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BFH, Urteil vom 20.06.2007 – II R 66/06

AO § 169, 173, 370, 393

1. Die für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung erforderlichen Feststellungen sind zwar nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, sondern nach denjenigen der AO und FGO zu treffen (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570, unter C. I. 2. a); der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist jedoch auch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren zu beachten (o.a. Beschluss des Großen Senats unter C. II. 1.). Das bedeutet keine Übernahme von Grundsätzen des Strafverfahrens, sondern ist Ausfluss dessen, dass die Behörde im finanzgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für steueranspruchsbegründende Tatsachen trägt. Für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung ist dabei kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das FA die Feststellungslast trägt.

2. Beweismaßerleichterungen, die im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren in Folge verweigerter Mitwirkung des Steuerpflichtigen an der Aufklärung des Sachverhalts eintreten, dürfen allerdings bei der Feststellung einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach nicht genutzt werden. Wie nunmehr mit Urteil des BFH vom 7. November 2006 VIII R 81/04 (BStBl II 2007, 364) entschieden wurde, sind die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach auch bei einer Verletzung von Mitwirkungspflichten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Bei nicht behebbaren Zweifeln ist die Feststellung einer Steuerhinterziehung mittels reduzierten Beweismaßes nicht zulässig. Lediglich die Schätzung der Höhe hinterzogener Steuern ist mit einer Einschränkung bezüglich des Schätzungsrahmens möglich (so BFH in BStBl II 2007, 364, m.w.N. auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

Schlagworte: Beweismaßerleichterung, Festsetzungsfrist, Festsetzungsverjährung, Feststellungslast, Mitwirkungspflichten, objektive Beweislast, Schätzung, Steuerhinterziehung, Steuerrecht, verlängerte Festsetzungsfrist