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Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 28. Mai 2015 – 4 K 677/14

§ 14 Abs 1 S 1 Nr 3 KStG 2002, KStG VZ 2005, KStG VZ 2006, R 60 Abs 6 S 2 KStR 2004

1. Eine vorzeitige Beendigung eines Gewinnabführungsvertrags (GAV) durch Kündigung ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG 2002 nur dann unschädlich, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt. Für die Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, kommt es wegen der steuerrechtlichen Besonderheit der Mindestdauer von fünf Jahren nicht darauf an, ob gesellschaftsrechtlich oder nach den vertraglichen Vereinbarungen ein wichtiger Grund vorliegt. Vielmehr muss objektiv ein wichtiger Grund für die Abkürzung der Mindestlaufzeit bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 13.11.2013 I R 45/12).

2. Nicht jede Einbringung bzw. nicht jeder Verlust der unmittelbaren Mehrheit der Stimmrechte ist als wichtiger Grund anzusehen. Ein wichtiger Grund folgt auch nicht bereits daraus, dass die Einbringung in R 60 Abs. 6 Satz 2 KStR als wichtiger Grund für die Kündigung von GAV genannt ist.

3. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes kann im Falle einer wirtschaftlich nachvollziehbaren Umstrukturierung und Errichtung einer Zwischenholding zu bejahen sein.

Die Beteiligten streiten darüber, ob für die zum Ende des Jahres 2006 erfolgte Kündigung des seit 2004 mit der A-GmbH bestehenden Gewinnabführungsvertrags (GAV) ein wichtiger Grund i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vorlag.

Die Klägerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts … eingetragene GmbH, deren Geschäftsjahr bzw. Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht. Die Klägerin entstand durch einen Formwechsel der X GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
(KG), an der jedenfalls seit Ende 2003 die Y-Verwaltungs GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin ohne Kapitalanteil und ohne Beteiligung am Vermögen oder Liquidationserlös sowie die A-GmbH als Kommanditistin mit einer Beteiligung von 100 % am Vermögen der KG beteiligt gewesen waren. Der Formwechsel wurde mit notarieller Urkunde vom 11.08.2004 beschlossen. Gemäß § 2 des Umwandlungsbeschlusses war dem Formwechsel die Schlussbilanz der KG zum 31.12.2003, 24.00 Uhr zugrunde zu legen. Das Stammkapital der Kläger betrug von Anfang an 500.000 Euro. Im Zuge des Formwechsel übernahmen die A-GmbH hiervon zunächst einen Kapitalanteil i.H.v. 499.900 Euro und die Y-Verwaltungs GmbH eine Geschäftsanteil i.H.v. 100 Euro, wobei letztere den Geschäftsanteil i.H.v. 100 Euro nur treuhänderisch für die A-GmbH hielt. Nach Durchführung des Formwechsels trat die Y-Verwaltungs GmbH ihren Anteil an die A-GmbH ab, welche nunmehr Alleingesellschafterin der Klägerin war. Nachdem dies erfolgt war, schloss die A-GmbH (als beherrschende Gesellschaft) mit der Klägerin (als beherrschte Gesellschaft) am 10.11.2004 einen Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
(im Folgenden GAV), in dem sich die Klägerin verpflichtete, erstmals für das ab 01.01.2004 laufende Geschäftsjahr ihren gesamten Gewinn an die A-GmbH abzuführen (§ 2 des GAV). Die A-GmbH verpflichtete sich ihrerseits, während der Vertragsdauer etwaige Jahresfehlbeträge nach § 302 AktG auszugleichen, soweit diese nicht dadurch ausgeglichen werden, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind (§ 3 des GAV). Es war ferner vereinbart, dass der auf unbestimmte Zeit geschlossene GAV erstmals zum 31.12.2009 gekündigt werden konnte (§ 4 Abs. 2 und 3 GAV). Ferner enthielt der § 4 Abs. 4 des GAV folgende Regelung:

„Der Vertrag kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt namentlich vor, wenn
1. die steuerliche Anerkennung durch Steuerbescheid oder Urteils rechtskräftig versagt wird oder auf Grund von Verwaltungsanweisungen droht,
2. die Geschäftsanteile an der beherrschten Gesellschaft ganz oder teilweise nicht mehr im Eigentum der herrschenden Gesellschaft stehen mit der Folge, dass der herrschenden Gesellschaft nicht mehr die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der beherrschten Gesellschaft zusteht. Dies kann insbesondere durch eine Veräußerung aber auch durch eine Umwandlung der Fall sein.“

Im Einzelnen wird zum Inhalt des GAV auf die Akten  verwiesen. Der Abschluss des GAV wurde am yy.12.2014 (Anmerkung des Dokumentars: gemeint wohl 2004) in das Handelsregister der Klägerin eingetragen und sodann, was unstreitig ist, bis einschließlich 2006 vertragsgemäß durchgeführt.

2006 wurde im deutschen Teilkonzern der A-Gruppe eine Spartenorganisation geschaffen, um den Erfordernissen des internationalen Wettbewerbs besser gerecht zu werden. Zur Aufteilung sämtlicher Aktivitäten auf die drei Sparten M, D und V… und zur Einführung des Profit-Center-Gedanken sollte eine Erfolgsmessung auf der jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Ebene – unter anderem auch auf der mit der Umorganisation entstandenen Ebene der Zwischenholdung – erfolgen. Die Kläger und weitere deutsche Gesellschaften gehörten zum Bereich M. Die A-GmbH übertrug daher mit Einbringungsvertrag vom 18.08.2006 ihre Anteile an der Klägerin und die Anteile an den vier weiteren im Bereich M tätigen Gesellschaften an die Y-Verwaltungs GmbH. Im Gegenzug wurde das Kapital der Y-Verwaltungs GmbH um 500 Euro auf 26.100 Euro erhöht. Die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister der Y-Verwaltungs- GmbH erfolgte am 27.09.2006. Die A-GmbH war vor und nach der Kapitalerhöhung Alleingesellschafterin der Y-Verwaltungs GmbH. Mit Schreiben vom 04.10.2006 teilte die StB den Finanzämtern FA 1und FA 2 die Übertragung der Einbringung der Klägerin in die Y-Verwaltungs GmbH mit, wobei mit der dort auf Seite 3 bezeichneten „   GmbH“ die Klägerin gemeint war. In dem Schreiben heißt es, dass der GAV zwischen der Klägerin und der A-GmbH fortbestünde, dass das Organschaftsverhältnis zur A ab 2006 ein mittelbares Organschaftsverhältnis sei und dass zwischen der A-GmbH und der Y-Verwaltungs GmbH ein neuer Gewinnabführungsvertrag geschlossen werde. Im Einzelnen wird zum Inhalt des Schreibens und der dem Schreiben beigefügten Beteiligungsstrukturen vor und nach der 2006 durchgeführten Umstrukturierung auf die Akten verwiesen.

Am 30.10.2006 kündigte die A-GmbH unter Berufung darauf, dass wegen der Übertragung der Geschäftsanteile ein wichtiger Grund vorliege, den GAV mit der Klägerin zum 31.12.2006. Wie sich aus einem vom Gericht elektronisch abgerufenen Handelsregisterauszug der Klägerin ergibt, wurde die Beendigung des GAV am xx.11.2006 im Handelsregister der Klägerin eingetragen.

Am 02.10.2007 schloss die Klägerin (als beherrschte Gesellschaft) mit Wirkung ab 01.01.2007 einen GAV mit der Y-Verwaltungs GmbH (als beherrschende Gesellschaft). Ferner bestand jedenfalls bereits ab 2006 ein GAV zwischen der Y- Verwaltungs GmbH (als beherrschte Gesellschaft) und der A-GmbH (als herrschende Gesellschaft) mit einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren.

Die Klägerin wurde zunächst für die Jahre 2004 bis 2006 unter Berücksichtigung der von der Klägerin erklärten Organschaft mit der A-GmbH veranlagt und deshalb mit Körperschaftsteuerbescheid für 2004 vom 24.03.2006, für 2005 vom 28.07.2008 und für 2006 vom 20.03.2009 zunächst Körperschaftsteuer i.H.v. jeweils 0,00 Euro festgesetzt. Die (ursprüngliche) Veranlagung bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2005 erfolgte entsprechend des Orts der Geschäftsleitung der Klägerin in Stadt 1 durch das für die Klägerin örtlich zuständige Finanzamt für Großunternehmen in Stadt 1. Danach (einschließlich des Körperschaftsteuerbescheids 2006 vom 20.03.2009) übernahm das beklagte Finanzamt, das für die in Stadt 2 ansässigen Konzernobergesellschaften und weitere Gesellschafter der A-Gruppe zuständig war und ist, im Einvernehmen mit der Klägerin und dem Finanzamt für Großunternehmen in Stadt 1 die Veranlagung der Klägerin.

Der Beklagte führte auf Grund einer Prüfungsanordnung vom 21.10.2009 bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 2005 bis 2007 durch. Die Betriebsprüfer gelangten zu der Ansicht, dass für die Kündigung des GAV zum 31.12.2006 kein wichtiger Grund i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG vorgelegen habe. Dies begründeten sie im Wesentlichen damit, dass ein wichtiger Grund jedenfalls deshalb nicht vorliege, weil der GAV über den Zeitpunkt der Einbringung fortbestanden habe und erst am 30.10.2006 zum 31.12.2006 (und nicht unmittelbar nach der Einbringung mit sofortiger Wirkung) gekündigt worden sei. Die Kündigung wegen der Einbringung setze die Kündigung zum gleichen Stichtag voraus. Ferner sei das Kündigungsrecht durch das Schreiben der STB vom 04.10.2006 verwirkt worden, weil die spätere Kündigung im Widerspruch zu dem im Schreiben angekündigten Fortbestehen der Organschaft zwischen der Klägerin und der A-GmbH stehe. Dem schloss sich der Innendienst der Beklagte im Ergebnis an und änderte daher die Körperschaftsteuerfestsetzungen für 2004 bis 2006 dahingehend, dass die Organschaft nicht mehr anerkannt und der Aufwand aus der Gewinnabführung als (nicht abzugsfähige) verdeckte GewinnausschüttungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gewinnausschüttung
verdeckte Gewinnausschüttung
berücksichtigt worden waren.

Gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 2004 legte die Klägerin Einspruch ein und begründete diesen damit, dass die Organschaft anzuerkennen und zudem die Festsetzungsfrist abgelaufen gewesen sei. In der nach Zurückweisung des Einspruchs gesondert erhobenen Klage wegen Körperschaftsteuer 2004 (Az. des Gerichts: 4 K 678/14) hat sich der Beklagte verpflichtet, der Klage aus verfahrensrechtlichen Gründen abzuhelfen. Im Einzelnen wird zu diesem Verfahren auf die diesbezüglichen Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, welche zum vorliegenden Verfahren beigezogen wurden.

Hinsichtlich der im hiesigen Verfahren streitigen Körperschaftsteuer für 2005 und 2006 hatte die Klägerin fristgerecht nach Erlass der gesonderten Körperschaftsteuerbescheide für 2005 und 2006 Sprungklage erhoben, der der Beklagte fristgerecht zugestimmt hat. Die Klägerin ist der Ansicht, dass sowohl gesellschaftsrechtlich als auch steuerrechtlich ein wichtiger Grund für die Kündigung des GAV zum 31.12.2006 vorgelegen habe. Zivilrechtlich könnten die Parteien eines GAV selbst wichtige Gründe für die Kündigung vereinbaren. Der Verlust der Mehrheit der Stimmrechte sei ein anerkanntes und übliches Beispiel für die Vereinbarung eines wichtigen Kündigungsgrundes. Die Klägerin meint zum einen, dass der zivilrechtlich wichtige Grund auch (immer) für steuerrechtliche Zwecke anzuerkennen sei. Zum anderen liege aber auch bei rein steuerrechtlicher Betrachtung ein wichtiger Grund für die Kündigung vor. Die Finanzverwaltung habe in Abschnitt 60 Abs. 6 der Körperschaftsteuerrichtlinien (KStR) die Umstrukturierung wie die Einbringung der Beteiligung an der Organgesellschaft als Beispielsfall für einen wichtigen Grund angeben. Die Verwendung des Begriffs „kann“ in der Richtlinie sei Ausdruck einer beispielhaften Aufzählung. Wenn aber der Richtliniengeber die Einbringung als Beispielsfall des wichtigen Grundes aufzähle, sei eine Versagung des wichtigen Grunds in dem Fall, dass die Beteiligung des (bisherigen) Organträgers an der Organgesellschaft mittelbar fortbestehe, nicht verständlich. Es liege auch kein Missbrauch vor, weil die Einbringung der Umsetzung des Projekts zur Einführung einer Spartenorganisation gedient habe. Es sei erklärtes Ziel gewesen, die Gewinnabführung entsprechend der tatsächlichen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung durchzuführen. Daher sei der GAV der Klägerin mit der A-GmbH durch den GAV zwischen der Klägerin und der Y-Verwaltungs GmbH einerseits und den GAV zwischen der Y-Verwaltungs GmbH und der A-GmbH ersetzt worden.

Dass auch kein dem Sachverhalt des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.11.2012 I R 45/12, BFHE 244, 277, BStBl. II 2014, 486 vergleichbarer Missbrauchsfall vorliege, folge daraus, dass der BFH dort den Missbrauch in der erstinstanzlich festgestellten Motivation zur temporären Verlustvortragsnutzung gesehen habe. Im vorliegenden Streitfall habe es aber keine steuerrechtlichen Motive für die Kündigung des Organschaftsverhältnisses gegeben. Dies zeige sich insbesondere an der nahtlosen Fortführung der Organschaft durch den Abschluss der neuen GAV. Der Abschluss der GAV entlang der neuen Beteiligungskette sei zur Umsetzung der Spartenorganisation mit separaten Profit-Centern zwingend notwendig gewesen, weil nur so die – vom BFH als wichtiges Entscheidungsmerkmal erwähnte – Zuordnung von Gesellschaften nach Betätigungsfeldern habe umgesetzt werden können. Die Rechtsfolgen der Kündigung könnten zudem nicht ohne Berücksichtigung ihres Zwecks, die Organschaft mit der A-GmbH als mittelbare Organschaft fortzuführen, beurteilt werden. Die alternativ denkbare unmittelbare Organschaft zur A-GmbH hätte zwar fortbestehen können. Insoweit hätten aber die ungelösten zivilrechtlichen und steuerlichen Folgen für die übersprungene Gesellschaft ein Risikofaktor dargestellt. Ohnehin sei die steuerliche Situation auf Grund der ab 2007 bestehenden Organschaftskette unverändert geblieben.

Der wichtige Grund für die Kündigung des GAV sei auch nicht dadurch entfallen, dass die Einbringung zum 31.12.2005 und die Kündigung erst zum 31.12.2006 erfolgt sei. Die Rückwirkung der Einbringung zum 31.12.2005 sei eine Fiktion, während die Kündigung einen tatsächlichen Vorgang darstelle. Die Kündigung sei daher am 30.10.2006 innerhalb einer i. S. des § 314 BGB angemessenen Frist zum 31.12.2006 erfolgt. Die Ausübungsfrist habe mit der Eintragung der Kapitalerhöhung am 27.09.2006 begonnen, weil bei Ablehnung der Kapitalerhöhung die am 18.08.2006 übertragenen Anteile hätten zurückübertragen werden müssen. Weil weder zivilrechtlich noch nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG eine Pflicht bestehe, bei wichtigen Gründen immer fristlos zu kündigen, sei auch unschädlich, dass die Kündigung nicht mit sofortiger Wirkung, sondern zum 31.12.2006 erfolgt sei.

Das Kündigungsrecht sei auch nicht verwirkt gewesen, weil die Klägerin auf Grund des ihr mitgeteilten Ablaufplans Kenntnis von der bevorstehenden Kündigung gehabt habe. Auch das Schreiben an die Finanzämter vom 04.10.2006 lasse nicht erkennen, dass auf die Kündigung des GAV verzichtet worden sei. Das Schreiben sei ohne Rechtsbindungswillen nur zum Zwecke der Information der Finanzämter verfasst und nicht an die Klägerin gerichtet worden.

Die Klägerin beantragt,

die Körperschaftsteuerbescheide für 2005 und 2006 jeweils vom 18.01.2012 aufzuheben und die Körperschaftsteuer auf 0,00 Euro festzusetzen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Zwar könne, wie die beispielhafte Aufzählung in R 60 Abs. 6 Satz 2 KStR zeige, die Einbringung ein wichtiger Grund für die Kündigung des GAV sein. Da aber die Veräußerung nur als wichtiger Grund anzuerkennen sei, wenn diese für die Kündigung der Organschaft ursächlich sei und Veräußerungszeitpunkt und Kündigungszeitpunkt möglichst zeitgenau zusammenfallen, müsse auch in den anderen in R 60 Abs. 6 Satz 6 Satz 2 KStR genannten Beispielfällen im konkreten Einzelfall beurteilt werden, ob ein wichtiger Grund vorliege. Bei einer Einbringung sei zu differenzieren in Fälle, bei denen die finanzielle EingliederungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eingliederung
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mittelbar fortbestehe und deshalb der GAV mit dem zum mittelbaren Gesellschafter gewordenen Organträger durchgehend anzuerkennen sei, und in Fälle, bei denen die finanzielle EingliederungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht mehr vorliege, wodurch dem bisherigen Gesellschafter mangels Verantwortung für die Unternehmensführung das Fortbestehen des GAV und der damit verbundenen Verlustübernahmepflicht nicht mehr zumutbar sei.

Im vorliegenden Fall belege der Umstand, dass die Kündigung nicht zum Zeitpunkt der Einbringung erklärt worden sei, sondern der GAV über den Zeitpunkt der Einbringung hinaus fortgeführt worden sei, dass die Fortführung des EAV nicht unzumutbar gewesen sei. Sonst hätten sie durch eine Zwischenbilanz zum Zeitpunkt der Einbringung den abzuführenden Gewinn aufgeteilt. Stattdessen sei den zuständigen Finanzämtern auch im Namen der Klägerin das Fortbestehen des EAV mitgeteilt worden. Das BFH-Urteil vom 13.11.2013 I R 45/12, BFHE 244, 277, BStBl. II 2014, 486 zeige, dass ein willkürliche Beendigung der Besteuerung durch die Vertragsparteien ausgeschlossen sein solle. Mangels unmittelbar nach der Einbringung erfolgter Kündigung liege kein objektiver und unmissverständlicher Grund für die Vertragsbeendigung vor.

Ergänzend wird zu den Äußerungen der Beteiligten auf die Akten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Hinsichtlich der Behauptung, dass die Beendigung des GAV zum 31.12.2006 und der Abschluss des GAV zwischen der Klägerin und der Y-Verwaltungs GmbH einerseits und des GAV zwischen der Y-Verwaltungs GmbH und der A-GmbH andererseits bereits bei Abschluss und Durchführung des Einbringungsvertrag geplant bzw. beabsichtigt gewesen sei, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung E-Mail-Korrespondenz vom 29.06.2006 vorgelegt. In der insoweit vorgelegten E-Mail von Frau F, der Tax Managerin Europe der A- Gruppe, an die STB vom 29.09.2006 um 13:52 Uhr heißt es unter anderem:

„Per 31.12.2006 werden folgende EAV’s abgeschlossen:

A-G mit Y

Y und eingebrachte Gesellschaften zum 01.01.2007“

Im Einzelnen wird zum Inhalt der vorgelegten Korrespondenz auf die Akten verwiesen. Dem Gericht lagen ferner die Verwaltungsakten des Beklagten für die Jahre 2004 bis 2006 vor. Diese waren Gegenstand des Verfahrens.

Die Klage hat Erfolg.

1. Die zulässige Sprungklage ist begründet, weil die Körperschaftsteuerbescheide 2005 und 2006 vom 18.01.2012 rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)). Denn in den Streitjahren war – trotz der zum 31.12.2006 erfolgten Beendigung des GAV – das Einkommen der Klägerin dem Einkommen der A-GmbH, so dass die von der Klägerin geschuldete Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 und 2006 jeweils 0 Euro beträgt.

a) Wie zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist, lagen im Zeitpunkt der Begründung der GAV und in den Jahren 2004 bis 2006 die Voraussetzungen der §§ 14, 17 KStG dafür, das Einkommen der Klägerin der A-GmbH zuzurechnen vor. Insbesondere war die Klägerin entsprechend § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG finanziell in die A-GmbH eingegliedert, weil sie auf Grund des Formwechsels mit steuerlicher Rückwirkung ab 01.01.2004 unmittelbar und ab 18.08.2006 zumindest mittelbar über die ihre Tochtergesellschaft  Y-Verwaltungs GmbH (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 KStG) über sämtliche Stimmrecht der Klägerin verfügte. Die Klägerin war auch vertraglich „entsprechend § 302 AktG“ zum Verlustausgleich i. S. d. § 17 Satz 1 Nr. 2 KStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung verpflichtet.

b) Voraussetzung für die Anerkennung der Organschaft ist aber auch, dass der Vertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen wird und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG 2002). Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der (ursprünglich) vereinbarten Mindestdauer und der Durchführung für die Jahre 2004 bis 2006 unstreitig vor. Insbesondere war ursprünglich die Mindestdauer vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2009 – d.h. sogar von sechs Zeitjahren – vereinbart. Ferner wurde der GAV in den Jahren 2004 bis 2006 – was ebenfalls unstreitig ist – durchgeführt. Insbesondere entsprachen die abgeführten Gewinne den tatsächlichen – sich aus den Jahresabschlüssen ergebenden, von der Betriebsprüfung auch nicht beanstandeten – Gewinnen.

Dass der GAV zum 31.12.2006 beendet wurde und deshalb ab 2007 auch nicht mehr durchgeführt wurde, ist unschädlich.

aa) Eine vorzeitige Beendigung des Vertrags durch Kündigung ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG 2002 nur dann unschädlich, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt. Für die Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, kommt es nach dem BFH-Urteil vom 13.11.2013 I R 45/12, BFHE 244, 277, BStBl. II 2014, 486 wegen der steuerrechtlichen Besonderheit der Mindestdauer von fünf Jahren nicht darauf an, ob gesellschaftsrechtlich oder nach den vertraglichen Vereinbarungen ein wichtiger Grund vorliegt. Vielmehr muss objektiv ein wichtiger Grund für die Abkürzung der Mindestlaufzeit bestehen. Anders als im Zivilrecht kann der wichtige Grund, der eine Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags rechtfertigen soll, nicht im Belieben der Parteien stehen. Vielmehr muss der wichtige Grund für die Vertragsbeendigung nach eigenen steuerrechtlichen Maßstäben objektiv vorliegen. Das schließt es zwar nicht aus, entsprechend den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zur außerordentlichen Kündigung bzw. zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund eine Verkürzung der Mindestlaufzeit ausreichen zu lassen, insbesondere bei wesentlichen Störungen der Vertragsbeziehungen, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar waren. Geht es einer Partei oder den Parteien jedoch darum, die Rechtsfolgen der Organschaft mittels Vertragsaufhebung zeitlich zu begrenzen, um die fünfjährige Mindestlaufzeit zu unterlaufen, so liegt kein wichtiger Grund im Steuerrechtssinne vor.

bb) Nach diesen Grundsätzen lag ein wichtiger Grund für die Beendigung der Organschaft zum 31.12.2006 vor.

aaa) Ein wichtiger Grund folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die Einbringung in R 60 Abs. 6 Satz 2 KStR als wichtiger Grund für die Kündigung von GAV genannt ist. Denn R 60 Abs. 6 Satz 2 KStR bindet das Gericht weder zu Gunsten noch zu Lasten des Klägerin, so dass dahinstehen kann, ob die Verwaltungsvorschrift die (verwaltungsinterne) Anweisung enthält, jede Einbringung als wichtigen Grund anzusehen.

(2) Allerdings ist die Ansicht des Beklagten, dass nicht jede Einbringung bzw. nicht jeder Verlust der unmittelbaren Mehrheit der Stimmrechte als wichtiger Grund anzusehen sei, materiell-rechtlich zutreffend. Denn die Einbringung kann – ebenso wie eine konzerninterne Veräußerung (vgl. insoweit der BFH-Fall I R 45/12) – gerade darauf beruhen, dass der Anschein eines für die Abkürzung der Laufzeit wichtigen Grunds geschaffen werden soll.

(3) Vorliegend ist die Beendigung des GAV zum 31.12.2006 allerdings aus wichtigem Grund erfolgt. Denn es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die von der Klägerin angeführten Gründen – insbesondere die Einrichtung der Y-Verwaltungs GmbH als Zwischenholding für den Bereich M und die dafür erforderliche Einbringung – ein wichtiger Grund dafür waren, die Organschaft zum 31.12.2006 zu beenden und die Organschaft der Klägerin zur A mit Wirkung ab 2007 durch eine zweistufige Organschaft (nämlich über die Zwischenholding als Organträger der Klägerin und der A-GmbH als Organträger der Zwischenholding) zu ersetzen. Hierbei handelt es sich um nachvollziehbare wirtschaftliche (nicht steuerliche) Gründe. Denn es wäre schwierig gewesen, den auch die Beherrschung der Klägerin enthaltenden GAV mit der A-GmbH fortzusetzen, obwohl nunmehr die Zwischenholding mit der Führung des Bereichs M befasst sein sollte.

Angesichts dessen, dass ab 2007 eine Organschaftskette zur A-GmbH bestand und deshalb das Einkommen der Klägerin weiterhin (wenn auch zweistufig) dem Einkommen der A-GmbH zugerechnet werden sollte, schließt das Gerichts aus, dass die vorzeitige Beendigung der unmittelbaren Organschaft mit der A-GmbH auf mit der Mindestdauer von fünf Jahren nicht zu vereinbarenden (steuerlichen) Motiven beruhte. Allerdings war der Umstand, dass die Beendigung bereits im Jahr 2006 erfolgte und die neue Organschaftskette erst im Herbst 2007 bindend umgesetzt wurde, durchaus geeignet, Zweifel an den außersteuerlichen Motiven der Beendigung aufkommen zu lassen. Denn ohne die bereits im Zeitpunkt der Beendigung des GAV beabsichtigte zweistufige Fortführung der Organschaft ab 2007 hätte das Gericht erhebliche Zweifel daran, ob die Einbringung im August 2006 ein wichtiger Grund für die Beendigung als solche einerseits und für die Beendigung gerade zum 31.12.2006 anderseits sein könnte. Diese Zweifel hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung jedoch durch die Vorlage der E-Mail-Korrespondenz vom 29.09.2006 ausgeräumt. Denn aus dieser ursprünglich rein internen E-Mail zwischen den Steuer- und Rechtsabteilungen der A Gruppe sowie mit der Steuerberaterin STB geht in glaubhafter Weise hervor, dass die an der Umstrukturierung beteiligten Entscheidungsträger von vornherein beabsichtigten, dass das Einkommen der Kläger auch ab 2007 mittels der zweistufigen Organschaft dem Einkommen der A-GmbH zugerechnet werden sollte. Insbesondere bestand keine Absicht, die Wirkung der ab 2004 bestehenden Organschaft aus schädlichen Motiven gerade auf die Zeit von 01.01.2004 bis 31.12.2006 zu beschränken. Vielmehr lag in Form der wirtschaftlich nachvollziehbaren Umstrukturierung und Errichtung der Zwischenholding eine über die bloße Einbringung hinausgehender wichtiger Grund für die Errichtung der Organschaftskette und die hierfür notwendige Beendigung des GAV vor.

Vor dem vorgenannten Hintergrund war es auch nicht erforderlich, im Jahr 2006 zwei Rumpfwirtschaftsjahre – nämlich das erste vom 01.01.2006 bis zum Übertragungsstichtag und das zweite ab dem Übertragungsstichtag bis zum 31.12.2006 – zu bilden sowie die Organschaft zur A-GmbH zum Ende des ersten Rumpfwirtschaftsjahr zu beenden und zur Zwischenholding mit dem zweiten Rumpfwirtschaftsjahr zu beginnen. Die von der Kläger bzw. der A-Gruppe gewählte Vorgehensweise (Vermeidung von Rumpfwirtschaftsjahren) erscheint vielmehr – bei den gegebenen außersteuerlichen Motiven zur Umstrukturierung – sachlich angemessen, weil so Zeit und Kosten für einen ansonsten aus rein steuerlichen Gründen erforderlichen Zwischenabschluss erspart wurden. Dass dadurch bis zum 31.12.2006 die Organschaftskette vorübergehend nicht der Beteiligungskette entsprach, widerspricht nicht dem von der Klägerin glaubhaft dargelegten – steuerlich unschädlichen – Bestreben, die Y-Verwaltungs GmbH aus betriebswirtschaftlichen Gründen auf Dauer zur echten Zwischenholding – also auch zur unmittelbaren Organträgerin der Klägerin – zu machen.

Gegen das Vorliegen eines wichtigen Grunds spricht auch nicht, dass von den Beratern der A-Gruppe im Einvernehmen mit der Steuerabteilung der A-Gruppe mitgeteilt wurde, dass trotz der Umstrukturierung die Organschaft der Klägerin zu A-GmbH bestehe. Denn diese Aussage war im Zeitpunkt des Schreibens wegen der nach der Einbringung fortbestehenden – nunmehr aber mittelbaren – finanziellen Eingliederung zutreffend. Abgesehen davon war das Schreiben nicht an die Klägerin gerichtet und beinhaltet daher keinen rechtsgeschäftlichen Verzicht auf die Kündigung.

Schließlich war die Ausübung des Kündigungsrechts auch nicht verspätet. Zum einen hat die Klägerin eine etwaige Verspätung der Kündigung gar nicht geltend gemacht, sondern die Kündigung akzeptiert. Zum anderen erfolgte die – dinglich bereits seit dem 18.08.2006 wirksame – Einbringung der Klägerin auf Grund einer Sacheinlage in die Y-Verwaltungs GmbH, die erst durch die Eintragung der Kapitalerhöhung am 27.09.2006 wirksam wurde. Ab diesem Zeitpunkt erscheint eine Kündigung nach ca. einem Monat ohne weiteres als zeitlich angemessen. Aber selbst dann, wenn es für die Angemessenheit der Frist auf die dingliche Übertragung am 18.08.2006 ankäme, gab es keinen Anlass, die Kündigung innerhalb einer kürzeren Frist zu erklären. Das in § 314 Abs. 3 BGB enthaltene Erfordernis einer zeitnahen Erklärung einer fristlosen Kündigung dient im zivilrechtlichen Kontext nämlich dazu, den zur Kündigung Berechtigten gegenüber der anderen Vertragspartei zur zeitnahen Erklärung zu zwingen, ob der Vertrag trotz des wichtigen Kündigungsgrunds fortgesetzt werden soll. Vorliegend wusste die an der Umstrukturierung beteiligte Klägerin jedoch bereits, dass die Kündigung zum 31.12.2006 erfolgen würde, so dass sie nicht im Unklaren gelassen und der Zweck des § 314 Abs. 3 BGB erfüllt wurde.

Da somit nach den Umständen des vorliegenden Falls sowohl die Beendigung der Organschaft zur A-GmbH als solche als auch der Zeitpunkt der Beendigung auf einem wichtigen Grund beruhte, war die Organschaft in den Streitjahren wirksam und der Klage auf Aufhebung der Körperschaftsteuerbescheide 2005 und 2006 stattzugeben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 137 Satz 1 FGO. Denn die zum Nachweis des wichtigen Grund entscheidungserhebliche E-Mail-Korrespondenz vom 29.09.2006 hätte die Klägerin bereits vorgerichtlich vorlegen können und sollen.

3. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Löffler I www.K1.de I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I M&A I Unternehmenskauf I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Beendigung Gewinnabführungsvertrag, Gewinnabführungsvertrag