Einträge nach Montat filtern

OLG Frankfurt, Beschluss vom 04. Januar 2022 – 20 W 225/20

§ 181 BGB, § 112 AktG, § 47 Abs 4 S 2 GmbHG

1. Zur Frage der Bestellung des Vorstands einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH durch einen von dem Vorstand für die Aktiengesellschaft Bevollmächtigten.

2. Zur Frage der Anwendbarkeit von §§ 112 AktG, 181 BGB und 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG in diesem Fall.

Tenor

Die Zwischenverfügung wird insoweit aufgehoben, als das Registergericht über die Vorlage einer Genehmigung des Aufsichtsrats der X AG für den Geschäftsführerbestellungsbeschluss vom 05.12.2019 hinaus eine „Befreiung der Vorstände von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB für den konkreten Einzelfall“ verlangt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Verfahren der Beschwerde ist gerichtskostenfrei.

Eine Erstattung der der Gesellschaft im Verfahren der Beschwerde etwa entstandenen notwendigen Aufwendungen findet nicht statt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Mit Anmeldung vom 06.12.2019 haben A, C und B die Ersteintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und sich selbst zu gesamtvertretungsberechtigten (jeweils mit einem anderen Geschäftsführer oder einem Prokuristen) und von den Beschränkungen des § 181 2. Alt. BGB befreiten Geschäftsführern angemeldet (auf die Urkunde des verfahrensbevollmächtigten Notars Nr. …/19 wird Bezug genommen).Randnummer2

Dem vorausgegangen ist die am 05.12.2019 in notarieller Form erfolgte Errichtung der Gesellschaft (auf die entsprechende Urkunde Nr. 1/19 des verfahrensbevollmächtigten Notars nebst Anlagen, also Gesellschaftsvertrag sowie Gesellschafterliste, wird Bezug genommen). Ausweislich der Urkunde hat D in seiner Eigenschaft als Vertreter der X AG mit Sitz in Stadt1 (Handelsregister des Amtsgerichts Stadt2, …, nachfolgend: die Alleingesellschafterin) für diese als alleinige Übernehmerin sämtlicher Geschäftsanteile des Stammkapitals der Gesellschaft in Höhe von 25.000,00 EUR deren Errichtung unter Feststellung des Gesellschaftsvertrages erklärt. Gleichzeitig hat er in einer sodann abgehaltenen Gesellschafterversammlung A, C und B zu Geschäftsführern der Gesellschaft mit der oben dargelegten konkreten Vertretungsberechtigung bestellt. Wegen seiner Handlungsbefugnis für die Alleingesellschafterin hat D dem beurkundenden Notar das Original einer notariell beglaubigten Vollmacht vom 04.12.2019 vorgelegt (auf die beglaubigte Kopie der Urkunde des verfahrensbevollmächtigten Notars Nr. 2/19 wird Bezug genommen). Mit dieser Vollmacht haben C und B nach einleitender Erklärung:Randnummer3

„Hiermit bevollmächtigen wir, hier handelnd als gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer“ der
X AG
(„Vollmachtgeber“)“
u.a. D einzeln bevollmächtigt, die Alleingesellschafterin u.a. im Zusammenhang mit der Gründung einer oder mehrerer Gesellschaften mit beschränkter Haftung und dem Abschluss von UnternehmensverträgenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abschluss
Abschluss von Unternehmensverträgen
, insbesondere bei der Gründung einer oder mehrerer Gesellschaften einschließlich des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung, Beurkundung des Gründungsprotokolls einschließlich aller Festsetzungen, der Übernahme eines oder mehrerer Anteile im Nennbetrag von je Gesellschaft bis zu 25.000 € und der Bestellung eines oder mehrerer Geschäftsführer zu vertreten. Der Unterschriftsbeglaubigung ist eine Bescheinigung des verfahrensbevollmächtigten Notars beigefügt, wonach C und B am 04.12.2019 als gesamtvertretungsberechtigte Vorstände der Alleingesellschafterin im Handelsregister eingetragen waren. Ausweislich der Eintragung im Handelsregister der Alleingesellschafterin waren zum damaligen Zeitpunkt und sind auch heute noch A, C und B als Vorstände der Alleingesellschafterin eingetragen. Sie vertreten die Alleingesellschafterin nach der allgemeinen Vertretungsbefugnis entweder jeweils gemeinsam mit einem anderen Vorstandsmitglied oder jeweils alleine gemeinsam mit einem Prokuristen; konkret ist ihnen jeweils Befreiung von den Beschränkungen des § 181 2. Alt. BGB erteilt.Randnummer4

Mit Zwischenverfügung vom 29.04.2020 (Bl. 4 der Akte) hat der Rechtspfleger des Registergerichts folgendes Eintragungshindernis mitgeteilt: Da sich die beiden Vorstandsmitglieder der Alleingesellschafterin (C und B) über den Bevollmächtigten D letztlich selbst zu Geschäftsführern der Gesellschafter bestimmt hätten, müsse von einem Selbstkontrahieren ausgegangen werden, das dazu führe, dass der Aufsichtsrat aufgrund § 112 AktG der Bestellung zustimmen müsse bzw. nachträglich die beiden Vorstandsmitglieder für diesen Einzelfall von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB befreien müsse. Eine entsprechende Genehmigung durch den Aufsichtsrat samt zusätzlicher Befreiung der Vorstände von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB für den konkreten Einzelfall sei vorzulegen.Randnummer5

Der verfahrensbevollmächtigte Notar hat daraufhin mit Schriftsatz vom 30.04.2020 (Bl. 7 f. d. A.) darauf hingewiesen, dass § 112 AktG in der vorliegenden Konstellation, dass eine Muttergesellschaft, vertreten durch ihre Vorstandsmitglieder, in der Gesellschafterversammlung ihrer Tochter-GmbH Personen zum Geschäftsführer bestelle, welche personenidentisch mit ihren Vorstandsmitgliedern seien, nicht zur Anwendung komme. Dies ergebe sich auch aus der in Bezug genommen Rechtsprechung (Oberlandesgericht München, Beschluss vom 08.05.2012, Az. 31 Wx 69/12). Zutreffend sei demgegenüber, dass der Anwendungsbereich des § 181 BGB in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich eröffnet sei. Allerdings führe dies in der konkreten Konstellation gerade nicht zu einer unwirksamen Bestellung, denn für die Alleingesellschafterin sei weder der Vorstand C noch der Vorstand B aufgetreten, sondern vielmehr ein anderer eigener Vertreter der Alleingesellschafterin, D. § 181 BGB frage nicht danach, wie der Vertreter in das Amt gekommen sei. Auch ein Umgehungsgeschäft sei hier nicht zu erkennen. Die Vollmacht von D umfasse abstrakt die Gründung einer oder mehrerer Gesellschaften, nicht etwa die Gründung lediglich der Gesellschaft und sie beinhalte auch keine Vorgabe dahingehend, wer als Geschäftsführer der zu gründenden Gesellschaft einzusetzen sei.Randnummer6

Mit Schreiben vom 29.05.2020 (Bl. 10 d. A.) hat der Rechtspfleger zunächst angefragt, ob das vorgenannte Schreiben als Beschwerde gegen die Zwischenverfügung gewertet werden solle, an der er festhalte. Er hat darauf hingewiesen, dass er in der Zwischenverfügung bewusst offengehalten habe, ob im vorliegenden Fall der Aufsichtsrat aufgrund § 112 AktG oder wegen § 181 1. Alt. BGB dem Vorgehen zustimmen müsse, da sich beide Meinungen in der Literatur wiederfänden. Selbst wenn man der Ansicht folge, dass vorliegend ausschließlich die Anwendung des § 181 BGB zu überprüfen sei, erscheine ihm, dass im vorliegenden Fall ein Umgehungstatbestand vorliege. D sei aufgrund der Bevollmächtigung durch C und B aufgetreten und habe diese wiederum zu Geschäftsführern der Tochtergesellschaft bestellt. Die beiden Vollmachtgeber seien als Vorstände der Muttergesellschaft nicht von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB befreit. D selbst sei nicht Vorstand der Alleingesellschafterin. Eine Erstarkung einer Gesamtvertretungsmacht nach § 78 Abs. 4 AktG liege also nicht vor. Vielmehr habe D für die Muttergesellschaft im Namen der beiden Vollmacht erteilenden Vorstände gehandelt. Er sei insofern an den Inhalt der Vollmacht und die Weisungen der Vollmachtgeber gebunden gewesen und die Vollmacht habe auch nicht über die Grenzen der Vertretungsmacht der Vollmachtgeber hinausgehen dürfen. Da diese durch § 181 1. Alt. BGB davon abgehalten seien, mit sich selbst Rechtsgeschäfte vorzunehmen, was im Moment einer Bestellung zum Organschafter eines Tochterunternehmens gegeben sei, könne die Vollmacht nicht über diese Einschränkung der beiden Vorstandsmitglieder hinausreichen.Randnummer7

Mit Schriftsatz an das Registergericht vom 29.06.2020 (Bl. 12 ff. d. A.) hat der verfahrensbevollmächtigte Notar zunächst erklärt, dass sein Schriftsatz vom 30.04.2020 als Beschwerde zu werten sei. Es werde zur Kenntnis genommen, dass nunmehr auch der Rechtspfleger mit der herrschenden Meinung davon ausgehe, dass § 112 AktG in der vorliegenden Konstellation nicht zur Anwendung komme. Aber auch § 181 1. Alt. BGB könne nicht eingreifen. Der Rechtspfleger verkenne, wen genau D im vorliegenden Fall vertrete. Dieser gehe von einer Vertretung des Vorstands der Alleingesellschafterin aus. Dies sei jedoch nicht der Fall. Ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Vollmacht werde nicht der Vorstand, sondern die Alleingesellschafterin selbst durch D vertreten. Als Vertreter der Alleingesellschafterin sei es den beiden Vorständen unbenommen, weitere Bevollmächtigte für die Alleingesellschafterin einzusetzen. Da diese als solche nicht handlungsfähig sei, sei dies sogar die einzige Möglichkeit, einen rechtsgeschäftlichen Vertreter zu bestellen. Wolle man die Ansicht des Rechtspflegers konsequent zu Ende denken, so könne die natürliche Person des D niemals Vertreter der Alleingesellschafterin sein. Es gebe jedoch keinerlei Anlass für eine solche Einschränkung der Privatautonomie. Konsequenterweise könne es D auch nicht vorenthalten werden, den Vollmachtgeber, also die Alleingesellschafterin selbst, bei Rechtsgeschäften zu vertreten, die einem oder mehreren Vorständen nach § 181 1. Alt. BGB nicht gestattet wären. Eine weitere Kontrollüberlegung möge dies verdeutlichen. Gäbe es einen weiteren Vorstand, der nicht Geschäftsführer der Tochtergesellschaft werden solle, so wäre dieser ohne Zweifel dazu berufen, eine rechtsgeschäftliche Vollmacht an D zu vergeben. § 181 BGB frage indessen nicht danach, wie der Vertreter der Alleingesellschafterin in das Amt gekommen sei. Unabhängig davon, dass kein Grund dafür ersichtlich sei, diese Grundsätze abstrakt zu durchbrechen, sei auch im konkreten Einzelfall eine Umgehung des Schutzzwecks von § 181 1. Alt. BGB in keiner Weise beabsichtigt. Vielmehr sei der natürlichen Person D eine abstrakte Vollmacht ausgestellt worden. Dass die Vorstandsmitglieder der Muttergesellschaft sich auch als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft wiederfänden, sei hier als Zufall anzusehen.Randnummer8

Mit Beschluss vom 02.09.2020 (Bl. 18 d. A.) hat der Rechtspfleger „der Beschwerde… vom 30.04.2020 bzw. 29.06.2020 gegen die Zwischenverfügungen vom 29.04.2020 und 29.05.2020“ nicht abgeholfen und hat diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Unstreitig handele D vorliegend im Namen der Alleingesellschafterin. Allerdings stelle sich die Frage, ob er hierbei an die Beschränkungen gebunden sei, welche die Vollmacht erteilenden Vorstandsmitglieder C und B träfen. Wie die Gesellschaft selbst einräume, könnten die beiden Vorstandsmitglieder sich nämlich nicht selbst zu deren Geschäftsführern bestellen, da hier § 181 1. Alt. BGB eingreife. Dies könne nicht umgangen werden, indem die beiden Vorstandsmitglieder einen Dritten bevollmächtigten, welcher sodann eines dieser Vorstandsmitglieder zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH bestelle. Ein gesetzlicher Vertreter einer Kapitalgesellschaft könne sonst stets seine Beschränkung nach § 181 BGB umgehen, indem er, statt selbst ein Rechtsgeschäft mit sich oder mit sich als Vertreter eines Dritten abzuschließen, zunächst einen Dritten bevollmächtige, bestimmte Rechtsgeschäfte im Namen der Gesellschaft einzugehen und dann selbst nur noch auf der Gegenseite bei diesen Rechtsgeschäften auftrete. Die Vorschrift des § 181 BGB wäre dann hinfällig. Wäre die Vollmacht hier durch einen weiteren (einzelvertretungsberechtigten) Vorstand erteilt worden, der nicht zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt hätte werden sollen, hätte D tatsächlich C und B zu Geschäftsführern der Gesellschaft bestellen können. In der vorliegenden Konstellation sei dies aber nicht möglich, so dass der Beschwerde nicht abgeholfen werden könne.Randnummer9

Unter dem 03.09.2021 hat der Senat bei dem verfahrensbevollmächtigten Notar angefragt, ob er noch zum Nichtabhilfebeschluss des Registergerichts Stellung nehmen wolle, nachdem dies bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt war. Mit Schriftsatz an den Senat vom 10.11.2021 (Bl. 23 ff d. A.) hat der Verfahrensbevollmächtigte der Gesellschaft seine bisherige Argumentation zusammengefasst und ergänzt. § 112 AktG sei in der vorliegenden Konstellation nicht anwendbar, was zwischenzeitlich wohl auch vom Registergericht im Einklang mit der Rechtsprechung anerkannt worden sei. Als maßgebliche Begründung wird angeführt, dass es sich bei der Geschäftsführerbestellung um einen reinen Organakt der Untergesellschaft handele. Auch für § 181 BGB könne nichts anderes gelten, was im Beschluss des Oberlandesgericht München vom 08.05.2012 (aaO) noch offengelassen worden sei. Insoweit werde auf die bisherige Argumentation umfassend Bezug genommen und noch eine weitere Kontrollüberlegung hinzugefügt: Die Nichtanwendbarkeit des § 112 AktG werde auch damit begründet, dass der Interessenkonflikt, vor dem § 112 AktG schützen wolle, in einer Konzernsituation wie der vorliegenden gar nicht auftreten könne. Auf beiden Seiten sei das selbe Interesse vertreten, da die Konzerntochter (hier die Gesellschaft) von der Konzernmutter (hier der Alleingesellschafterin) zu 100% beherrscht werde. Dieser fehlende Interessenkonflikt müsse auch zur Unanwendbarkeit des § 181 BGB führen. Entsprechende Leitlinien seien bereits für das aktienrechtliche Konzernrecht entwickelt. Dort gehe die ganz herrschende Meinung davon aus, dass in einem Vertragskonzern § 181 BGB keine Anwendung zwischen Muttergesellschaft und (jedenfalls 100%iger) Tochtergesellschaft finde, da ein Interessenkonflikt nicht zu befürchten sei. Maßgebliches Argument hierfür sei, dass ein Interessenkonflikt zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft nicht entstehen könne, da die Mutter der Tochter „legal“ Weisungen erteilen könne (§ 291 Abs. 1 S. 1 AktG) und (wichtiger) diese Weisungen auch befolgt werden müssten. Für den faktischen Konzern greife dieses Argument konsequenterweise nicht ein, da eine Weisung nach § 311 AktG die Leitungsautonomie des Vorstandes nach § 76 Abs. 1 AktG nicht beeinträchtige. Diese Einschränkung für den faktischen Konzern sei allerdings den Besonderheiten des Aktienrechts geschuldet, da nur hier der Vorstand der Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft eine eigene Rechtsposition entgegensetzen könne. Sei die Tochtergesellschaft hingegen (wie hier) eine GmbH, so müssten die gleichen Grundsätze gelten wie beim Vertragskonzern, denn der Alleingesellschafter einer GmbH sei immer als befugt anzusehen, dem Geschäftsführer der GmbH Weisungen zu erteilen, denen dann auch gefolgt werden müsse. Die Sachlage sei damit vollständig identisch zu der beim Vertragskonzern einer GmbH.

II.

Die Beschwerde der Gesellschaft ist nach § 382 Abs. 4 S. 4 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere formgemäß und fristgemäß eingelegt worden.Randnummer11

Die Beschwerde ist teilweise begründet.Randnummer12

1. Ob das Registergericht für sein Verlangen, eine entsprechende Genehmigung durch den Aufsichtsrat der Alleingesellschafterin samt zusätzlicher Befreiung der Vorstände von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB für den konkreten Einzelfall vorzulegen, zuletzt auch noch auf § 112 AktG als Rechtsgrundlage abstellen wollte, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Sollte das Registergericht diese Ansicht aufrechterhalten haben, ist dieser jedoch nicht zu folgen:Randnummer13

a. Der Senat schließt sich der Auffassung an, wonach dann, wenn sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt, deren alleinige Gesellschafterin die Aktiengesellschaft ist, kein Verstoß gegen § 112 AktG vorliegt, da dieser in der genannten Konstellation keine Anwendung findet (so etwa Oberlandesgericht München, Beschluss vom 08.05.2012, Az. 31 Wx 69/12, Landgericht Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 26.11.1999, Az. 4 HK T 9627/99, Hopt/Roth in: Hirte/Mülbert/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, 5. Aufl. 2018, § 112, Rn. 70, Drygala in K.Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 112, Rn. 9, Jaeger in Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, 89. Lieferung 10.2021, Der Aufsichtsrat, Rn. 9.174a, jeweils zitiert nach juris, Spindler in beck-online.GROSSKOMMENTAR, AktG, Stand 01.09.2021, § 112, Rn. 26, Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2013, § 112, Rn. 4, jeweils zitiert nach beck-online; vgl. auch Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 17.11.2000, Az. 3Z BR 271/00, zitiert nach beck-online, welches die § 112 AktG entsprechende Regelung des § 39 Abs. 1 S. 1 GenG im Falle einer Bestellung des gesetzlichen Vertreters des Gesellschafters einer GmbH mit dessen Stimme zum Geschäftsführer nicht einmal erwähnt hat; a.A. etwa Landgericht Berlin, Beschluss vom 18.12.1996, Az. 98 T 79/96, zitiert nach juris; vgl. in diesem Zusammenhang auch: Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 12.04.2006, Az. 21 U 37/05, zitiert nach juris, wonach § 112 AktG nicht einschlägig sein soll für einen Geschäftsführungsvertrag zwischen dem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft, an der diese lediglich als Kommanditistin bzw. als alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH beteiligt ist – insoweit a.A. etwa Jaeger, aaO – und Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 11.12.2013, Az. 20 U 5/13, zitiert nach juris, wonach § 112 AktG nicht einschlägig sein soll bei der Kündigung des Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers der zugleich Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ist, die Alleingesellschafterin der GmbH ist). Der Senat teilt insoweit die Argumentation der als herrschend zu bezeichnenden Auffassung, dass die Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer einer Untergesellschaft allein ein Organakt dieser Untergesellschaft ist und nicht der Obergesellschaft als deren Alleingesellschafterin. Dabei geht es nicht um die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Vorständen – wie von § 122 AktG vorausgesetzt -, mithin nicht um ein Rechtsgeschäft oder eine Rechtshandlung der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern, sondern um eine Handlung der Aktiengesellschaft als oberstes Gesellschaftsorgan einer GmbH, mit der durch die Bestellung von Vorstandsmitgliedern der Aktiengesellschaft zu Geschäftsführern der GmbH ausschließlich Rechtsbeziehungen zwischen der GmbH und den berufenen Geschäftsführern begründet werden. In diesem Zusammenhang weist etwa Cramer (NZG 2012, 765 ff, zitiert nach beck-online, mwN) zu Recht darauf hin, dass die Bestellung eines Geschäftsführers in der Tochtergesellschaft ein Rechtsgeschäft gegenüber einem Dritten darstellt, weil Adressat des Gesellschafterbeschlusses nicht das Vorstandsmitglied ist, sondern die Tochter-GmbH ist.Randnummer14

Eine über dieses maßgeblich am Wortlaut orientiertes Verständnis von § 112 AktG hinausgehendes Verständnis ist auch nicht etwa im Hinblick darauf angezeigt, dass ein Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft bei der Beschlussfassung über seine eigene Bestellung als Geschäftsführer einer Tochter-GmbH auch nach Ansicht des Senats einem potentiellen Interessenkonflikt unterliegt, etwa weil er sich dabei der Kontrolle des Aufsichtsrats entziehen könnte, weil Geschäfte der Tochter-GmbH mit dem Vorstandsmitglied von § 112 AktG nicht mehr erfasst werden, oder etwa auch die Festsetzung der Bezüge des Vorstands durch den Aufsichtsrat (§ 87 AktG) relativiert werden kann, weil dann der Vorstand als Organvertreter der Aktiengesellschaft über sein Gehalt als Geschäftsführer der Tochter-GmbH praktisch selbst entscheiden kann (vgl. hierzu etwa Hopt/Roth, aaO, Rn. 71; Cramer, aaO). Diesem Interessenkonflikt, der auf der Ebene des Verhältnisses von Vorstand und der von ihm vertretenen Mutter-AG liegt, wird vielmehr innerhalb einer Anwendung von § 181 1. Alt. BGB auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation ausreichend begegnet.Randnummer15

b. Somit bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, welche Rechtsfolge ein etwaiger Verstoß gegen § 122 AktG nach sich ziehen würde. Insoweit wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass ein solcher Verstoß die Nichtigkeit der entsprechenden Geschäfte nach § 134 BGB nach sich ziehe – mit der Folge, dass das Registergericht die von ihm angeforderte Vorlage einer Genehmigung durch den Aufsichtsrat samt zusätzlicher Befreiung der Vorstände von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB für den konkreten Einzelfall bei Anwendung des § 112 AktG nicht hätte verlangen können. Nach anderer Auffassung wird vertreten, dass das entsprechende Rechtsgeschäft in analoger Anwendung der §§ 177 ff. BGB schwebend unwirksam sei (vgl. zum Streitstand etwa Drygala, aaO, Rn. 26). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage zuletzt ausdrücklich offengelassen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2019, Az. II ZR 392/17, zitiert nach juris).Randnummer16

2. Trotz Nichtanwendbarkeit von § 112 AktG verlangt das Registergericht im Ergebnis zu Recht eine Genehmigung des Aufsichtsrats der Alleingesellschafterin für den Geschäftsführerbestellungsbeschluss vom 05.12.2019. Soweit das Registergericht allerdings darüber hinaus eine Befreiung der Vorstände von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB für den konkreten Einzelfall“ verlangt, kann das Registergericht Derartiges nicht verlangen; insoweit ist die Beschwerde also teilweise erfolgreich.Randnummer17

a. Wie bereits unter II. 1. a.(aE) dieses Senatsbeschlusses angedeutet, ist die bei einer Selbstbestellung von Vorständen einer Mutter-AG zu Geschäftsführern einer Tochter-GmbH bestehende Konfliktlage innerhalb einer Anwendung von § 181 1. Alt. BGB zu begegnen.Randnummer18

Es entspricht der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, dass § 181 1. Alt. BGB jedenfalls entsprechend heranzuziehen ist, wenn der Vertreter eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung einer GmbH sich mit den Stimmen der von ihm vertretenen Person selbst zum Geschäftsführer bestellt, da in diesem Fall in seiner Person ein Interessenkonflikt vorliegt, wie in § 181 1. Alt. BGB zum Gegenstand hat. Durch diese Vorschrift soll verhindert werden, dass verschiedene und damit möglicherweise einander entgegenstehende interessen durch ein und dieselbe Person vertreten werden, solange dies nicht durch Gesetz oder Vollmacht gestattet ist, weil ansonsten stets die Gefahr der Schädigung eines Teils besteht (vgl. etwa Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.12.1968, Az. II ZR 57/67, zitiert nach juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, aaO; dessen Anwendbarkeit wohl voraussetzend auch Oberlandesgericht München, aaO; Hopt/Roth, aaO, Rn, 72; Spindler, aaO, Rn. 28 unter Aufgabe seiner bisherigen Ansicht, mit einer Vielzahl weiterer Nachweise; Mertens/Cahn, aaO; Schubert in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, § 181, Rn. 37, zitiert nach beck-online, mit dem Hinweis darauf, dass ein derartiger Beschluss regelmäßig zu einem Interessenkonflikt zwischen Vertreter und Vertretenem führt; Weinland in jurisPK-BGB, Stand 11.10.2021, § 181, Rn. 23, Kleindieck in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 6, Rn. 38; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff, § 47 GmbHG, Rn. 181, jeweils zitiert nach juris; Noack in Noack/Servatius/Hass, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 47, Rn. 60, zitiert nach beck-online; Götze, GmbHR 2001, 217 ff; Cramer, aaO; a.A. etwa Ziemons/Binnewies, aaO, Der Vorstand, Rn. 8.675 allerdings mit zweifelhafter Fußnotenangabe; Altmeppen in Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 47 Rn. 64, zitiert nach beck-online, der hier ausschließlich auf § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG abstellen will). Soweit das Oberlandesgericht Nürnberg (Beschluss vom 12.04.2018, Az. 12 W 669/18, zitiert nach juris) für den Fall einer Mitbeschlussfassung durch eine Mutter von minderjährigen Mitgesellschaftern zur Bestellung eines anderen Gesellschafters zum Geschäftsführer einer GmbH unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.09.1990 (Az. II ZR 167/89, zitiert nach juris) die Auffassung vertreten hat, dass § 181 BGB in diesem Fall nicht anwendbar sei, weil es sich bei der Geschäftsführerbestellung nicht um eine Satzungsänderung handele, diese auch nicht in das Verhältnis der Gesellschafter untereinander eingreife und der Bundesgerichtshof (aaO) entscheidend nicht nur auf die bloße Geschäftsführerbestellung, sondern auch auf den sie umsetzenden Anstellungsvertrag zur Anwendung von § 181 BGB abgestellt habe, um das von diesem bejahte Grundlagengeschäft als Voraussetzung dafür zu bejahen, dass § 181 BGB anzuwenden wäre, folgt der Senat dieser Ansicht jedenfalls für die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht. Zum einen stellte sich in der Sachverhaltskonstellation des Oberlandesgerichts Nürnberg schon nicht – der vorliegenden Sachverhaltskonstellation dann gegebenenfalls vergleichbar – die Frage, ob sich die Mutter der minderjährigen Gesellschafter auch selbst mit den Stimmen der von ihr vertretenen Minderjährigen zur Geschäftsführerin hätte bestellen können. Zum anderen kann der Senat auch nicht erkennen, dass der Bundesgerichtshof in der vom Oberlandesgericht Nürnberg in Bezug genommenen Entscheidung grundsätzlich die Anwendung von § 181 BGB davon abhängig machen will, dass nicht nur ein entsprechender Gesellschafterbeschluss über die Geschäftsführerbestellung gefasst wird, sondern auch zwingend ein diese Beschlussfassung umsetzender Anstellungsvertrag geschlossen worden sein muss. So lautet der diesem Urteil des Bundesgerichtshofs, dem die Bestellung eines Geschäftsführers bei einer Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
zugrunde lag, bei juris vorangestellte Leitsatz auch nur: § 181 BGB findet Anwendung, wenn sich ein Gesellschafter, der von anderen Gesellschaftern zu ihrer Vertretung in Gesellschafterversammlungen bevollmächtigt ist, mit den Stimmen seiner Vollmachtgeber zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt“. Davon abgesehen, dürfte im Übrigen von dem entsprechenden Abschluss eines derartigen Anstellungsvertrags bei lebensnaher Auslegung in allen Fällen einer Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
Geschäftsführer
einer GmbH auszugehen sein.Randnummer19

Ausgehend hiervon fällt vorliegend die Stimmabgabe zur Wahl der Geschäftsführer C und B unter § 181 1. Alt. BGB.Randnummer20

b. Daran ändert sich entgegen der Ansicht des verfahrensbevollmächtigten Notars auch nicht deswegen etwas, weil die Alleingesellschafterin bei der Stimmabgabe zur Beschlussfassung nicht durch ihre beiden Vorstände C und B vertreten wurde, sondern durch D, dem die beiden genannten Vorstände für die Alleingesellschafterin eine entsprechende Vollmacht erteilt hatten. Insoweit geht das Registergericht im Ergebnis zu Recht von dem Grundsatz aus, dass ein Vertreter – hier also die beiden genannten Vorstände als Vertretungsorgane der Alleingesellschafterin – nicht mehr Rechte auf einen Untervertreter – hier also D – übertragen kann, als ihm selbst zustehen. § 181 BGB kann also in den Fällen, in denen der eigentliche Vertreter von der Vornahme einer Handlung nach § 181 BGB ausgeschlossen wäre, nicht durch Einschaltung eines Untervertreters umgangen werden. Dies entspricht der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung in Literatur, der sich der Senat anschließt (vgl. etwa Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.09.1990, aaO, mwN; Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.04.2009, Az. II ZR 167/07, zitiert nach beck-online, zum Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 S. 1 GmbHG mit dem Hinweis, dass von einem Stimmverbot des Hauptvertreters auch derjenige betroffen ist, dem der Hauptvertreter Vollmacht erteilt hat; Drescher in Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Aufl. 2019, § 47, Rn. 191 mwN; zum Streitstand vergleiche etwa auch die Übersicht bei Suttmann in MittBayNot, 2011, 1 ff, 5 auch zur vereinzelten Gegenauffassung in der Literatur, wonach § 181 BGB bei Einschaltung eines Untervertreters nicht anwendbar sein soll, jedenfalls dann, wenn der Unterbevollmächtigte nicht weisungsabhängig sei oder keine Umgehungsabsicht bestehe. Auf letztere Ansicht will wohl der verfahrensbevollmächtigte Notar mit seinem Hinweis abstellen, dass im konkreten Einzelfall eine Umgehung des Schutzzwecks von § 181 1. Alt. BGB in keiner Weise beabsichtigt gewesen sei, vielmehr sei der natürlichen Person D eine abstrakte Vollmacht ausgestellt worden und es sei hier als Zufall anzusehen, dass sich die Vorstandsmitglieder der Alleingesellschafterin auch als Geschäftsführer der Gesellschaft wiederfänden). Der Bevollmächtigte D unterlag somit denselben Beschränkungen wie die Vorstände der Alleingesellschafterin C und B.Randnummer21

Auf die von dem verfahrensbevollmächtigten Notar angeführte Differenzierung einer Vertretungshandlung des D für die Alleingesellschafterin und nicht für die Vorstände C und B (Schriftsatz vom 29.06.2020 an das Registergericht) kann es im vorliegenden Zusammenhang somit ersichtlich nicht ankommen.Randnummer22

Es ist auch nicht so, dass, wie der verfahrensbevollmächtigte Notar meint, dann die natürliche Person des D niemals Vertreter der Alleingesellschafterin sein könne. Solange sich die Vertretung innerhalb der eigenen Rechte der bevollmächtigenden Vorstände bewegt, ist vielmehr grundsätzlich eine Vollmacht nicht ausgeschlossen (zum Verbot einer umfassenden Generalvollmacht, mit der eine organgleiche Vertretungsmacht geschaffen werden soll, und die im vorliegenden Fall nicht erteilt worden ist, siehe allerdings etwa Senat, Beschluss vom 07.11.2011, Az. 20 W 459/11, zitiert nach juris, zur GmbH).Randnummer23

Auch soweit der verfahrensbevollmächtigte Notar darauf hinweist, dass dann, wenn es einen weiteren Vorstand gebe, der nicht Geschäftsführer der Tochtergesellschaft werden solle, dieser ohne Zweifel dazu berufen sei, eine rechtsgeschäftliche Vollmacht an D zu vergeben, verkennt er die vorliegende Problematik. Insoweit hat bereits das Registergericht in seinem Nichtabhilfebeschluss zutreffend darauf hingewiesen, dass dann, wenn die Vollmacht etwa durch einen anderen einzelvertretungsberechtigten Vorstand erteilt worden wäre, der nicht zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt worden wäre, D tatsächlich C und B zu Geschäftsführern hätte bestellen können.Randnummer24

c. Der Senat sieht auch keine Gründe dafür, dass § 181 1. Alt. BGB in der vorliegenden Konzernsituation nicht anwendbar sein sollte. Zwar hat der verfahrensbevollmächtigte Notar, nachdem er im Verfahren vor dem Registergericht zunächst die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 181 BGB für Fälle wie den vorliegenden als eröffnet angesehen hat, nunmehr vor dem Senat die Ansicht vertreten, dass § 181 BGB in der vorliegenden Konzernsituation keine Anwendung finde. Dabei hat er allerdings in seiner Argumentation nur allgemein auf § 181 BGB abgestellt und nicht konkret auf § 181 1. Alt BGB. Der Streit über die Anwendung von § 181 BGB in der Konzernsituation betrifft jedoch überwiegend die Anwendung von § 181 2. Alt. BGB, also das Verbot der Mehrfachvertretung innerhalb eines Konzerns (so verhält sich etwa auch die von dem verfahrensbevollmächtigten Notar für seine Ansicht zitierte Fundstelle bei Timm, AcP 193 [1993], 423 ff. ausschließlich zur Frage der Anwendung des Verbots der Mehrfachvertretung gemäß § 181 2. Alt. BGB im Konzernverbund). Dabei ist es streitig, ob § 181 BGB jedenfalls in diesem Kontext teleologisch zu reduzieren ist, was aber auch insoweit und auch im Übrigen von der wohl überwiegenden Auffassung abgelehnt wird, wobei im Einzelnen auch differenziert wird im Hinblick auf die Anwendung im faktischen Konzern bzw. im Vertragskonzern sowie im GmbH-Verbund und im Aktienkonzern (vergleiche zum Streitstand – neben den von dem verfahrensbevollmächtigten Notar in seinem Schriftsatz an den Senat vom 10.11.2021 genannten Fundstellen – etwa Schilken in Staudinger, BGB, Stand 25.05.2021, § 181, Rn. 21 zitiert nach juris; Suttmann, aaO; Schubert, aaO, 37, 42; Maier-Reimer/Finkenauer in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 181, Rn. 25, zitiert nach juris; Kleindiek, aaO, § 35 Rn. 50; der Bundesgerichtshof hat etwa in einem Urteil vom 27.03.1985, Az. VIII ZR 5/84, zitiert nach juris, in einer dortigen Konzernsituation nicht problematisiert, ob ein Ausschluss der Anwendung von § 181 BGB in diesem Kontext möglich gewesen wäre, sondern vielmehr die Voraussetzung des § 181 BGB ohne Weiteres geprüft, einen Verstoß dort jedoch verneint). Der Senat kann jedenfalls für den vorliegenden Fall der Selbstbestellung des Vorstands einer Mutter-AG zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH nicht erkennen, dass dem insoweit bestehenden Interessenkonflikt zwischen dem Vorstand als natürlicher Person, die gerade nicht Teil der Konzernstruktur mit den dort möglicherweise vorherrschenden gleichen interessen ist, ohne Anwendung von § 181 1. Alt. BGB in ausreichender Form begegnet werden könnte. Daran ändert auch der Hinweis des verfahrensbevollmächtigten Notars darauf nichts, dass dann, wenn wie hier Tochtergesellschaft eine GmbH ist, die gleichen Grundsätze wie bei einem Vertragskonzern gelten müssten, bei dem nach seiner Lesart § 181 BGB teleologisch zu reduzieren sei, da der Alleingesellschafter einer GmbH immer als befugt anzusehen sei, dem Geschäftsführer der GmbH Weisungen zu erteilen, denen dann auch gefolgt werden müsse. Ob der Alleingesellschafter einer GmbH im Nachhinein auf einen ihm nicht genehmen Selbstbestellungsakt seines Organvertreters über den Wortlaut von § 37 Abs. 1 GmbHG hinaus auch positiv gebietende Weisungen erlaubt, ändert nichts daran, dass der Alleingesellschafter auch insoweit von dem sich selbst bestellenden Geschäftsführer der Tochter-GmbH hinsichtlich deren Ausführungen zunächst abhängig bleibt und nicht anstelle des Geschäftsführers handeln kann. Möglich bleiben dann auf Ebene der Tochter-GmbH bei Nichtbeachtung zwar die Haftung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
Haftung des Geschäftsführers
(§ 43 GmbHG) und gegebenenfalls Klage und Zwangsvollstreckung (so ausdrücklich auch Beuerskens in der von dem verfahrensbevollmächtigten Notar für seine Ansicht in Bezug genommenen Fundstelle bei Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 22. Aufl. 2019, Rn. 35, zitiert nach beck-online). Auf Ebene der Mutter-AG bleibt daneben zwar auch die Möglichkeit des Widerrufs der Bestellung des sich selbst zum Geschäftsführer bestellenden Vorstands der Mutter-AG durch deren Aufsichtsrat (§ 84 Abs. 3 AktG) und Neubestellung eines anderen Vorstands, mit dessen Organhandeln die Mutter-AG sodann den sich selbst bestellenden Geschäftsführer auf Ebene der Tochter-GmbH abberufen könnte (§ 46 Nr. 5 GmbHG). All diese aufwändigen Abläufe können aber nur im Nachhinein einen eventuell von Anfang an bestehenden Interessenwiderstreit zwischen Mutter-AG und ihrem sich selbst zum Geschäftsführer bestellenden Vorstand regeln. Auch dies spricht gegen eine teleologische Reduzierung des Anwendungsbereichs von § 181 1. Alt. BGB in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation.Randnummer25

d. Die Folge der Anwendung von § 181 1. Alt. BGB ist dann, wenn eine Gestattung zur Vornahme der Geschäftsführerbestellung durch eine vertretene Gesellschafterin nicht besteht, nicht die Nichtigkeit der Bestellung, sondern deren schwebende Unwirksamkeit (vgl. etwa Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.12.1968, aaO, Bayerisches Oberlandesgericht, aaO; Kleindiek, aaO; Karsten Schmidt, aaO, Rn. 182). In diesem Fall kann die Genehmigung nach wohl überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, auch von dem jeweiligen Bestellungsorgan des Vertretenen – im Falle einer Aktiengesellschaft als Gesellschafterin also durch den Aufsichtsrat – erfolgen (vgl. etwa Suttmann, aaO, mwN; Mertens/Cahn, aaO, mwN, mit der Begrifflichkeit einer „Gestattung“, die im Wege der Zustimmung nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG erteilt werden könne; Hopt/Roth, aaO, Rn. 112 ebenfalls mit der Begrifflichkeit einer „Gestattung“, was aber jeweils in der Sache auch eine nachträgliche Genehmigung erfassen sollte; teilweise wird insoweit allerdings auf die Möglichkeit des Aufsichtsrats zur Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht zur entsprechenden Stimmabgabe abgestellt, so etwa Götze, aaO, Landgericht Berlin, aaO).Randnummer26

Für das Vorliegen einer vorausgehenden Zustimmung durch den Aufsichtsrat der Alleingesellschafterin gibt es vorliegend keinen Anhalt. Auch eine allgemeine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB ist den D bevollmächtigenden Vorständen C und B nicht erteilt gewesen (zur Frage, ob eine derartige Befreiung von den Beschränkungen des § 181 1. Alt BGB überhaupt zulässig gewesen wäre, vgl. etwa Cramer, aaO, mwN zum Streitstand).Randnummer27

Somit verlangt das Registergericht also zu Recht die Vorlage einer Genehmigung des Aufsichtsrats der Alleingesellschafterin zur Bestellung von C und B zu Geschäftsführern der Gesellschaft in der Gesellschafterversammlung vom 05.12.2019.Randnummer28

e. Soweit das Registergericht darüber hinaus auch die Vorlage der Genehmigung durch den Aufsichtsrat „samt zusätzlicher Befreiung der Vorstände von den Beschränkungen des § 181 BGB 1. Variante für den konkreten Einzelfall“ verlangt, kann es Derartiges nicht verlangen, da es hier ersichtlich alleine um die nachträgliche Genehmigung der unter Verstoß gegen das gesetzliche Verbot des § 181 1. Alt. BGB bereits erfolgten Geschäftsführerbestellung geht.Randnummer29

f. Letztlich steht dem Verlangen des Registergerichts auch § 47 Abs. 4 S. 2 1. Alt. GmbHG nicht entgegen, wonach ein Gesellschafter bei Beschlüssen, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm betreffen, nicht mitstimmen darf.Randnummer30

Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen dieses Stimmverbot wäre allerdings nach herrschender Auffassung die Nichtigkeit der abgegebenen Stimme wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB; vgl. etwa Hillmann in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 47 GmbHG, Rn. 82, mwN; Schindler in BeckOK, GmbHG, Stand 01.05.2021, § 47, Rn. 150, mwN). Sollte § 47 Abs. 4 S. 2 1. Alt. GmbHG also vorliegend Anwendung finden und zur Nichtigkeit der Stimmabgabe des D führen, würde das Registergericht, das die Anwendung von § 47 Abs. 4 S. 2 1. Alt. GmbHG nicht weiter problematisiert hat, eine Genehmigung des Aufsichtsrats zu Unrecht fordern. Eine solche Genehmigung könnte keinen Einfluss mehr auf die Wirksamkeit des Bestellungsbeschlusses haben, vielmehr bedürfte es dann dessen Neuvornahme.Randnummer31

Dabei kann der Senat die streitige Frage offenlassen, ob § 47 Abs. 4 S. 2 1. Alt. GmbHG eine Spezialnorm zu § 181 BGB ist, und in seinem Anwendungsbereich auf das Verbot von In-Sich-Geschäften nicht zurückgegriffen werden kann (so etwa Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 16.06.2011, Az. I-22 U 102/10, zitiert nach beck-online, Schubert, aaO, Rn. 37, § 47 Abs. 4 GmbHG sei lex specialis zu § 181 BGB; Altmeppen, aaO) oder ob § 181 BGB von § 47 GmbHG aufgrund unterschiedlicher Anwendungsbereiche – zum einen der Interessenskonflikt zwischen Vertreter und Vertretenem (§ 181 BGB) und zum anderen zwischen Vertreter und Gesellschaft (§ 47 GmbHG) – in seiner Anwendung nicht verdrängt wird (so etwa Karsten Schmidt, aaO, Rn. 178; Noack, aaO, Rn. 95; Drescher, aaO, Rn. 223; Ganzer in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 47, Rn. 106 mwN zum Streitstand; Götze, aaO).Randnummer32

Der Senat schließt sich nämlich der von Cramer (aaO) überzeugend begründeten Ansicht an, dass das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 S. 2 1. Alt. GmbH im vorliegenden Fall der Selbstbestellung eines Organvertreters der Alleingesellschafterin zum Geschäftsführer deren Tochtergesellschaft keine Anwendung findet.Randnummer33

Dabei ergibt sich der Ausschluss von dessen Anwendung allerdings nicht schon daraus, dass sich dieses nach der gesetzlichen Regelung dem Wortlaut nach nur auf einen Gesellschafter, nicht jedoch auf dessen organschaftlichen Vertreter bezieht. § 47 Abs. 4 GmbHG wird nach seinem Sinn und Zweck auch auf einen Nicht-Gesellschafter analog angewandt, wenn er in der Gesellschafterversammlung das Stimmrecht aus einem fremden Anteil ausübt und er, wäre er selbst Gesellschafter, dem genannten Stimmverbot unterläge (vgl. Cramer, aaO, mwN).Randnummer34

Auch ergibt sich der Ausschluss der Anwendung von § 47 Abs. 4 S. 2 1. Alt. GmbHG nicht schon unmittelbar aus der Überlegung, dass dieser nach wohl mittlerweile einhelliger Ansicht keine Anwendung findet auf die Stimmabgabe des Gesellschafters über die eigene Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
Geschäftsführer
(vgl. etwa Cramer, aaO, mwN; Karsten Schmidt, aaO, Rn. 110, 118 mit einer Vielzahl weiterer Nachweise; in diesem Zusammenhang vgl. auch Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.12.1968 mwN). Denn die hierfür bestehende Begründung für die dann einschränkende Auslegung des § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 09.12.1968, aaO) darin, dass ein Gesellschafter, je stärker er an der Gesellschaft beteiligt sei, umso enger mit deren Schicksal verbunden sei und deshalb seine eigenen interessen in der Regel am besten fördern könne, wenn er dem Wohl der Gesellschaft diene. Infolgedessen sei bei einem Gesellschafter, der über seine Wahl zum Geschäftsführer selbst mitbestimme, im Allgemeinen nicht zu befürchten, er werde seine eigenen Belange über die der Gesellschaft stellen, so dass in diesem Fall die Gefahr einer Schädigung von Gesellschaftsinteressen, der § 47 Abs. 4 GmbHG mit seinem Stimmrechtsausschluss begegnen wolle, verhältnismäßig gering sei. Der vorliegende Fall ist jedoch andersgeartet, da hier eine organschaftliche Vertretung der Alleingesellschafterin vorliegt und das persönliche Interesse am Abstimmungsergebnis nicht zwingend durch ein gleich starkes oder vorrangiges eigenes Interesse am Gedeihen der Gesellschaft aufgewogen wird, sodass hier der Interessenkonflikt wie auch in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (aaO) in voller Schärfe hervortritt, so dass man in diesem Fall grundsätzlich an eine Anwendung von § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG denken könnte.Randnummer35

Mit Cramer (aaO, mwN auch zur Gegenansicht) ist jedoch davon auszugehen, dass dieser besondere Interessenkonflikt seine maßgebliche Grundlage darin hat, dass das Vorstandsmitglied im Rahmen der Stimmabgabe seine persönlichen interessen den interessen der Mutter-AG überordnen könnte und nicht auf Ebene der Tochter-GmbH zu sehen ist. Da jedoch § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG auf diejenigen Fälle beschränkt ist, in denen der Interessenkonflikt dem Verhältnis zur GmbH zuzuordnen ist, während bei einem Interessenkonflikt zwischen Vertreter und Vertretenem § 181 1 Alt. BGB Anwendung findet, scheidet eine Anwendung von § 47 Abs. 4 S. 2 1. Alt GmbHG auch in der vorliegenden Konstellation aus. Hiervon scheint im Übrigen auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 09.12.1968 (aaO) ausgegangen zu sein, nachdem er dort, obwohl es sich ebenfalls um eine Beschlussfassung auf einer GmbH-Gesellschafterversammlung handelte, zwar für seine Argumentation auf § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG abgestellt hat und grundsätzlich die Voraussetzungen für dessen Anwendung im dortigen Fall auf den als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des Gesellschafters über seine Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
Geschäftsführer
beschließenden Testamentsvollstrecker bejaht hat, dann für sein Ergebnis trotzdem nicht auf § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG abgestellt hat sondern auf § 181 BGB (insoweit a. A. allerdings für den Fall des Richtens des Testamentsvollstreckers in eigener Sache Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.05.2014, Az. II ZR 250/12, zitiert nach juris).Randnummer36

Somit kommt es hier auch nicht mehr darauf an, ob die in § 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags der in Gründung befindlichen Gesellschaft enthaltene Regelung – wonach Gesellschafter auch in eigenen Angelegenheiten stimmberechtigt sind, soweit es nicht um Beschlüsse geht, die ihre eigene Entlastung, ihre Befreiung von einer VerbindlichkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Befreiung
Befreiung von einer Verbindlichkeit
oder Maßnahmen aus wichtigem Grund gegen den Gesellschaft zum Inhalt haben oder soweit in dem Gesellschaftsvertrag nicht abweichend geregelt – zum einen schon zum jetzigen Zeitpunkt Anwendung finden könnte und zum anderen auch entsprechend auf die Stimmausübung von Vorständen der Alleingesellschafterin in eigener Sache der Selbstbestellung zum Geschäftsführer Anwendung finden könnte.Randnummer37

3. Im Hinblick auf den Teilerfolg der Beschwerde ist die Haftung der Gesellschaft für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens erloschen, nachdem der Senat insoweit keine Veranlassung für eine anderweitige Kostenentscheidung sieht (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG).Randnummer38

Die Entscheidung über die Nichterstattung etwaiger notwendiger Aufwendungen der Gesellschaft im Verfahren der Beschwerde beruht auf § 81 FamFG, nachdem ein weiterer Beteiligter, dem insoweit hätten notwendige Aufwendungen der Gesellschaft etwa teilweise hätten auferlegt werden können, am Verfahren nicht beteiligt ist.Randnummer39

Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG, nachdem jedenfalls zur Frage der streitentscheidenden Anwendung von § 181 1. Alt BGB und von § 47 Abs. 4 GmbHG in der Rechtsprechung und der Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten werden, und diese Frage über den vorliegenden Einzelfall hinaus auch grundsätzliche Bedeutung hat.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Tochter-GmbH I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: AktG § 112, Befreiung vom Verbot des § 181 BGB, Bestellung zum Geschäftsführer, Geschäftsführer, Gesellschafterversammlung, GmbHG § 47 Abs. 4 S. 2, Tochter-GmbH, Unwirksame Stimmen nach § 181 BGB, Vorstand