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BFH, Urteil vom 22. Oktober 2015 – IV R 7/13

§ 15 EStG 1997, § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG 1997, § 20 Abs 3 EStG 1997, § 25 Abs 1 EStG 1997, § 8 Abs 3 S 2 KStG 1999, § 15 EStG 2002, § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG 2002, § 20 Abs 3 EStG 2002, § 25 Abs 1 EStG 2002, § 8 Abs 3 S 2 KStG 2002, § 15 AO, § 120 Abs 3 Nr 1 FGO, § 52 Abs 1 GmbHG, § 93 AktG, § 112 AktG, § 116 AktG

Die Annahme einer vGA kann nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass die Festlegung der überhöhten Geschäftsführervergütungen bei der Tochter-GmbH einer KG der Zustimmung eines gesellschaftsvertraglich errichteten und jederzeit auflösbaren Beirats bedarf.

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die unangemessenen Teile der von der R-GmbH an A, G und K gezahlten Geschäftsführervergütungen als vGA der R-GmbH Betriebseinnahmen der Klägerin darstellen, die deren Einkünfte aus GewerbebetriebBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gewerbebetrieb
erhöhen (§ 15 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Abs. 3 EStG).

Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat.

Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt. Eine gesellschaftliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 X R 52/06, BFH/NV 2010, 1246, m.w.N.).

Eine vGA kann auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person, wozu insbesondere Angehörige i.S. des § 15 der Abgabenordnung (AO) gehören, aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das „Nahestehen“ in diesem Sinne kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. Die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahestehende Person ist unabhängig davon als vGA zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat. Dies gilt sowohl für die vGA i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes –KStG– (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 I R 139/94, BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301, unter II.A.1.b der Gründe) als auch für die vGA i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (z.B. BFH-Urteile vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFHE 207, 103; vom 22. Februar 2005 VIII R 24/03, BFH/NV 2005, 1266). Allerdings gilt dies uneingeschränkt nur für den Fall, dass andere Ursachen für die Zuwendung als das Nahestehen des Empfängers zu einem Gesellschafter auszuschließen sind. Nur in diesem Falle spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die nahestehende Person den Vorteil ohne ihre Beziehung zum Gesellschafter nicht erhalten hätte (BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 34/06, BFH/NV 2007, 2291).

Diese Voraussetzungen können auch Leistungen erfüllen, die eine Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter ihres eigenen Gesellschafters (mittelbarer GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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mittelbarer Gesellschafter
) erbringt (vgl. BFH-Urteile vom 22. Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631; vom 23. Oktober 1985 I R 247/81, BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195; Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum KStG und EStG, § 8 Abs. 3 KStG Teil C Rz 30).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht angenommen, dass der Klägerin und mithin ihren Kommanditisten über die Zahlung der überhöhten Geschäftsführervergütungen an die Väter der Kommanditisten durch die R-GmbH ein Vermögensvorteil zugewendet worden ist. Die Leistung der überhöhten Vergütungen an die Väter A, G und K als Verwandte gerader Linie (Angehörige i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 3 AO) der Kommanditisten war durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.

Das FG ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass andere Ursachen für die Zuwendungen als das Nahestehen von A, G und K als Väter zu den Kommanditisten nicht erkennbar sind. Es ist davon ausgegangen, dass mittelbare Gesellschafter der R-GmbH die Kommanditisten der Klägerin, die Kinder von A, G und K, waren. Aufgrund der jeweiligen familiären Beziehung i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 3 AO zwischen den Kommanditisten der Klägerin und den Geschäftsführern der R-GmbH bestand in den Streitjahren ein für die Annahme einer vGA ausreichendes Näheverhältnis. Nach der Auffassung des FG beherrschte die Gruppe der Kommanditisten im Streitfall die R-GmbH, da sie gleichgerichtete Interessen im Zusammenhang mit den zugunsten von A, G und K zeit- und inhaltsgleich abgeschlossenen Vereinbarungen verfolgten und die jeweiligen Leistungen den ihnen nahestehenden Personen –A, G und K– unterschiedslos zukam.

Diese Annahmen des FG beruhen auf einer einzelfallbezogenen Sachverhaltswürdigung, die im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden kann, ob sie entweder in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 2001 I R 44/00, BFH/NV 2002, 543; BFH-Beschluss vom 29. Juli 2009 I B 12/09, BFH/NV 2010, 66). Beides ist nicht der Fall. Auch macht die Klägerin nicht geltend, dass die Würdigung des FG insoweit Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen widerspräche oder verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei.

Soweit die Klägerin vorbringt, den Kommanditisten könne keine vGA als Einnahme zugerechnet werden, weil diesen nicht nachgewiesen werden könne, dass sie von der Begünstigung der ihnen nahestehenden Personen Kenntnis gehabt hätten, widerspricht dies dem vom FG festgestellten Sachverhalt. Ausweislich des von allen Kommanditisten unterschriebenen Protokolls zur Gesellschafterversammlung vom … 1996 wurde von ihnen einstimmig beschlossen, die Geschäftsführergehälter ab dem … 1997 auf 36.000 DM zu erhöhen und die Tantieme ab dem Jahr 1998 auf 163.800 DM zu begrenzen. Auch nach dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom … 2002 wurden die sechs anwesenden Gesellschafter davon unterrichtet, dass das Geschäftsführergehalt um 3 v.H. erhöht werde.

Auch dem Einwand der Klägerin, die überhöhten Geschäftsführergehälter seien der Komplementär-GmbH zuzurechnen, ist nicht zu folgen, weil diese nicht Gesellschafterin der R-GmbH war. Alleingesellschafterin der R-GmbH war vielmehr die Klägerin.

Dem FG ist im Ergebnis auch darin beizupflichten, dass die Errichtung eines Beirats bei der R-GmbH der Annahme einer vGA nicht entgegensteht.

Für die am … 1996 durch die Gesellschafterversammlung beschlossene Vergütungserhöhung ergibt sich dies bereits aus dem Umstand, dass eine Beteiligung des Beirats entgegen § 6 des Gesellschaftsvertrages nicht ersichtlich ist. Auch ein Beschluss des Beirats, der gemäß § 6 Abs. 8 des Gesellschaftsvertrages schriftlich niederzulegen und aufzubewahren ist, wurde vom FG nicht festgestellt. Danach lagen die am … 1996 beschlossenen Vergütungserhöhungen allein im beherrschenden Einflussbereich der Gruppe der Kommanditisten und der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.

Auch die am … 2002 durch den Beirat beschlossene Vergütungserhöhung unterlag dem beherrschenden Einfluss der Gruppe der Kommanditisten auf die R-GmbH. Die Gruppe der Kommanditisten war in der Lage, die Vergütungserhöhung abzuändern oder aufzuheben. Der statuarisch errichtete Beirat stellte kein hinreichendes Gegengewicht zu den die R-GmbH gemeinsam beherrschenden Familienstämmen A, G und K dar. Er kann nicht mit dem Aufsichtsrat einer AG, der gemäß § 112 des Aktiengesetzes (AktG) eine AG bei Rechtsgeschäften mit ihren Vorstandsmitgliedern vertritt und dadurch die Wahrung der Interessen der AG eher als bei Verträgen zwischen einer GmbH und ihren beherrschenden Gesellschaftern gewährleistet, gleichgesetzt werden. Denn auch mit einem Beirat weist eine GmbH im Vergleich zu einer AG mit Aufsichtsrat wesentliche Strukturverschiedenheiten im Hinblick auf die Regelung der Rechtsbeziehungen der Organe auf. Anders als beim Aufsichtsrat einer AG beruht die Bildung oder Abschaffung eines Beirats lediglich auf der Entscheidung der Gesellschafter der GmbH. Die Gestaltungsfreiheit im GmbH-Recht ermöglicht die Errichtung von Beiräten als fakultative Gremien. Die Gesellschafterversammlung der GmbH kann eine Regelung zum Beirat durch Satzungsbestimmung jederzeit einführen, abändern und aufheben. Sie kann die Mitglieder des Beirats ohne Einhaltung von Fristen abberufen und den Beirat auflösen. Da nach § 6 Abs. 12 des Gesellschaftsvertrages § 52 Abs. 1 des Gesetzes betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) nicht anwendbar ist, haften darüber hinaus die Mitglieder des Beirats –anders als die Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG– nicht entsprechend §§ 116, 93 AktG gegenüber der R-GmbH. Die Besetzung des Beirats der R-GmbH mit familien- und gesellschaftsfremden Personen verhindert im Streitfall nicht, dass die vertragliche Vergütungsgestaltung zwischen der R-GmbH und ihren Geschäftsführern, die den Kommanditisten der Klägerin nahestehen, einseitig an den Interessen der beherrschenden Gruppe der Kommanditisten und nicht auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessen ausgerichtet ist. Auf die von der Klägerin hervorgehobene Frage, wie bei einem mit den Rechten eines Aufsichtsrats ausgestatteten Beirat zu entscheiden ist, kommt es hier nicht an.

Schließlich ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dem Umstand, dass in dem Bericht über die Außenprüfung für die Jahre 1994 bis 1998 bei der R-GmbH keine Feststellungen zu vGA enthalten sind, obwohl zum Teil noch höhere Gehälter gezahlt worden seien, sei keine dem Ansatz von vGA entgegenstehende Bindung des FA für die Streitjahre zu entnehmen. Denn nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (§ 25 Abs. 1 EStG) hat das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen (BFH-Urteil vom 21. August 2012 VIII R 11/11, BFHE 239, 195, BStBl II 2013, 117, Rz 42). Dieser Grundsatz schließt daher die Bildung eines Vertrauenstatbestands aus, der über die im Steuerbescheid für ein Veranlagungsjahr zugrunde gelegte Entscheidung hinausgeht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juni 1993  1 BvR 1346/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 544; BFH-Urteil vom 14. Oktober 2009 X R 37/07, BFH/NV 2010, 406). Somit konnte eine Bindung des FA für die Streitjahre an eine etwaige Auffassung der Außenprüfung für die Jahre 1994 bis 1998 nicht entstehen.

Schlagworte: Beirat, verdeckte Gewinnausschüttung