§ 18 GenG, Art 3 Abs 1 GG
Die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann auch den Anspruch begründen, die benachteiligten Genossen so zu stellen, wie die bevorzugten Mitglieder gestellt worden sind, oder einen bestimmten Genossen gewährten Vorteil unter diesen und den benachteiligten Genossen aufzuteilen.
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 5. Dezember 1957 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist eine gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft. Sie bezweckt, Kleinwohnungen zu errichten und ihren Mitgliedern zu angemessenen Preisen zu überlassen. Die Kläger sind Genossen der Beklagten und Inhaber je einer Genossenschaftswohnung. Die Parteien streiten um die Höhe der Nutzungsgebühren, die die Kläger für die Zeit von 1946 bis 1952 an die Beklagte zu entrichten haben. Randnummer2
Die Beklagte errichtete in den Jahren 1924 bis 1930 die Wohnhäuser, in denen die Kläger wohnen, unter Verwendung von Darlehen der Reichspost. Nach den Darlehensverträgen hatte die Beklagte den überwiegenden Teil der so erstellten Wohnungen Bediensteten der Reichspost oder anderer Reichsbehörden zum Gebrauch zu überlassen. Die Reichspost oder die andere Reichsbehörde gewährten der Beklagten für die ihren Bediensteten überlassenen Wohnungen Zuschüsse in bar oder durch Erlaß von Darlehenszinsen, wogegen die Beklagte verpflichtet war, die von den Bediensteten, die der Beklagten als Genossen beitreten mußten, zu entrichtende Nutzungsgebühr entsprechend zu ermäßigen. Randnummer3
Nach dieser Regelung wurde auch gegenüber den Klägern verfahren, die selbst oder deren verstorbene oder geschiedene Ehegatten Reichsbedienstete waren. Nach den Nutzungsverträgen hatten die Kläger eine um den behördlich gewährten Zuschuß verminderte Nutzungsgebühr zu zahlen. Im Jahre 1946 stellten die Behörden die für die Wohnungen der Kläger gewährten Zuschüsse ein. Die Beklagte forderte darauf von den Klägern eine entsprechend erhöhte Zahlung. Die Kläger kamen dieser Forderung zunächst nach. Randnummer4
Mit Wirkung vom 1. Juli 1948 stellte die Post die Zuschüsse auch für die in ihren Diensten verbliebenen Mitglieder der Beklagten (etwa 150 an der Zahl) ein. Die Nutzungsverträge dieser Genossen bestimmen, daß in die Nutzungsgebühr eine Zinsvergütung der Reichspost eingerechnet sei und daß sich der vom Genossen zu zahlende Betrag bei Fortfall der Vergünstigung entsprechend erhöhe. Die Beklagte forderte nunmehr auch von diesen Mitgliedern eine um die bisherigen Zuschüsse erhöhte Zahlung, ermäßigte diese jedoch im Herbst 1949 wieder auf die frühere Höhe und zahlte die inzwischen entrichteten Mehrbeträge zurück. Randnummer5
Die Kläger weigerten sich nunmehr, weiterhin die von ihnen geforderte Summe zu zahlen, und entrichteten nur noch die in ihren Nutzungsverträgen aufgeführten Beträge. Mit der Klage fordern sie ihre darüber hinaus geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 3958,17 DM zurück, wobei sie Reichsmarkbeträge im Verhältnis 10 : 1 in Deutsche Mark umstellen, während die Beklagte widerklagend Zahlung von insgesamt 4243,31 DM ihrem Standpunkt entsprechend verlangt. Randnummer6
Die Kläger haben sich darauf berufen, daß eine Erhöhung der Nutzungsgebühr ohne preisbehördliche Genehmigung unzulässig sei und selbst bei deren Vorliegen erst bei entsprechender Abänderung des Nutzungsvertrages verbindlich werde. Eine solche Abänderung sei nicht erfolgt. Es fehle sowohl an der hierfür nach § 18 des Nutzungsvertrages erforderlichen Schriftform wie überhaupt an ihrem Einverständnis. Die Beklagte verstoße auch gegen den genossenschaftlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn sie von den Klägern eine um den fortgefallenen staatlichen Zuschuß erhöhte Nutzungsgebühr verlange, gegenüber anderen Genossen aber davon absehe. Randnummer7
Die Beklagte hat ihr unterschiedliches Verhalten gegenüber den Klägern und anderen Mitgliedern damit erklärt, daß der Ausfall der Zuschüsse für die Wohnungen der rund 150 Postbediensteten habe ausgeglichen werden können. Auf Grund des § 5 Abs. 4 der VO vom 7. September 1948 (WiGBl. 1948,88) seien ihr die Zinsen für die Posthypotheken weitgehend erlassen worden, weil es so angesehen worden sei, als gäben ihr die Nutzungsverträge der Postbediensteten nur ein um die Postzuschüsse vermindertes Nutzungsentgelt. Diesen Zinserlaß habe sie nur den Postbediensteten zugute kommen lassen können. Für die Wohnungen der Kläger habe sie auf Grund des genannten § 5 Abs. 4 keinen Zinserlaß erlangt, da die Kosten dieser Wohnungen am Währungsstichtag durch die erhöhten Zahlungen der Kläger gedeckt gewesen seien. Daher liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vor. Randnummer8
Während des Rechtsstreits hat die Beklagte für die den Klägern abverlangten höheren Zahlungen die preisbehördliche Ausnahmegenehmigung nach § 3 PreisstopVO beantragt. Das Landesverwaltungsgericht Hamburg hat die gegen den ablehnenden Bescheid erhobene Verwaltungsklage durch rechtskräftig gewordenes Urteil mit der Begründung abgewiesen, die Gebührenerhöhung bedürfe keiner Genehmigung, da sich die Preisbindung auf Nutzungsgebühren der hier gegebenen Art nicht erstrecke. Die Kläger waren zu diesem Verfahren beigeladen. Randnummer9
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, der Widerklage aber stattgegeben. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Klageanspruch und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, die Beklagte habe eine höhere Nutzungsgebühr ungehindert durch mietpreisrechtliche Vorschriften festsetzen dürfen, da es dabei nicht um Miete, sondern um eine Gegenleistung für die Benutzung von Eigentum einer gemeinnützigen Baugenossenschaft gehe.Randnummer11
Auf den Streit der Parteien, ob das Nutzungsentgelt für eine Genossenschaftswohnung Miete ist und den Mietpreisvorschriften unterliegt oder nicht, kommt es nicht an. Das Entgelt, das die Beklagte für die Gebrauchsüberlassung erhielt, bestand aus den Beträgen, die die Kläger zu zahlen hatten, und den behördlich gewährten Zuschüssen. Als die Zuschüsse in Fortfall gekommen waren, verlangte die Beklagte zwar von den Klägern eine höhere Zahlung, aber keinen höheren Preis als den, den sie bis dahin von ihren Genossen und durch die behördlichen Zuschüsse bekommen hatte. Damit verstieß sie nicht gegen das Mietpreiserhöhungsverbot, das in § 1 PreisstopVO ausgesprochen und in § 1 Ziff. 7 der PreisfreigabeAO aufrechterhalten worden war. Die preisrechtlich zulässige Höhe der Miete oder eines ihr gleich zu behandelnden Entgelts bestimmt sich – jedenfalls für den hier in Betracht kommenden Zeitraum – nicht allein nach den Beträgen, die der Inhaber der Wohnung dem Vermieter entrichtet, sondern beurteilt sich danach, was wirtschaftlich der eine Teil für die Gebrauchsüberlassung erhält oder der andere Teil leistet, so daß auch Zahlungen zu berücksichtigen sind, die zu diesem Zweck von Dritten erbracht oder an Dritte bewirkt werden. Andernfalls wäre das in § 2 PreisstopVO ausgesprochene Umgehungsverbot weitgehend wirkungslos.Randnummer12
Das preisrechtlich zulässige Entgelt, das nicht überschritten werden durfte, setzte sich demnach zusammen aus den Nutzungsgebühren, zu deren Zahlung die Kläger selbst verpflichtet waren, und aus den Leistungen, die die Beklagte mit Rücksicht auf die Überlassung der Wohnungen gerade an die Kläger von staatlichen Stellen erhielt. Es erfuhr nicht dadurch eine Erhöhung, daß die Beklagte die ihr zustehenden Beträge nun von den Klägern allein forderte. Ein Preisverstoß liegt nicht vor. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die von der Revision angeschnittene Frage nach der Reichweite der Rechtskraftwirkung des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
II.
1. Das Berufungsgericht hält den Vorstand, der nach § 13 Abs. 2 der Satzung berechtigt ist, die Nutzungsgebühr festzusetzen, für befugt, die Zahlungspflicht der Kläger um die weggefallenen Zuschüsse zu erhöhen. Es führt aus, dieses Recht ergebe sich auch aus § 2 Abs. 4 der mit den Klägern geschlossenen Nutzungsverträge. Dort hat sich die Beklagte die Erhöhung der Nutzungsgebühr für den Fall vorbehalten, daß Vorstand und Aufsichtsrat dies zur Sicherung ausreichender Wirtschaftlichkeit im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung für erforderlich halten. Ein entsprechender Beschluß sei in der Sitzung von Vorstand und Aufsichtsrat vom 25. Januar (nach dem Tatbestand des Berufungsurteil Februar) 1946 gefaßt worden. Er sei nicht zu beanstanden, denn die fortgefallenen Zuschüsse hätten nur dadurch ausgeglichen werden können, daß die Kläger nunmehr die normale Nutzungsgebühr zahlten. Die Gebührenerhöhung sei damit für die Kläger verbindlich geworden, ohne daß ihre Zustimmung notwendig gewesen sei. Eine den Nutzungsvertrag ändernde Vereinbarung, die nach § 18 des Nutzungsvertrages Schriftform erfordert habe, sei unnötig gewesen. Die Kläger seien sonach weder berechtigt ihre erhöhten Leistungen zurückzufordern, noch könnten sie deren Entrichtung verweigern.Randnummer14
a) Entgegen der Ansicht der Revision bedurfte die Erhöhung der eigenen Leistungen der Kläger keiner Vereinbarung. Diese Maßnahme konnte vielmehr einseitig von der Beklagten getroffen werden. Denn die Kläger haben sich in § 2 Abs. 4 des Nutzungsvertrages damit einverstanden erklärt, daß die Höhe des Nutzungsentgelts, mag es nun Mietzins sein oder nicht, durch einseitigen Akt der Beklagten geändert werde. Die Voraussetzungen hierfür waren durch den Wegfall der behördlichen Zuschüsse gegeben. Weil die Änderung keiner Vereinbarung bedurfte, kommt auch § 18 des Nutzungsvertrages (Schriftform für abändernde Vereinbarungen) nicht zum Zuge.Randnummer15
b) Die Revision hat dagegen Recht, daß die Annahme des Berufungsgerichts rechtlich nicht einwandfrei ist, der Beschluß über die Erhöhung der Leistungspflicht der Kläger sei wirksam gefaßt worden. Der Beschluß vom 25. Februar 1946 genügt nicht den Anforderungen, die die §§ 13 Abs. 2 und 26 Abs. 2 der Satzung von 1943 in Verbindung mit dem Nutzungsvertrage aufstellen. Maßgebend ist die ältere Satzung und nicht das erst 1949 beschlossene, 1951 ins Genossenschaftsregister eingetragene Statut, das dem Berufungsurteil zugrunde gelegt ist. In der 1946 maßgebenden Satzung soll, wie die Kläger (Berufungsbegründung S. 57) behaupten, bestimmt sein, daß zu einem von Vorstand und Aufsichtsrat in gemeinsamer Sitzung zu fassenden Beschluß die Beschlußfähigkeit jedes der beiden Organe gehöre. Die Kläger haben sich weiter darauf berufen, daß nach dem Protokollbuch nur ein Vorstandsmitglied an der gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Aufsichtsrat, in der die Leistungspflicht der Kläger anderweit festgesetzt worden ist, teilgenommen hat. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt. Es hat weder festgestellt, welche Erfordernisse die zu jener Zeit geltende Satzung für das Zustandekommen eines Beschlusses über die Erhöhung von Nutzungsgebühren aufstellt, noch hat es untersucht, ob die Behauptung der Kläger über die Beschlußunfähigkeit der Organe der Beklagten zutrifft. Damit hat das Berufungsgericht wesentliches Parteivorbringen übergangen.Randnummer16
Der Nutzungsvertrag, nach dessen § 2 Abs. 4 eine Erhöhung der Nutzungsgebühr eines Beschlusses von Vorstand und Aufsichtsrat bedarf, enthält über die Form, in der ein solcher Beschluß zu fassen war, nichts. Diese bestimmt sich daher nach der Satzung der Beklagten, die in Ergänzung des Vertrages für die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen maßgebend ist, die hinsichtlich des Gebrauchs der Genossenschaftswohnungen zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern bestehen. Schrieb die 1946 gültige ältere Satzung für einen derartigen Beschluß vor, daß er in gemeinsamer Sitzung von Vorstand und Aufsichtsrat zu fassen und hierzu Beschlußfähigkeit jedes der beiden Organe erforderlich sei, so konnte bei Anwesenheit nur eines Vorstandsmitgliedes ein wirksamer Beschluß nicht zustande kommen.Randnummer17
Nach § 21 der jüngeren Satzung führt der Vorstand die Geschäfte der Beklagten und faßt die hierfür notwendigen Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Der Vorstand, der gemeinsam mit dem Aufsichtsrat berät, aber – wie auch der Aufsichtsrat – für sich abstimmen muß, kann nur bei Teilnahme von mindestens zwei Mitgliedern Beschluß fassen. Die Bevollmächtigung eines Vorstandsmitgliedes durch ein anderes für Beratung und Abstimmung ist als den Zwecken der gemeinsamen Aussprache und Beratung zuwiderlaufend unzulässig.Randnummer18
Da die ältere Satzung nach den Darlegungen der Revision keine abweichende Vorschrift über die Beschlußfassung des Vorstands enthält, war der über die Gebührenerhöhung gefaßte Beschluß bei Mitwirkung nur eines Vorstandsmitglieds wegen Beschlußunfähigkeit des Vorstands ohne weiteres nichtig (so für Beschlüsse einer beschlußunfähigen Generalversammlung RGZ 76, 170, 173; KG JW 1935, 715). Ein solcher Beschluß konnte eine Verpflichtung der Kläger zur Zahlung der um die fortgefallenen Zuschüsse erhöhten Nutzungsgebühr nicht herbeiführen.Randnummer19
2. Das Berufungsgericht führt weiter aus, ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Genossen falle der Beklagten nicht zur Last. Dieser Grundsatz werde nur verletzt, wenn gleichen Gegebenheiten, eine unterschiedliche Behandlung zuteil werde. Bei den begünstigten Genossen seien aber die tatsächlichen Voraussetzungen gerade andere gewesen als bei den Klägern. Am Währungsstichtag hätten die Wohnungen der begünstigten Genossen nämlich infolge der späteren Streichung der Zuschüsse weniger eingebracht als die Wohnungen der Kläger. Das habe dazu geführt, daß infolge von Erlaßanträgen für diese Wohnungen geringere Lastenausgleichszahlungen zu leisten seien, und habe daher die Beklagte in den Stand gesetzt, sich mit der früheren, um die Zuschüsse ermäßigten Nutzungsgebühr für diese Wohnungen zu begnügen, da deren Wirtschaftlichkeit, die für jede Wohnung getrennt zu errechnen sei, damit gesichert gewesen sei. Bei den Wohnungen der Kläger habe sich dagegen der Fortfall der Zuschüsse auf die Höhe der Lastenausgleichsabgaben nicht ausgewirkt.Randnummer20
Die Revision macht demgegenüber geltend, keine der einzelnen Wohnungen habe für sich auf die Gewährung eines Zinserlasses nach § 5 Abs. 4 der VO vom 7. September 1948 Einfluß gehabt. Maßgebend sei vielmehr die Gesamtertragslage jedes einzelnen Bauabschnitts mit der Gesamtzahl der zu ihm gehörenden Wohnungen gewesen. Darüber hinaus habe auch in der Ertragslage der einzelnen Wohnungen ein Unterschied nicht bestanden. Am Währungsstichtag habe die Beklagte aus der Überlassung der einzelnen Wohnungen die gleichen Einnahmen erzielt, die sich bei den Wohnungen der begünstigten Genossen aus deren Zahlungen und den staatlichen Zuschüssen zusammengesetzt hätten, während sie die Kläger für ihre Wohnungen allein aufgebracht hätten. Auch in der Folge habe sich das nicht geändert, da die begünstigten Genossen nach ihren Nutzungsverträgen ohne weiteres zur Zahlung einer um den fortgefallenen Zuschuß erhöhten Gebühr verpflichtet gewesen seien. Die Vorteile des Zinserlasses habe die Beklagte daher nicht allein den Postbediensteten zuwenden dürfen.Randnummer21
Hieran ist richtig, daß ein Unterschied in der Ertragslage der einzelnen Wohnungen weder am Währungsstichtag bestanden hat, noch später eingetreten ist. Denn nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hatten auch diejenigen Genossen, die weiter in Diensten der Post blieben, nach Fortfall der Zuschüsse eine entsprechend erhöhte Nutzungsgebühr zu zahlen. Das ergeben auch die zwischen diesen Genossen und der Beklagten geschlossenen Nutzungsvorträge eindeutig. Mangels Unterschieds in der Ertragslage konnte sich § 5 Abs. 4 der VO vom 7. September 1948 nur entweder für alle bezuschußten Wohnungen oder überhaupt nicht auswirken. Die Umstellungsgrundschulden, für die der Zinsnachlaß gewährt wurde, sind aus Hypotheken entstanden, die Gelder sicherten, die die Post zum Bau von Wohnungen für ihre eigenen Bediensteten und die anderer Behörden gegeben hatte. Aus diesen beiden Gründen durfte die Beklagte einen für die Umstellungsgrundschulden erlangten Zinsnachlaß nicht einer Gruppe von Wohnungsinhabern zugute halten, sondern mußte die Inhaber aller bezuschußten Wohnungen berücksichtigen, die in den mit den hypothekarisch gesicherten Geldern errichteten Häusern liegen. Eine Bevorzugung der in den Diensten der Post verbliebenen Genossen läßt sich nicht rechtfertigen, sondern verstößt gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.Randnummer22
Dieser Grundsatz gilt nicht bloß für die sich aus der Mitgliedschaft zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern ergebenden Beziehungen, sondern auch für die Rechte und Pflichten, die sich für die einzelnen Mitglieder aus der Inanspruchnahme von Genossenschaftseinrichtungen ergeben (Götz Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht S. 52, 224 ff; Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaften, S. 192 ff; Lang/Weidmüller, GenG § 18 Anm. 1; teilw. abweichend Meyer/Meulenbergh, GenG § 18 Anm. 4,5). Ein verschiedenes Ausmaß dieser Inanspruchnahme kann auch zu einer unterschiedlichen Belastung der Mitglieder führen, wenn nur der Maßstab dafür gleich ist.Randnummer23
Wenn sich die Organe der Beklagten zu einer Herabsetzung der Nutzungsgebühr entschlossen, weil sich die laufenden Aufwendungen für einzelne Grundstücke oder Bauabschnitte infolge Zinserlasses verringerten, so mußten sie dies für alle Wohnungen gleichmäßig tun, auf deren Ertragslage sich der Erlaß auswirkte. Nur Unterschiede in der Größe der einzelnen Wohnungen durften berücksichtigt werden. Die Beklagte verstieß mithin gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie die durch den Zinserlaß ermöglichten Vergünstigungen nur einem Teil der dafür in Betracht kommenden Mitglieder zukommen ließ, den Klägern aber vorenthielt, obwohl ein Unterschied in der Ertragslage der einzelnen Wohnungen und in ihrer Ursächlichkeit für den Zinserlaß nicht bestand.Randnummer24
Es braucht nicht erörtert zu werden, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach sich zieht, durch den ein konkreter Rechtsanspruch beeinträchtigt wird. Denn ein solcher Anspruch steht den Klägern nicht zu. Er läßt sich insbesondere nicht aus den Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (§ 7 WGG mit § 11 WGGDV) ableiten. Danach darf für die Überlassung von Wohnungen zwar nur der angemessene, nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderliche Preis verlangt werden. Aber die Nichtbeachtung dieser Bestimmungen ist lediglich für die Fortdauer der Eigenschaft der Beklagten als gemeinnütziges Unternehmen von Bedeutung und hat keine unmittelbare Wirkung gegenüber ihren Mitgliedern (vgl. BGH LM Nr. 1 zu GenG § 39; Nr. 1 WGGDV § 8).Randnummer25
Die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hat, wie wenigstens die herrschende Meinung annimmt, bei Gesellschafterbeschlüssen, die der Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
unterliegen, die Anfechtbarkeit zur Folge (RGZ 118, 67; RG JW 1935, 1776). Bei anderen Maßnahmen kommt einmal die Unwirksamkeit der den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzenden Handlung, zum anderen aber auch in Betracht, die benachteiligten Personen so zu stellen, wie die bevorzugten Personen gestellt worden sind. So wird angenommen, daß eine trotz gleicher Voraussetzungen willkürliche oder sachfremde unterschiedliche Bemessung von Vereinsbeiträgen auszugleichen ist (BGH LM § 39 BGB Nr. 2) und daß die Schlechterbehandlung von Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft die benachteiligten Gesellschafter dazu berechtigt, zu verlangen, daß ihnen bei Gleichheit der Umstände dieselben Vorteile eingeräumt werden wie den begünstigten Gesellschaftern und daß die ungleiche Vermehrung ihrer Pflichten wieder aufgehoben wird (Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft § 9 III). Im Arbeitsrecht ist anerkannt, daß der Arbeitnehmer, der bei Gewährung einer freiwilligen Sonderleistung willkürlich übergangen wird, einen Rechtsanspruch auf die gleiche Leistung hat, wie sie den anderen Arbeitnehmern zugewendet worden ist. Dieser Anspruch kommt auf der Grundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes als Konkretisierung bereits bestehender Rechtsbeziehungen und der sich aus ihnen ableitenden Fürsorge- und Treuepflichten zustande (G. Hueck, aaO, S. 301 f; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, 6. Aufl., Bd. I S. 383 ff m. w. Nachw.).Randnummer26
Die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann auch im Genossenschaftsrecht anspruchsbegründende Wirkung haben. Das ergibt sich aus der Treupflicht, die auch der Genossenschaft ihren Mitgliedern gegenüber obliegt, sowie daraus, daß der genossenschaftliche Zusammenschluß dem Grundsatz der Gleichbehandlung untersteht. Wenn es der Genossenschaft möglich war, einen wenn auch ungleich verteilten Vorteil auszukehren, und wenn es unbillig oder z. B. im Hinblick auf die §§ 814, 818 Abs. 3 BGB sogar ausgeschlossen ist, den bevorzugten Mitgliedern den ihnen einmal gewährten Vorteil wieder zu nehmen, so kann es das Mitgliedsverhältnis für sich allein oder zusammen mit dem daneben bestehenden Nutzungsverhältnis erfordern, den benachteiligten Genossen denselben Vorteil unverkürzt zu gewähren. Auf diese Weise kann die Genossenschaft unter Umständen in die Lage kommen, die Ungleichbehandlung aus ihren eigenen Mitteln neutralisieren zu müssen. Das wiederum kann sich wegen ihrer wirtschaftlichen Lage oder deshalb verbieten, weil sonst wieder andere Mitglieder oder eine andere Mitgliedergruppe benachteiligt werden müßte. In diesem Falle kann es geboten sein, den unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nur einzelnen Mitgliedern oder einer Mitgliedergruppe gewährten Vorteil unter diesen und den benachteiligten Genossen aufzuteilen.Randnummer27
Mangels Prüfung des Falles in dieser Richtung und aus dem oben unter II 1 b behandelten Grund war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.Randnummer28
Die Kostenentscheidung hängt vom endgültigen Ausgang des Rechtsstreits ab und war daher dem Berufungsgericht zu überlassen.
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