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BGH, Beschluss vom 20.09.1993 – II ZR 244/92

Auskunftsverweigerung

1. Bei der Entscheidung, ob einem abberufenen Geschäftsführer auch der Dienstvertrag fristlos gekündigt werden soll, kann sich die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allein zuständige Gesellschafterversammlung vertreten lassen.

2. Die Pflicht des Geschäftsführers, der Gesellschaft Auskunft über deren Angelegenheiten zu erteilen, ergibt sich nicht aus § 51a GmbHG, sondern aus § 666 BGB i.V.m. §§ 675, 611 BGB und wird in § 46 Nr. 6 GmbHG als selbstverständlich vorausgesetzt.

Tatbestand

Der Kl. (K) war Geschäftsführer der bekl. GmbH (B), die sich als Tochtergesellschaft der X–GmbH mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen befaßt. Bereits im November 1988 hatte die Alleingesellschafterin X Anlaß gehabt, das Verhalten des K zu beanstanden. Dieser hatte nämlich darauf hingewirkt, daß eine Reihe von Versicherungskunden der B den Zeitpunkt der Fälligkeit der geschuldeten Prämien so änderte, daß K für 1987 eine Provision von B fordern konnte, auf die er ohne die genannte Änderung keinen Anspruch gehabt hätte. Im Frühjahr kam es zu einem weiteren Vorfall, in dessen Verlauf K als Geschäftsführer abberufen wurde; am folgenden Tag wurde der mit ihm geschlossene Anstellungsvertrag fristlos gekündigt. B hatte für einen Versicherungskunden mehr als 90000 DM auf einem Gesellschaftskonto angesammelt. Diesen Betrag hob K am 21. 3. 1989 bar ab, ohne daß – trotz der Erinnerung der Buchhalterin – bis in die ersten Apriltage 1989 ein Beleg zu den Buchungsunterlagen der Gesellschaft gelangte. Dies war der Anlaß für die Abberufung des K. Bei der anschließend von X veranlaßten Sonderprüfung wurde eine auf den 11. 4. 1989 datierte Quittung des Empfängers des Geldes aufgefunden, die – wie die Prüfer bei einer Rückfrage feststellen mußten – inhaltlich unrichtig war. K weigerte sich, dem von X entsandten Prokuristen P gegenüber Auskunft über den Verbleib des Geldes zu geben, sondern verwies auf einen Treuhandauftrag mit dem Versicherungskunden, aus welchem er ein Schweigerecht herleitete. Daraufhin sprach P in Vollmacht der X die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses aus.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem LG Erfolg, während das OLG auf die Berufung der B die Klage abgewiesen hat. Die Revision des K hat der II. Zivilsenat des BGH nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. zum Annahmeverfahren BGH–Beschl. v. 4. 3. 1991, II ZR 188/90, DStR 1991, DSTR Jahr 1991 Seite 584).

Zu den Entscheidungen

1. Kündigungszuständigkeit

Die Abberufung des K als Geschäftsführer hat die dafür zuständige Gesellschafterversammlung der B, nämlich X als Alleingesellschafterin getroffen. Dies hat K nicht angegriffen, aber gemeint, nach der neueren Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 25. 3. 1991, BGH 25.03.1991 Aktenzeichen II ZR 169/90, DStR 1991, DSTR Jahr 1991 Seite 751; zuletzt BGH–Beschl. v. 10. 5. 1993, II ZR 54/92, DStR 1993, DSTR Jahr 1993 Seite 843), nach der die Entscheidungen über das Anstellungsverhältnis als Annexkompetenz zur Bestellung und Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
(vgl. § GMBHG § 46 Nr. 5 GmbHG) in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fallen, sei die von dem Prokuristen P der X ausgesprochene Kündigung unwirksam.

Dem ist nicht zu folgen. Zum einen liegt die Gefahrensituation nicht vor, die den BGH zu der genannten Rechtsprechung veranlaßt hat, auf der anderen Seite verkennt K, daß die Gesellschafterversammlung der B die Kündigung nicht selbst aussprechen mußte. X hat im vorliegenden Fall K von seinem Geschäftsführeramt abberufen und zugleich beschlossen, eine Sonderprüfung seines Geschäftsgebarens durchzuführen, dazu ihren Prokuristen P zu entsenden und ihn mit der Vollmacht zu versehen, „die Interessen der Alleingesellschafterin bei der Revision und der sich daraus ergebenden Konsequenzen zu vertreten und alle in diesem Zusammenhang erforderlich werdenden Handlungen vorzunehmen.“ Erklärte P im Laufe der Durchführung der Revision K gegenüber die fristlose Kündigung, so konnte damit nicht die der Gesellschafterversammlung vorbehaltene Entscheidung unterlaufen werden, welche Person zu welchen Anstellungsbedingungen Organ der GmbH wird oder bleibt. Gerade dieser Gesichtspunkt, einer Präjudizierung der in § GMBHG § 46 Nr. 5 GmbHG der Gesellschafterversammlung zugewiesenen Entscheidung über Bestellung und Abberufung entgegenzuwirken, hat den II. Zivilsenat des BGH zu der oben wiedergegebenen Rechtsprechung zur „Annexkompetenz“ bestimmt. Bei der von P an Ort und Stelle für X zu treffenden Entscheidung ging es allein darum, ob bei der Sonderprüfung die offenen Fragen über das Verhalten des K in einer Weise geklärt werden konnten, die es der B möglich machte, wenigstens den Dienstvertrag bis zum Ende der normalen, sechsmonatigen Kündigungsfrist fortzuführen. Hierbei konnte sich die Gesellschafterversammlung der B vertreten lassen (BGHZ 91, BGHZ Band 91 Seite 217, BGHZ Band 91 Seite 219 m.w.N.; vgl. auch Urt. v. 1. 2. 1968, BGH 01.02.1968 Aktenzeichen II ZR 212/65, WM 1968, WM Jahr 1968 Seite 570; v. 9. 10. 1989, BGH 09.10.1989 Aktenzeichen II ZR 16/89, LM Nr. 18 zu § BGB § 179 BGB; Scholz/Schneider, 8. Aufl., § 35 Rdnr. 221; Hachenburg/Mertens, 7. Aufl., § 35 Rdnr. 99; Lutter/Hommelhoff, 13. Aufl., Anh. § 6 Rdnr. 6), zumal – wie die Vollmachterteilung zeigt – im Grundsatz bereits eine (bedingte) Entscheidung über die fristlose Kündigung getroffen worden war.

2. Auskunftspflicht

K hat ferner in der Sache selbst gemeint, er habe sich mit Recht auf sein Schweigerecht berufen und die Frage nicht beantworten müssen, wo sich das von ihm von einem Konto der B abgehobene Geld während der zurückliegenden drei Wochen befunden hat.

2.1 Unanwendbarkeit von § GMBHG § 51a GmbHG

Dem ist das OLG entgegengetreten und hat die Auskunftspflicht des K aus § GMBHG § 51a GmbHG hergeleitet. Dabei hat das Berufungsgericht allerdings – ebenso wie K, der sich auf § GMBHG § 51a Abs. GMBHG § 51A Absatz 2 GmbHG hat stützen wollen – übersehen, daß diese Bestimmung im vorliegenden Fall unanwendbar ist. § GMBHG § 51a GmbHG ist eine dem Schutz der Gesellschaftsminderheit dienende Vorschrift, die dem einzelnen Gesellschafter als Mitgliedschaftsrecht zusteht. Der Anspruch auf Informationserteilung richtet sich gegen die Gesellschaft, nicht gegen den Geschäftsführer; nicht er, sondern die Gesellschaft ist im

Streitfall zu verklagen, der Geschäftsführer – und zwar der jeweils amtierende (Baumbach/Hueck/Zöllner, 15. Aufl., § 51a Rdnr. 8) – hat als Organ der GmbH für diese der Auskunftspflicht nachzukommen. Da es im vorliegenden Fall um ein Auskunftsverlangen der Gesellschaft, nicht eines einzelnen Gesellschafters ging, ist § GMBHG § 51a GmbHG unanwendbar. Das OLG hat auch nicht beachtet, daß K nach seiner am Vortage beschlossenen Abberufung als Geschäftsführer einem etwa auf § GMBHG § 51a GmbHG gestützten Auskunftsbegehren mangels Organstellung für die B gar nicht mehr nachkommen, mit der Auskunftsverweigerung also auch nicht eine aus dieser Vorschrift etwa folgende Pflicht verletzen konnte.

2.2 Auskunftspflicht nach § BGB § 666 BGB

Gleichwohl ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, daß K zur Auskunft verpflichtet war, im Ergebnis zutreffend. Die Pflicht des Geschäftsführers zur Auskunftserteilung gegenüber der Gesellschafterversammlung wird in § GMBHG § 46 Nr. 6 GmbHG vorausgesetzt (vgl. dazu auch K. Schmidt, FS 100 Jahre GmbHG, 559, 566) und ergibt sich schon aus § BGB § 666 BGB i.V.m. §§ BGB § 675, BGB § 611 BGB (vgl. auch Lutter/Hommelhoff, a.a.O., Anh. § 6 Rdnr. 18 und § 46 Rdnr. 17).

Ist Rechtsgrundlage für das Befragungsrecht der B der aus § BGB § 666 BGB, also dem Anstellungsvertrag, folgende Auskunftsanspruch des Dienstherrn, dann hatte K die Auskunft zu erteilen. Die rund 90000 DM waren bar von einem Gesellschaftskonto abgehoben worden; hierfür existierte zunächst kein Beleg, erst nach einiger Zeit ist ein von K hergestellter Eigenbeleg beigebracht worden, der – wie die Prüfer festgestellt hatten – inhaltlich unrichtig war. Der angebliche Empfänger – Gläubigerin der B – hatte das Geld nämlich nicht erhalten, wie in dem Eigenbeleg verzeichnet, sie hatte nicht einmal Verfügungsbefugnis über den abgehobenen Betrag. Dieser befand sich vielmehr, wie später festgestellt wurde, in den Händen des K (rund 30000 DM) bzw. auf einem Konto (rund 60000 DM), über das allein er verfügungsbefugt war. Die Prüfer und P konnten angesichts dessen den Sachverhalt nur klären, wenn K rückhaltlos Auskunft erteilte. Dazu war er verpflichtet, weil es sich bei den 90000 DM um Geld der B handelte, das diese für ihre Gläubigerin verwaltet hatte und das sie dieser auf Anfordern auszuhändigen hatte.

3. Wichtiger Grund

Zu Unrecht hat K gemeint, jedenfalls liege kein Wichtiger Grund für die sofortige Kündigung vor. Seine Weigerung, an der Aufklärung der Transaktion mitzuwirken, ist ein schwerer Vertrauensbruch, der die sofortige Lösung des Anstellungsverhältnisses rechtfertigt. Das gilt erst recht, wenn mit einbezogen wird, daß K erst wenige Monate zuvor nachdrücklich verwarnt und aufgefordert worden war, eigene finanzielle Interessen und die der Gesellschaft streng zu trennen.

K kann sich auch nicht darauf berufen, daß die fristlose Kündigung auf eine Untreuehandlung gestützt worden ist, die sich in dem auf Veranlassung der B eingeleiteten Ermittlungsverfahren nach Meinung der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt hat, obwohl K 30000 DM nicht auf ein Festgeldkonto eingezahlt, sondern bis nach der Kündigung zu seiner eigenen Verfügung gehalten hat. Auch wenn diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft der Beurteilung im vorliegenden Rechtsstreit zugrundegelegt wird, blieb der berechtigte Vorwurf gegen K, an der gebotenen Aufklärung der Angelegenheit nicht mitgewirkt zu haben.

B ist nicht etwa aus dem Gesichtspunkt des unzulässigen Nachschiebens von Kündigungsgründen (vgl. BGH–Urt v. 14. 10. 1991, II ZR 239/90, DStR 1992, DSTR Jahr 1992 Seite 296 m. Anm. Fleck, EWiR 1992, EWIR Jahr 1992 Seite 61 und Roth, LM Nr. 11 zu § GMBHG § 38 GmbHG; ferner Fleck, WM 1985, WM Jahr 1985 Seite 677, WM Jahr 1985 Seite 681f.) gehindert, sich auf die Auskunftsverweigerung zu stützen. Es handelt sich um denselben und nicht einen völlig anderen Lebenssachverhalt, den B nunmehr lediglich strafrechtlich anders einordnet; zu der damaligen Bewertung als Untreuehandlung ist es nur deshalb gekommen, weil K an der gebotenen Aufklärung der Vorgänge nicht mitgewirkt hat und zumindest den Verdacht hervorgerufen hat, Gesellschaftsgelder veruntreut zu haben.

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