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BFH, Urteil vom 09. Juli 2014 – II R 49/12

§ 1 Abs 2a GrEStG 1997 vom 24.03.1999, § 8 Abs 2 S 1 Nr 3 GrEStG 1997 vom 24.03.1999, § 39 Abs 2 Nr 1 AO, § 105 Abs 3 HGB, § 161 Abs 2 HGB, § 140 BGB, § 717 S 1 BGB

1. Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes kann sich aus schuldrechtlichen Bindungen des an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafters ergeben, so dass dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen einem Dritten (Neugesellschafter) zuzurechnen ist.

Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes kann nicht nur dadurch eintreten, dass sich die Beteiligungsverhältnisse bei einer an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Kapital- oder Personengesellschaft ändern (dazu BFH-Urteil in BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833). Ebenso kann sich –ebenfalls jenseits der zivilrechtlichen Ebene– auch aus schuldrechtlichen Bindungen des an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafters ergeben, dass dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen einem Dritten (Neugesellschafter) zuzurechnen ist. Auch derartige Rechtsvorgänge können es nach den § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegenden Wertungen rechtfertigen, den Dritten wie einen neuen Gesellschafter zu behandeln und die Zurechnung des Anteils dem zivilrechtlichen Erwerb des Anteils durch einen neuen Rechtsträger gleichzustellen.

 

2. Für diese Zurechnungsentscheidung kann unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden.

Für die insoweit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung kann unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden. Zwar ist § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und daher naturgemäß auf Steuerarten, welche an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfen, nicht oder zumindest nur nach Sachlage des Einzelfalles anwendbar (BFH-Urteil vom 22. September 1982 II R 61/80, BFHE 137, 188, BStBl II 1983, 179). Soweit das GrEStG Grundstücksumsätze durch Anknüpfung an einen bürgerlich-rechtlichen Rechtsvorgang mittels Verwendung von Begriffen des bürgerlichen Rechts besteuert, scheiden eine Zuordnung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO grundsätzlich aus (z.B. BFH-Urteil vom 29. September 2004 II R 14/02, BFHE 207, 59, BStBl II 2005, 148; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler –HHSp–, § 39 AO Rz 60). § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist aber nach diesen Grundsätzen auch im Grunderwerbsteuerrecht anwendbar, wenn und soweit die Auslegung eines im GrEStG verwendeten gesetzlichen Merkmals ergibt, dass es nicht auf die zivilrechtlichen, sondern auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten ankommt. Dies ist bei dem Merkmal der „mittelbaren Änderung“ des Gesellschafterbestandes der Fall. In Anlehnung an die für § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO geltenden Grundsätze können es demgemäß auch schuldrechtliche Vereinbarungen rechtfertigen, einen Anteil am Gesellschaftsvermögen einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft abweichend von der zivilrechtlichen Zuordnung zum (Alt-)Gesellschafter einem Dritten (fiktiver Neugesellschafter) zuzurechnen. Die Grundlage einer solchen Zurechnung aufgrund wirtschaftlichen Eigentums ist nicht auf bestimmte Vertragstypen beschränkt.

Schlagworte: Geschäftsanteil Abtretung, Grunderwerbsteuer, grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung