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BGH, Beschluss vom 28. Mai 1990 – II ZR 245/89

Beschwer Abberufung

§ 3 ZPO, § 9 ZPO, § 626 BGB, § 38 Abs 1 GmbHG

1. Wird mit einer Beschlußnichtigkeits- und Anfechtungsklage lediglich die Abberufung als Geschäftsführer einer Gesellschaft und nicht zugleich auch die beendigung eines damit in Verbindung stehenden Dienstverhältnisses angegriffen, richtet sich die Berechnung der Beschwer nach ZPO § 3 und nicht nach ZPO § 9.

2. Bei der Organstellung und den damit verbundenen schuldrechtlichen Anstellungsvertrag handelt es sich um zwei verschiedene Rechtsverhältnisse, die im Normalfall deutlich unterschieden werden müssen und die durchaus ein verschiedenes Schicksal haben können.

3. Im Rahmen der Schätzung nach ZPO § 3 bleiben bei der reinen Beschlußnichtigkeitsklage die Gehaltsansprüche aus dem Dienstvertrag außer Betracht.

Gründe

1. Das Berufungsgericht hat den Wert der Beschwer nach § 3 ZPO festgesetzt. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision und einer vereinzelt in der älteren Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vertretenen Meinung (vgl. OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
am Main NJW 1968, 2112 m.w.N.), der sich ohne eigene Stellungnahme auch Teile des kostenrechtlichen Schrifttums angeschlossen haben (vgl. Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts 7. Aufl. § 87 zu E S. 374 i.V.m. G II. S. 377; Markl, GKG 2. Aufl. Anh. § 12/3 ZPO Rdnr. 5 Stichwort „Gesellschaft“; Schneider, Streitwertkommentar 8. Aufl. Rdnr. 185), richtet sich die Berechnung der Beschwer, wenn der Kläger wie im vorliegenden Fall mit der Klage lediglich seine Abberufung als Geschäftsführer der Gesellschaft und nicht zugleich eine damit in Verbindung stehende Beendigung seines Dienstverhältnisses angreift, nach § 3 ZPO und nicht nach § 9 ZPO. Die laufenden Bezüge des Klägers beruhen rechtlich nicht auf der Organstellung, sondern auf seinem Dienstvertrag, der nicht Gegenstand der vorliegenden Beschlußnichtigkeits- und Anfechtungsklage ist. Das Erlöschen der körperschaftlichen Organstellung führt nach herrschender Meinung (vgl. Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG 12. Aufl. § 6 Rdnr. 1 und Anh. § 6 Rdnr. 42 ff.; Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG 7. Aufl. § 38 Rdnr. 33; Hachenburg/Mertens, GmbHG 7. Aufl. § 35 Rdnr. 41) und ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 89, 48, 52; 79, 38, 41; Urt. v. 8. Dezember 1977 – II ZR 219/75, WM 1978, 109; v. 9. Februar 1978 – II ZR 189/76, WM 1978, 319; v. 14. Juli 1966 – II ZR 212/64, WM 1966, 968) auch nicht etwa automatisch zugleich zur Beendigung des schuldrechtlichen Anstellungsverhältnisses. Beide können zwar in verschiedener Weise miteinander verbunden sein. Insbesondere kann auch die Beendigung des Dienstverhältnisses an den Widerruf der Organstellung gekoppelt werden (vgl. Sen.Urt. v. 29. Mai 1989 – II ZR 220/88, WM 1989, 1246). Dies ändert aber nichts daran, daß es sich um zwei verschiedene Rechtsverhältnisse handelt, die im Normalfall deutlich unterschieden werden müssen und die auch durchaus ein verschiedenes Schicksal haben können. So ist schon rein tatsächlich keineswegs jede Abberufung aus dem Amt des Geschäftsführers gleichzeitig oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge mit einer Kündigung des Dienstvertrages verbunden. Aber auch dort, wo dies der Fall ist und die Beendigung beider Rechtsverhältnisse im wesentlichen aus denselben Tatsachen hergeleitet wird, schafft die Abweisung der gegen den Widerrufsbeschluß der Gesellschafterversammlung gerichteten Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage keinesfalls eine Rechtskraftwirkung oder präjudizielle Bindung für den Rechtsstreit, in dem über die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstverhältnisses und den Fortbestand von Gehaltsansprüchen gestritten wird. Vielmehr müssen auch dann die Umstände, die für einen Widerruf der Organstellung aus wichtigem Grund angeführt werden, eigenständig darauf geprüft werden, ob sie ebenfalls die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses rechtfertigen und ob die Anforderungen des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt sind. Bei dieser Sachlage ist es auch dort, wo der Widerruf der Bestellung gleichzeitig oder in kurzer zeitlicher Folge von einer Kündigung des Anstellungsvertrages begleitet wird, nicht gerechtfertigt, für die Berechnung des Wertes der gegen den Widerruf der organschaftlichen Stellung gerichteten Klage auf das Gehaltsinteresse des abberufenen Geschäftsführers abzustellen. Angesichts des unterschiedlichen Zieles beider Klagen und ihres voneinander unabhängigen Schicksals ist vielmehr ihr Wert jeweils selbständig zu berechnen. Die gegenteilige Auffassung würde in allen Fällen, in denen der abberufene Geschäftsführer wie vorliegend seine Gehaltsansprüche unter Berufung auf die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung seines Dienstvertrages in einem weiteren, selbständigen Rechtsstreit geltend macht, im Ergebnis zu einer unangebrachten doppelten Ansetzung des Streitwertes dieser Klage führen. Dies bedingt für die Festsetzung der Beschwer der nur gegen die Abberufung gerichteten Klage eine eigenständige Berechnung nach § 3 ZPO. Randnummer2

2. In Ausübung des ihm danach gemäß § 3 ZPO zustehenden freien Ermessens hat das Berufungsgericht die Beschwer des Klägers, die in der Abweisung seines Antrages, seine Abberufung als Geschäftsführer der Beklagten durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 31. Oktober 1986 für unwirksam zu erklären, liegt, auf 40.000 DM festgesetzt. Dies ist nicht zu beanstanden; der Kläger hat auch im Revisionsrechtszug keinen höheren Wert der Beschwer glaubhaft gemacht. Insbesondere kann der Kläger aus den vorstehend unter 1. genannten Gründen auch im Rahmen der Schätzung nach § 3 ZPO nicht verlangen, daß bei der Bemessung seines Interesses an dem Erhalt seiner Stellung als Geschäftsführer auf seine Gehaltsansprüche abgestellt wird, die ebenso wie das Fortbestehen seines Dienstvertrages Gegenstand des Parallelrechtsstreits II ZR 16/90 sind und dort bisher zur Festsetzung des Streitwertes und der Beschwer auf 223.725 DM geführt haben. Im vorliegenden Rechtsstreit, in dem es allein um die Wirksamkeit der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer aus wichtigem Grund geht, ist die Beschwer vielmehr ausschließlich an dem Interesse des Klägers, weiterhin Geschäftsführer der Beklagten zu sein und damit die Lenkungs- und Leitungsmacht der Beklagten wieder in die Hand zu bekommen, und an dem gegenteiligen Interesse der Beklagten, ihn von der Geschäftsführung fernzuhalten (vgl. auch § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG), zu bemessen. Dieses Interesse ist mit 40.000 DM nicht so unangemessen niedrig bewertet, daß von einem Ermessensfehlgebrauch des Berufungsgerichts auszugehen wäre (vgl. dazu BGH, Urt. v. 20. September 1983 – VI ZR 111/82, VersR 1983, 1160 und vom 24. Februar 1982 – IVa ZR 58/81, NJW 1982, 1765; Zöller/Schneider, ZPO 15. Aufl. § 546 Rdnr. 20). Dies gilt um so mehr, als der Beschluß der Gesellschafterversammlung, den Kläger auch aus wichtigem Grund abzuberufen, gegenüber der zuvor – wirksam – beschlossenen Abberufung nach § 38 Abs. 1 GmbHG, die grundsätzlich ohne Begründung erfolgen kann, in der Sache nur vorsorglichen Charakter für den Fall hatte, daß der Kläger aus irgendwelchen Gründen entgegen der gesetzlichen Regel – etwa im Hinblick auf seine Stellung als Mitgesellschafter – nicht frei abberufbar sein sollte. Bei dieser Sachlage ist die Beschwer des Klägers bei Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles mit 40.000 DM keinesfalls zu niedrig angesetzt.

Schlagworte: Streitwert, Streitwert Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, Streitwert Einziehungsbeschluss, Streitwert Geschäftsanteile, Streitwertbemessung