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BFH, Urteil vom 07.11.2007 – II R 28/06

BGB §§ 362, 185; ErbStG § 7; EStG § 20

1. Zahlt eine GmbH auf Veranlassung eines Gesellschafters einer diesem nahestehenden Person überhöhte Vergütungen, liegt regelmäßig keine freigebige Zuwendung des Gesellschafters an die nahestehende Person gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. Eine gemischte freigebige Zuwendung kann jedoch im Verhältnis der GmbH zur nahestehenden Person gegeben sein.

2. Erforderlich für das Vorliegen einer Schenkung unter Lebenden (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 516 Abs. 1 BGB) ist eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten (BFH-Urteil vom 6. März 1985 II R 19/84, BFHE 143, 291, BStBl II 1985, 382). Wer Zuwendender ist, bestimmt sich nach der Ausgestaltung der geschlossenen Verträge unter Einbeziehung ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie den mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Zielen der Parteien (BFH-Urteil vom 10. März 2005 II R 54/03, BFHE 208, 447, BStBl II 2005, 412). Der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, muss sich nicht vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben und wesensgleich übergehen. „Entreicherungsgegenstand“ und „Bereicherungsgegenstand“ brauchen nicht identisch zu sein (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 44/02, BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188).

3. Eine Vermögensverschiebung zwischen dem Zuwendenden und dem Bedachten kann auch unter Einbeziehung eines Dritten bewirkt werden, und zwar dadurch, dass ein Schuldner des Zuwendenden auf dessen Aufforderung hin eine diesem zustehende Forderung durch unmittelbare Leistung an den Bedachten gemäß § 362 Abs. 2 i.V.m. § 185 BGB erfüllt (Abkürzung des Leistungswegs). Ob es sich bei dieser Vermögensverschiebung um eine freigebige Zuwendung des Zuwendenden an den Bedachten handelt, richtet sich nach dem zwischen ihnen bestehenden Innenverhältnis.

4. Ein derartiger abgekürzter Leistungsweg liegt nicht vor, wenn eine GmbH an eine Person, die einem ihrer Gesellschafter nahesteht, überhöhte Vergütungen für erbrachte Arbeitsleistungen zahlt und die unangemessenen Teile der Vergütungen ertragsteuerrechtlich als vGA zu beurteilen sind. In einem solchen Fall fehlt es an der für eine freigebige Zuwendung erforderlichen Vermögensverschiebung zwischen dem Gesellschafter und der diesem nahestehenden Person.

5. Eine vGA einer GmbH i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ist dadurch gekennzeichnet, dass die GmbH ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass oder zumindest ihre Mitveranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat. Das ist der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006 VIII R 31/05, BFHE 216, 214, BStBl II 2007, 393, m.w.N.).

6. Eine vGA kann auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahestehende Person ist unabhängig davon als vGA zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat, soweit andere Ursachen für die Zuwendung als das Nahestehen des Empfängers zu dem Gesellschafter auszuschließen sind (BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 54/05, BStBl II 2007, 830, m.w.N.)

7. Liegt danach eine vGA vor, so ist die Zuwendung zu Lasten der GmbH ertragsteuerrechtlich so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter den Vorteil erhalten und diesen an die nahestehende Person weitergegeben. Bei dem Gesellschafter handelt es sich um eine einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Einkommensverwendung (BFH-Urteil in BStBl II 2007, 830, m.w.N.).

8. Diese auf einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise in Form einer Fiktion beruhende ertragsteuerrechtliche Beurteilung kann auf die Schenkungsteuer nicht übertragen werden. Jeder gesetzliche Tatbestand ist aus sich selbst heraus –nach seiner eigenen, spezifischen Teleologie– auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 2005 II R 18/03, BFHE 208, 441, BStBl II 2005, 489). Die Erbschaft- und SchenkungsteuerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ist Verkehrsteuer. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist auf Steuerarten, welche an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfen, nicht oder zumindest nur nach Sachlage des Einzelfalles anwendbar (BFH-Urteil vom 22. September 1982 II R 61/80, BFHE 137, 188, BStBl II 1983, 179, m.w.N.). Für eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 29. November 2006 II R 42/05, BFHE 215, 529, BStBl II 2007, 319, m.w.N.).

9. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn die vGA zu einem Schadensersatzanspruch der GmbH gegen den Gesellschafter etwa wegen Treupflichtverletzung oder wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz führt (zu den Voraussetzungen eines solchen Anspruchs vgl. Ulmer/Müller, GmbHG, Großkommentar, 2006, § 29 Rz 168, 169; Zacher, Verdeckte (Gewinn-)Ausschüttungen in der GmbH aus zivilrechtlicher Sicht, Deutsches Steuerrecht 1994, 138; Canaris, Die Rückgewähr von Gesellschaftseinlagen durch Zuwendungen an Dritte, Festschrift für Fischer, 1979, 31 ff., jeweils m.w.N.). Auch wenn im Einzelfall ein solcher Anspruch besteht, fehlt es an der erforderlichen zivilrechtlichen Übertragung von Vermögen vom Zuwendenden auf den Bedachten.

10. Eine Bereicherung der dem Gesellschafter nahestehenden Person, die den Vermögensvorteil (überhöhte Vergütungen) unmittelbar von der GmbH erhalten hat, auf Kosten des Gesellschafters kann auch nicht damit begründet werden, dass sich durch die Gewährung des Vermögensvorteils der Wert des Geschäftsanteils des Gesellschafters vermindert habe. Diese Wertminderung ist nämlich eine bloße Folge der Verringerung des Gesellschaftsvermögens und daher schenkungsteuerrechtlich unbeachtlich. Die GmbH erbringt die Leistung aus ihrem Gesellschaftsvermögen. Die rechtliche Eigenständigkeit des Gesellschaftsvermögens der GmbH als juristische Person ist insoweit ebenso entscheidend wie bei Einlagen eines Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen einer GmbH, die schenkungsteuerrechtlich nicht zu einer Bereicherung der anderen Gesellschafter führt, obwohl sich durch die Mehrung des Betriebsvermögens der Wert ihrer Geschäftsanteile erhöht (BFH-Urteile vom 25. Oktober 1995 II R 67/93, BFHE 179, 157, BStBl II 1996, 160, und vom 19. Juni 1996 II R 83/92, BFHE 181, 88, BStBl II 1996, 616).

Schlagworte: Erbschaft- und Schenkungsteuer, freigebige Zuwendung, Gleichbehandlung, Nahestehende Person, Schadensersatzanspruch, Steuerrecht, Treuepflicht, verdeckte Gewinnausschüttung