehenden Prognoseunsicherheiten Rechnung zu tragen haben wir eigene Sensitivitätsanalysen durchgeführt. Dabei haben wir festgestellt, dass die Buchwerte der zahlungsmittelgenerierenden Einheiten inklusive des zugeordneten Geschäfts- oder Firmenwerts unter Berücksichtigung der verfügbaren Informationen ausreichend durch die diskontierten künftigen Zahlungsmittelüberschüsse gedeckt sind. Die von den gesetzlichen Vertretern angewandten Bewertungsparameter und -annahmen stimmen insgesamt mit unseren Erwartungen überein und liegen auch innerhalb der aus unserer Sicht vertretbaren Bandbreiten.Randnummer31

3. Die Angaben der Gesellschaft zu den Geschäfts- oder Firmenwerten sind unter Textziffer 7 ‚Immaterielle Vermögenswerte‘ im Abschnitt ‚Geschäfts- oder Firmenwerte‘ des Konzernanhangs enthalten.“ [S. 122]Randnummer32

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Geschäftsberichts einschließlich des Bestätigungsvermerks des unabhängigen Abschlussprüfers wird in vollem Umfang auf Anlage CC 3 Bezug genommen.Randnummer33

2. Zur Begründung seines am 29.5.2021 beim Landgericht München I eingegangenen Antrags auf Auskunft in Bezug auf die von ihm in der Hauptversammlung gestellten Fragen macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, aus dem nunmehr eingeräumten Fragerecht der Aktionäre ergebe sich auch die Möglichkeit der Durchsetzung des Informationsanspruchs über § 132 AktG, was sich schon aus der Gesetzgebungsgeschichte ergebe, zumal der Gesetzgeber die Rechte der Aktionäre habe stärken wollen im Vergleich zur alten Fassung von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 COVMG mit dem dort eingeräumten Fragemöglichkeit. Vorliegend gehe es um das „ob“ der Fragenbeantwortung, wo dem Vorstand gerade kein Ermessen zustehe. Die Vergleichsunternehmen seien auch einkommensrelevant für den Vorstand; anderenfalls könne sich ein Aktionär kein Bild über den Erfolg des Vergleichsunternehmens machen und die Dispositionsfreiheit über den Eigentumsgegenstand liefe leer, wenn sich ein Aktionär kein Bild mehr über das Unternehmen machen könne und seine Fragen nicht mehr beantwortet würden. Zudem seien die Unternehmen der Peer Group auch relevant für die Begründung der Angemessenheit der Bezüge des Vorstands. Die verfahrensgegenständlichen Fragen seien im Interesse des herrschenden Unternehmens nicht beantwortet worden.Randnummer34

3. Die Antragsgegnerin beantragt demgegenüber die Zurückweisung des Antrags. Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, den Aktionären stehe in einer virtuellen Hauptversammlung nur ein Fragerecht als minus gegenüber dem Auskunftsrecht des § 131 AktG zu, woraus nicht die Anwendung von § 132 AktG abgeleitet werden könne, zumal der Gesetzgeber eine klarstellende Regelung unterlassen habe. Jedenfalls aber habe der Vorstand sein Ermessen sachgerecht ausgeübt, weil er die Grenze der Pflichtwidrigkeit, mithin Willkürlichkeit nicht überschritten habe durch die vorgenommene Beantwortung der Fragen. Auch fehle die Erforderlichkeit der Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung. Hinsichtlich eines Auskunftsbegehrens über Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden bestehe bei Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer regelmäßig ausreichender Anlass zu der Annahme, der Anhang der Bilanz enthalte die erforderlichen Angaben über die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden, so dass Auskünfte über die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden regelmäßig nicht zur Beurteilung der Tagesordnung erforderlich seien. Im Übrigen könne sich der Vorstand der Antragsgegnerin auf das Auskunftsverweigerungsrecht aus § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr.4 AktG berufen, wobei dies auch bei einer Bilanzierung nach IFRS gelte.Randnummer35

4. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des wechselseitigen Vorbringens der Beteiligten wird in vollem Umfang auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.

II.Randnummer36

1. Der Antrag auf Erteilung von Auskunft ist zulässig, aber nicht begründet.Randnummer37

a. Der Antrag ist zulässigRandnummer38

(1) Die Statthaftigkeit des Antrags muss bejaht werden. Er ist insbesondere nicht durch § 1 Abs. 7 COVMG ausgeschlossen, wenn eine Auskunft ermessensfehlerhaft verweigert wurde (vgl. Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 131 Rdn. 89; Andres/Kujovic GWR 2020, 213, 214). Nach § 1 Abs. 7 COVMG kann die Anfechtung eines Beschlusses der Hauptversammlung unbeschadet der Regelung in § 243 Absatz 3 Nummer 1 des Aktiengesetzes auch nicht auf eine Verletzung von § 1 Abs. 2 COVMG gestützt werden, es sei denn, der Gesellschaft ist Vorsatz nachzuweisen. Dem Ausschluss der Anwendbarkeit auch des Verfahrens nach § 132 AktG kann namentlich nicht entgegen gehalten werden, der Sinn dieser Norm, die Entscheidung des Vorstands anhand der Kriterien einer gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen und den Auskunftsanspruch bei Verstößen durchzusetzen, stehe der Anwendung entgegen, weil § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 COVMG keinen Auskunftsanspruch, sondern nur eine Fragemöglichkeit einräume und mangels vergleichbarer Interessenlage auch eine analoge Anwendung nicht in Betracht komme (so aber Kruchen DZWIR 2020, 431, 458 f. Bungert/Strothotte DB 2021, 830, 832 f.; auch Mutter/Kruchen AG 2021, 108, 110 f. Meyer/Jenne/Miller BB 2020, 1282, 1291 f.; Götze NZG 2021, 213, 215). Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck mit der Begrenzung des Fragerechts und vor allem auch des Anfechtungsausschlusses trifft hier nicht zu. Dieser liegt darin zu verhindern, dass die Erleichterungen vor den Gesellschaften aus Sorge vor Anfechtungsklagen nicht in Anspruch genommen werden (vgl. BT-Drucks. 19/18 110 S. 27). Dieser Rechtsgedanke, der zur Rechtssicherheit für gefasste Beschlüsse beitragen soll, kann nicht für das Auskunftsverfahren nach § 132 AktG gelten, weil über dieses Verfahren kein gefasster Hauptversammlungsbeschluss für nichtig erklärt werden kann. Im Rahmen des § 132 AktG kann überprüft werden, inwieweit eine Auskunft auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten Auskunftsmöglichkeiten, auf die in der Gesetzesbegründung zum Anfechtungsausschluss hingewiesen wird, verletzt wurde. Eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung jeder analogen Anwendung einer Vorschrift lässt sich folglich nicht bejahen. Gerade wenn der Gesetzgeber von einer eingeschränkten Auskunftspflicht ausgeht, kann nicht davon ausgegangen werden, er hätte auch eine Überprüfung der erteilten Auskunft und bei einer Verweigerung insbesondere auch eine Überprüfung der zugrunde liegenden Ermessenserwägungen im Verfahren nach § 132 AktG ausschließen wollen (vgl. Poelzig in: BeckOGK AktG, Stand 1.2.2021, § 131 Rdn. 303).Randnummer39

(2) Der Antragsteller ist antragsberechtigt im Sinne des § 132 Abs. 2 Satz 1 AktG. Aufgrund dieser Vorschrift ist antragsberechtigt jeder Aktionär, dem die verlangte Auskunft nicht gegeben worden ist und – wenn über den Gegenstand der Tagesordnung, auf den sich die Auskunft bezog, Beschluss gefasst worden ist, jeder in der Hauptversammlung erschiene Aktionär, der in der Hauptversammlung Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Der Antragsteller hat unstreitig sämtliche Fragen selbst gestellt und zudem Widerspruch zur Niederschrift erklärt.Randnummer40

(3) Der Antrag wurde fristgerecht an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht München I gestellt. Aufgrund von § 132 Abs. 2 Satz 2 AktG ist der Antrag innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Hauptversammlung zu stellen. Der Antrag ging am 29.5.2021 beim Landgericht München I und damit innerhalb der am 4.6.2021 endenden Frist von zwei Wochen ein.Randnummer41

b. Der Antrag ist jedoch nicht begründet, weil dem Antragsteller kein Anspruch aus §§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 COVMG, 131 AktG zusteht. Aufgrund dieser Vorschrift kann der Vorstand entscheiden, dass die Versammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten als virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird, sofern unter anderem den Aktionären ein Fragerecht im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt wird. Gegen diese Vorgaben wurde nicht verstoßen, weil dem Antragsteller selbst unter Beachtung der Vorgaben aus § 131 Abs. 1 AktG kein Auskunftsrecht zugestanden hätte. Nach dieser Vorschrift ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend nicht erfüllt, weil die erbetene Auskunft nicht erforderlich war zur Beurteilung der Gegenstände der Tagesordnung.Randnummer42

(1) Die Erforderlichkeit beurteilt sich vom Standpunkt eines objektiv denkenden Aktionärs, der die Verhältnisse der Gesellschaft nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt und beurteilen kann. Sie muss daher bejaht werden, wenn die Auskunft aus Sicht eines vernünftigen Durchschnittsaktionärs ein nicht nur unwesentliches Element für die Beurteilung des Tagesordnungspunktes und gegebenenfalls für sein Abstimmungsverhalten darstellt. Die Notwendigkeit der Erforderlichkeit der Auskunft soll Missbräuche des Auskunftsrechts verhindern und einen ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung gewährleisten. Die Hauptversammlung soll nicht durch Fragen gestört werden, die zwar mit dem Gegenstand der Verhandlung im Zusammenhang stehen, deren Beantwortung jedoch nicht nötig ist, um ihn sachgemäß zu beurteilen (vgl. BGHZ 160, 385, 389 = NZG 2005, 77, 78 = AG 2005, 87,88 = ZIP 2004, 2428, 2429 = WM 2004, 2489, 2490 – ThyssenKrupp; BGHZ 180, 9, 29 = NJW 2009, 2207, 2212 = NZG 2009, 342, 348 = AG 2009, 285, 291 = ZIP 2009, 460, 467 = WM 2009, 459, 465 = DB 2009, 500, 506 – Kirch/Deutsche Bank; BGHZ 198, 354, 357 f. = NJW 2014, 541, 542 = NZG 2014, 27, 28 = AG 2014, 87 = ZIP 2013, 2454 f. = DB 2013, 2917, 2918 = WM 2013, 2361, 2362 = BB 2014, 331 f. – Kirch/Deutsche Bank; BGH NZG 2014, 423, 424 Tz. 26 = AG 2014, 402, 403 = ZIP 2014, 671, 672 = BB 2014, 1163 f. = DB 2014, 704, 705 = MittBayNot 2014, 357, 358 – Porsche SE; Decher in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 131 Rdn. 121; Poelzig in: Beck OGK, Stand: 01.06.2021, § 131 Rdn. 83; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 131 Rdn. 38). Dies lässt sich hier nicht annehmen.Randnummer43

(2) Die begehrte Auskunft bezieht sich auf Bewertungsgrundsätze im Zusammenhang mit einer Werthaltigkeitsprüfung. Die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden ergeben sich vorliegend bereits aus dem Jahresabschluss entsprechend § 264 Abs. 2, 284 Abs.2 Nr. 1 HGB. Im Anhang sind aufgrund von § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB die auf die Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden anzugeben. Bei den Geschäfts- oder Firmenwerten enthielt der Anhang auf Seite 86 der gedruckten Fassung Hinweise auf die Dauer der Detailplanungsphase und einen weiteren Zeitraum von zwei Jahren für eine strategische Planung ebenso wie die marktspezifische Wachstumsrate von 2 % für die Ewige Rente. Ebenso nennt der Anhang die zentralen Parameter zur Ermittlung der Marktrisikoprämie von 7,5 % nach 7,0 % im Jahr 2019 sowie den Beta-Faktor, der als zweijähriger Durchschnitt der jeweiligen Peer Group berechnet wurde. Dabei wurde auch der jeweilige Beta-Faktor für die einzelnen zahlungsmittelgenerierenden Einheiten genannt. Hierauf wurde auch in dem Bericht der Abschlussprüfer hingewiesen, der auch die angewandte Discounted Cash Flow-Methode nannte. Dann aber haben die Aktionäre die erforderlichen Informationen, mit denen sie beurteilen können, ob der Jahres- wie auch der Konzernabschluss den gesetzliche Vorgaben entspricht. Eine Nennung der weiteren Details, die der Antragsteller wünscht, ist zur Beurteilung der einzelnen Tagesordnungspunkte dann nicht mehr erforderlich, weil hier ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk durch den Abschlussprüfer erteilt wurde. In dieser Situation besteht ausreichender Anlass zu der Annahme, dass der Anhang die erforderlichen Angaben über die Bewertungs- und Abschreibungsmethoden enthält (vgl. Decher in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 131 Rdn. 407; Poelzig in: BeckOGK, a.a.O., § 131 Rdn. 175; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG 4. Aufl., § 131 Rdn. 891; Lieder in: Bürgers/Körber, AktG, 5. Aufl., § 131 Rdn. 23; Herrler in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 131 Rdn. 47; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 131 Rdn. 129).Randnummer44

c. Eine mündliche Verhandlung war nicht anzuordnen. Bei der Auslegung von § 131 AktG geht es ausschließlich um Rechtsfragen; den Beteiligten wurde rechtliches Gehör in ausreichendem Umfang durch die Möglichkeit der schriftlichen Äußerung gewährt, in der für beide Seiten alle wesentlichen Aspekte vorgetragen werden konnten. Die umstrittene Frage der Statthaftigkeit eines Verfahrens nach § 132 AktG aufgrund der Vorgaben des COVMG hat auf das Ergebnis keinen Einfluss, weil der Antrag aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Erfolg hatte.Randnummer45

2. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Gerichtskosten auf § 132 Abs. 5 AktG. Da der Antrag keinen Erfolg hat, entspricht es billigem Ermessen, wenn der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, nachdem es sich dabei um ein echtes Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt. Dieselben Erwägungen gelten auch hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten aufgrund der über §§ 132 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1 AktG anwendbaren Regelung des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.Randnummer46

3. Die Entscheidung über den Geschäftswert beruht auf §§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 36 Abs. 1 und Abs. 3 GNotKG. Angesichts des Umfangs des Antrags einerseits und des vergleichsweise hohen Grundkapitals der Antragsgegnerin andererseits erachtet es die Kammer als sachgerecht, den Geschäftswert im Vergleich zu dem regelmäßig festzusetzenden Geschäftswert angemessen auf € 10.000,– zu erhöhen.Randnummer47

4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde gem. §§ 51 b Satz 1 GmbHG, 132 Abs. 3 Satz 2 AktG, 70 Abs. 2 FamFG sind nicht erfüllt. Es handelt sich um einen Fall, dessen wesentlichen entscheidungserheblichen Fragestellungen in der Rechtsprechung und Literatur hinreichend geklärt sind, so dass von einer rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nicht ausgegangen werden kann. Da der Antrag zurückzuweisen war, ist die offene und in der Literatur umstrittene Frage der Anwendung von § 132 AktG bei einer virtuellen Hauptversammlung nicht entscheidungserheblich gewesen.

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