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KG Berlin, Beschluss vom 13.06.2022 – 22 W 25/22 

§ 65 Abs 2 GmbHG, § 70 GmbHG, § 71 GmbHG, § 72 GmbHG, § 73 Abs 1 GmbHG, § 74 GmbHG

Eine Liquidation ist beendet und eine Eintragung nach § 74 GmbHG gerechtfertigt, wenn keine Abwicklungsmaßnahmen mehr erforderlich sind. Grundsätzlich ist dazu erforderlich, dass alle Pflichten gemäß §§ 7073 GmbHG erfüllt sind. Hierzu gehört auch, dass die Gesellschaft durch eine entsprechende Bekanntmachung die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
publik macht und zugleich die Gläubiger der Gesellschaft auffordert, sich bei ihr zu melden (§§ 65 Abs. 2, 73 Abs. 1 GmbHG).

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 02. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligte ist seit dem Jahr 2014 im Handelsregister B eingetragen, seit dem Jahr 2018 im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg, nachdem sie ihren Sitz aus Freiburg dorthin verlegt hatte.Randnummer2

Am 07. Dezember 2018 stellte die Beteiligte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Dieser Antrag wurde vom Insolvenzgericht mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse mit Beschluss vom 07. Februar 2019 rechtskräftig abgewiesen. Am 09. April 2019 wurde im Handelsregister eingetragen, dass die Gesellschaft aufgrund des § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbH-Gesetz aufgelöst sei. Am 24. Juli 2019 erfolgte die Eintragung, dass der bisherige Geschäftsführer, Herr E., nunmehr Liquidator der Beteiligten sei.Randnummer3

Unter dem 09. Juli 2020 meldete der Liquidator in notariell beglaubigter Form zum Handelsregister an, dass die Liquidation der Gesellschaft beendet und die Firma erloschen sei. Die Veröffentlichung der Auflösung unter gleichzeitigem Gläubigeraufruf sei jedoch versehentlich unterblieben. Zudem gab er Versicherungen zum Vermögen der Beteiligten und zur Beendigung der Abwicklung der Geschäfte der Beteiligten ab. Unter dem 09. August 2021 erklärte der Liquidator in notariell beglaubigter Form ergänzend, dass die Beteiligte „wie bereits festgestellt vermögenslos“ sei.Randnummer4

Auf Anfrage des Amtsgerichts erklärte das zuständige Finanzamt unter dem 16. Juli 2020, gegen eine Löschung der Beteiligten im Handelsregister bestünden Bedenken. Das Finanzamt beabsichtige, die noch ausstehende Veranlagung der Beteiligten „nach Abschluss einer derzeit stattfindenden Außenprüfung“ durchzuführen. Wenn die Beteiligte im Handelsregister gelöscht würde, hätte dies zur Folge, dass Steuerbescheide nicht mehr an einen gesetzlichen Vertreter zugestellt werden könnten und dann ein Nachtragsliquidator bestellt werden müsse. Auf erneute Anfrage des Amtsgerichts erklärte das Finanzamt unter dem 11. August 2021, gegen die beabsichtigte Löschung bestünden immer noch Bedenken; zu „gegebener Zeit“ würde das Amtsgericht „weitere Nachricht“ erhalten.Randnummer5

Das Amtsgericht hat die Anmeldung mit Beschluss vom 02. Februar 2022 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ohne Zustimmung des Finanzamtes käme eine Löschung der Beteiligten im Handelsregister nicht in Betracht, denn ohne diese sei die Liquidation noch nicht beendet.Randnummer6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 02. März 2022. Die Beteiligte ist der Ansicht, sie sei im Handelsregister zu löschen, da sich aus dem vom Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen ergebe, dass sie vermögenslos sei. Zudem hindere eine fehlende Zustimmung des Finanzamtes nicht die Löschung im Handelsregister.Randnummer7

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- (vgl. § 64 Abs. 2 FamFG) und fristgerecht (vgl. § 63 Abs. 1 FamFG) eingelegt. Die nach § 59 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwer folgt aus der Tatsache, dass der Beteiligten die Eintragung der Löschung der FirmaBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Löschung
Löschung der Firma
gemäß § 74 Abs. 1 GmbHG und demnach die Eintragung ihrer Löschung in das Handelsregister verwehrt wird. Auch der notwendige Beschwerdewert gemäß § 61 Abs. 1 FamFG von mehr als 600,00 € wird erreicht. Die sich aus der Nichteintragung der Löschung ergebende Beschwer führt bereit aufgrund der mit der fortbestehenden Registereintragung verbundenen Pflichten zumRandnummer10

Übersteigen des Beschwerdewerts (vgl. Senat, Beschluss vom 10. September 2021 – 22 W 51/21 –, Rn. 11 f., juris).

2.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg, da die Voraussetzungen der Löschung der Beteiligten im Handelsregister nicht vorliegen.Randnummer12

a) Gemäß § 74 Abs. 1 GmbHG ist das Erlöschen der Firma mit der Folge der Durchstreichung des gesamten Registerausdrucks vorzunehmen, wenn die Liquidation beendet, die Schlussrechnung gelegt ist und die Liquidatoren den Schluss der Liquidation zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
angemeldet haben (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Juli 2019 – 22 W 29/18 –, Rn. 10, juris).Randnummer13

b) Die Liquidation ist beendet, wenn keine Abwicklungsmaßnahmen mehr erforderlich sind. Grundsätzlich ist dazu erforderlich, dass alle Pflichten gemäß §§ 7073 GmbHG erfüllt sind. Hierzu gehört auch, dass die Gesellschaft durch eine entsprechende Bekanntmachung die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
publik macht und zugleich die Gläubiger der Gesellschaft auffordert, sich bei ihr zu melden (§§ 65 Abs. 2, 73 Abs. 1 GmbHG). Denn alle Gläubiger sollen die Chance der Meldung und ggf. der Mithilfe bei der Auffindung von Aktiva (z. B. Ansprüche der Gesellschaft nach §§ 73 Abs. 3, 43 GmbHG) haben. Daher kommt eine Löschung der GmbH vor Ablauf eines Sperrjahres grundsätzlich nicht in Betracht, da vor dessen Ablauf die Liquidation regelmäßig noch nicht beendet ist (Senat, aaO., Rn. 11, Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. Mai 2002 – 7 Wx 1/02 –, Rn. 16, juris; Lorscheider in: BeckOK GmbHG, Stand 01. März 2022, § 74 Rn. 5; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 74 GmbHG, Rn. 3; Karsten Schmidt/Scheller in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 74 GmbHG, Rn. 7).Randnummer14

c) Von diesem Grundsatz soll ausnahmsweise abgewichen werden können, wenn kein verteilungsfähiges Vermögen der Gesellschaft mehr vorhanden ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 2. September 2016 – I-27 W 63/16 –, Rn. 4, juris; OLG Köln, Beschluss vom 5. November 2004 – 2 Wx 33/04 –, Rn. 5, juris) und auch sonst keine weiteren Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind (Senat, Beschluss vom 23. Juli 2019 – 22 W 29/18 –, Rn. 12, juris; insoweit offen gelassen von BGH, Beschluss vom 9. November 2021 – II ZB 1/21 –, Rn. 18, juris).Randnummer15

d) Unter Anwendung dieser Maßstäbe scheidet vorliegend eine Löschung der Beteiligten im Handelsregister aus. Selbst wenn ein Gläubigeraufruf im Falle der Vermögenslosigkeit der Beteiligten entbehrlich wäre, würde eine Löschung ausscheiden, da davon auszugehen ist, dass die Beteiligte nicht vermögenslos ist.Randnummer16

aa) Vor der Eintragung der Löschung der Gesellschaft hat das Registergericht zu prüfen, ob die Liquidation tatsächlich beendet ist. Das Registergericht kann die dazu abzugebende Versicherung und Nachweise für die Vermögenslosigkeit und vollständige Gläubigerbefriedigung prüfen und die Löschung bei unrichtigen Angaben verweigern (Lorscheider in: BeckOK GmbHG, Stand 01. März 2022, § 74 Rn. 5). Der Umfang der Ermittlungstätigkeit steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Registerrichters (BGH, Beschluss vom 9. November 2021 – II ZB 1/21 –, Rn. 9, juris).Randnummer17

bb) Eine Gesellschaft ist vermögenslos, wenn kein verteilbares Vermögen mehr vorhanden ist. Dies ist der Fall, wenn die Gesellschaft über keine Vermögenswerte mehr verfügt, die für eine Befriedigung der Gläubiger oder eine Verteilung unter den Gesellschaftern in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 9. November 2021 – II ZB 1/21 –, Rn. 11, juris).Randnummer18

cc) Allein aufgrund der entsprechenden Versicherung des Liquidators kann vorliegend nicht von Vermögenslosigkeit der Beteiligten ausgegangen werden (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 23. Juli 2019 – 22 W 29/18 –, Rn. 11, juris).Randnummer19

(1) Es ist schon zweifelhaft, welchen Wert eine solche (versicherte) Erklärung des Liquidators überhaupt haben kann, wenn vorher kein Gläubigeraufruf gem. § 65 Abs. 2 GmbHG vorgenommen worden ist und die Gläubiger nicht einmal die Möglichkeit hatten, bei der Auffindung von Aktiva (z. B. Ansprüche der Gesellschaft nach §§ 73 Abs. 3, 43 GmbHG) mitzuhelfen (vgl. zu diesem Aspekt etwa Altmeppen in: GmbHG, 10. Aufl., § 60 Rn. 60). Dieser Gläubigeraufruf ist auch nicht dadurch entbehrlich gewesen, dass gem. § 26 Abs. 1 Satz 3 InsO der Beschluss über die Abweisung mangels Masse unverzüglich öffentlich bekannt zu machen und der Schuldner gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 InsO in das Schuldnerverzeichnis gem. § 882b ZPO einzutragen ist. Dies kann aber den Gläubigeraufruf gem. § 65 Abs. 2 GmbHG nicht ersetzen. In der Bekanntmachung gem. § 65 Abs. 2 GmbHG werden die Gläubiger zusätzlich aufgefordert, sich bei der Gesellschaft zu melden. Der Bekanntmachung und den Eintragungen nach der InsO fehlt diese Aufforderung; vielmehr entsteht durch diese eher der Eindruck, dass es für die Gläubiger sinnlos sein könnte, ihre Ansprüche weiter zu verfolgen.Randnummer20

(2) Auch aus dem Umstand, dass vorliegend der Antrag der Beteiligten auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 26 InsO) abgewiesen worden ist, ergibt sich nicht die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft.Randnummer21

(a) Wie bereits ausgeführt, ist eine Gesellschaft vermögenslos, wenn kein verteilbares Vermögen mehr vorhanden ist. Der Begriff der Vermögenslosigkeit deckt sich daher nicht mit dem Begriff der Masselosigkeit (genauer: der Massekostendeckung) oder der Überschuldung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. August 2014 – 11 Wx 92/13 –, Rn. 13, juris). Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO müssen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die gesamten Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sein, die sich aus § 54 InsO ergeben (vgl. im Einzelnen Vallender in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., § 26 Rn. 8). Hierzu zählen die Gerichtskosten für das gesamte Insolvenzverfahren, die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Bei den Gerichtskosten (§ 54 Nr. 1 InsO) ist die Gebühr nach Nr. 2320 KV-GKG oder 2330 KV-GKG zuzüglich der Auslagen ebenso zu berücksichtigen wie die Kosten für das Eröffnungsverfahren nach Nr. 2310, 2311 KV-GKG und die Durchführung des Verfahrens (Nr. 2320 – 2322 KV-GKG). Zu den Gerichtskosten gehören auch die Kosten eines Sachverständigen nach dem JVEG, der im Rahmen des Eröffnungsverfahrens zur Feststellung einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse bestellt worden ist (KV-GKG Nr. 9005). Die Vergütung des Insolvenzverwalters (§ 54 Nr. 2 InsO) beträgt selbst bei masselosen Insolvenzen mindestens 1.400,00 € (§ 2 Abs 2 S 1 InsVV).Randnummer22

(b) Da sich damit diese gesamten Kosten des Insolvenzverfahrens ohne weiteres auf mehrere tausend Euro belaufen können, kann der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens „mangels Masse“ zurückgewiesen werden, obwohl der Schuldner noch über Vermögenswerte verfügt, die für eine Befriedigung der Gläubiger oder eine Verteilung unter den Gesellschaftern in Betracht kommen. Hinzu kommt, dass Vermögenswerte, die nicht in einem angemessenen Zeitraum liquidierbar oder realisierbar sind, regelmäßig auch nicht in die Berechnung der Massekostendeckung eingestellt werden (vgl. hierzu etwa Mönning/Zimmermann in: Nerlich/Römermann, InsO, EL 23 März 2012, § 26 Rn. 40), sodass auch aus diesem Grund eine Abweisung eines Insolvenzantrages „mangels Masse“ gerade nicht notwendigerweise bedeutet, dass der Schuldner vermögenslos ist, sondern dass er trotz der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse über Vermögenswerte von – wie dargelegt – mehreren tausend Euro verfügen kann, die zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung stehen.Randnummer23

dd) Im vorliegenden Fall ergibt sich zudem aus dem Gutachten des vom Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren bestellten Sachverständigen Prof. Dr. Martini vom 11. Januar 2019 (nachfolgend auch nur: „Gutachten“), dass die Beteiligte gerade nicht vermögenslos ist. Der Sachverständige führt unter B.4.a auf S. 12 des Gutachtens aus, dass er davon ausgeht, dass Ansprüche der Beteiligten aus „Geschäftsführerhaftung“ gegen ihren Liquidator (und ehemaligen Geschäftsführer) bestehen, die er lediglich deswegen nicht in seine Berechnung der Massekostendeckung eingestellt hat, da der Liquidator (zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens) nach Auffassung des Sachverständigen vermögenslos war. Auf S. 12 f. des Gutachtens ist zudem davon die Rede, dass die Beteiligte Ansprüche aus „Geschäftsführerhaftung“ gegen ihre ehemaligen Geschäftsführer hat. Diese Ansprüche hat der Sachverständige nur deswegen nicht in seine Berechnung eingestellt, da ihm zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens die wirtschaftliche Situation der ehemaligen Geschäftsführer nicht bekannt war.Randnummer24

e) Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage, ob die Äußerungen des Finanzamtes Freiburg-Land in dessen Schreiben vom 16. Juli 2020 und vom 11. August 2021 eine Löschung hindern, nicht an (vgl. in diesem Zusammenhang aus jüngster Zeit BGH, Beschluss vom 9. November 2021 – II ZB 1/21 –, Rn. 18, juris).

III.

1.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen: Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei, da auch für das Verfahren vor dem Amtsgericht keine Gebühren anfallen (vgl. Vorbemerkung 2 Abs. 4 GV zu § 1 Satz 1 HRegGebVO in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Satz 1, Nr. 19112 KV-GNotKG).

2.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, da die Entscheidung aufgrund der besonderen Umstände des vorliegend zu beurteilenden Sachverhalts getroffen worden ist.

Löffler I www.K1.de I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterversammlung I M&A I Unternehmenskauf I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Beendigung Liquidation, GmbHG § 74, Liquidation