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OLG München, Urteil vom 22. März 2023 – 7 U 453/22 

Ausschluss I Ausschließung

§ 275 BGB, § 675 Abs 1 BGB, § 666 Alt 2 BGB, § 666 Alt 3 BGB

1. Für eine Klage gegen die Ausschließung ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis des ausgeschlossenen Gesellschafters unmittelbar. Auch für einen Beschluss, Ausschließungsklage zu erheben, gilt nichts anderes. Insoweit muss der Gesellschafter ebenfalls befugt sein, einen entsprechenden Beschluss im Falle seiner Rechtswidrigkeit – schon wegen seines guten Rufs – aus der Welt zu schaffen.

2. Einem Beschluss, Auskunft und Rechenschaft zu verlangen, kommt allein die Wirkung zu, dass die Gesellschaft die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen und Ansprüchen auf Rechnungslegung beschließt. Ob und in welchem Umfang die Ansprüche tatsächlich gegeben sind, ist erst in dem prozess zu klären, in dem die Gesellschaft den Geschäftsführer bzw. ehemaligen Geschäftsführer im Wege der Leistungsklage auf Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch nimmt.

3. Die Aufbewahrungsfristen für Buchhaltungsunterlagen beschränken den Umfang der Rechenschaftspflicht nicht. Besteht eine Rechnungslegungspflicht, so kann dieser Pflicht lediglich entgegengehalten werden, dass sie unmöglich geworden sei, wenn Unterlagen (eben weil die Aufbewahrungsvorschriften abgelaufen sind) vernichtet worden sind. Sind die Unterlagen jedoch vorhanden, können und müssen sie für die Rechnungslegung verwendet werden (vgl. BGH, 10. Oktober 1994, II ZR 95/93).

Tenor

1. Die Streithelferin wird ihrer Berufung für verlustig erklärt.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird Ziff. 2 des Urteils des Landgerichts München I vom 13.12.2021, Az. 10 HK O 8036/20 abgeändert und die Klage insoweit in vollem Umfang abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

3. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

4. Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte und die Streithelferin zu je 1/6. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte und die Streithelferin jeweils 1/6. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt der Kläger 2/3. Von den außergerichtlichen Kosten der Streithelferin in erster Instanz trägt der Kläger 2/3. Im Übrigen tragen die Parteien und die Streithelferin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

5. Dieses Urteil sowie das in Ziff. 1 genannte Urteil im Umfang seiner Bestätigung sind vorläufig vollstreckbar.

6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von auf einer Gesellschafterversammlung der Beklagten am 16.06.2020 gefassten Beschlüssen.Randnummer2

Der Kläger gründete die Beklagte mit einem Stammkapital von 50.000 DM und war zunächst deren Alleingesellschafter. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger seit Anbeginn 2/3 der Geschäftsanteile treuhänderisch für die Herren Rechtsanwälte H. K. und G. B. hielt. Der Kläger sowie die genannten Personen nutzten die Gesellschaft jedenfalls zur Umsetzung verschiedener Geschäftsideen. Nach Ausscheiden von Rechtsanwalt Brandt setzten der Kläger und Herr K. Projekte mit der Gesellschaft um.Randnummer3

Später wurde das Stammkapital der Gesellschaft auf 100.000 DM erhöht und wurden vier Geschäftsanteile von je 25.000 DM mit den Anteilsnummern 1-4 gebildet. Mit Anteilsübertragungsverträgen vom 17.08.2016 und 21.12.2018 (Anlagen K10 und K13) wurden die Geschäftsanteile Nrn. 3 und 4 auf Frau C. P., die Tochter des Herrn K., übertragen. Frau P. ist in der Gesellschafterliste der Beklagten als deren Gesellschafterin eingetragen.Randnummer4

Der Kläger war somit Mitgesellschafter der Beklagten zu 50% und – jedenfalls bis zur Gesellschafterversammlung vom 27.04.2020 – ihr Mitgeschäftsführer. Weitere Geschäftsführerin ist seit 23.07.2019 Frau A. R., die in der Rechtsanwaltskanzlei KMO H. K. beschäftigt ist.Randnummer5

Die Satzung der Beklagten sieht in § 10 Nr. 2 eine Ladungsfrist von vier Wochen für ordentliche und von zwei Wochen für außerordentliche Gesellschafterversammlungen vor. Sie verlangt für eine Beschlussfassung eine Zustimmung von 80% der abgegebenen Stimmen (§ 11 Nr. 3 der Satzung, Anlage K3). Einziehung und Ausschließung regelt die Satzung nicht.Randnummer6

Die Geschäftsführerin R. lud mit Schreiben vom 28.05.2020 (Anlage K28) zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 16.06.2020. Auf dieser Gesellschafterversammlung stimmte die Gesellschafterin P. für die Ausschließung des Klägers sowie Erhebung einer Ausschließungsklage (TOP 1) sowie für Auskunft und Rechnungslegung bezüglich der mit der HS-W. GmbH abgewickelten Geschäfte (TOP 2); der Kläger stimmte dagegen (Anlage K29). Zum genauen Wortlaut der Beschlüsse wird auf deren Wiedergabe in den Anträgen des Klägers verwiesen. Die zur Versammlungsleiterin bestimmte Geschäftsführerin Riese stellte fest und verkündete, dass die Beschlüsse mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden seien.Randnummer7

Der Kläger war erstinstanzlich der Auffassung, Frau C. P. habe kein Stimmrecht gehabt, weil der Kläger wegen Nichtzahlung der Kaufpreise für die erworbenen Geschäftsanteile mit Schreiben vom 08.05.2020 von beiden Anteilsübertragungsverträgen zurückgetreten sei. Dessen ungeachtet seien sämtliche Beschlüsse der Gesellschafterversammlung auch deshalb nicht wirksam gefasst, da die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Mehrheit verfehlt worden sei. Der Kläger habe insoweit keinem Stimmverbot unterlegen.Randnummer8

Auch seien Gründe für die Ausschließung des Klägers aus der Gesellschaft und für die Erhebung einer Ausschließungsklage nicht gegeben. Für eine Ausschließung fehle es an der erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage. Ein Beschluss über die Erhebung einer Ausschließungsklage sei in einer 2-Personengesellschaft nicht erforderlich.Randnummer9

Die Beschlussfassung zu TOP 2 sei unwirksam, da alle Vorgänge vor Eintritt der Gesellschafterin P. in die Beklagte bereits abgeschlossen gewesen seien. Die Geschäftsvorgänge lägen 12-24 Jahre zurück, seien steuerrechtlich abgeschlossen und die Akten weitestgehend vernichtet, sodass der Kläger allenfalls aus dem Gedächtnis Auskunft erteilen könnte. Er hebt die Einrede der Verjährung und der Verwirkung. Auch sei eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich.Randnummer10

Erst mit Schriftsatz vom 09.11.2020, S. 42, Bl. 65 d.A., rügte der Kläger die Nicht-Einhaltung der Ladungsfrist, da den Tagesordnungspunkten dieser Gesellschafterversammlung jede Dringlichkeit fehle.Randnummer11

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:Randnummer12

Es wird festgestellt, dass die in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 16.06.2020 gefassten Beschlüsse zuRandnummer13

TOP 1Randnummer14

Ausschließung des Gesellschafters S. G. aus der Gesellschaft wegen pflichtwidriger und gesellschaftsschädigender Handlungen sowie Erhebung einer Ausschließungsklage durch die Gesellschafter gegen Herrn S. G.Randnummer15

TOP 2Randnummer16

Auskunft und Rechnungslegung bezüglich der mit der HS-W. GmbH abgewickelten Geschäfte, insbesondere Darlehensverhältnisse und zu der Frage, wann und aus welchen Gründen diese Geschäfte von der Gesellschaft nicht mehr weiterbetrieben wurden, sondern Herr S. G. auf privater Ebene diese Geschäfte fortgesetzt bzw. abgewickelt hat.Randnummer17

nichtig sind.Randnummer18

Die Beklagte hat beantragt:Randnummer19

Klageabweisung.Randnummer20

Die Beklagte trägt vor, dass es sich bei TOP 1 um einen als dringlich anzusehenden Beschluss handele. Die Beklagte habe es für notwendig erachtet klarzustellen, dass tatsächlich die Erhebung einer Ausschlussklage und nicht die – satzungsmäßig ohnehin nicht mögliche – Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers beschlossen werden sollte. Im Übrigen seien dem Kläger erhebliche Pflichtverletzungen vorzuwerfen. Darauf komme es im vorliegenden Verfahren jedoch nicht an, denn die Frage eines wichtigen Grundes für die Ausschließung sei im Rahmen der Ausschließungsklage zu klären.Randnummer21

Die Notwendigkeit der Beschlussfassung zu TOP 2 ergebe sich daraus, dass der Kläger eine Offenlegung der langjährigen Geschäftsbeziehungen zur HS-W. GmbH trotz mehrfacher Auskunftsersuchen mit fadenscheinigen Gründen verweigere. Auch habe er sich nicht über den Verbleib einer zugunsten der Beklagten eingetragenen Grundschuld erklärt.Randnummer22

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 13.12.2021, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), festgestellt, dass der zu TOP 1 gefasste Beschluss nichtig ist, soweit die Ausschließung des Gesellschafters S. G. beschlossen wurde. Außerdem hat es den zu TOP 2 gefassten Beschluss für nichtig erklärt, soweit Rechnungslegung für die Jahre vor 2009 verlangt wurde. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Landgericht hielt die Ladungsfrist für gewahrt, da es sich um dringliche Tagesordnungspunkte handele. Die Ausschließung des Klägers sei nichtig, weil es an einer satzungsmäßigen Grundlage fehle. Im Übrigen – also hinsichtlich des Beschlusses auf Erhebung der Ausschließungsklage, eines eigenständigen Teils des Beschlusses – sei der Beschluss aufgrund des Stimmverbotes des Klägers mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes sei nicht im Beschlussanfechtungsverfahren zu prüfen. Auch der Beschluss zu TOP 2 sei formell ordnungsgemäß gefasst worden, weil auch insoweit der Kläger von einer Stimmabgabe ausgeschlossen gewesen sei. Als Gesellschaftergeschäftsführer schulde er Auskunft und Rechnungslegung aus §§ 713, 666 BGB analog. Die Beklagte könne Auskunft verlangen weil sie ein berechtigtes Interesse an der Information habe. Ausgeschlossen seien Ansprüche nur, wenn die Beklagte keinesfalls mehr etwas von dem Beauftragten fordern könne. Insoweit genüge aber die bloße Möglichkeit von Ansprüchen. Mögliche Ersatzansprüche seien vorliegend nicht gänzlich ausgeschlossen. Daher schulde der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer umfassend Auskunft über getätigte Geschäfte mit der HS-W. GmbH, und zwar sowohl soweit der Kläger die Geschäfte im Namen der Beklagten getätigt habe als auch soweit diese über den Kläger persönlich abgewickelt wurden. Rechnungslegung könne jedoch nicht verlangt werden für den Zeitraum, für den Geschäftsunterlagen nicht mehr aufzubewahren seien, mithin für die Jahre vor 2009.Randnummer23

Gegen das Urteil haben beide Parteien als auch die Streithelferin – die Mitgesellschafterin des Klägers – Berufung eingelegt.Randnummer24

Der Kläger wendet sich insbesondere gegen die Annahme der Teilbarkeit des unter TOP 1 gefassten Beschlusses; eine solche Teilbarkeit nehme nicht einmal die Beklagte an. Gegen die Teilbarkeit spreche auch, dass der verbleibende Beschlussinhalt redundant sei, weil es des Beschlusses für die Erhebung der Ausschließungsklage nicht bedürfe. Fehlerhaft sei das Landgericht auch von einer Auskunft bzw. Rechnungslegungspflicht bezüglich der weit zurückliegenden Geschäftsvorfälle ausgegangen.Randnummer25

Der Kläger beantragt,Randnummer26

das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.12.2021 (Az.: 10 HK O 8036/20) abzuändern und der Klage vom 26.06.2020 vollumfänglich stattzugeben.Randnummer27

Die Beklagte beantragt,Randnummer28

unter Abänderung des am 13.12.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts München I vom 13.12.2021, Az. 10 HK O 8036/20, die Klage insgesamt abzuweisen.Randnummer29

Kläger und Beklagte beantragen wechselseitigRandnummer30

die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.Randnummer31

Die Beklagte rügt insbesondere, dass das Landgericht verkannt habe, dass es sich bei TOP 1 um einen einheitlichen Beschluss auf Erhebung der Ausschließungsklage handele und dass ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung dieses Beschlusses seitens des Klägers nicht bestehe.Randnummer32

Der Senat über die Berufungen am 22.03.2023 mündlich verhandelt. Die Streithelferin hat dort ihre Berufung zurückgenommen. Auf die Sitzungsniederschrift und die gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

B.

Die Streithelferin, die Gesellschafterin P. der Beklagten, hat erstinstanzlich ihren Beitritt erklärt. Das Landgericht hat nach Rüge der Zulässigkeit des Beitritts durch die Klagepartei diesen nicht durch förmliches Zwischenurteil (§ 71 Abs. 2 ZPO), sondern im Rahmen der Gründe des Endurteils für zulässig erklärt. Hiergegen hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt; auch im Rahmen der Berufung erfolgte keine diesbezügliche Rüge. Der Beitritt ist daher rechtskräftig wirksam (vgl. § 71 Abs. 3 ZPO).Randnummer34

Die Streithelferin hat mit Schriftsatz vom 19.01.2022 Berufung eingelegt, ihre Berufung jedoch in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Da es sich vorliegend – im Hinblick auf die gesetzlich angeordnete Rechtskrafterstreckung des Urteils auf alle Gesellschafter analog § 248 Abs. 1 AktG – um eine (aus prozessualen Gründen) streitgenössische Streithilfe handelt, war über die Berufung der Streithelferin gesondert zu entscheiden (BGH, Urteil vom 30.04.2001 – II ZR 328/00, juris-Rn. 4). Die Streithelferin war daher ihrer Berufung für verlustig zu erklären, § 516 Abs. 1 und 3 ZPO.

C.

Das Landgericht hat zutreffend die Nichtigkeit des Beschlusses unter TOP 1 festgestellt, soweit dort die Ausschließung beschlossen wurde, im Übrigen die Anfechtungsklage des Klägers zurückgewiesen. Im Ergebnis zutreffend hat es den Beschluss der Gesellschafterversammlung unter TOP 2, den Kläger auf Auskunft und Rechenschaft in Anspruch zu nehmen, im Grundsatz bestätigt. Zu Unrecht hat es jedoch die Rechenschaftspflicht unter Hinweis auf die handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen von 10 Jahren auf die Jahre ab 2009 beschränkt. Insoweit hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Im Übrigen, im Falle des Klägers somit zur Gänze bleiben die Rechtsmittel ohne Erfolg. Im Einzelnen ist auszuführen.

I.

Der Beschluss unter TOP 1 ist zweiteilig. Die Ausschließung ist unwirksam; die Klage gegen den Beschluss auf Erhebung der Ausschließungsklage ist zulässig, jedoch unbegründet.Randnummer37

1. Der im Tatbestand wörtlich zitierte Beschluss ist zweiteilig formuliert.Randnummer38

Zum einen wird die Ausschließung beschlossen, zum anderen die Erhebung der Ausschlussklage. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Beschlusses, der beide Punkte mit der Konjunktion „sowie“ verbindet und damit für einen objektiven Leser des Beschlusses zum Ausdruck bringt, dass es sich um zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände handelt. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Sinn einer Ausschließung im Bewusstsein der Notwendigkeit einer Ausschließungsklage fragwürdig erscheint. Auch der frühere Beschluss in der Gesellschafterversammlung vom 26.05.2020 (dort TOP 11, Anlage K 27, S. 16), bei der tatsächlich eine Ausschließung beschlossen wurde, waren zweiteilig – materiell die Ausschließung, ferner die Ergreifung prozessualer Mittel („Ausschließung […] sowie Einleitung und Abwehr gerichtlicher Verfahren diesbezüglich“) – formuliert. Wortlaut und angestellter Vergleich belegen somit – jedes Argument für sich, erst recht in der Gesamtschau – für den Senat, dass ein zweiteiliger Beschluss gefasst wurde. Nur ergänzend sei angemerkt, dass der Kläger, hätte er den Beschluss nicht angefochten, Gefahr gelaufen wäre, dass man ihm einen bestandskräftigen Ausschluss vorgehalten hätte.Randnummer39

2. Die Klage ist – anders als die Beklagte meint – zulässig. Insbesondere fehlt ihr nicht das Rechtsschutzbedürfnis.Randnummer40

2.1. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis an der Vernichtung eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung grundsätzlich nicht erforderlich. Eine entsprechende Feststellungsklage dient ebenso wie die Anfechtung oder Nichtigkeitsklage der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Gesellschafterbeschlusses. Sie ist ein aus der Mitgliedschaft selbst folgendes Recht und bedarf keiner besonderen Rechtfertigung durch eine persönliche Betroffenheit des klagenden Gesellschafters. Ausdrücklich weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass schon der Wunsch eines Klägers, im Falle eines Ausschließungsbeschlusses seinen guten Ruf wieder herzustellen, für ein Rechtsschutzbedürfnis genügt (BGH, Urteil vom 25.10.2010 – II ZR 115/09, juris-Rn. 25f.).Randnummer41

2.2. Für die Klage gegen die Ausschließung ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers unmittelbar.Randnummer42

2.3. Auch für den Beschluss, Ausschließungsklage zu erheben, gilt nichts anderes. Insoweit muss der Gesellschafter ebenfalls befugt sein, einen entsprechenden Beschluss im Falle seiner Rechtswidrigkeit – schon wegen seines guten Rufs – aus der Welt zu schaffen. Ob und inwieweit der Beschluss einer materiell-rechtlichen Kontrolle unterliegt, insbesondere ob inzident eine Prüfung des wichtigen Grundes für eine Ausschließung stattfindet oder ob sich die Klage auf eine formelle Kontrolle der Beschlussfassung beschränkt, ist hierfür ohne Bedeutung, da ein legitimes Interesse an der Beseitigung eines nur formell fehlerhaften Beschlusses gleichfalls besteht.Randnummer43

3. Der Ausschließungsbeschluss ist schon deshalb unwirksam – entsprechend hat das Landgericht die damit gleichbedeutende Nichtigkeit festgestellt -, weil einer Ausschließung durch BeschlussBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausschließung
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Beschluss
vorliegend die satzungsmäßige Grundlage fehlt. Damit bedarf es zu einem Ausschluss eines Gesellschafters einer Gestaltungsklage, gerichtet auf Ausschließung (grundlegend: BGH, Urteil vom 01.04.1953 – II ZR 235/52). Da dies der übereinstimmenden Rechtsauffassung beider Parteien entspricht, sieht der Senat von einer näheren Begründung ab.Randnummer44

4. Der Beschluss auf Erhebung der Ausschlussklage ist dagegen rechtmäßig und unterliegt daher nicht der Anfechtung.Randnummer45

4.1. In formeller Hinsicht kann der Kläger eine mögliche Nicht-Einhaltung der Ladungsfrist schon deshalb nicht geltend machen, weil er diesen Anfechtungsgrund nicht innerhalb der Klagefrist von einem Monat (§ 246 Abs. 1 AktG analog) geltend gemacht hat. Eine Geltendmachung erst im Schriftsatz vom 09.11.2020, dort S. 42, Bl. 65 d.A., ist zu spät.Randnummer46

Keine Bedenken bestehen gegen die Erfüllung des notwendigen Zustimmungsquorums von 80%, da der Kläger gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG bei Beschlussfassungen, die die Einleitung eines Rechtsstreits mit ihm zum Gegenstand haben, einem Stimmverbot unterliegt. Soweit in der Klageschrift noch bezweifelt wurde, dass die Mitgesellschafterin P. im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch Gesellschafterin war, weil der Kläger den Rücktritt vom Anteilskaufvertrag erklärt habe, ist dieses Argument von Rechts wegen unbehelflich, da der Rücktritt nur das schulrechtliche Rechtsverhältnis erfasst und als solches Rückgewähransprüche auslöst, nicht aber eo ipso die Anteilsübertragung an Frau P. vernichtet. Diese war überdies – unstreitig – in der Gesellschafterliste eingetragen, gilt damit als Gesellschafterin (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Das Argument hat sich überdies zwischenzeitlich erledigt, weil die Klage des Klägers gegen Frau P. auf Rückabwicklung zwischenzeitlich rechtskräftig abgewiesen ist, wie dem Senat aus dem am selben Tag verhandelten Parallelverfahren 7 U 1832/22 bekannt ist.Randnummer47

4.2. In materieller Hinsicht ist im Rahmen der Beschlussanfechtung nicht zu prüfen, ob ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser Gesichtspunkt wird allein in dem prozess geprüft, in dem über den Anspruch auf Ausschließung (im Wege einer Gestaltungsklage analog § 140 HGB) entschieden wird (BGH, Urteil vom 13.01.2003 – II ZR 227/00, juris-Rn. 4). Das bezweifelt auch der Kläger nicht. Nur am Rande sei erwähnt, dass der Beschluss nicht rechtsmissbräuchlich gefasst wurde. Schon der Umstand, dass sich der Kläger – mit welcher Begründung auch immer – während des Laufs der Gesellschafterversammlung am 27.04.2020, in der über seine Abberufung als Geschäftsführer entschieden werden sollte, eigenmächtig 240.000 € auf sein Privatkonto überwies (zum Sachverhalt wird auf das am selben Tag verhandelte Verfahren 7 U 723/22 Bezug genommen), obwohl er nach Geschäftsordnung für den Vorstand vom Juli 2019 für sämtliche Maßnahmen die Zustimmung der Mitgeschäftsführerin einholen musste (vgl. TOP 11 der Gesellschafterversammlung vom 23.07.2019, Anlage K14, S. 6f.), schließt eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Beschlusses aus. Ob der Grund eine Ausschließung als Gesellschafter tatsächlich tragen würde, ist – wie ausgeführt – nicht im Rahmen der Beschlussanfechtung zu prüfen. Sonstige materielle Einwendungen gegen den Beschluss sind nicht erhoben.Randnummer48

5. Die Klage ist auch nicht deshalb erfolgreich, weil der Beschluss nicht teilbar sei und deshalb insgesamt für nichtig hätte erklärt werden müssen. Der Beschluss ist teilbar, weil die Erhebung der Ausschließungsklage einen eigenständigen und sinnvollen Teilaspekt des Gesamtbeschlusses, bestehend aus Ausschließung und prozessualer Durchsetzung im Wege der Klage, bildet. Der Teilbarkeit steht nicht entgegen, dass beide Parteien von einem einheitlichen Beschluss ausgehen; dies – so der Kläger – binde den Senat. Der übereinstimmende Vortrag dazu, dass der Beschluss nicht teilbar sei, basiert nämlich auf einem unterschiedlichen Verständnis der Parteien vom Beschlussinhalt. Die Beklagte meint, es liege ein einheitlicher Beschluss vor, weil sie den Inhalt des Beschlusses auf die Erhebung der Ausschlussklage reduzieren will. Dem folgt der Senat gerade nicht. Dass die Beklagte eine Teilbarkeit auch bei Verständnis des Senats ablehnen würde, ist – auch in Hinblick auf die mündliche Verhandlung vor dem Senat – nicht ersichtlich. Nur dann aber wäre der Senat an das übereinstimmende Verständnis der Parteien gebunden. Der Aufrechterhaltung des Beschlusses steht schließlich auch nicht entgegen, dass der Beschluss über die Erhebung einer Ausschließungsklage bei einer 2-Personen-Gesellschaft nicht konstitutiv ist, wie beide Parteien übereinstimmend vortragen. Eine Gesellschafterversammlung ist nicht gehindert, einen deklaratorischen Beschluss zu fassen. Dies macht schon zur Klarstellung oftmals Sinn, entzieht der zu erhebenden Ausschließungsklage einen Streitpunkt und gewährt dem Kläger vor der Beschlussfassung überdies rechtliches Gehör. Für den Senat steht daher fest – zumal er davon ausgehen kann, dass der Beklagten bekannt war, dass es für die Ausschließungsklage keines Beschlusses bedurfte -, dass die Beklagte, hätte sie von der Unwirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses gewusst oder ihn auch nur für möglich gehalten, zumindest den Beschluss auf Erhebung der Ausschließungsklage gefasst hätte. Damit liegen die Voraussetzungen vor, den Beschluss – entgegen der Vermutung in § 139 BGB – nur teilweise zu kassieren und im Übrigen bestehen zu lassen.

II.

Der Beschluss, Auskunft und Rechenschaft zu verlangen, ist rechtmäßig, die Klage bleibt ohne Erfolg.Randnummer50

1. Der Beschluss ist formell wirksam gefasst. Zur Ladungsfrist wurde bereits oben ausgeführt. Auch das Stimmenquorum von 80% ist erreicht, da der Kläger einem Stimmverbot entsprechend § 47 Abs. 4 GmbHG unterlag. Grundgedanke der Norm ist, dass derjenige, der unter dem Einfluss eines erheblichen Sonderinteresses steht, bei der Abstimmung dem Verbandsinteresse nicht ausreichend Rechnung tragen wird (Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 47 Rn. 76). Das trifft auch zu, wenn gegenüber dem mit dem Gesellschafter personenidentischen Geschäftsführer, wie vorliegend, Kontrollrechte geltend gemacht werden, wie dies der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG obliegt (vgl. Noack, aaO, Rn. 90: „Anordnung von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen gegenüber GFührern“). Dies gilt erst recht, wenn Auskunft und Rechenschaft verlangt wird und das Verlangen ersichtlich mit weiteren Sanktionsmaßnahmen gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer in Verbindung steht, für die ein Stimmverbot besteht (hier mit dem in derselben Versammlung beschlossenen Ausschluss als Gesellschafter und, bereits früher beschlossen, mit der Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, vgl. TOP 1 und TOP 8 der Gesellschafterversammlung vom 27.04.2020, Anlage K 25).Randnummer51

2. Der Beschluss ist auch materiell rechtmäßig.Randnummer52

2.1. Anders als das Landgericht meint und wie in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien eingehend besprochen, kommt dem Beschluss allein die Wirkung zu, dass die Gesellschaft die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen und Ansprüchen auf Rechnungslegung – hier gegen den Kläger in seiner Rolle als Geschäftsführer – beschließt. Ob und in welchem Umfang die Ansprüche tatsächlich gegeben sind, ist erst in dem prozess zu klären, in dem die Beklagte den Kläger (als Geschäftsführer bzw. ehemaligen Geschäftsführer) im Wege der Leistungsklage auf Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch nimmt (so auch die Rechtsmeinung der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung, S. 9, Bl. 199 d.A.). Gerade weil es für die Auskunft und Rechnungslegung ohnehin eines weiteren Prozesses bedarf (bei einem Fremd-Geschäftsführer wäre dies evident), wäre es nicht nur prozessunökonomisch, sondern würde es auch die Gesellschafterversammlung überfordern, wollte man von ihr verlangen, dass sie den Beschluss schon so fasst, dass sie etwaige Einwendungen des Geschäftsführers gegen seine Inanspruchnahme dem Grunde oder dem Umfange nach – solche Einwendungen müssen der Gesellschafterversammlungen bei Beschlussfassung nicht einmal bekannt sein – vollumfänglich berücksichtigt. Hinzu kommt wieder der Vergleich zu einem Fremdgeschäftsführer, bei dem diesem gegen einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss per se kein Anfechtungsrecht zustünde (vgl. Noack, aaO, Anh. § 47 Rn. 140). Für eine Privilegierung des Gesellschafter-Geschäftsführers besteht insoweit weder Bedürfnis noch Rechtfertigung.Randnummer53

Die Sachlage ist daher nicht anders als im Falle des Beschlusses der Gesellschafterversammlung, Ausschließungsklage gegen einen Gesellschafter zu erheben. Dort ist anerkannt, dass das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Ausschließung nicht im Rahmen der Beschlussanfechtung zu klären ist, sondern allein im Rahmen der Ausschließungsklage (BGH, Urteil vom 13.01.2003 – II ZR 227/00, juris-Rn. 4). Ebenso ist im Rahmen des Anfechtungsverfahrens gegen einen Beschluss der Gesellschafterversammlung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter (§ 46 Nr. 8 GmbHG; zur analogen Anwendung auf Auskunftsansprüche, die mit Schadensersatzansprüchen in Verbindung stehen: vgl. BGH, Urteil vom 13.02.1975 – II ZR 92/73, juris-Rn. 14) nicht die materielle Berechtigung der Schadensersatzforderung zu prüfen; dies bleibt dem Schadensersatzprozess vorbehalten (Liebscher in MüKo GmbHG, 4. Aufl., § 46 Rn. 273 mwN).Randnummer54

2.2. Grenze ist allein der Rechtsmissbrauch (Liebscher aaO).Randnummer55

Für Rechtsmissbrauch ist nichts ersichtlich. Auf Geschäftsführeranstellungsverhältnisse findet über § 675 Abs. 1 BGB (wegen der Besorgung fremder Angelegenheiten) § 666 BGB Anwendung (Wisskirchen/Zoglowek in BeckOK GmbHG, § 6 Rn. 88 [Stand: 01.03.2023]). Danach schuldet der Geschäftsführer auf Verlangen Auskunft (§ 666 Var. 2 BGB) und nach Beendigung seiner Tätigkeit Rechnungslegung (§ 666 Var. 3 BGB). Diese Ansprüche bestehen unabhängig von einem konkreten Informationsbedürfnis etwa für seitens der Beklagten vermutete Schadensersatzansprüche, allein der berechtigte Wunsch nach Kontrolle genügt im Ausgangspunkt (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2016 – III ZR 282/14, juris-Rn. 29). Die Beklagte darf deshalb von ihrem Geschäftsführer Auskunft und Rechenschaft für die Vergangenheit verlangen, wenn sie bzw. ihre Gesellschafter sich ein Bild von den Geschäften bzw. von Teilbereichen der Geschäfte und vom Wirken ihres Geschäftsführers machen wollen. Darin liegt grundsätzlich ein berechtigtes Informationsverlangen und keine unzulässige Ausforschung.Randnummer56

Eine Ausnahme ist dann zu machen – und ein Auskunftsbegehren wäre als missbräuchlich anzusehen -, wenn von vornherein feststünde, dass Auskunft und Rechnungslegung für die Gesellschaft ohne jede Bedeutung sind. Für die Beklagte von Bedeutung sind dabei nicht nur pekuniäre Ansprüche wie mögliche Schadensersatzansprüche. Der Umstand, dass Vorgänge lange zurück liegen, schließt eine Bedeutung für die Gegenwart nicht aus.Randnummer57

Daran gemessen ergibt sich, dass das Auskunftsverlangen im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht rechtsmissbräuchlich war. Denn die Frage nach den Geschäftsbeziehungen zu der HS-Wohnbau und dazu, ab welchem Zeitpunkt und mit welchem Recht der Kläger als Geschäftsführer eine Geschäftschance der Beklagten entzogen hat, steht zum einen im Zusammenhang mit der Frage der Zumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit der Mitgesellschafterin P. mit dem Kläger in der Gesellschaft (etwa wenn der Kläger den Vater der Mitgesellschafterin im Rahmen eines von diesem behaupteten Treuhandverhältnisses hintergangen haben sollte), zum anderen erscheinen Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger keineswegs von vornherein – nur das könnte Rechtsmissbrauch begründen – völlig ausgeschlossen (etwa wenn die Tätigung von Geschäften durch den Kläger mit der HS-W. in eigener Person insgesamt oder jedenfalls ab 2016 pflichtwidrig gewesen sein sollte). Dass die Mitgesellschafterin P. erst 2016 in die Gesellschaft eingetreten ist, hindert sie nicht, sich auch ein Bild von der Gesellschaft machen zu wollen, wie es durch ein Wirtschaften in den Jahren vor ihrem Beitritt entstanden ist.Randnummer58

2.3. Selbst wenn dem nicht folgen wollte und ein legitimes Informationsbedürfnis verlangen wollte, war auch ein solches im Zeitpunkt der Beschlussfassung gegeben:Randnummer59

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, er habe von 1997 bis 2008 (Zeitpunkt der Fertigstellung und Abrechnung der Projekte) namens der Gesellschaft mit der HS-W. Geschäfte gemacht, auf den Kläger persönlich seien sie 2003/2004 übergegangen (Schriftsatz vom 09.11.2020, S. 14, Bl. 37 d.A.). In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 18.10.2021 nennt er für die Geschäfte mit der HS-W. GmbH den Zeitraum ca. 1996 bis 2000/2001 (Bl. 121 d.A.). In der Berufung leugnet er Geschäfte mit der HS-W. gänzlich (Berufungsbegründung, S. 6, Bl. 185 d.A.: „Die Beklagte selbst stand in keiner Geschäftsbeziehung mit der HS-W. GmbH“) und behauptet stattdessen Geschäfte mit der Schwestergesellschaft der HS-W., der S. A. W. GmbH. Der zuletzt gemachte Sachvortrag ist weder nachvollziehbar noch – im Hinblick auf den eigenen klägerischen Vortrag zu Projekten mit der HS-W. GmbH – glaubwürdig. Schon diese höchst widersprüchlichen Angaben des Klägers bedürfen der Aufklärung.Randnummer60

Darüber hinaus hat die Beklagte mit der Anlage BK3A vom Kläger zum 01.01.2018 vorgenommene Buchungen vorgelegt, die im Buchungstext mindestens 3x durch das Kürzel „hs“ oder „hs b“ auf die HS-W. GmbH hinweisen. Dieser Vortrag war entgegen der Ansicht des Klägers einlassungsfähig, wurde somit nicht wirksam bestritten und gilt daher im hiesigen Verfahren als zugestanden.Randnummer61

Vor diesem Hintergrund kann der Beklagten ein Interesse an einer Überprüfung der Richtigkeit der Buchungen in der Bilanz nicht abgesprochen werden. Die Buchung gibt Anlass zu hinterfragen, ob die Geschäfte mit der HS-W. GmbH wirklich – wie klägerseits behauptet – 2008 abgewickelt waren oder ob Ansprüche weiterhin bestehen und noch durchgesetzt werden können. Ggf. sind die Bilanz und auch die steuerlichen Angaben der Beklagten zu berichtigen. Sollte der Kläger Ansprüche verjähren lassen haben, resultieren hieraus möglicherweise Schadensersatzansprüche gegen ihn.Randnummer62

Auskunftsansprüche, die mit den Bilanzansätzen 2018 im Zusammenhang stehen, konnten 2020, dem Jahr der Beschlussfassung, weder verjährt noch verwirkt sein.Randnummer63

Ebenso besteht ein handfestes Interesse der Beklagten an der Klärung des Verbleibs einer Grundschuld. Auch hier weicht der Kläger belastbaren Angaben aus. So macht er im Kern nach dem Verständnis des Senats geltend, er habe die Finanzierung von Projekten der HS-W. durch den Einsatz einer (eigenen?) Grundschuld auf einem privaten Grundstück in der H. Straße in München gefördert (so im Schriftsatz vom 07.07.2021, S. 9, Bl. 109 d.A., ebenso im Rahmen der Anhörung vor dem Landgericht am 18.10.2021, Bl. 121 d.A.). Dem mag so sein. Es handelt sich jedoch mitnichten um die einzige inmitten stehende Grundschuld, wie der Kläger mit diesem Vortrag suggeriert. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 08.11.2021, S. 2f., Bl. 124f. d.A., spricht der Kläger „plötzlich“ von einer (Global-)Grundschuld auf dem Grundstück der HS-W. Die Ausführungen zu deren Verbleib – wenn sie auf DM lautet, erfolgte die Bestellung noch vor 2002 und damit zu einer Zeit, als der Kläger nach eigenem erstinstanzlichem Bekunden die Geschäfte mit der HS-W. noch namens der Beklagten abwickelte – sind inhaltsleer. Offenbar wurde sie „zurückgegeben“, was allerdings nicht ohne Weiteres in Einklang mit dem Umstand zu bringen ist, dass noch Anfang 2018 Ansprüche gegen die HS-W. GmbHG bilanziert sind. Der Kläger hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn dieses Verhalten berechtigtes Misstrauen der Gegenseite provoziert.Randnummer64

2.4. Da der Umfang der Auskunfts- und Rechenschaftspflichten erst im Folgeprozess zu klären ist, muss der Senat auch nicht entscheiden, ob der Kläger – wie das Landgericht meint – Auskunft und Rechenschaft über Geschäfte schuldet, die er privat – also nicht namens der Beklagten – mit der HS-W. GmbH Geschäfte getätigt hat, weil Ansprüche der Gesellschaft aus einer Vereitelung von Geschäftschancen (dazu grundlegend: BGH, Urteil vom 16.03.2017 – IX ZR 253/15, juris-Rn. 20) oder einer Verletzung des Wettbewerbsverbots im Raum stehen, oder ob solche Ansprüche aufgrund der Alleingesellschafterstellung des Klägers jedenfalls für etwaige private Geschäfte mit der HS-W. bis 2016 ausgeschlossen sind (und – ein Treuhandverhältnis des Klägers mit Herrn K. unterstellt – allenfalls dessen Ansprüche als Treugeber, nicht aber Ansprüche der Gesellschaft gegen den Kläger im Raum stehen).Randnummer65

Gleiches gilt für die Frage, ob und in welchem Umfang sich der Kläger auf eine Beschränkung der Auskunfts- bzw. der Rechnungslegungspflichten aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB berufen kann, wenn und soweit einzelne Vorgänge sehr weit zurückliegen und für die Gesellschaft tatsächlich ohne Bedeutung sein sollten.Randnummer66

2.5. Die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung waren im Zeitpunkt der Beschlussfassung auch nicht erfüllt, § 362 BGB. Dass vor dem angefochtenen Beschluss umfassend und systematisch Auskunft gegeben und Rechenschaft gelegt wurde, behauptet auch der Kläger nicht.Randnummer67

Die Anspruchserfüllung ist auch nicht, jedenfalls nicht zur Gänze, unmöglich (§ 275 BGB). Für die Erteilung von Auskunft und Rechnungslegung kann und muss der Kläger zumindest auf die noch vorhandenen Geschäftsunterlagen (mögen sie auch in Frankfurt liegen), auf Grundbuchunterlagen und auf sein Gedächtnis zurückgreifen.Randnummer68

3. Keinen Bestand hat die Einschränkung im landgerichtlichen Urteil, die Rechnungslegungspflicht auf die Jahre vor 2009 mit Blick auf die handelsrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften zu beschränken. Wie bereits ausgeführt, ist über den Umfang der Auskunfts- und Rechenschaftspflichten ohnehin erst im Rahmen eines Leistungsprozesses zu entscheiden. Dessen ungeachtet beschränken die – anderen Zwecken dienenden – Aufbewahrungsfristen für Buchhaltungsunterlagen von zehn bzw. teilweise nur sechs Jahren (§ 257 Abs. 4 HGB, parallel § 147 Abs. 3 AO) den Umfang der Rechenschaftspflicht nicht (anders für spezifische berufsrechtliche Vorschriften zur Aufbewahrung von Handakten: F. Schäfer in MüKo BGB, 9. Aufl., § 666 Rn. 31, 45). Besteht eine Rechnungslegungspflicht, so kann dieser Pflicht lediglich entgegengehalten werden, dass sie unmöglich geworden sei (§ 275 BGB), wenn Unterlagen (eben weil die Aufbewahrungsvorschriften abgelaufen sind) vernichtet worden sind. Sind die Unterlagen jedoch vorhanden, können und müssen sie für die Rechnungslegung verwendet werden (vgl. BGH, Urteile vom 10.10.1994 – II ZR 95/93, juris-Rn. 21 und vom 30.01.2001 – XI ZR 183/00, juris-Rn. 25).

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 101 Abs. 2 iVm § 100 Abs. 1 und 2 und § 516 Abs. 3 ZPO. Da der Senat im Einvernehmen mit den Parteien den Streitwert des TOP 1 mit 20.000 € und den Streitwert des TOP 2 mit 10.000 € bemisst und er das jeweilige Unterliegen der Parteien zu TOP 1 hälftig bewertet, ergibt sich eine Kostenquote von 2/3 zu Lasten des Klägers und 1/3 zu Lasten der Gegenseite; dieses Drittel wird nach Köpfen auf Beklagte und Beigeladene verteilt. Die Kostenentscheidung erfolgt amtswegig (§ 308 Abs. 2 ZPO) und damit ohne Bindung an das Verschlechterungsverbot in § 528 ZPO (Heßler in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 528 Rn. 35). Die Rücknahme der Berufung der Streithelferin in der mündlichen Verhandlung ändert daran nur insoweit etwas, als sie nach § 516 Abs. 3 Satz 2 ZPO ihre außergerichtlichen Kosten aus dem Berufungsrechtszug in vollem Umfang selbst zu tragen hat.Randnummer70

Aufgrund der Bewertung des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens ergibt sich die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 und § 713 ZPO. Die Zulassung der Revision war mangels Zulassungsgründen (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht veranlasst.

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Ausschluss I Ausschließung I Ausschließungsklage

Schlagworte: Anfechtungsfrist, Anfechtungsgründe, Anfechtungsklage, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Anfechtungsklage nach § 245 AktG analog, Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Ausschließen, Ausschließung, Ausschließung durch Beschluss, Ausschließung durch Gestaltungsurteil, Ausschließung in BGB-Gesellschaft, Ausschließungsklage, Ausschluss, Ausschluss BGB-Gesellschafter, Ausschluss der Ausschließung in der Satzung, Ausschluss des Gesellschafters, Ausschluss des Mehrheitsgesellschafters, Ausschluss Gesellschafter, Ausschluss GmbH-Gesellschafter, Ausschluss Kommanditist, Ausschluss Komplementär, Ausschluss OHG-Gesellschafter, Ausschluss- oder Einziehungsbeschluss, Ausschlussbeschluss aufgrund Satzungsgrundlage, Ausschlussgrund, Ausschlussklage, Ausschlussklauseln in Satzung, Gesellschafterausschluss, Gesellschafterbeschluss, Gesellschafterstreit, Gesellschafterstreitigkeiten, Gesellschafterversammlung, Rechnungslegung, Treuhand, Treuhandverhältnis