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Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 22.04.2021 – 101 ZBR 109/20

§ 51a GmbHG, § 51b GmbHG

Zur Auslegung und Bestimmtheit eines Vollstreckungstitels nach §§ 51a, 51b GmbHG.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 9. Juli 2020 aufgehoben.

2. Der Antrag der Gläubigerin auf Verhängung eines Zwangsgelds vom 4. März 2020 wird zurückgewiesen.

3. Die Gläubigerin hat die Kosten des Vollstreckungsverfahrens zu tragen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Schuldnerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen Zwangsmittel, die gegen sie zur Vollstreckung eines Beschlusses nach §§ 51a, 51b GmbHG festgesetzt worden sind.

Mit an das Landgericht München I gerichtetem Antrag vom 27. Oktober 2017 hat die Geschäftsführerin der Gläubigerin als damalige Gesellschafterin der Schuldnerin gegen diese Ansprüche gemäß §§ 51a, 51b GmbHG geltend gemacht. Sie habe die Schuldnerin mit Schreiben vom 17. Oktober 2017, Anlage K 2, auffordern lassen, ihr Einsicht in sämtliche Bücher und Schriften zu gewähren. Ihr stehe ein umfassendes Informationsrecht bezüglich aller Angelegenheiten der Schuldnerin zu. Gemäß § 51a GmbHG hätten die Geschäftsführer der Schuldnerin jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und Einsicht in die Bücher zu gestatten. Das Auskunftsrecht erstrecke sich auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft. Der Begriff sei weit zu verstehen, habe kaum begrenzenden Charakter und schließe nur persönliche Angelegenheiten des Geschäftsführers aus. Gründe, die Einsichts- und Auskunftsrechte zu verweigern, seien nicht ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 5. März 2018 hat sie vorgetragen, dass sich ihr Einsichtsrecht nicht auf Buchhaltungsunterlagen beschränke, sondern auf alle Bücher und Schriften der Schuldnerin erstrecke. Bücher seien in diesem Kontext Handelsbücher im Sinne des Handelsgesetzbuches, unabhängig von der Art des Informationsträgers, d. h. auch elektronisch gespeicherte Daten. Schriften seien die ebenfalls im Handelsgesetzbuch genannten Unterlagen sowie alle sonstigen vorhandenen Unterlagen und Aufzeichnungen. Sie habe das Recht, in derartige Bücher und Schriften Einsicht zu nehmen.

Nachdem die Gläubigerin die Gesellschaftsanteile ihrer Geschäftsführerin nach Anhängigkeit des Verfahrens erworben hatte, ist der Antrag von der Gläubigerin im Wege eines Parteiwechsels auf Antragstellerseite weiterverfolgt worden.

Mit Beschluss des Landgerichts vom 9. August 2018 – Ziffer I des Tenors – ist aufgrund eines Anerkenntnisses der Schuldnerin – antragsgemäß – festgestellt worden, dass diese verpflichtet ist, Auskunft zu erteilen über

1. Umfang und Bewertung der im Jahresabschluss auszuweisenden/ausgewiesenen unfertigen Leistungen und unfertigen Erzeugnisse durch Vorlage von Bestandsnachweisen und Erläuterungen zur Bewertung

2. über Art, Umfang, Höhe und Bilanzansatz der Forderungen und sonstigen Vermögensgegenstände unter Vorlage von Nachweisen und Belegen

3. über Art, Umfang und Höhe der Rechnungsabgrenzungsposten unter Vorlage von Bestandsnachweisen und Erläuterungen zur Bewertung

4. über Art, Umfang und Angaben zur Bewertung der vorgenommenen Rückstellungen und Erläuterungen der Bilanzansätze unter Vorlage von Nachweisen und Belegen, sowie über die mögliche Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen

5. über Art, Umfang, Höhe und Bilanzansatz der Verbindlichkeiten unter Vorlage von Nachweisen und Belegen

durch Einsichtnahme in die Handelsbücher und sonstigen Papiere, Vertrag, Korrespondenz und Aktenvermerken (Anmerkung des Senats: Der Antrag nach § 51b GmbHG lautete nicht auf „Vertrag“, sondern auf „Verträge“).

In der Begründung der Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, die frühere Gesellschafterin der Schuldnerin habe der Schuldnerin mit Schreiben ihrer Anwälte vom 17. Oktober 2017 unter anderem Folgendes mitgeteilt (ASt 12) (Anmerkung des Senats: Gemeint ist die Anlage K 2):

„Sehr geehrte Damen und Herren,

Gegenstand unserer Mandatierung ist die Wahrnehmung von Informations- und Kontrollrechten unserer Mandantin.

In diesem Zusammenhang haben wir sie aufzufordern, uns bis zum

26.10.2017, 18:00 Uhr

Einsicht in sämtliche Bücher und Schriften der Gesellschaft

zu gewähren, wobei wir darauf hinweisen, dass sich unsere Mandantin zur Verwirklichung ihrer Rechte eines zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten bedienen wird “ (Bl. 29 d. A.).

Die Aufforderung zur Einsichtnahme in die Buchhaltung nebst allen Geschäftsunterlagen sei auch mit E-Mail vom 16. Januar 2018 (Anlage B 1) gefordert worden.

Die Entscheidung über den Auskunftsanspruch beruhe auf dem Anerkenntnis der Schuldnerin.

In der Kostenentscheidung ist dargelegt worden, dass die Schuldnerin Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Die frühere Gesellschafterin habe mit dem Schreiben vom 17. Oktober 2017 wirksam eine Frist zur Erteilung der umfassenden Einsicht in sämtliche Bücher und Schriften gesetzt, ohne dass die erbetene Einsicht erteilt worden sei. Dabei müsse von einem zulässigen vorgerichtlichen Antrag ausgegangen werden, der den Anforderungen des § 51b GmbHG entspreche. Dem könne die weite Formulierung im vorgerichtlichen Aufforderungsschreiben nicht entgegengehalten werden. Der Gesellschafter könne grundsätzlich auch global verlangen, Einsicht in Bücher und Schriften der Gesellschaft zu nehmen. Der Antragsberechtigung stehe auch nicht entgegen, dass die Gläubigerin mit ihrem Antrag an das Gericht nunmehr Einsicht in bestimmte Unterlagen verlange, nachdem sie im Anschreiben, so das Landgericht wörtlich, noch „Auskunft“ verlangt habe. Bei einem Anspruch aus § 51a GmbHG handele es sich um einen einheitlichen Informationsanspruch, bei dem die genannten Mittel von Auskunft und Einsicht nicht in einem bestimmten Rangverhältnis zueinander stünden. Vielmehr sei Gegenstand des Rechts nicht entweder eine Auskunft oder Einsicht, sondern das Recht des Gesellschafters auf Information. Auskunft und Einsicht seien lediglich unterschiedliche Informationsmittel. Welches der beiden der Gesellschafter verlangen könne, bestimme sich nach seinem Informationsinteresse. Daraus ergebe sich aber gleichzeitig, dass ein Auskunftsverlangen auch durch Einsichtsgewährung erfüllt werden könne; der Wechsel könne der Bejahung der Antragsberechtigung nicht entgegenstehen.

Mit Schriftsatz vom 30. August 2018 hat die Gläubigerin einen ersten Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds gestellt, den das Landgericht mit Beschluss vom 23. November 2018 mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass die Voraussetzungen des § 888 ZPO nicht erfüllt seien. Die Norm setze voraus, dass der Schuldner nicht bereit sei, die Handlung ohne gerichtlichen Zwang zu erfüllen. Hiervon könne nicht ausgegangen werden, da die Schuldnerin erklärt habe, dass sämtliche Unterlagen, die zur Erfüllung des Informationsanspruchs erforderlich seien, bei ihrem Steuerberater in dessen Kanzleiräumen eingesehen werden könnten. Hier würden Informationen zu Einzelfragen der Bilanz begehrt; die erforderlichen Unterlagen befänden sich beim Steuerberater. Es könne nicht davon ausgegangen werden, der titulierte Anspruch betreffe eine umfassende Einsicht in die Bücher und Schriften der Schuldnerin. Der letzte Halbsatz unter Ziffer I des Tenors beziehe sich schon rein grammatikalisch auf Unterlagen, die geeignet seien, die entsprechenden Informationen zu Fragen der Bilanzierung zu erfüllen. Die Schuldnerin habe auf eine erforderliche Terminabsprache mit dem Steuerberater nach dessen Urlaub hingewiesen, so dass ihre Weigerung nicht mit der Begründung bejaht werden könne, sie habe nicht unverzüglich Einsicht gewährt.

Mit Schriftsatz vom 4. März 2020 hat die Gläubigerin erneut Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds mit der Begründung gestellt, die Schuldnerin sei weiterhin nicht zur Auskunftserteilung bereit. Der Steuerberater der Schuldnerin sei erfolglos um Mitteilung eines Termins gebeten worden. Da sich die Schuldnerin zur Erteilung der Auskünfte einer Steuerkanzlei bediene, müsse sie sich auch deren Verschulden zurechnen lassen. Wenn die Steuerkanzlei dem Ehemann ihrer Geschäftsführerin keinen Zutritt erteile, komme die Schuldnerin schlichtweg ihrer Auskunftsverpflichtung nicht nach.

Hierauf hat die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 26. März 2020 entgegnet, soweit ihr bekannt sei, habe sich die Gläubigerin zu keinem Zeitpunkt bei ihrem Steuerberater zwecks Einsichtnahme in die Unterlagen oder Auskunftserteilung gemeldet. Um Weiteres in Erfahrung zu bringen, müssten zusätzliche Auskünfte beim Steuerberater erholt werden. Die Steuerkanzlei sei jedoch aufgrund der Corona-Situation derzeit geschlossen und in den nächsten zwei bis drei Wochen nur im Notbetrieb, wohl vom Homeoffice aus, tätig.

Nach Gewährung einer Schriftsatzfrist hat die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 22. April 2020 ergänzend vorgetragen, ihr Steuerberater sei nach wie vor bereit, der Gläubigerin Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft zu gewähren und entsprechende Auskunft zu erteilen; er sei jedoch nicht bereit, dies gegenüber dem Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin zu tun, sondern ausschließlich gegenüber den Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin sowie deren Geschäftsführerin selbst. Dem Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin werde in der Steuerkanzlei kein Zutritt gewährt.

Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2020 hat die Gläubigerin mitgeteilt, es habe weiterhin keine Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen erfolgen können. Der Steuerberater der Schuldnerin habe sowohl auf eine per E-Mail als auch mit Brief übermittelte Terminanfrage des Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin vom 8. Mai 2020 zur Gewährung der Einsicht in dessen Steuerkanzlei nicht geantwortet (Anlagen K 1 und K 2 zu diesem Schriftsatz). Irgendwelche coronabedingten Probleme der Steuerkanzlei seien unerheblich. Für die Erteilung der Auskunft sei der Geschäftsführer der Schuldnerin zuständig. Sie selbst könne sich sachkundiger Personen bedienen.

Mit Verfügung vom 18. Mai 2020, die beiden Beteiligten zugestellt worden ist, hat das Landgericht die Schuldnerin darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Gläubigerin zur Nichtreaktion auf die Vereinbarung eines Einsichtstermins nach der Lockerung der Corona-Beschränkungen nicht von vornherein von der Hand zu weisen sein könnte.

Die Gläubigerin ist darauf hingewiesen worden, dass Dritten nur dann Einsicht und Auskunft gewährt werden könne, wenn diese zur Berufsverschwiegenheit verpflichtet seien. Es sei nach dem bisherigen Vortrag nicht erkennbar, warum die Schuldnerin den Ehemann der gesetzlichen Vertreterin der Gläubigerin zur Erteilung von Informationen zulassen sollte.

In der Verfügung vom 18. Mai 2020 ist nur der Schuldnerin eine Frist zur Stellungnahme zum Schriftsatz der Gläubigerin vom 14. Mai 2020 gesetzt worden.

Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2020 hat die Schuldnerin mitgeteilt, dass ihr Steuerberater nicht beabsichtige, die Einsicht in seiner Kanzlei durchzuführen; daher habe er am Ende der 22. Kalenderwoche die Unterlagen an ihren Verfahrensbevollmächtigten übersandt. Die Einsichtnahme werde daher, sobald die Akten eingingen, am Geschäftssitz der Schuldnerin erfolgen. Ihr Verfahrensbevollmächtigter werde den Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin voraussichtlich noch in der 23. Kalenderwoche Terminsvorschläge übermitteln.

Hierauf hat die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 24. Juni 2020 erwidert, ihr sei es nicht zuzumuten, den Akten nachzulaufen. Die Schuldnerin betreibe ein Katz-und-Maus-Spiel. Es sei bislang nicht ersichtlich, was gegen den Zwangsgeldantrag spreche. Die Schuldnerin sei bis dato nicht in der Lage, ihr einen konkreten Ort und eine konkrete Zeit zur Einsichtnahme mitzuteilen.

Mit Beschluss vom 9. Juli 2020 hat das Landgericht gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der im Beschluss vom 9. August 2018 unter Ziffer I genannten Handlungen [Auskunft über

1. Umfang und Bewertung der im Jahresabschluss auszuweisenden/ausgewiesenen unfertigen Leistungen und unfertigen Erzeugnisse durch Vorlage von Bestandsnachweisen und Erläuterungen zur Bewertung

2. über Art, Umfang, Höhe und Bilanzansatz der Forderungen und sonstigen Vermögensgegenstände unter Vorlage von Nachweisen und Belegen

3. über Art, Umfang und Höhe der Rechnungsabgrenzungsposten unter Vorlage von Bestandsnachweisen und Erläuterungen zur Bewertung

4. über Art, Umfang und Angaben zur Bewertung der vorgenommenen Rückstellungen und Erläuterungen der Bilanzansätze unter Vorlage von Nachweisen und Belegen, sowie über die mögliche Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen

5. über Art, Umfang, Höhe und Bilanzansatz der Verbindlichkeiten unter Vorlage von Nachweisen und Belegen] (Anmerkung des Senats: Sowohl die eckigen Klammern als auch der eingeklammerte Text befinden sich so im Original)

ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, für je 500,00 € einen Tag Zwangshaft, zu vollziehen an einem der beiden Geschäftsführer der Schuldnerin, verhängt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es habe mit Beschluss vom 9. August 2018 „Gewährung von Auskunft durch die Gewährung von Einsicht in näher bezeichnete Unterlagen der Schuldnerin“ festgestellt. Eine Gewährung der titulierten Auskunft sei bis heute nicht erfolgt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin die Handlung verweigere, weil diese innerhalb einer Frist von nahezu zwei Jahren seit der Zustellung des Beschlusses über die Verpflichtung von Auskunft nicht erfüllt worden sei. Aufgrund des Verhaltens der Schuldnerin, die die Gläubigerin seit der Titulierung im August 2018 mit einer Einsichtnahme in den Geschäftsräumen ihres Steuerberaters vertröste, könne nicht davon ausgegangen werden, sie werde ihrer Pflicht zur Auskunft ohne Maßnahmen der Zwangsvollstreckung freiwillig erfüllen.

Dabei könne sich die Schuldnerin nicht darauf berufen, ihr Steuerberater sei nicht bereit, dem Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin Auskunft zu erteilen. Der Gesellschafter könne außer zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten sonstige Personen ermächtigen oder beiziehen, wenn an deren Tätigwerden ein schutzwürdiges Interesse bestehe und nach Vertrauenswürdigkeit und Interessenlage dieser Personen die Einhaltung der Verschwiegenheit gewährleistet sei. Dem Vortrag der Beteiligten sei nicht zu entnehmen, dass der Ehemann der Geschäftsführerin der Schuldnerin diese Voraussetzungen nicht erfüllen würde. Soweit in einem gerichtsbekannten Parallelverfahren 5 HK O 1482/20 auf die Konkurrenzsituation des Ehemanns der Gläubigerin verwiesen worden sei, sei dies hier ohne Belang, weil in dem Parallelverfahren eine andere Gesellschaft auf Auskunft und Einsicht in Anspruch genommen worden sei. Da der Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin zusammen mit dem Steuerberater der Schuldnerin die Buchhaltung der Gesellschaft geführt und die Jahresabschlüsse vorbereitet habe, verfüge er offensichtlich auch über die erforderlichen Kenntnisse zur Beurteilung der Unterlagen, durch deren Einsicht der Auskunftsanspruch erfüllt werden solle.

Die Schuldnerin könne sich nicht mit Erfolg auf die Umstände der COVID-19-Pandemie berufen. Abgesehen davon sei sie verpflichtet gewesen, die titulierten Ansprüche auf Auskunft längst vor dem Beginn der Pandemie zu erfüllen; der Anspruch aus § 51a Abs. 1 GmbHG sei unverzüglich nach Geltendmachung, die hier erstmals mit Schreiben vom 17. Oktober 2017 erfolgt sei, zu erfüllen.

Hinsichtlich der Höhe des Zwangsgelds sei zu berücksichtigen, dass seit der rechtskräftigen Titulierung ein nicht unerheblicher Zeitraum von etwa 18 Monaten allein bis zur erneuten Antragstellung verstrichen sei, in dem die Schuldnerin den Anspruch entgegen ihrer Ankündigung trotz des wiederholten Antrags auf Festsetzung eines Zwangsgelds nicht erfüllt habe.

Gegen den ihr am 10. Juli 2020 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 22. Juli 2020, eingegangen beim Landgericht am 23. Juli 2020, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass gegen die Geschäftsführerin der Gläubigerin bei der Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der falschen Versicherung an Eides statt geführt werde. Über deren Vermögen sei von mehreren Gläubigern ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden. Es werde die Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beantragt.

Die Geschäftsführerin der Gläubigerin sei „Werkzeug“ oder „Strohfrau“ ihres Ehemannes; dieser sei aufgrund seiner eigenen finanziell höchst problematischen Situation nicht in der Lage, nach außen hin in Erscheinung zu treten. Die Eheleute versuchten, sämtlichen Gesellschaften, an denen die Geschäftsführerin der Gläubigerin beteiligt gewesen sei, Schaden zuzufügen. Die Einsichtnahme in die Unterlagen durch den Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin sei entgegen der Auffassung des Landgerichts von ihr nicht zu akzeptieren. Sie dürfe sie nach § 51a Abs. 2 Satz 1 GmbHG verweigern. Der Gesellschaftszweck der Gläubigerin sei nahezu identisch mit demjenigen der Schuldnerin. Es stelle einen gesellschaftsfremden Zweck dar, wenn die Gläubigerin ihre durch die Auskunft gewonnenen Erkenntnisse für ihren Gesellschaftszweck nutze oder die gewonnenen Erkenntnisse in Streitigkeiten zwischen der Gläubigerin und einem mit der Schuldnerin verbundenen Unternehmen verwende. Eine solche Gefahr lasse sich z. B. für wettbewerbsrelevante Tatsachen aus einer Konkurrenzsituation selbst dann ableiten, wenn noch kein aktuelles Interesse an der Verwendung der durch die Einsicht erlangten Erkenntnisse bestehe. Sie habe keine Bedenken, wenn die Gläubigerin einen der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Sachverständigen wie einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer Einsicht nehmen lasse. Die Neutralität des Ehemanns der Geschäftsführerin der Gläubigerin als Dritter sei jedoch nicht ansatzweise gegeben. Es würden aus den dem Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin vorliegenden Unterlagen vermeintliche Gläubiger mit Material versorgt, um es diesen zu ermöglichen, Ansprüche gegen beispielsweise den Geschäftsführer der Schuldnerin oder gegen sonstige Unternehmen aus dem Unternehmensbereich der Schuldnerin geltend zu machen.

Der Antrag auf Verhängung eines Zwangsgelds sei als unbegründet zurückzuweisen. Die Auskunft sei allenfalls gegenüber der Antragstellerin selbst oder einem von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufsträger abzugeben.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 27. August 2020 nicht abgeholfen und die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, soweit sich die Schuldnerin auf § 51a Abs. 2 GmbHG berufe, bezögen sich ihre Einwendungen auf das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach; die Voraussetzungen des § 51a Abs. 2 GmbHG lägen außerdem nicht vor. Die Schuldnerin habe keinen Beschluss nach § 51a Abs. 2 Satz 2 GmbHG gefasst. Zudem bezögen sich die begehrten Auskünfte auf Detailfragen zu Bilanzansätzen. Ein Nachteil (im Sinne des § 51a Abs. 2 Satz 1 GmbHG) sei für die Einsicht in den Jahresabschluss einschließlich Bilanz, G+V-Rechnung sowie Anhang und Lagebericht zu verneinen, denn diese ließen sich keinem „geheimschutzbedürftigen Bereich“ zuordnen. Die Schuldnerin habe auch nicht konkret dazu vorgetragen, inwieweit sich aus der Konkurrenzsituation Anhaltspunkte dafür ergäben, dass der Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Informationen zweckwidrig verwenden würde.

Abgesehen davon hätten sich die Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss nur auf das Argument der Schuldnerin bezogen, ihr Steuerberater würde dem Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin keinen Zutritt zu den Geschäftsräumen gewähren, nachdem die Schuldnerin die Gläubigerin auf die Einsicht beim Steuerberater hingewiesen habe.

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2020 hat die Schuldnerin ihr Vorbringen dahingehend ergänzt, die Übertragung ihrer Anteile an der Schuldnerin durch die jetzige Geschäftsführerin der Gläubigerin auf die nunmehrige Gläubigerin sei erfolgt, um Gläubigern der Geschäftsführerin der Gläubigerin die Durchsetzung titulierter Ansprüche zu erschweren. Die Geschäftsführerin der Gläubigerin habe, als sie noch hälftige Gesellschafterin der Schuldnerin gewesen sei, versucht, durch Erwirken einer einstweiligen Verfügung gegen die S. GmbH die berechtigte Rückübertragung eines Grundstücks zu verhindern. Alleiniger Gesellschafter der S. GmbH sei der Geschäftsführer der Schuldnerin. Die Gläubigerin versuche, durch die Auskunft zu erreichen, der S. GmbH und damit dem Geschäftsführer der Schuldnerin Schaden zufügen zu können. Auch wenn der nach § 51b GmbHG zugunsten der Gläubigerin als Gesellschafterin bestehende Anspruch anerkannt worden sei, sei dieser dann zurückzuweisen, wenn der Anspruch aus gesellschaftsfremden Motiven geltend gemacht werde.

Mit Verfügung vom 15. März 2021 sind die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens darauf hingewiesen worden, dass der Vollstreckungstitel vom 9. August 2018 unbestimmt sein dürfte.

Die Gläubigerin hat hierzu wie auch zum Beschwerdevorbringen keine Stellungnahme abgegeben.

II.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig und begründet.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen.

Wird durch eine gerichtliche Entscheidung dem Antrag eines Gesellschafters gegen die GmbH auf Auskunftserteilung rechtswirksam stattgegeben, so findet die Zwangsvollstreckung daraus gemäß § 51b Satz 1 GmbHG i. V. m. § 132 Abs. 4 Satz 2 AktG nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung statt.

Hier wird die Schuldnerin nach § 888 ZPO zur Vornahme einer vom Gericht als unvertretbar angesehenen Handlung angehalten.

Ausschließlich zuständig zur Entscheidung über die Verhängung von Zwangsmitteln ist das Prozessgericht des ersten Rechtszugs (§ 888 Abs. 1 Satz 1, § 802 ZPO). Unter Prozessgericht ist dabei das Gericht des Verfahrens zu verstehen, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 30. September 2010, III ZB 57/1, NJW-RR 2011, 213 Rn. 10 m. w. N.; BayObLG, Beschl. v. 22. Dezember 1988, BReg. 3 Z 157/88, BayObLGZ 1988, 413 [415]; BayObLG, Beschl. v. 17. Dezember 1974, 2 Z 58/74, BayObLGZ 1974, 484 [486]).

Mit der Bestimmung des Ausgangsgerichts sind zugleich auch die Rechtsmittelgerichte für das Vollstreckungsverfahren festgelegt. Deshalb legt die Zuweisung der Vollstreckungszuständigkeit an das Prozessgericht des ersten Rechtszugs in § 888 ZPO auch die Rechtsmittelgerichte für das Vollstreckungsgericht fest, zumal die sachlichen Gründe, die für die Begründung der Zuständigkeit dieser Gerichte maßgebend sind, für das Vollstreckungsverfahren ebenso gelten wie für das Erkenntnisverfahren (vgl. BayObLGZ 1988, 413 [415]; BayObLGZ 1974, 484 [486]; Kubis in Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl. 2018, § 132 Rn. 55). Im zweiten Rechtszug ist daher vorliegend das Bayerische Oberste Landesgericht nicht nur gemäß § 51b Satz 1 GmbHG, § 132 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 3 Satz 5 und 6 AktG, § 27 Abs. 2 BayGZVJu in der seit dem 1. Mai 2020 geltenden Fassung für das Erkenntnisverfahren, sondern auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren zuständig.

2. Das Rechtsmittel ist zulässig.

a) Es ist als sofortige Beschwerde statthaft, § 51b Satz 1 GmbHG, § 132 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 AktG, § 95 Abs. 1 Nr. 2 FamFG und § 132 Abs. 4 Satz 2 AktG i. V. m. §§ 793, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Als solche bedarf es nicht der Zulassung durch das Erstgericht gemäß § 51b Satz 1 GmbHG i. V. m. § 132 Abs. 3 Satz 2 AktG (vgl. BayObLG, Beschl. v. 25. März 1996, 3Z BR 50/96, NJW-RR 1997, 489 [juris Rn. 6]; BayObLGZ 1988, 413 [416]; Hillmann in Münchener Kommentar GmbHG, 3. Aufl. 2019, § 51b Rn. 51; Kubis in Münchener Kommentar zum AktG, § 132 Rn. 55). Diese Vorschriften betreffen lediglich das im Erkenntnisverfahren durch die Verweisungen in § 132 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 AktG eröffnete Rechtsmittel der Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG. Die Verhängung von Zwangsmitteln zur Durchsetzung eines in diesem Verfahren titulierten Auskunftsanspruches stellt einen davon verschiedenen Gegenstand dar, der den Rechtsmittelvorschriften des Vollstreckungsverfahrens, insbesondere § 793 i. V. m. §§ 567 ff. ZPO, unterliegt, die eine Zulassung des Rechtsmittels durch das Erstgericht nicht erfordern.

b) Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt worden.

3. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat auch in der Sache Erfolg. Es sind der Zwangsgeldbeschluss aufzuheben und der Antrag der Gläubigerin auf Verhängung eines Zwangsgelds vom 4. März 2020 zurückzuweisen.

a) Der Tenor der Entscheidung nach §§ 51a, 51b GmbHG vom 9. August 2018 hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, weil er nicht bestimmt genug ist. Damit stellt der Vollstreckungstitel keine geeignete Grundlage für die verhängte Maßnahme der Zwangsvollstreckung dar. Der Titel ist aus sich selbst heraus nicht genügend bestimmt, um ausgelegt werden zu können (vgl. BGH, Beschl. v. 13. Januar 2021, XII ZB 401/20, juris Rn. 11).

aa) Ein Titel ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnet (BGH a. a. O.; Urt. v. 7. Dezember 2005, XII ZR 94/03, NJW 2006, 695 Rn. 25).

bb) Hier ist der Titel, ausgehend von seinem Wortlaut, hinsichtlich Inhalt und Umfang der Leistungspflicht unbestimmt.

Es wird die Schuldnerin – in den Wortlaut einer Feststellung gekleidet – verpflichtet, Auskunft zu erteilen. Diese soll zum einen „durch“ bzw. „unter“ „Vorlage von Nachweisen und Belegen“ zu leisten sein, zum anderen heißt es „durch Einsichtnahme in die Handelsbücher und sonstigen Papiere, Vertrag, Korrespondenz und Aktenvermerken“. Der Wortlaut gibt keinen Aufschluss darüber, in welchem Verhältnis die in den Ziffern 1. bis 5. der tenorierten Auskunftsverpflichtungen mit den Worten „durch“ bzw. „unter“ eingeleiteten Passagen zur „Vorlage“ von „Nachweisen und Belegen“ zu der im zweiten Teil des Titels genannten Verpflichtung, die Auskunft „durch“ „Einsicht“ zu erfüllen, stehen. Selbst wenn erwogen würde, dass die Auskunftsverpflichtung zu den im Titel genannten Positionen des Jahresabschlusses statt durch Vorlage von Nachweisen und Belegen durch Einsicht in die betreffenden Dokumente zu leisten sei, bliebe offen, ob die Schuldnerin darüber hinaus umfassende Einsicht in sonstige Unterlagen zu gewähren hätte. Auskunft „durch“ bzw. „unter“ „Vorlage von Nachweisen und Belegen“ wäre überdies grundsätzlich durch Aushändigung der betreffenden Schriftstücke – zumindest in Kopien – zu leisten, unterscheidet sich also von einer Pflicht zur Gewährung von Einsicht, die zum Inhalt hat, schriftliche Unterlagen in den Geschäftsräumen des Schuldners zur Einsichtnahme zugänglich zu machen. Da die Handlungen nicht identisch sind, aber beide genannt werden, bleiben der Inhalt und die Reichweite der Verpflichtung der Schuldnerin unklar. Hinzu kommt, dass Einsichtnahme nach dem Titel nicht nur in die Handelsbücher, sondern auch in „sonstige Papiere, Vertrag, Korrespondenz und Aktenvermerke“ erfolgen soll, ohne dass, ausgehend vom Wortlaut, hinreichend bestimmt ausgesagt würde, in welche sonstigen Unterlagen neben den Handelsbüchern die Schuldnerin verpflichtet sei, Einsicht zu gewähren.

cc) Inhalt und Umfang der Leistungspflicht der Schuldnerin lassen sich hier nicht durch Auslegung feststellen. Dem Titel kann auch unter Heranziehung der Antragsbegründung und der Entscheidungsgründe sowie unter Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Herleitung des Anspruchs der Gläubigerin ein hinreichend bestimmter Aussagegehalt nicht beigemessen werden.

(1) Das Verfahren nach § 888 ZPO dient ebenso wie die in anderen Vorschriften geregelten Vollstreckungsverfahren nicht der Feststellung des zu vollstreckenden Anspruchs, sondern allein der Vollstreckung des im Erkenntnisverfahren festgestellten Anspruchs. Grundsätzlich verbietet sich eine Verlagerung der Klärung von Fragen, die im Erkenntnisverfahren zu beantworten sind, in das Vollstreckungsverfahren (BGH, Beschl. v. 19. Mai 2011, I ZB 57/10, BGHZ 190, 1 [juris Rn. 13]). Aus dem Titel nicht zu klärende Unbestimmtheiten müssen nicht im Vollstreckungsverfahren, sondern im Erkenntnisverfahren geklärt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2020, VII ZB 46/18, juris Rn. 21, zu den von einem Gerichtsvollzieher zu berücksichtigenden Umständen). Im Verfahren nach § 888 ZPO kann der Inhalt des zu vollstreckenden Anspruchs allerdings noch im Vollstreckungsverfahren – soweit möglich – im Wege der Auslegung näher bestimmt werden (BGHZ 190, 1 a. a. O.).

Dabei hat das Vollstreckungsgericht durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln, welche Verhaltensweisen dieser erfasst. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Antrags- oder Klagebegründung und der Parteivortrag heranzuziehen. Umstände, die außerhalb des Titels liegen, sind bei der Auslegung wegen der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Insbesondere ist es ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche dem Gläubiger zustehen. Das Prozessgericht, das als zuständiges Vollstreckungsorgan über eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus einem Titel entscheidet, den es selbst erlassen hat, kann bei der Auslegung des Titels allerdings sein Wissen aus dem Erkenntnisverfahren mit heranziehen und damit Umstände berücksichtigen, die außerhalb des Titels liegen. Dies kommt insbesondere bei einem Titel in Betracht, der auf einem Anerkenntnis beruht, wenn in einem solchen Fall zur Auslegung des Tenors keine Entscheidungsgründe herangezogen werden können. Zur Auslegung des Tenors kann das Prozessgericht in einem solchen Fall auf die Begründung des Antrags und auf unstreitiges Vorbringen der Parteien zurückgreifen. Für die Auslegung des Vollstreckungstitels durch das Beschwerdegericht, das über die sofortige Beschwerde gegen eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus einem Titel entscheidet, den das Prozessgericht des ersten Rechtszugs erlassen hat, gelten diese Grundsätze entsprechend (vgl. BGH, Urt. v. 27. August 2020, III ZB 30/20, NJW 2021, 160 Rn. 12 f.; Beschl. v. 5. März 2015, I ZB 74/14, GRUR 2015, 1248 Rn. 20 ff. m. w. N.; OLG SaarbrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Saarbrücken
, Beschl. v. 17. April 2018, 5 W 16/18, juris 24).

(2) Im Verfahren nach §§ 51a, 51b GmbHG ist auf einen vollstreckungsfähigen Tenor zu achten. Obwohl § 253 ZPO nicht unmittelbar anwendbar ist, muss der Antragsteller die in Frage stehende Angelegenheit der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Angelegenheit der Gesellschaft
Gesellschaft
benennen, ggf. auch die begehrte Art der Information (Auskunft oder Einsicht unter möglichster Bestimmtheit der in Betracht kommenden Unterlagen) konkret oder jedenfalls so weit konkretisierbar angeben, dass das Gericht einen hinreichend bestimmten Tenor formulieren kann. Die Anforderungen sind strenger als bei dem vorprozessual an die Gesellschaft gerichteten Informationsbegehren nach § 51a GmbHG. Das Gericht kann nach dem § 139 ZPO nachgebildeten § 28 FamFG Fragen an den Antragsteller richten und Formulierungshilfen für die Konkretisierung des Antrags geben (Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 51b Rn. 15). Ein ungenauer und deshalb nicht vollstreckungsfähiger Titel kann nicht im Vollstreckungsverfahren erweitert werden (Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, § 51b Rn. 26; BayObLGZ 1988, 413 [417]). Eine Auslegung im Rahmen des oben Dargelegten bleibt aber möglich (Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, a. a. O.).

(3) Wird der Titel vom 9. August 2018 unter Heranziehung der Antragsbegründung ausgelegt, sprechen die Ausführungen im Schriftsatz der Gläubigerin vom 5. März 2018 dafür, dass es ihr auf eine Tenorierung umfassender Einsicht in sämtliche Handelsbücher und sonstige Unterlagen der Schuldnerin ankam. Dies wird durch das Aufforderungsschreiben vom 17. Oktober 2017 bestätigt.

(4) Dem stehen die Ausführungen des Landgerichts zur Begründung seines Beschlusses nach §§ 51a, 51b GmbHG diametral entgegen. Denn im Rahmen der Kostenentscheidung legt das Landgericht – unter Verkennung oder Nichtbeachtung der Ausführungen der Gläubigerin im Schriftsatz vom 5. März 2018 – dar, es gehe bei dem Antrag der Gläubigerin nach § 51b GmbHG, anders als vorprozessual, um „Auskunft durch Einsicht in bestimmte Unterlagen“ (Hervorhebung durch den Senat), während im Aufforderungsschreiben vom 17. Oktober 2017 – zulässigerweise -global (Hervorhebung durch den Senat) Einsicht verlangt worden sei. Um welche bestimmten Unterlagen es sich handele, lässt das Landgericht allerdings offen. Es setzt sich zudem nicht damit auseinander, dass in dem Antrag auch von der „Vorlage von Nachweisen und Belegen“ die Rede ist.

Soweit es im Übrigen an anderer Stelle der Begründung heißt, es sei vorprozessual, anders als mit dem auf Einsicht in bestimmte Unterlagen gerichteten Antrag nach § 51b GmbHG, „Auskunft“ verlangt worden, trifft dies nicht zu. Die Annahme steht im Widerspruch zum Inhalt des Aufforderungsschreibens vom 17. Oktober 2017 und ist nicht nachvollziehbar.

(5) Es besteht somit bereits ein Widerspruch zwischen der vom Landgericht vertretenen Auffassung, es liege ein auf Auskunft durch Einsicht in bestimmte Unterlagen beschränkter Titel vor, und den Darlegungen der Gläubigerin, die mit dem zweiten Teil des Antrags („durch Einsichtnahme in die Handelsbücher und sonstigen Papiere, Vertrag, Korrespondenz und Aktenvermerken“) Auskunft durch umfassende Einsicht in sämtliche Unterlagen der Schuldnerin begehrt haben könnte und dies durch ihre Darlegungen zur Begründung ihres Antrags nach § 51b GmbHG bekräftigt.

Vor allem aber ergibt sich nicht, welche konkreten Unterlagen im Rahmen der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung entweder vorgelegt oder zur Einsicht bereitgehalten werden sollen, obwohl im zweiten Teil des Tenors Auskunft durch umfassende Einsicht anklingt. Ausdrückliche Darlegungen sowohl der Gläubigerin als auch des Landgerichts zum Bedeutungsgehalt der jeweils durch die Verwendung des Worts „durch“ geprägten Passagen fehlen.

Eine hinreichende Klarheit und Bestimmtheit des Titels ist somit nicht im Wege der Auslegung dadurch erzielbar, dass – im Übrigen im Widerspruch zu dem Vortrag der antragstellenden Gläubigerin – auf die Begründung des Titels durch das Landgericht abgestellt wird. Es ist auch umgekehrt nicht unter Heranziehung der Antragsbegründung möglich – entgegen den Ausführungen des Landgerichts – zu dem Ergebnis zu gelangen, der Titel umfasse Auskunft durch globale Einsicht in sämtliche Unterlagen der Schuldnerin. Es würde jeweils der Wortlaut des Antrags nicht hinreichend berücksichtigt.

Damit scheidet die Möglichkeit aus, anzunehmen, dass (nur) ein Titel auf „Auskunft durch Einsicht“ (statt „durch“ bzw. „unter“ „Vorlage von Belegen und Nachweisen“) in „bestimmte“ Unterlagen tituliert worden sei, die sich auf die in den Ziffern 1. Bis 5. des Tenors genannten Positionen beziehen, wie dies das Landgericht möglicherweise in der Begründung des Beschlusses vom 9. August 2018 meint.

Es kann auch dem Titel nicht – abweichend von seinem Wortlaut – der Inhalt beigemessen werden, dass es sich bei der im zweiten Teil titulierten Verpflichtung der Schuldnerin zur Auskunft durch Gewährung von Einsicht nur um einen in Bezug auf titulierte Auskunftsverpflichtungen durch Vorlage von Nachweisen und Belegen überflüssigen Zusatz handele, der auch gestrichen werden könne, wie dies das Landgericht – allerdings ohne jede Begründung – dann möglicherweise in seinem Zwangsgeldbeschluss annimmt. Dort hat das Landgericht überdies zwar diejenige Passage, die die Auskunft „durch“ bzw. „unter“ „Vorlage von Nachweisen und Belegen“ (Hervorhebung durch den Senat) betrifft, erhalten, zugleich aber gerade denjenigen Teil des Titels vom 9. August 2018, in dem ausdrücklich Einsichtsrechte aufgeführt sind, gestrichen, obwohl es in der Begründung dieser Entscheidung (wiederum) darlegt, es gehe um „Auskunft durch Einsicht in bestimmte Unterlagen“ (Hervorhebung durch den Senat).

Schließlich kann dem Titel auch nicht mit hinreichender Klarheit der Aussagegehalt beigemessen werden, dass die Verpflichtung, Auskunft zu erteilen, kumulativ dadurch zu erfüllen sei, dass Nachweise und Belege vorzulegen und außerdem umfassende Einsicht in sämtliche Unterlagen zu gewähren seien. Die im Tenor des Beschlusses vom 9. August 2018 genannten Handlungen „Vorlage von Nachweisen und Belegen“ und „Gewährung von Einsicht“ sind sprachlich gerade nicht durch das Wort „und“ verknüpft. Auch die Auslegung unter Heranziehung der Antragsbegründung und der Entscheidungsgründe führt nicht dazu, dass der Titel in diesem Sinne aus sich selbst heraus genügend bestimmt wäre. Damit scheidet auch die Annahme aus, das Landgericht könnte dem Erlass seines Zwangsgeldbeschlusses, in dem der Tenor des Titels vom 9. August 2018 – ohne nähere Begründung – nur gekürzt wiedergegeben wird, zugrunde gelegt haben, dass nur die Pflichten zur Erteilung von Auskunft durch/unter Vorlage von Nachweisen und Belegen der Vollstreckung nach § 888 ZPO unterfielen, während sich die Vollstreckung des Einsichtsrechts nach § 883 ZPO richte (vgl. hierzu die teilweise in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass sich die Vollstreckung von Titeln über dem Gläubiger im Informationserzwingungsverfahren nach § 51b GmbHG zugebilligte Einsichtsrechte nach § 883 ZPO entsprechend und die des Auskunftsrechts nach § 888 ZPO richte, wenn dem Schuldner auferlegt werde, „Einsicht zu gewähren und Auskunft zu erteilen“ und das Einsichtsrecht und das Auskunftsrecht kumulativ und ohne Rangfolge nebeneinander stehen bzw. die Einsichtnahme nicht bloße Nebenpflicht einer umfassenden Auskunftspflicht ist: OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschl. v. 10. März 2003, 20 W 96/99, juris Rn. 8; Beschl. v. 17. Juli 1991, 20 W 43/91, NJW-RR 1992, 171 m. w. N.; a. A. BayObLG, Beschl. v. 25. März 1996, 3Z BR 50/96, NJW-RR 1997, 489 [juris Rn. 6] zu „Auskunftserteilung und Gewährung von Einsicht“; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschl. v. 4. Januar 2008, 31 Wx 082/07, NZG 2008, 197 zu „Einsicht“; offenlassend OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschl. v. 1. Dezember 2020, 21 W 137/20, juris Rn. 11 zu „Einsicht“, wobei aber gemäß § 95 Abs. 4 FamFG die Festsetzung von Zwangsgeld in Betracht komme; vgl. auch Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, § 51b Rn. 28; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Aufl. 2017, § 51b Rn. 67; Hillmann in Münchener Kommentar GmbHG, 3. Aufl. 2019, § 51b Rn. 49; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 22. Aufl. 2019, § 51b Rn. 17; Wicke in Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 51b Rn. 3).

(6) Dass das Landgericht später mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, es handele sich um einen Titel auf „Auskunft durch Einsicht in bestimmte Unterlagen“ (Beschluss vom 23. November 2018; Zwangsgeldbeschluss vom 9. Juli 2020; Nichtabhilfebeschluss) ändert nichts an dem Umstand, dass dem Tenor des Beschlusses vom 9. August 2018 nicht unzweideutig entnommen werden kann, zu welchen Handlungen er die Schuldnerin verpflichtet. Diese späteren Ausführungen des Landgerichts können zur Auslegung des Titels überdies nicht herangezogen werden, auch wenn die Gläubigerin weder gegen die Zurückweisung ihres ersten Zwangsgeldantrags vom 30. August 2018 noch gegen den Zwangsgeldbeschluss vom 9. Juli 2020 Rechtsmittel eingelegt hat.

(7) Aus den genannten Gründen ist es auch nicht im Hinblick auf das Interesse der Gläubigerin an der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, gegen die Schuldnerin auch ohne jede weitere Konkretisierung des Titels ein Zwangsgeld zu verhängen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28. Oktober 2010, 2 BvR 535/10, NJOZ 2011, 1423/1425).

b) Da der Titel keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, kommt es nicht mehr darauf an, dass die Bewertung des Landgerichts, die Schuldnerin könne sich nicht darauf berufen, ihr Steuerberater sei nicht bereit, dem Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin Auskunft zu erteilen, rechtsfehlerhaft ist und außerdem auf einem Verstoß gegen das Recht der Schuldnerin auf rechtliches Gehör beruht.

aa) Zwar ist das Informationsrecht aus § 51a GmbHG kein höchstpersönliches Recht des Gesellschafters (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz; 22. Aufl. 2019, § 51a Rn. 5; Schindler in BeckOK GmbHG, 46. Ed. Stand 1. November 2020, § 51a Rn. 15). Nach überwiegender Auffassung darf ein Gesellschafter Bevollmächtigte und Dritte jedoch nur hinzuziehen, wenn die Geheimhaltung in deren Person, insbesondere aufgrund ihrer Verpflichtung zur Berufsverschwiegenheit hinreichend gewährleistet ist. Angehörige anderer Berufe kommen damit grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn sie sich einem Verschwiegenheitsgebot unterwerfen (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz; § 51a Rn. 25; Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 51a Rn. 5; Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2017, § 51a GmbHG Rn. 16: Kraft Berufs- oder Standesrechts zur Geheimhaltung verpflichtet; Römermann in Michalsi/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Aufl. 2017, § 51a Rn. 93, 95, 96, eine zusätzliche Absicherung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ansprechend; Hillmann in Münchener Kommentar GmbHG, 3. Aufl. 2019, § 51a Rn. 19: Wenn nach Vertrauenswürdigkeit und Interessenlage des Dritten die Einhaltung der Verschwiegenheitsverpflichtung gewährleistet ist; Strohn in Hennsler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 51a GmbHG Rn. 5: Personen, von denen erwartet werden kann, dass sie den berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft Rechnung tragen; vgl. auch: BGH, Beschl. v. 29. April 2013, VII ZB 14/12, juris Rn. 12).

bb) Hier durfte sich die Schuldnerin darauf berufen, ihr Steuerberater sei nicht bereit, dem Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin Auskunft zu erteilen, solange die Gläubigerin ohne entsprechende Unterwerfungserklärung auf einer Einsicht durch den Ehemann ihrer Geschäftsführerin bestand. Dass es sich bei diesem Dritten nicht um eine Person handelte, die hinreichend zur Verschwiegenheit verpflichtet war, ergab sich aus dem Vorbringen der Schuldnerin im Schriftsatz vom 22. April 2020 in Verbindung mit dem richterlichen Hinweis vom 18. Mai 2020, dem von der Gläubigerin nicht widersprochen worden ist. Der an die Gläubigerin gerichtete Hinweis war so zu verstehen, dass es sich bei dem Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin nicht um eine Person handele, die zur Ausübung derartig titulierter Informationsrechte herangezogen werden könne.

Im Hinblick auf diesen Hinweis ist die Ansicht des Landgerichts im Zwangsgeldbeschluss überraschend und verletzt den Anspruch der Schuldnerin auf rechtliches Gehör. Wegen des Hinweises hatte die Schuldnerin keinen Anlass noch näher darzulegen, dass es sich bei dem Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin nicht um einen Dritten handele, nach dessen Vertrauenswürdigkeit und Interessenlage die Einhaltung einer Verschwiegenheitsverpflichtung gewährleistet sei.

Zwar hat das Landgericht – von seinem dann im Zwangsgeldbeschluss vertretenen, fehlerhaften Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Schuldnerin die Auskunft dauerhaft verweigern durfte, weil die Gläubigerin bisher stets verlangt habe, diese dem Ehemann ihrer Geschäftsführerin zu erteilen. Allerdings ist in der Begründung der sofortigen Beschwerde weiterer Vortrag der Schuldnerin dahingehend erfolgt, dass es sich bei dem Ehemann der Geschäftsführerin der Gläubigerin nicht um einen von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufsträger und darüber hinaus um keine Person handele, von der die Einhaltung von Geheimhaltungsinteressen der Schuldnerin erwartet werden könne; dem ist das Landgericht auch im Abhilfeverfahren nicht nachgegangen, obwohl neues tatsächliches Vorbringen zu berücksichtigen gewesen wäre.

Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist durch das Beschwerdeverfahren geheilt, weil die Schuldnerin hier die Möglichkeit hatte, alle Umstände vorzutragen, die aus ihrer Sicht die Bedenken gegen eine Einsichtnahme durch die von der Gläubigerin ausgewählte Person tragen. Einer Aufhebung der Abhilfeentscheidung und Zurückverweisung in die erste Instanz zur Nachholung der Würdigung ihres Vorbringens im Rahmen eines ordnungsgemäßen Abhilfeverfahrens bedarf es allerdings nicht, weil die Beschwerde bereits aus anderen Gründen Erfolg hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 891 Satz 3, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

5. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

6. Die Festsetzung eines Streitwerts gemäß § 63 Abs. 2 GKG ist nicht erforderlich, da keine Gerichtsgebühren für die erfolgreiche sofortige Beschwerde anfallen (vgl. Nr. 2121 KV-GKG).

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