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BFH, Urteil vom 10. September 2015 – IV R 49/14

§ 3 UmwStG 1995, § 4 UmwStG 1995, § 14 S 1 UmwStG 1995, Art 19 Abs 4 GG, § 5 Abs 2 EStG 2002, § 8 Abs 1 KStG 2002, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, KStG VZ 2005, KStG VZ 2006, § 3 UmwStG 1977, Art 3 Abs 1 GG, § 25 S 1 UmwStG 1995, § 20 Abs 2 S 1 UmwStG 1995

§ 3 UmwStG 1995 gewährt der übertragenden Körperschaft neben einem Bewertungswahlrecht auch das Recht, in ihrer Schlussbilanz selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter anzusetzen (entgegen BMF-Schreiben vom 25. März 1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 03.03. und 03.07.) .

Entgegen der Auffassung des FA war die Z-GmbH zur Aktivierung des selbst geschaffenen Firmenwertes und ihres Auftragsbestands in ihrer Schlussbilanz berechtigt. Nach § 14 Satz 1 i.V.m. § 3 Satz 1 UmwStG 1995 kann die übertragende Gesellschaft die Wirtschaftsgüter in ihrer Schlussbilanz mit dem Buchwert oder einem höheren Wert ansetzen. Zu Recht hat das FG entschieden, dass § 3 Satz 1 UmwStG 1995 neben einem Bewertungswahlrecht (ebenso bereits BFH-Urteile in BFHE 211, 472, BStBl II 2006, 568, zur formwechselnden Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft; vom 5. Juni 2007 I R 97/06, BFHE 218, 226, BStBl II 2008, 650, zur Verschmelzung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft) ein allgemeines Ansatzwahlrecht enthält, das die übertragende Körperschaft berechtigt, in ihrer steuerlichen Schlussbilanz in Durchbrechung des Aktivierungsverbots des § 5 Abs. 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes auch selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter anzusetzen. Dies ergibt sich aus dem gegenüber § 3 UmwStG 1977 geänderten Wortlaut des § 3 UmwStG 1995 unter Bezugnahme auf die Begründung des Gesetzentwurfs für diese Neufassung (ebenso z.B. Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl., § 3 UmwStG Rz 32, 85; Brinkhaus in Haritz/Benkert, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 3 Rz 99 ff.; anderer Ansicht z.B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 25. März 1998 IV B 7 – S 1978 – 21/98, BStBl I 1998, 268, Tz. 03.03. und 03.07.). Nach § 3 UmwStG 1977 waren in der steuerlichen Schlussbilanz der Kapitalgesellschaft nur „die nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung auszuweisenden Wirtschaftsgüter“ anzusetzen. Danach durften selbst geschaffene oder unentgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aufgrund des Verweises auf das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG nicht in der Schlussbilanz angesetzt werden (z.B. BFH-Urteile vom 16. Mai 2002 III R 45/98, BFHE 199, 254, BStBl II 2003, 10, und vom 22. Februar 2005 VIII R 89/00, BFHE 209, 224, BStBl II 2005, 624). Bei der Neuregelung des § 3 UmwStG 1995 ist dieser Verweis auf die steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften jedoch nicht aus der Vorgängerregelung übernommen worden. § 3 Satz 1 UmwStG 1995 nennt lediglich das „Vermögen der übertragenden Körperschaft“ und regelt, dass „die Wirtschaftsgüter“ in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft mit dem Buchwert oder einem höheren Wert angesetzt werden können. Eine Bezugnahme auf die steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung findet sich nur noch im Rahmen der Definition des Buchwerts in Satz 3 des § 3 UmwStG 1995, demzufolge Buchwert der Wert ist, der sich nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung ergibt. Schon der im Hinblick auf die Bezugnahme auf die steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften –und damit auf § 5 Abs. 2 EStG– unterschiedliche Wortlaut spricht danach dafür, dass § 3 UmwStG 1995 anders als die Vorgängerfassung der übertragenden Gesellschaft auch ein Ansatzwahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter gewährt. Für diese Auslegung spricht zudem die Begründung des Gesetzentwurfs des § 3 UmwStG 1995. Dort heißt es: „In Anlehnung an die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes hat die übertragende Körperschaft das Wahlrecht, die Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlußbilanz mit dem Buchwert oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem Teilwert anzusetzen. Der Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlußbilanz mit einem über dem Buchwert liegenden Wert kann von Vorteil sein, wenn die übertragende Körperschaft noch einen nicht ausgeglichenen Verlust hat.“ (BTDrucks 12/6885, S. 16). Abgestellt wird also ausdrücklich auf die Bewertung der „übergehenden“ Wirtschaftsgüter und nicht lediglich auf die „nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung auszuweisenden“, d.h. die bereits bilanzierten Wirtschaftsgüter. Durch die Einbeziehung selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter wird das gesetzgeberische Ziel, nicht ausgeglichene Verluste nicht untergehen zu lassen, eher erreicht, als wenn diese nicht angesetzt werden dürften. Nicht zuletzt spricht auch die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 3 UmwStG 2006, der nun ausdrücklich auch nicht entgeltlich erworbene und selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter erfasst, dafür, dass ein entsprechendes Ansatzwahlrecht bereits in § 3 UmwStG 1995 enthalten war. So ging die Bundesregierung in der Begründung des Gesetzentwurfs davon aus, dass die Neufassung auch „für immaterielle Wirtschaftsgüter einschließlich des Firmenwertes, die nicht entgeltlich erworben wurden“ gelte, ohne eine entsprechende Klarstellung im Gesetzestext für erforderlich zu halten (BRDrucks 542/06, S. 18, 59). Die ausdrückliche Aufnahme immaterieller Wirtschaftsgüter in den Gesetzestext selbst erfolgte erst auf entsprechende Bitte des Bundesrates um Klarstellung (BTDrucks 16/2710, S. 62; BTDrucks 16/3315, S. 29; BTDrucks 16/3369, S. 9).

Die gegen die hier vertretene Auffassung gerichteten Einwände des FA greifen nicht durch. Wie dargelegt, ergibt sich jedenfalls unter Bezugnahme auf die Begründung des Gesetzentwurfs zur Neufassung des § 3 UmwStG 1995, dass von Satz 1 dieser Norm mit den „Wirtschaftsgüter(n)“ nicht lediglich die bereits bilanzierten, sondern alle übergehenden Wirtschaftsgüter erfasst werden, die danach in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft zu aktivieren sind. Insofern ergibt sich –entgegen der Auffassung des FA– kein Unterschied zu der –im Fall einer formwechselnden Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft nach § 25 Satz 1 UmwStG 1995 anzuwendenden– Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995, die für die in der Eröffnungsbilanz der aufnehmenden Gesellschaft anzusetzenden Wirtschaftsgüter auf „das eingebrachte Betriebsvermögen“ abstellt. Nicht zu überzeugen vermag der Einwand des FA, aus § 3 Satz 3 UmwStG 1995 folge, dass die übertragende Körperschaft in ihrer steuerlichen Schlussbilanz nur solche Wirtschaftsgüter ansetzen dürfe, denen dem Grunde nach ein Buchwert beigemessen werden könne, da sonst das Wahlrecht zum Buchwertansatz mangels eines „tatsächlichen“ Buchwerts leerlaufe; scheide danach bereits ein Buchwertansatz aus, gelte dies erst Recht für einen im Rahmen des Bewertungswahlrechts ausweisbaren höheren Wertansatz. Insoweit übersieht das FA, dass § 3 Satz 3 UmwStG 1995 gerade bei Annahme eines Ansatzwahlrechts für den Ansatz selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter von Bedeutung ist. Ein Buchwerttransfer soll gerade die steuerneutrale Umstrukturierung ermöglichen. Wählt die übertragende Gesellschaft den Buchwertansatz, so stellt § 3 Satz 3 UmwStG 1995 sicher, dass von ihr selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter, die mangels Aktivierung bislang keinen Buchwert haben, nicht bzw. mit einem Wert von Null angesetzt werden und nicht mit ihrem tatsächlichen Wert, der zu einer Gewinnauswirkung führen würde. Entgegen der Auffassung des FA bestehen auch keine sachlichen Gründe dafür, den Fall der formwechselnden Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, für den § 25 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 der in diesem Fall wahlrechtsberechtigten übernehmenden Gesellschaft ein Ansatzwahlrecht auch für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter gewährt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 211, 472, BStBl II 2006, 568), insoweit anders zu behandeln als den hier gegebenen umgekehrten Fall der formwechselnden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, weshalb der nämliche Vorgang einer formwechselnden Umwandlung aus der Sicht der übernehmenden Gesellschaft einen Anschaffungsvorgang, aus der Sicht der übertragenden Gesellschaft hingegen keinen Anschaffungsvorgang darstellen soll. Dementsprechend kann im Hinblick auf die Frage des Ansatzes selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter kein sachlicher Grund darin liegen, dass das Wahlrecht im einen Fall der übernehmenden Gesellschaft in ihrer Eröffnungsbilanz, im anderen Fall der übertragenden Gesellschaft in ihrer Schlussbilanz eingeräumt wird. Ein insoweit entscheidender Unterschied ergibt sich auch nicht daraus, dass auf die formwechselnde Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft nach § 25 Satz 1 UmwStG 1995 die Vorschriften über die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft (§§ 20 bis 23 UmwStG 1995), auf den umgekehrten Fall der formwechselnden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nach § 14 Satz 1 UmwStG 1995 hingegen die Vorschriften über die Verschmelzung auf eine Personengesellschaft (§§ 3 bis 8, 10 UmwStG 1995) für entsprechend anwendbar erklärt werden. Denn ebenso wie die Einbringung wird auch eine solche Verschmelzung als Veräußerungs- und Anschaffungsvorgang beurteilt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 22/96, BFHE 184, 435, BStBl II 1998, 168).

Die Sache ist spruchreif. War die Z-GmbH zur Aktivierung ihres Firmenwertes und ihres Auftragsbestands berechtigt, hatte aufgrund der in § 14 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 UmwStG 1995 angeordneten Bindungswirkung auch die Klägerin in ihrer Eröffnungsbilanz diese immateriellen Wirtschaftsgüter mit den von der Z-GmbH in ihrer Schlussbilanz angesetzten Werten, deren Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, zu aktivieren. Sie war danach in 2004 zur Gewinn mindernden Auflösung des Auftragsbestands und in den Streitjahren 2004 bis 2006 zur Gewinn wirksamen Vornahme von AfA auf den Firmenwert berechtigt, deren Höhe zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht streitig ist. Zu Recht hat danach das FG in dem angegriffenen Urteil die Steuerbescheide antragsgemäß geändert.

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