Einträge nach Montat filtern

OLG München, Beschluss vom 11.10.2023 – 7 U 3195/22

Ausschluss GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausschluss
Ausschluss Gesellschafter
Gesellschafter
I wichtiger Grund

§ 9 Abs. 1 PartGG, § 140 Abs. 1 Satz 1, § 133 HGB

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.04.2022, Aktenzeichen 10 O 7629/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sowie dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien sind Rechtsanwälte und PartnerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Partner
und Partner
einer Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung. Die Kläger verlangen die Feststellung, dass der Beklagte durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 23.10.2019 wirksam aus der Partnerschaft ausgeschlossen worden und zur Mitwirkung der Anmeldung seines Ausscheidens aus der Partnerschaft im Partnerschaftsregister verpflichtet sei.

2

Zwischen den Parteien besteht der am 19.01.2016 geschlossene Partnerschaftsvertrag (Anlage K 1). Ausweislich dieses Vertrages (Ziff. I.3 und 4) sind alle Vertragsparteien verpflichtet, der Sozietät (nach Maßgabe der weiteren vertraglichen Regelungen) ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Es ist untersagt, auf eigene Rechnung Geschäfte zu betreiben und abzuschließen oder der Sozietät auf andere Weise Konkurrenz zu machen. Die Gesellschaft ist durch ordentliche Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende ordentlich kündbar (ZIff. IIIl.2.); die Kündigung bedarf der Schriftform und hat gegenüber den anderen Gesellschaftern durch eingeschriebenen Brief oder gegen Empfangsbekenntnis zu erfolgen (Ziff. III.3) Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters wird die Sozietät durch die verbleibenden Gesellschafter fortgesetzt (Ziff. III.4). Die Führung der Geschäfte und die Vertretung steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Anderes gilt zur Erledigung laufender Geschäfte, sofern die Gesellschaft nicht mit einem höheren Betrag als 5.000 € pro Einzelfall verpflichtet oder eine Dauerverbindlichkeit begründet wird. Diese Ermächtigung gilt ohne betragsmäßige Beschränkung für diejenigen Kosten, die im Zusammenhang mit einem Mandat anfallen und dem Mandanten in Rechnung gestellt werden können (Ziff. IV.1 und 2). In Gesellschafterversammlungen können sich Gesellschafter durch andere Gesellschafter mit schriftlicher Vollmacht vertreten lassen (Ziff. VI.4). Zum Ausscheiden ist geregelt:

„XII. Ausscheiden

Ein Sozius scheidet aus der Gesellschaft aus

– durch ordentliche Kündigung;

– durch Kündigung aus wichtigem Grund;

– durch Ausschließung,

die in entsprechender Anwendung der §§ 133, 140 HGB einstimmig beschlossen werden kann, wobei der betreffende Sozius nicht stimmberechtigt ist. Ausschließungsgründe sind insbesondere auch Arbeitsunfähigkeit […], bestandskräftiger Entzug der Anwaltszulassung und Pfändung des Gesellschaftsanteils des jeweiligen Sozius durch einen Gläubiger oder sonstiger Vermögensverfall; der Ausschuss ist sofort wirksam, auch wenn noch keine Einigkeit über die Art bzw. Höhe der Abfindung erzielt worden ist […]“

3

Hinsichtlich der Ausscheidungsfolgen ist geregelt, dass sich der Abfindungsanspruch des Gesellschafters auf den Gewinnanteil für das laufende Geschäftsjahr bis zum Tag des Ausscheidens sowie den seiner Gewinn- und Verlustbeteiligung entsprechenden Anteil an dem sonstigen Betriebsvermögen der Sozietät zum Zeitpunkt des Ausscheidens beschränkt; ein Kanzleiwert oder „good will“ wird nicht in Ansatz gebracht. Im Grundsatz darf der ausscheidende Gesellschafter Mandate unter Beachtung der berufsrechtlichen Regelungen mitnehmen. Letzteres gilt im Falle eines Ausschlusses nicht. Zu näheren Einzelheiten wird auf Ziff. XIII.2 des Vertrages Bezug genommen.

4

Spätestens im April 2019 war das wechselseitige Vertrauen vollständig verloren gegangen. Die Kläger erklärten mit Schreiben vom 15.05.2019 dem Beklagten gegenüber ihre ordentliche Kündigung des Sozietätsvertrages (Anlagen B 20 und B 21). Sie nahmen in der Folge jedoch den Standpunkt ein, die Kündigung sei noch nicht wirksam, weil sich die Kläger die Kündigung nicht wechselseitig erklärt hätten (Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 03.06.2019, Anlage B 22, S. 2f.). Mit Schreiben ihres Vertreters vom 26.07.2019 bestätigten sie – nach entsprechender Aufforderung durch den Beklagten – die Wirksamkeit der erklärten Kündigung (Anlage B 28).

5

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 03.09.2019 mahnten die Kläger den Beklagten ab: Der Beklagte habe die Pflicht verletzt, seine gesamte Arbeitskraft der Sozietät zur Verfügung zu stellen. Zudem verletze er das Konkurrenzverbot gemäß Ziffer 1.4. des Sozietätsvertrages. Damit gehe ein Verstoß gegen Ziff. VII. 1. des Sozietätsvertrages einher, wonach sämtliche Einkünfte aus der Berufstätigkeit der Partner der Sozietät zufließen. Dies ergebe sich daraus, dass der Beklagte Nachlasspflegschaften übernommen habe, die nicht als Mandat der Partnerschaft geführt würden. Zudem bediene sich der Beklagte zur Durchführung dieser Mandate der Mitarbeit der Herren B. und Be. Herr B. verfüge über einen zweifelhaften Ruf, wovon ein S.-Artikel vom 12.05.1997 zu dubiosen Grundstücksmauscheleien Bände spreche. Die Kläger sprachen eine Abmahnung aus und forderten binnen einer Frist bis zum 13.09.2019 Informationen zu den Nachlassverfahren, Auskunft zu Kostenrechnungen, Überführung der Mandate in die Partnerschaft, Beendigung der Kooperation mit den Herren B. und Be. sowie die Erklärung, für etwaige Schäden hieraus, die die Berufshaftpflicht nicht decke, einzustehen. Bei Nichterfüllung behielten sich die Kläger sämtliche Maßnahmen und rechtlichen Schritte vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts des Schreibens vom 03.09.2019 wird auf Anlage K 2 Bezug genommen.

6

Mit Schreiben vom 08.10.2019 (Anlage K18) lud der Kläger zu 1) zu einer Gesellschafterversammlung am 16.10.2019 – nachdem bereits am 12.08.2019 und am 10.09.2019 Versammlungen zu anderen Themen stattgefunden hatten – ein, bei der unter anderem der Ausschluss des Beklagten aus der Sozietät auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Im Beschlussprotokoll (Anlage K 20) zu dieser Gesellschafterversammlung ist unter anderem vermerkt: „Es wird über den Abschluss einer Ausscheidensvereinbarung diskutiert. Die Parteien sind bestrebt eine Vereinbarung zu treffen, wonach Herr Dr. L. rückwirkend zum 30.09.19 aus der Partnerschaft ausscheidet. Da eine abschließende Vereinbarung nicht zustande gekommen ist, fassen die Partner einstimmig folgenden Beschluss“. Die Versammlung wurde unter Beibehaltung der Tagesordnung auf den 23.10.2019 vertagt, die Kontensperrung aufgehoben, der VPN-Zugang freigeschaltet. Ferner wurde beschlossen, dass der Beklagte die Kanzleiräume nicht ohne vorherige Terminvereinbarung betreten werde. Eine solche Vereinbarung sei insbesondere für die Abholung persönlicher Gegenstände und der vom Beklagten zu bearbeitenden Akten erforderlich. Der Beklagte übergebe den Kanzleischlüssel. Die Gesellschafter seien bestrebt, auf der Basis der heute besprochenen Punkte eine Einigung über eine Ausscheidensvereinbarung zu erzielen. Zum Wortlaut wird auf die Anlage Bezug genommen. In der Folge wurden Entwürfe einer Ausscheidens- und Abfindungsvereinbarung ausgetauscht (vgl. Anlage K 21 f.). In der Präambel wird ausgeführt, dass beabsichtigt sei, dass der Beklagte zum 30.09.2019 aus der Sozietät ausscheide. Unter Ziff. 1.1 wird geregelt, dass Rechtsanwalt Dr. L. rückwirkend zum 30.09.2019 aus der Gesellschaft ausscheidet.

7

In der Partnerversammlung am 23.10.2019, bei der sich die Klägerin zu 2) vom Kläger zu 1) aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten ließ, wurde mit den Stimmen der Kläger der Beschluss gefasst, den Beklagten aus Partnerschaft auszuschließen (Beschlussprotokoll vom 23.10.2019, Anläge K 23). Dem Beklagten wurde – abweichend vom Gesellschaftsvertrag – eine Mandatsmitnahme gestattet.

8

Der Beklagte kündigte über seinen anwaltlichen Vertreter mit E-Mail vom 06.11.2019 die Anfechtung der Beschlüsse an (Anlage K 25). Am 09.12.2019 fassten die Kläger den Beschluss, ihre Kündigungserklärungen zurückzunehmen und die Gesellschaft fortzusetzen (Anlage K 29). Gegenüber dem Registergericht machte der Beklagte am 17.03.2020 (Anlage B 47) geltend, dass seine Ausschließung unwirksam sei und die Gesellschaft bereits aufgrund Kündigungen der Kläger mit Wirkung zum 31.12.2019 aufgelöst worden sei. Mit Beschlüssen vom 29.04.2021 (Anlage K 31) und vom 30.04.2021 (Anlage K 32) hob das Registergericht die Androhung der Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Beklagten auf den Einspruch des Beklagten auf und setzte den Klägern eine Frist zur Erhebung der Wirksamkeitsfeststellungsklage.

9

Die Kläger behaupten, dass der Beklagte folgende Pflichten aus dem Partnerschaftsvertrag verletzt habe (Ausschließungsgründe):

10

Aufgrund eines Postrückläufers am 01.07.2019 (Anlage K 3) in einer Nachlassangelegenheit habe ermittelt werden können, dass das Schreiben nicht in der Kanzlei und auf veraltetem Briefbogenpapier erstellt worden sei. Für eine Nachlasspflegschaft habe der Beklagte ebenfalls keine Akte angelegt, wie aufgrund eines Schreibens der Landeshauptstadt M. (Anlage K 4) bekannt geworden sei. Zudem habe der Beklagte die von ihm ohne Kenntnis der Partnerschaft angenommenen Nachlassangelegenheiten („Schattenmandate“) gar nicht selbst bearbeitet; vielmehr habe sich der Beklagte der Herren B. und Be. bedient, wobei Herr B. auch Schriftsätze erstellt habe, die der Beklagte anschließend lediglich unterzeichnete. Ein Schreiben vom 19.03.2019 (Anlage K 10) belege, dass der Beklagte in einer Nachlasssache eine Erbenermittlung M. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
mit der Erbenermittlung beauftragt und bevollmächtigt habe. Auffällig sei u.a. das fehlende Aktenzeichnen. Erkundigungen über Herrn B. hätten ergeben, dass dieser in den 90er Jahren zumindest in Verdacht gestanden habe, sich als Nachlasspfleger aus der Erbmasse bereichert und sich damit wegen Untreue strafbar gemacht zu haben (S.-Artikel vom 11.05.1997, Anlage K 11). Ob Herr B. überhaupt (noch) eine Anwaltszulassung habe, sei den Klägern nicht bekannt. Aufgrund einer Besprechung mit dem leitenden Richter am Nachlassgericht des Amtsgerichts München am 24.07.2019 sei in Erfahrung gebracht worden, dass die von dem Beklagten angenommenen Nachlassangelegenheiten „T.“ und „R.“ nicht in der Kanzlei der Partnerschaft verzeichnet gewesen seien; es seien vom Beklagten seit 01.01.2019 lediglich vier Akten in Nachlasspflegschaften angelegt worden. In der Nachlassangelegenheit Sch. sei zwar eine Akte angelegt gewesen, die Korrespondenz hierzu sei aber ebenfalls ersichtlich nicht in der Kanzlei erstellt worden.

11

Der Beklagte habe sein Büro in der Kanzlei bereits am Wochenende 12./13.10.2019 geräumt und am 16.10.2019 freiwillig die Kanzleischlüssel zurückgegeben. Die Ausschließung sei faktisch bereits vollzogen worden. Der Beklagte habe sich zu Unrecht geweigert, an der Änderung des Partnerschaftsregisters, d.h. seiner Austragung als Partner, mitzuwirken.

12

Der Ausschließungsbeschluss sei formell und materiell wirksam. Der nachfolgende Klageantrag zu II. sei unabhängig von der Entscheidung über den Klageantrag zu l. begründet, weil der Beklagte das von ihm behauptete Recht, sich auf die Unwirksamkeit seiner Ausschließung zu berufen, längst verwirkt habe. Zwar sehe weder das Gesetz noch der Sozietätsvertrag eine Frist vor, um die etwaige Unrichtigkeit der Ausschließung überprüfen lassen zu können. Allerdings müsse ein etwaiger Beschlussmangel innerhalb einer angemessenen Frist geltend gemacht werden, da ansonsten Verwirkung eintrete.

13

Die Kläger haben in erster Instanz beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte mit Gesellschafterbeschluss vom 23.10.2019 wirksam aus der Partnerschaft PMP P. M. Partner (AG München, PR 614) ausgeschlossen worden ist.

2. Zudem wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an der Anmeldung seines Ausscheidens als Partner von PMP P. M. Partner (AG München, PR 614) im Partnerschaftsregister mitzuwirken.

14

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte behauptet, der Vorwurf der Kläger, er habe „Schattenmandate“ geführt, sei falsch und haltlos. Es spiele auch keine Rolle, wenn Herr B. im Sinne einer Dienstleistung Schriftsatzentwürfe für den Beklagten gefertigt hätte und Herr B. nicht als Rechtsanwalt zugelassen sei. Es habe sich nämlich ausschließlich um Entwürfe von Schriftsätzen gehandelt, die der Beklagte selbstverständlich ausnahmslos in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht geprüft habe. Für die Schriftsätze habe der Beklagte die volle anwaltliche Verantwortung übernommen. Zudem habe es sich um Schreiben einfacher Art gehandelt, nicht um juristische Schriftsätze gehandelt. Dies sei rechtskonform gewesen. Die Kooperation mit Herrn B. sei im Übrigen unter Einbindung des damaligen Mitgesellschafters M. von Rechtsanwalt Dr. Te. übernommen worden. In der Gesellschafterversammlung vom 10.09.2019 habe der Beklagte zu den Vorwürfen mündlich Auskunft erteilt.

16

Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Ausschließungsbeschluss vom 23.10.2019 schon aus formellen Gründen unwirksam sei. Der Beklagte ist zudem der Auffassung, dass etwaige Ausschließungsgründe durch die Abmahnung verbraucht seien, da die Kläger für die Zeit zwischen der Abmahnung am 03.09.2019 und dem Ausschließungsbeschluss am 23.10.2019 zu weiteren Verstößen gegen den Sozietätsvertrag nichts vorgetragen haben.

17

Die Kläger sind demgegenüber der Ansicht, dass es sich im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Herrn B. um ein Dauerdelikt gehandelt habe. Der Beklagte habe nach Abmahnung nichts getan, um die Umstände dieser Kooperation und die Fragen der Kläger hierzu aufklären. Zudem habe der Beklagte vorab die Zustimmung aller damaligen Partner zu dieser Kooperation einholen müssen, jedenfalls die Partner darüber informieren müssen. Zudem habe er juristische Tätigkeiten selbst ausüben müssen, wie sich aus einem Erst-Recht-Schluss aus Ziffern 1.1 und 1.3 des Partnerschaftsvertrages ergebe. Ferner seien hierdurch die partnerschaftlichen Regeln über die Zusammenarbeit mit angestellten oder freiberuflichen juristischen Mitarbeitern verletzt worden, da hierüber gemäß Ziffer IV. 1 und IV.2 des Partnerschaftsvertrages die Partner gemeinschaftlich entscheiden müssten.

18

Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 29.04.2022, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), abgewiesen. Der Ausschließungsbeschluss sei unwirksam, weil die von den Klägern geltend gemachten Ausschließungsgründe dem Beklagten bereits im Abmahnschreiben vom 03.09.2019 vorgehalten worden seien und daher nicht zugleich der Kündigung zugrunde gelegt werden könnten. Auch die Kooperation mit Herrn B. begründe keinen wichtigen Grund für den Ausschluss des Beklagten. Schließlich habe der Beklagte sein Recht, sich auf die Unwirksamkeit der Ausschließung zu berufen, nicht verwirkt.

19

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihr erstinstanzliches Rechtsschutzziel unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags weiterverfolgen.

20

Sie beantragen in der Berufung (Berufungsbegründung, S. 2, Bl. 195 d.A.):

Auf die Berufung der Kläger wird das am 29.04.2022 verkündete Endurteil des Landgerichts München l, Az.: 10 O 7629/21, aufgehoben und wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte mit Gesellschafterbeschluss vom 23.10.2019 wirksam aus der Partnerschaft PMP P. M. Partner (AG München, PR 614) ausgeschlossen worden ist.

2. Zudem wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an der Anmeldung seines Ausscheidens als Partner von PMP P. M. Partner (AG München, PR 614) im Partnerschaftsregister mitzuwirken.

21

Mit Schriftsatz vom 24.08.2023, S. 22, Bl. 316 d.A., erweiterten die Kläger ihre Anträge um folgenden Hilfsantrag:

Hilfsweise:

1. a) Es wird festgestellt, dass der Beklagte aus und im Zusammenhang mit den Gesellschafterbeschlüssen vom 16.10.2019 wirksam aus der Partnerschaft PMP P. M. Partner (AG München, PR 614) ausgeschieden ist.

22

Der Beklagte beantragt (Berufungserwiderung vom 30.12.2022, S. 2, Bl. 229 d.A.)

die Berufung zu verwerfen, hilfsweise nach § 522 Abs. 2 ZPO, hilfsweise nach mündlicher Verhandlung zurückzuweisen.

23

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger ist durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist – es handelt sich um eine Bewertung des Vorliegens eines wichtigen Grundes für den Ausschluss eines Partners aus einer Rechtsanwaltssozietät in einem von Besonderheiten geprägten Einzelfall – und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern.

25

In der Sache wird auf den Hinweis des Senats vom 19.06.2023 Bezug genommen. Aus den dort näher ausgeführten Gründen, in denen auch und insbesondere auf das Berufungsvorbringen der Kläger im Einzelnen eingegangen wird, sieht der Senat die Berufung als nicht begründet an. Den Berufungsführern wurde Gelegenheit zur Äußerung auf die Hinweise bis 24.08.2023 gegeben; eine Stellungnahme erfolgte mit Schriftsatz vom 24.08.2023. Die hierin erhobenen Einwände der Kläger geben zu keiner von der im Hinweis geäußerten Rechtsansicht abweichenden Beurteilung Anlass. Ergänzend ist Folgendes anzumerken:

26

1. Der Ausschluss eines Gesellschafters bedarf eines wichtigen Grundes, vgl. Ziff. XII des Vertrages, § 9 Abs. 1 PartGG, § 140 Abs. 1 Satz 1, § 133 HGB. Der wichtige Grund ist im HGB nicht abschließend definiert; es besteht Einigkeit, dass für die Konkretisierung § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB herangezogen werden kann. Danach kommt es darauf an, ob den Klägern der Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (vgl. Lehmann-Richter in BeckOK HGB, § 133 Rn. 15 [Stand: 15.01.2023]; Lorz in Ebenroth/Boujong/jhoost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 133 Rn. 1; Roth in Hopt, HGB, 42. Aufl., § 133 Rn. 5). Diese Wertung beansprucht erst recht Geltung, wenn die Kläger selbst bereits die Kündigung erklärt haben und damit die Frist zur Beendigung der Gesellschaftsbeteiligung bereits läuft.

27

Es besteht kein Anlass, in gesellschaftsrechtlichen Fällen von diesem – im allgemeinen Schuldrecht kodifizierten und damit auch im Gesellschaftsrecht anwendbaren – Grundsatz abzuweichen. Nicht nur im Handelsvertreterrecht, auch im Gesellschaftsrecht beanspruchen die folgenden Ausführungen des BGH (Urteil vom 16. Februar 2000 – VIII ZR 134/99, juris-Rn. 33f.) Gültigkeit: Nicht die Zukunft des Unternehmens, sondern die Dauer der Bindung an den Vertrag, die der durch den wichtigen Grund betroffene Teil ohne die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung noch durchstehen müsste, ist das für die Frage der Zumutbarkeit und damit für das Vorliegen eines wichtigen Grundes mitentscheidende Kriterium. Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses sind daher an die Intensität der Vertragsstörung um so höhere Anforderungen zu stellen sind, je kürzer die Frist bemessen ist, innerhalb derer das Vertragsverhältnis abläuft oder durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. Im Handelsvertreterrecht nimmt der BGH folgerichtig in Kauf, dass der Unternehmer – wenn er allein wegen einer nur noch geringen Vertragslaufzeit an einer außerordentlichen Kündigung gehindert ist – den Handelsvertreterausgleich schuldet (vgl. § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB). Nachteile durch eine nur noch kurze Vertragsrestlaufzeit sind somit in Kauf zu nehmen.

28

Entscheidend ist daher die Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung der Sozietät vom 23.10.2019 (dem Datum des Ausschlussbeschlusses) bis zu dem infolge der ordentlichen Kündigungen der Kläger eintretenden Ende der Sozietät am 31.12.2019. Nicht statthaft ist es, für die Zumutbarkeit eine alternative Sachlage zugrunde zu legen und die Frage zu stellen, ob der Ausschluss bei einer ungekündigten Gesellschaft gerechtfertigt wäre. Die Frage stellt sich nicht, denn so liegt der Fall nicht, da die Kläger die Gesellschaft ordentlich gekündigt hatten. Die Sachlage nach Kündigung der Kläger ist nicht anders, als wenn man sich einvernehmlich auf ein Ausscheiden der Kläger auf den 31.12.2019 geeinigt hätte. Das gilt erst recht, wenn ein wesentlicher Teil der nunmehr erhobenen Vorwürfe – mangelnder Einsatz des Beklagten für die Kanzlei, Nicht-Wahrnehmung von Terminen ohne hinreichende Unterrichtung der Kanzlei und Verdacht der Bearbeitung von seitens der Kläger als bezeichnete Schattenmandaten an der Kanzlei vorbei – bereits den Hintergrund der ordentlichen Kündigung bildeten (vgl. das Schreiben des anwaltlichen Vertreters der Kläger vom 03.06.2019, Anlage B 22).

29

Der klägerseits angestellte Vergleich mit einer Sozietät, bei der nicht alle übrigen Sozien gekündigt haben, trägt nicht, denn die Ausgangslage ist ebenfalls nicht vergleichbar mit der hiesigen Sachlage: dort besteht – anders als hier – zwischen den Gesellschaftern, die nicht gekündigt haben, eine ungekündigte Sozietät fort, die den Beklagten, der den wichtigen Grund gesetzt haben soll, einschließt. Dann ist das Interesse dieser Gesellschafter, die die Gesellschaft nicht ordentlich gekündigt haben, am Fortbestand der insoweit ungekündigten Gesellschaft, zum anderen die längere Dauer der Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung durch einen verbleibenden Gesellschafter, der bislang noch nicht gekündigt hat, im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. So liegt der Fall aber nicht.

30

2. Der Senat hat die Frage der Untermieter unter dem Gesichtspunkt thematisiert, ob es dem Beklagten als zum Ausschluss berechtigenden Vorwurf anzulasten ist, dass er an die Untermieter herangetreten ist. Dies ist nicht der Fall, denn durch die Kündigung der Kläger tritt der Beklagte als Rechtsnachfolger der Sozietät in die Verträge ein. Es liegt somit in seiner Hand, die Vertragsfortführung zu gestalten. Das Risiko, dass die Untermieter das Untermietverhältnis unter den geänderten Bedingungen nicht fortsetzen wollen, ist der Änderung der Sachlage immanent. Die Klageseite vergisst, dass es ihre Kündigung war, die die Ursache dafür gesetzt hat, dass – so die klägerische Behauptung – der Empfangsbereich nicht würde besetzt werden können und der Beklagte allein die Mietforderungen nicht würde erwirtschaften können. Zugleich hat sie mit der Kündigung das Risiko ihrer Nachhaftung für Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis ausgelöst. Auf die Zumutbarkeit, mit dem Beklagten (nur) noch weitere zwei Monate zusammenarbeiten zu müssen, hat die Nachhaftung keine Auswirkung.

31

3. Der Senat hält daran fest, dass die Kläger selbst durch die Bestätigung der ordentlichen Kündigung am 26.07.2019 – die sie ausweislich ihres eigenen schriftsätzlichen Vorbringens, wie im Hinweisbeschluss zitiert, zu Recht oder zu Unrecht für konstitutiv hielten – und (unabhängig von der Bewertung der Kündigungserklärung) durch die Abmahnung am 03.09.2019 zum Ausdruck gebracht haben, dass das ihnen bis dahin bekannte, dem Beklagten vorgeworfene Verhalten nicht einen sofortigen Ausschluss rechtfertigt, sondern nur eine Abmahnung.

32

Zu diesem Zeitpunkt war das wesentliche vorgeworfene Fehlverhalten – angebliche Schattenmandate, Zusammenarbeit mit Beeking – bekannt.

33

Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass Anhaltspunkte dafür, dass Nachlasspflegschaften tatsächlich an der Kanzlei vorbei geführt worden seien, nicht ersichtlich seien. Dies greifen die Kläger nicht an. Sie meinen aber, damit nehme der Senat eine ex-post-Sicht ein, die nicht statthaft sei. Entscheidend sei, dass die Kläger bei Ausspruch des Ausschlusses das Ausmaß des Fehlverhaltens nicht kannten und deshalb die Nicht-Abgabe der erforderlichen Erklärungen und der Verdacht der Fortdauer des Fehlverhaltens die Kündigung rechtfertige.

34

Hierzu hat sich der Senat bereits geäußert. Er hat ausdrücklich in Ziff. 3.2 ausgeführt, dass die Nicht-Beantwortung der Abmahnung bei einer verbleibenden Restlaufzeit bis zur Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung am 31.12.2019 nicht für den Ausschluss genüge.

35

Dabei hat er vor Augen, dass der Beklagte – anders als die Kläger suggerieren –, stets und vollumfänglich abgestritten hat, dass er neben der Kanzlei wirtschafte. Dies hat er auch schriftlich getan (etwa im Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 22.07.2019, Anlage B 27, dort unter I. und unter explizitem Hinweis auf Nachlasspflegschaften). Auch im Rahmen der Gesellschafterversammlung vom 10.09.2019 hat sich der Beklagte gegen die Vorwürfe verwahrt. Es mag sein, dass der Beklagte dies – wie die Kläger betonen – pauschal tat. Damit hat er jedoch die wesentliche Auskunft erteilt, dass es Schattenmandate, die an der Kanzlei vorbei geführt worden seien und separat abgerechnet würden, nicht gebe. Die inkriminierte Aktenführung – nämlich die Ablage in einer körperlichen Handakte (vgl. Anlagen B 39ff.) statt in elektronischer Form – rechtfertigt nicht den Ausschluss zwei Monate vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für die Kläger.

36

Wie im Hinweisbeschluss ausgeführt, bilden die Fortsetzung der Kooperation nach Abmahnung (falls eine solche stattgefunden haben sollte) bzw. die Weigerung der Abgabe einer Erklärung, die Kooperation mit Herrn B. künftig zu unterlassen, vor dem Hintergrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls keinen hinreichenden Grund für einen Ausschluss des Beklagten. Der Senat ist sich bewusst, dass eine personalistisch strukturierte Gesellschaft auf eine enge und vertrauensvolle Abstimmung der Gesellschafter angewiesen ist und deshalb den Informationspflichten und der Beachtung von Zustimmungserfordernissen grundsätzlich eine hohe Bedeutung zukommt. Gleichwohl rechtfertigt die Weigerung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und eine – mögliche – Fortsetzung der Kooperation mit Herrn B. in der verbleibenden Zeit von zwei Monaten vor dem Ende der – nicht nur völlig zerrütteten, sondern bereits gekündigten – Sozietät den Ausschluss nicht. Der Senat hat dabei sowohl den Vorwurf gewürdigt, Herr B. habe Schriftsätze vorbereitet – wobei der Beklagte mit seiner Unterschrift die volle juristische Verantwortung übernimmt –, als auch den möglichen Reputationsverlust wegen der Verdachtsmomente gegen Herrn B. im Jahr 1997 (also 20 Jahre vor dem Ausschluss des Beklagten). Beide Aspekte adressiert das Abmahnschreiben; beide Aspekte tragen jedoch nach Überzeugung des Senats vor dem Hintergrund der Beendigung der Sozietät Ende des Jahres nicht.

37

Wenn der Senat im Hinweisbeschluss auf Seite 7 unten anführt, die Kläger hätten eine Einstellung der Kooperation – nicht nur eine Unterbrechung bis zum Jahresende verlangt –, handelt es sich ausdrücklich um eine lediglich ergänzende Anmerkung. Der Senat muss sich daher nicht dazu verhalten, ob der Umstand, dass die Kläger eine überschießende Forderung stellten, Auswirkungen auf die Beurteilung des Umstandes hat, dass der Beklagte auf das Abmahnschreiben nicht förmlich reagierte.

38

4. Auch die behauptete eigenmächtige Mitnahme von Akten durch den Beklagten kann die Ausschließung am 23.10.2019 nicht rechtfertigen. Zwar haben die Kläger am 15.10.2019 die Rückgabe verlangt (Anlage K19). Im Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 16.10.2019 ist jedoch von einer Rückgabe keine Rede mehr. Geregelt ist vielmehr die weitere Abholung von Akten des Beklagten. Insofern trifft es zu, dass die Kläger zu diesem Zeitpunkt bereit waren, über die eigenmächtige Verschaffung der Akten hinwegzusehen. Überdies können die Kläger dem Beklagten schwerlich vorhalten, wenn er vor diesem Hintergrund keinen Anlass sah, die Akten bis zum 23.10.2019, dem Tag des Ausschlusses, zurückzubringen. Hinzu kommt, dass Einigkeit bestand (und zwar sowohl am 16.10. als auch am 23.10.2019), dass der Beklagte die Aktenbearbeitung sollte fortsetzen dürfen. Ein wichtiger Grund für einen Ausschluss des Beklagten liegt hierin jedenfalls nicht.

39

5. Außerhalb der Abwägung der Interessen im eigentlichen Sinn merkt der Senat an, dass der zeitliche Ablauf zu seiner Überzeugung belegt, dass es den Klägern mit dem Ausschluss des Beklagten darum ging, ihre Entscheidung zu revidieren, die Gesellschaft ordentlich zu kündigen; nicht aber ging es ihnen darum, einen untragbaren Zustand schnellstmöglich – zwingend noch vor dem 31.12.2019 – zu beenden.

40

Sie haben, wie sie letztlich selbst einräumen, den Sozietätsvertrag in der Erwartung gekündigt, auch der Beklagte werde kündigen, so dass die Kanzlei liquidiert werde. Offenbar trauten sie dem Beklagten eine Fortführung der Kanzlei wirtschaftlich nicht zu (vgl. die Ausführungen in der Gegenerklärung zu den Untermietverhältnissen). Der Beklagte kündigte jedoch wider Erwarten nicht.

41

Folgt man den Klägern, dass sie im Juli 2019 von Schattenmandaten sowie von einer Bearbeitung durch den 1997 der Untreue verdächtigen Herrn B. erfuhren und deshalb ein Gespräch mit dem Abteilungsleiter für Nachlasssachen beim Amtsgericht München am 24.07.2019 hatten (vgl. Klageschrift S. 5-6, bestätigt durch die Anlagen K12 vom 24.07.2019 und K13 vom 19.07.2019), wäre unverzügliches Handeln geboten gewesen, wenn es den Klägern wirklich darauf angekommen wäre, einen ihnen unzumutbaren Zustand – der nach der zu diesem Zeitpunkt von ihnen anerkannten Kündigung ohnehin am 31.12.2019 enden würde – schnellstmöglich zu beenden. Das aber geschah nicht. Schon Ende Juli kannten sie die wesentlichen Umstände (Schattenmandate, Anzahl der Nachlasspflegschaften beim AG München; sie kannten aufgrund der Rückläufer sogar konkrete Namen jedenfalls von zwei der drei Nachlasspflegschaften, die nicht ordnungsgemäß elektronisch registriert waren; sie kannten die Zusammenarbeit mit B.). Jedenfalls eine Abmahnung mit kurzer Fristsetzung hätte unverzüglich ausgesprochen werden können, wenn es auf die sofortige Unterbindung des vorgeworfenen Fehlverhaltens wirklich angekommen wäre. Die Abmahnung erfolgte erst mit Anwaltsschreiben vom 03.09.2019 – mehr als einen Monat später. Auch nach Ablauf der dort gesetzten Frist am 13.09.2019 (und nach Ablehnung einer seitens des Beklagtenvertreters wegen Urlaubs am 23.09.2019 bis zum 27.09.2019 beantragten Fristverlängerung, Anlagen K 52 und K 53) warteten die Kläger mit der Einladung zur Gesellschafterversammlung bis zum 08.10.2019 (Anlage K18). Die Gesellschafterversammlung wurde dabei auf den 16.10.2019 – etwa drei Monate nach Bekanntwerden der Vorwürfe – angesetzt. In der Zwischenzeit hatten – am 12.08.2019 und am 10.09.2019 (B 29 und B 30) – bereits weitere Gesellschafterversammlungen mit anderen TOPs stattgefunden.

42

Mit anderen Worten: Den Klägern ging es mitnichten um die unverzügliche Beendigung eines für sie als unzumutbar empfundenen Zustands, der nicht (auch noch) bis zum 31.12.2019 hätte geduldet werden können; es ging ihnen beim Ausschluss um die Revision der von ihnen getroffenen Entscheidung für eine ordentliche Kündigung. Wie im Hinweisbeschluss ausgeführt, räumen die Kläger im Ergebnis selbst ein, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beklagten bis zum 31.12.2019 grundsätzlich möglich erschien.

43

6. Die Kläger stellen sich in der Gegenerklärung erstmals auf den Standpunkt, in Wirklichkeit sei der Beklagte bereits aufgrund Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung am 16.10.2019 mit sofortiger Wirkung aus der Sozietät ausgeschieden, weil er dort den Kanzleischlüssel abgegeben und sich verpflichtet habe, die Kanzlei nicht mehr betreten. Darauf bezieht sich der Hilfsantrag der Kläger. Über diesen ist schon aus formellen Gründen nicht zu entscheiden, denn neue Anträge in der Berufung geraten mit Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO in Wegfall (analog § 524 Abs. 4 ZPO). Folgte man dem Antrag, wäre im Übrigen ie Klage im Hauptantrag – jedenfalls in Ziff. 1 – erst recht unbegründet, denn die Ausschließung ginge ins Leere.

44

Dessen ungeachtet trifft die Sichtweise der Kläger nicht zu.

45

Die Parteien haben dem Beschluss vom 16.10.2019 selbst bis jetzt eine solche konstitutive Bedeutung nicht beigemessen; diese (bis jetzt) übereinstimmende Sichtweise aller Gesellschafter bindet bei der Auslegung des Beschlusses. Die nunmehr eingenommene Sichtweise passt auch nicht zum Wortlaut des Protokolls der Versammlung (Anlage K20): Danach wurde über eine Ausscheidensvereinbarung diskutiert; die Parteien seien bestrebt, eine solche zu treffen (mit rückwirkendem Datum). Eine abschließende Vereinbarung sei nicht zustande gekommen. Genau dies hält auch Ziff. 7 des Protokolls fest. Es gab das Bestreben – aber auch nicht mehr –, auf der Basis der besprochenen Punkte eine Einigung über eine Ausscheidensvereinbarung zu erzielen. Daraus ist ersichtlich, dass eine abschließende Einigung nicht erzielt war. Dementsprechend wurde die Versammlung mit dem bewusst aufrechterhaltenen Tagesordnungspunkt Ausschluss des Beklagten vertagt. Die Beschlüsse zum Betreten der Kanzleiräume sind dementsprechend als Regelung eines Schwebezustandes bis zu einer erwarteten konstitutiven Regelung zu verstehen. Auch der Entwurf der so betitelten „Ausscheidens- und Abfindungsvereinbarung“ (Anlage K 22) – keineswegs nur eine Abfindungsvereinbarung, wie die Kläger nunmehr glauben machen wollen – regelt in Ziff. 1 konstitutiv das Ausscheiden. Erst diese Vereinbarung – zu der es aber nicht gekommen ist – hätte zum Ausscheiden des Beklagten geführt. Es wäre im Übrigen erstaunlich, wenn der Beklagte ein wesentliches Druckmittel in den Verhandlungen vorzeitig aus der Hand gegeben hätte.

46

Anders als die Kläger meinen, ergibt sich aus einer bloßen – überdies bewusst vage gehaltenen – Absichtserklärung (“Bestreben, eine Einigung zu erzielen“), eine konstitutive Regelung zum 30.09.2019 zu finden, gerade keine Verpflichtung zum Abschluss einer solchen Regelung. Schutzwürdiges Vertrauen auf einen Abschluss einer solchen Vereinbarung konnten die Kläger vor diesem Hintergrund nicht entwickeln und haben sie auch nicht entwickelt, wie die Vertagung unter Aufrechterhaltung des Tagesordnungspunktes Ausschluss zeigt. Im Übrigen zeichnet sich die Interimsregelung keineswegs durch einseitiges, sondern durch wechselseitiges Nachgeben aus (etwa kein Betreten der Kanzleiräume, aber elektronischer Zugang).

47

Davon getrennt zu beurteilen ist die Frage, ob das Verhalten des Beklagten Einfluss auf die Interessenabwägung beim Ausschluss hat. Auch diese Frage ist im Ergebnis zu verneinen. Für den Ausschluss bedarf es eines wichtigen Grundes, der im Verhalten des Beklagten gesucht werden muss. Der Umstand, dass sich der Beklagte nicht auf ein freiwilliges Ausscheiden eingelassen ist, kann einen solchen wichtigen Grund nicht begründen. Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn die Kläger auf ein freiwilliges Ausscheiden hätten schutzwürdig vertrauen dürfen, bedarf keiner Entscheidung. Denn ein solches schutzwürdiges Interesse bestand weder am 16.10.2019 (s.o.) noch konnte sich ein solches innerhalb der Woche bis zum 23.10.2019 bilden. Vielmehr hatten die Kläger, wie bereits ausgeführt, mit der Vertagung des Tagesordnungspunktes Ausschluss des Beklagten bewusst Dispositionen für den Fall getroffen, dass es zu keiner Einigung kommt.

48

Der Vergleich, den die Kläger auf Seite 24 der Gegenerklärung zu einem Arbeitnehmer anstellen, hinkt aus zwei Gründen: zum einen berücksichtigt es nicht, dass ein Ausscheiden des Beklagten ausdrücklich – für Rechtsanwälte erkennbar und klägerseits auch erkannt – noch nicht konstitutiv beschlossen war, weil es an einer Ausscheidensvereinbarung noch fehlte; zum anderen ist die Folge des „Rückziehers“ des Beklagten vorliegend nicht, dass die Zusammenarbeit fortgesetzt würde, sondern dass – vorbehaltlich eines wirksamen Ausschlusses des Beklagten, wie nicht – die ordentliche Kündigung der Kläger ihre Wirksamkeit behält, somit die Kläger die Gesellschaft zum 31.12.2019 verlassen würden. Es ist deshalb im vorliegenden Fall nicht treuwidrig im Sinne von § 242 BGB, wenn der Beklagte an seiner Absichtserklärung nicht festhält.

49

Soweit der Senat in seinem Hinweisbeschluss thematisiert, dass dem Fortsetzungsbeschluss der Kläger vom Dezember 2019 möglicherweise – mehr hat er nicht gesagt – nicht die Wirkung beizumessen sein könnte, dass die Gesellschaft zu Dritt, d.h. zwischen beiden Klägern und dem Beklagten, fortgesetzt werde, hat das für den vorliegenden Rechtsstreit keine Auswirkungen. Der Senat hat nicht etwa angenommen, dass der Beklagte aufgrund eigenen Verhaltens aus der bisherigen Partnerschaft ausgeschieden sei. Er hat allein – wiederum als bloße Möglichkeit, die im Rahmen von Vergleichsverhandlungen hilfreich sein könnte – die Frage aufgeworfen, ob der Beschluss der beiden Kläger zur Fortsetzung der Gesellschaft den wirksamen Ausschluss des Beklagten gleichsam zur „Geschäftsgrundlage“ (im untechnischen Sinne) haben könnte und daher der Beschluss dann, wenn der Ausschluss des Beklagten wider Erwarten der Kläger unwirksam sein sollte, dahin zu verstehen sein könnte, dass die beiden Kläger in diesem Fall eine eigene Gesellschaft ohne den Beklagten (wenn auch fehlerhaft unter der Bezeichnung der bisherigen Partnerschaft) gründen wollten.

III.

Der Senat sieht sich nicht veranlasst, eine mündliche Verhandlung allein zum Zwecke von Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien anzusetzen. § 278 Abs. 1 ZPO findet im Berufungsverfahren keine Anwendung, § 525 Satz 2 ZPO. Die Parteien haben bereits ausführlich versucht, die Angelegenheit vergleichsweise zu regeln, sind aber gescheitert. Der Beklagte hat auch im vorliegenden Verfahren nicht zu erkennen gegeben, dass sich an seinen Standpunkten etwas geändert haben könnte. Den Parteien ist unbenommen, nach Klärung der Unwirksamkeit des Ausschlusses des Beklagten durch den vorliegenden Senatsbeschluss auf dieser Basis die Folgen einvernehmlich zu regeln, woran – wie im Hinweisbeschluss näher ausgeführt – allseitiges Interesse bestehen sollte. Die möglichen Folgen der Unwirksamkeit des Ausschlusses für die wechselseitigen Rechtsbeziehungen und die Rechtsbeziehungen zu Dritten zu erfassen, zu bewerten und ggf. einer vergleichsweisen Lösung zuzuführen, sprengt den Rahmen des hiesigen Verfahrens und einer mündlichen Verhandlung. Der Senat hat im Hinweisbeschluss den aus seiner Sicht sachgerechten Ansatz für eine vergleichsweise Lösung – nämlich ein Ausscheiden des Beklagten zum 31.12.2019 – kundgetan und auf die Risiken hingewiesen, die sich ohne Einigung für die Parteien ergeben. Sich hierauf einzulassen – ggf. bei zusätzlicher Zahlung einer pauschal bemessenen Ausgleichssumme durch die Kläger – oder den Ansatz zu verwerfen, ist nunmehr Sache der rechtskundigen und wirtschaftlich erfahrenen Parteien. Es ist jedenfalls nicht Aufgabe des Senats, den Beklagten zu einem vom ihm nicht gewünschten Vergleich zu drängen, mag dieser aus Sicht des Senats auch vernünftig oder sogar dringlich angeraten sein. Bei Interesse stehen den Parteien außergerichtlich die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Mediation oder einer sonstigen Vermittlung (§ 73 Abs. 2 Nr. 2 BRAO) offen.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO.

52

Die Höhe des Streitwerts stützt sich auf § 48 GKG und folgt in Übereinstimmung mit dem Landgericht der – von Beklagtenseite unbeanstandeten – Streitwertangabe der Kläger sowohl in erster als auch in zweiter Instanz (vgl. Klageschrift, S. 1; Berufungsbegründung, S. 2, Bl. 195 d.A.).

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Ausschluss Gesellschafter I Einziehung Geschäftsanteile I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: analog, Ausschließen, Ausschließung, Ausschließung durch Beschluss, Ausschließung durch Gestaltungsurteil, Ausschließung in BGB-Gesellschaft, Ausschließungsklage, Ausschluss, Ausschluss BGB-Gesellschafter, Ausschluss der Ausschließung in der Satzung, Ausschluss des Gesellschafters, Ausschluss des Mehrheitsgesellschafters, Ausschluss Gesellschafter, Ausschluss GmbH-Gesellschafter, Ausschluss Kommanditist, Ausschluss Komplementär, Ausschluss OHG-Gesellschafter, Ausschluss- oder Einziehungsbeschluss, Ausschlussbeschluss aufgrund Satzungsgrundlage, Ausschlussgrund, Ausschlussklage, Ausschlussklauseln in Satzung, Auszuschließender hat Zerwürfnis durch sein Verhalten überwiegend verursacht, Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes, Erweiterung der wichtigen Gründe, Gesellschafterausschluss, Gesellschafterzerwürfnis, jeder Gesellschafter kann abberufen werden selbst wenn sein Beitrag zum Zerwürfnis geringer ausfällt, Kein wichtiger Grund, kein wichtiger Grund wenn in Person des anderen Gesellschafters ebenso ein wichtiger Grund vorliegt, Keine Übereinstimmung von wichtiger Grund für Abberufung und für Beendigung des Anstellungsvertrags, Nachschieben von Anfechtungsgründen, Nachschieben von Gründen, Schuldhafte Herbeiführung eines tiefgreifenden unheilbaren Zerwürfnisses, selbst wenn sein Beitrag zum Zerwürfnis geringer ausfällt, tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern als zusätzlicher Grund nach § 38 Abs.2 GmbHG, tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen Gesellschaftern/Geschäftsführern, Versammlungsleiter, Versammlungsleiter laut Satzung, Verstoß gegen Gesetz oder Satzung nach § 243 Abs. 1 AktG analog, Verwertung durch Einziehung, Völliger Ausschluss der Abfindung, Voraussetzungen der Zwangseinziehung, Vortrag der Anfechtungsgründe im Kern, Wegfall wichtiger Grund durch Zeitablauf, Wenn in Person des anderen Gesellschafters ebenso ein wichtiger Grund vorliegt, Wenn in Person des verbleibenden Gesellschafters selbst ein Ausschlussgrund vorliegt oder das Mitverschulden zur Milderung des wichtigen Grundes führt, Wichtige Gründe für Ausschluss, Wichtige Gründe für Einziehung, Wichtiger Grund, wichtiger Grund in der Rechtsprechung, wichtiger Grund liegt tatsächlich vor, Wirkung der Einziehung, Zerrüttung der Gesellschafter rechtfertigt den Ausschluss nur eines Gesellschafters nicht – es bleibt nur die Auflösungsklage, Zerrüttung der Gesellschafter rechtfertigt die Einziehung der Geschäftsanteile nur des einen Gesellschafters nicht – es bleibt nur die Auflösungsklage, Zerwürfnis, Zerwürfnis Gesellschafter, Zerwürfnis von Gesellschaftern, Zwangseinziehung des Geschäftsanteils