§ 69 S 1 AO 1977, § 34 AO 1977, § 5 AO 1977, § 191 Abs 1 AO 1977, § 102 FGO
1. § 69 Satz 1 AO 1977 hat Schadensersatzcharakter. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so betrifft die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Schmälerung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur einen Teil der Steuerschulden, und zwar in dem Umfang, in dem der GmbH-Geschäftsführer das FA gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. BFH-Rechtsprechung). Dies gilt nicht nur für die Umsatzsteuer, sondern auch für die nicht entrichtete Körperschaftsteuer.
Die Haftung nach § 69 Satz 1 AO 1977 beschränkt sich im Umfang auf den Betrag, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Die Vorschrift hat somit Schadensersatzcharakter (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 26.Juli 1988 VII R 83/87, BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859, 860). Stehen zur Begleichung der Steuerschulden keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so betrifft die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Schmälerung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur einen Teil der Steuerschulden, und zwar in dem Umfang, in dem die Klägerin das FA gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (BFH-Urteile vom 14.Juli 1987 VII R 188/82, BFHE 150, 312, BStBl II 1988, 172; vom 26.April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776; vom 17.Juli 1985 I R 205/80, BFHE 144, 329, BStBl II 1985, 702 und in BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859). Dies gilt nicht nur für die Umsatzsteuer, sondern auch für die nicht entrichtete Körperschaftsteuer.
2. Der Geschäftsführer einer GmbH handelt grob fahrlässig i.S. der §§ 69, 34 AO 1977 (vgl. BFH-Urteil vom 21.2.1989 VII R 165/85), wenn er bereits bei Übernahme seiner Geschäftsführertätigkeit es unterlassen hat, sich mit den elementarsten handelsrechtlichen Pflichten des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft vertraut zu machen, und keine Erkundigungen über die hierfür zu beachtenden allgemeinen Pflichten des Steuerrechts eingezogen hat. Die Pflicht zur anteiligen Befriedigung der Steuerschulden ist –auch ohne genaue Kenntnis der hierzu ergangenen Rechtsprechung– in der elementaren Pflicht des Geschäftsführers, bei beschränkten Mitteln infolge von Zahlungsschwierigkeiten der GmbH alle Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen, enthalten.
Grob fahrlässig i.S. des § 69 AO 1977 handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer acht läßt (BFH-Urteil vom 21.Februar 1989 VII R 165/85, BFHE 156, 46, BStBl II 1989, 491, 493; Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 69 Tz.9). Grobe Fahrlässigkeit liegt insbeseondere vor, wenn die Geschäftsführerin es bereits bei Übernahme ihrer Geschäftsführertätigkeit unterlassen hat, sich mit den elementarsten handelsrechtlichen Pflichten des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft vertraut zu machen, und keine Erkundigungen über die hierfür zu beachtenden allgemeinen Pflichten des Steuerrechts eingezogen hat. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG nicht die genaue Kenntnis der Rechtsprechung betreffend die Pflicht zur anteiligen Befriedigung der Steuerschulden von der Geschäftsführerin verlangt hat, sondern diese Pflicht als in der elementaren Pflicht des Geschäftsführers enthalten angesehen hat, bei beschränkten Mitteln infolge von Zahlungsschwierigkeiten der GmbH alle Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen. Denn es ist kein Grund ersichtlich, aus dem heraus bei Zahlungsschwierigkeiten gerade eine Benachteiligung des Steuergläubigers gegenüber anderen Gläubigern zu rechtfertigen wäre. Eine Benachteiligung des Steuergläubigers aus sozialen Gründen ist nicht zu rechtfertigen; es gibt keine rechtliche Grundlage, wonach es bei Zahlungsschwierigkeiten einer GmbH in das Ermessen des Geschäftsführers gestellt wäre, darüber zu entscheiden, welche Gläubiger vor den anderen bevorzugt zu befriedigen sind.
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Haftung des Geschäftsführers
nach §§ 69, 34 AO 1977 kommt es nicht auf die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers nach außen oder die interne Geschäftsverteilung an (vgl. Literatur). Es ist vielmehr Aufgabe jedes einzelnen Geschäftsführers, sich im Bedarfsfall die erforderliche Zustimmung des anderen Geschäftsführers zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen zu verschaffen.
4. Die Inanspruchnahme des Haftenden nach § 191 Abs. 1 AO 1977 ist eine Ermessensentscheidung des FA, die nach § 102 FGO darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BFH-Rechtsprechung). Ein Ermessensfehler des FA liegt nicht vor, wenn der Einspruchsentscheidung unbestritten die Annahme zugrunde liegt, daß der GmbH-Geschäftsführer im Rahmen der internen Geschäftsaufteilung allein für die Buchhaltung und den Zahlungsverkehr verantwortlich war und er die steuerlichen Angelegenheiten eigenverantwortlich wahrnahm.
Schlagworte: Ermessen, grobe Fahrlässigkeit, Grundsatz der anteiligen Tilgung, Haftung für Steuerschulden, Informationspflicht, Körperschaftsteuer, Mehrere Geschäftsführer, Pflichtverletzung und Kausalität, soziale Gründe, Umsatzsteuer, Verschulden