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BAG, Urteil vom 23. Februar 2010 – 9 AZR 44/09

§ 8a AltTZG 1996, § 823 BGB, § 13 GmbHG, § 7b SGB 4, § 7e SGB 4

§ 8a Abs. 1 AltTZG aF verpflichtet den Arbeitgeber, Wertguthaben, die aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung aufgebaut werden, in geeigneter Weise gegen das Risiko seiner Zahlungsunfähigkeit abzusichern. Die Vorschrift ist nur im Verhältnis zum Arbeitgeber Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB. Sie begründet keine Durchgriffshaftung der gesetzlichen Vertreter juristischer Personen

(MDR 2010, 1268-1269).

Für organschaftliche Vertreter fehlt der erforderliche besondere Haftungsgrund. § 8a Abs. 1 AltTZG aF ist ihnen gegenüber kein Schutzgesetz. Die gesetzlichen Vertreter sind keine Normadressaten(ebenso z.B. LAG Hessen v. 26.9.2008 – 10 Sa 295/08, juris Rz. 35 ff. [vgl. auch das Senatsurteil BAG v. 23.2.2010 – 9 AZR 71/09 zu der dagegen gerichteten Revision]; Hamann in jurisPR/ArbR 14/2007 Anm. 1 zu D; Podewin, RdA 2005, 295 [300]; ErfK/Rolfs, 10. Aufl., § 8a AltTZG Rz. 8; HWK/Stindt/Nimscholz, 3. Aufl., § 8a AltTZG Rz. 7; Schaub/Vogelsang, § 81 Rz. 11; a.A. etwa Küttner/Kreitner, Personalbuch 2009, Altersteilzeit, Rz. 15; Zwanziger, RdA 2005, 226 [240]).

Eine GmbH haftet als Arbeitgeberin für Schäden durch Verstöße gegen gesetzliche Gebote oder Verbote wegen der gesetzlichen Haftungsbeschränkung nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Eine Haftung ihrer organschaftlichen Vertreter sieht § 13 Abs. 2 GmbHG nicht vor. Dieses gesellschaftsrechtlich eingeschränkte Haftungssystem kann der Gesetzgeber erweitern. Solche Erweiterungen sind z.B. die strafrechtlichen und bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeiten von GmbH-Geschäftsführern nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 9 Abs. 1 Nr. 1 OwiG (vgl. BAG v. 21.11.2006 – 9 AZR 206/06, Rz. 41,).

§ 8a Abs. 1 AltTZG aF erweiterte die auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht in dieser Weise. Die Norm erlaubte keinen Durchgriff auf organschaftliche Vertreter.

Der Wortlaut des § 8a Abs. 1 AltTZG aF, der eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Insolvenzsicherung des Wertguthabens begründet, zeigt das gesetzgeberische Ziel, die Rechte des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber zu stärken. § 8a Abs. 1 AltTZG aF geht mit der Verpflichtung des Arbeitgebers über die zuvor geltende Regelung des § 7d Abs. 1 SGB IV aF hinaus. Der Gesetzeszweck der besonderen Insolvenzsicherung von Wertguthaben im Altersteilzeitgesetz wird von der Begründung des Gesetzentwurfs betont. Für den Bereich der Altersteilzeit sollte im Altersteilzeitgesetz eine spezielle adäquate Insolvenzsicherung gesetzlich vorgeschrieben werden. Bisher sei nicht immer sichergestellt, dass die durch Vorarbeit der Arbeitnehmer in der letzten Phase ihres Erwerbslebens entstandenen Wertguthaben im Insolvenzfall ausreichend geschützt seien(vgl. BT-Drucks. 15/1515, 75).

Das gesetzgeberische Ziel verstärkten Schutzes des Arbeitnehmers in Blockaltersteilzeit ggü. dem Arbeitgeber zeigt sich auch im Zusammenspiel der in § 8a AltTZG a.F. getroffenen unterschiedlichen Regelungen. § 8aAbs. 2 AltTZG a.F. verbietet dem Arbeitgeber die Anrechnung bestimmter Leistungen und bestimmt damit das Ausmaß der Absicherung (BT-Drucks. 15/1515, 134 f.). Nach § 8a Abs. 3 Satz 1 AltTZG aF hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnahmen mit der ersten Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform nachzuweisen. Der Arbeitnehmer soll überprüfen können, ob die Angaben des Arbeitgebers richtig sind (BT-Drucks. 15/1515, 135). Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach § 8a Abs. 3 AltTZG aF nicht nach oder sind die nachgewiesenen Maßnahmen nicht geeignet und weist er auf schriftliche Aufforderung des Arbeitnehmers nicht innerhalb eines Monats eine geeignete Insolvenzsicherung in Textform nach, kann der Arbeitnehmer nach § 8a Abs. 4 Satz 1 AltTZG a.F. verlangen, dass Sicherheit in Höhe des bestehenden Wertguthabens geleistet wird. Dem Arbeitnehmer wird damit ein gesetzlicher Anspruch auf Sicherheitsleistung in Höhe des bestehenden Wertguthabens gegen seinen Arbeitgeber eingeräumt (BT-Drucks. 15/1515, 135).

Die gestärkte Stellung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bezieht organschaftliche Vertreter nicht ein. Auf einen Durchgriff lassen auch keine Straftatbestände oder Ordnungswidrigkeitsbestimmungen schließen. Ein solcher klarer gesetzlicher Anhaltspunkt für einen besonderen Haftungsgrund ist unabdingbar, um eine ausnahmsweise Eigenhaftung des GmbH-Geschäftsführers entgegen der Regel der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung nach § 13 Abs. 2 GmbHG zu begründen.

Der Sinn der Insolvenzsicherung reicht nicht aus, um eine persönliche Geschäftsführerhaftung herzuleiten(aA Zwanziger, RdA 2005, 226 [240]). Der organschaftliche Vertreter muss als Adressat einer gesetzlich erweiterten Haftung erkennen können, welchem Risiko er persönlich ausgesetzt ist. Das trifft auf die Regelungen in § 8a AltTZG a.F. nicht zu. Auch die Gesetzesbegründung enthält keinen Hinweis auf eine Eigenhaftung (vgl. Kleingers, S. 168).

§ 7e Abs. 7 Satz 2 SGB IV i.d.F. am 1.1.2009 in Kraft getreten vom 21.12.2008 und der Folgefassung vom 12.11.2009 zeigt, dass sich der Gesetzgeber des Problems der Durchgriffshaftung bewusst ist. Danach haften die organschaftlichen Vertreter des Arbeitgebers gesamtschuldnerisch für den Schaden der Verringerung oder des Verlusts des Wertguthabens, wenn der Arbeitgeber eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist. Nach § 8a Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. AltTZG n.F. findet § 7e SGB IV in der erstmals am 1.1.2009 i.d. F. v. 21.12.2008 – inzwischen ersetzt durch die am 1.9.2009 i.d.F. v. 12.11.2009 – keine Anwendung. Der Senat braucht hier jedoch nicht darüber zu entscheiden, ob diese Bestimmung nur auf den spezialgesetzlichen Vorrang der Regelungen des § 8a AltTZG n.F. im Verhältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber hinweist oder auch die Durchgriffshaftung des organschaftlichen Vertreters nach § 7e Abs. 7 Satz 2 SGB IV ausschließt. Die in § 7e Abs. 7 Satz 2 SGB IV getroffene Regelung zeigt jedenfalls, dass der Gesetzgeber erst seit 1.1.2009 den Regelungswillen für eine Eigenhaftung im allgemeinen Insolvenzschutz für Wertguthaben zum Ausdruck gebracht hat (ähnlich LAG Hessen v. 26.9.2008 – 10 Sa 295/08, juris Rz. 37 f. [vgl. auch das Senatsurteil BAG v. 23.2.2010 – 9 AZR 71/09 – zu der gegen die Berufungsentscheidung gerichteten Revision]).

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 8a AltTZG a.F. kann nicht aus einer Garantenstellung hergeleitet werden. Das gilt selbst dann, wenn die Beklagten als gesetzliche Vertreter der Arbeitgeberin Organisations- oder Verkehrssicherungspflichten verletzt haben sollten (vgl. dazu Kleingers, S. 109 f.). … Eine Garantenstellung, die für den organschaftlichen Vertreter eine Handlungspflicht begründet, kommt nur in Betracht, wenn das Unterlassen des Vertreters kausal für die Rechtsgutsverletzung oder den Schadenseintritt ist. Der organschaftliche Vertreter muss zudem in eigener Person alle Voraussetzungen für den deliktischen Haftungstatbestand erfüllen, wenn keine weitergehende Zurechnungsnorm eingreift. … Diese Erfordernisse sind im Streitfall nicht gewahrt.

Der BGH verlangt für eine deliktische Eigenhaftung des gesetzlichen Vertreters aus dem hier jedenfalls nicht verwirklichten § 823 Abs. 1 BGB die Verantwortung des Vertreters aus der mit seinem Geschäftsbereich verbundenen Garantenpflicht zum Schutz Außenstehender vor Gefährdung oder Verletzung ihrer Schutzgüter. Die Garantenpflicht muss sich gerade auf den Schutz absoluter Rechte i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB beziehen (vgl. z.B. BGH v. 12.3.1996 – VI ZR 90/95, MDR 1996, 591 = NJW 1996, 1535, zu II 3 und III der Gründe; v. 12.3.1990 – II ZR 179/89, BGHZ 110, 323 = MDR 1990, 901 f., zu II 2 der Gründe; v. 5.12.1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297 = MDR 1990, 425, zu II 3 a aa der Gründe). Besteht eine Garantenpflicht und verletzt das Unterlassen des gesetzlichen Vertreters ein absolutes Recht, erfüllt der organschaftliche Vertreter bei rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten selbst die Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1 BGB. § 823 Abs. 1 BGB richtet sich an jedermann.

§ 823 Abs. 2 BGB wendet sich demgegenüber nicht an jedermann, sondern nur an den, der ein Schutzgesetz verletzt. Soll ein Schutzgesetz verletzt sein, müssen in der Person des organschaftlichen Vertreters der juristischen Person alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sein, wenn keine darüber hinausgehende gesetzliche Zurechnungsnorm eingreift. Aus den Entscheidungen des BGH v. 5.12.2008 – V ZR 144/07, MDR 2009, 256 f. = NJW 2009, 673 Rz. 12; v. 11.7.2006 – VI ZR 340/04, NJW-RR 2006, 1713, Rz. 12 f.; 21.4.2005 – III ZR 238/03, MDR 2005, 1002 = NJW 2005, 2703, zu II 5 der Gründe) ergibt sich nichts anderes. Die Verletzung der dort untersuchten Schutzgesetze war entweder eine Ordnungswidrigkeit oder sie verwirklichte einen Straftatbestand. Zurechnungsnormen waren § 9 Abs. 1 OWiG oder § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Schlagworte: SGB IV § 7e Abs. 7 Satz 2, SGB IV § 8a AltTZG/ 7d Abs. 1 a.F., Täuschung, Unterlassene Insolvenzsicherung von Wertguthaben, Verletzung von Schutzgesetzen nach § 823 Abs. 2 BGB