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BFH, Urteil vom 23. Oktober 2013 – I R 89/12

§ 8 Abs 3 S 2 KStG 2002, § 6a EStG 2002, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008, § 554 Abs 2 ZPO, § 554 Abs

3 ZPO

1. Findet eine GmbH die einem beherrschenden –oder infolge gleichgelagerter Interessen steuerrechtlich als beherrschend behandelten– Gesellschafter-Geschäftsführer erteilte Zusage auf eine einmalige Kapitalleistung entgegen der zugrundeliegenden Versorgungsvereinbarung vor der Beendigung des Dienstverhältnisses in einem Einmalbetrag durch Auszahlung der fälligen Beträge aus einer Rückdeckungsversicherung ab, indiziert das die im Gesellschaftsverhältnis liegende Veranlassung der Kapitalabfindung.

Folgt man auf dieser Basis der vom FG bevorzugten Lesart der am 15. August 1984 gegebenen Versorgungszusage, ist die aus Anlass des vollendeten 60. Lebensjahres an HM getätigte Kapitalauszahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Denn danach ist der in Nr. 1 der Vereinbarung aufgenommene Zusagepassus „Sie erhalten eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe von 750.000 DM, wenn Sie nach vollendetem 60. Lebensjahr aus unseren Diensten Ausscheiden“ so zu verstehen, dass die Leistungsfälligkeit auch von dem Ausscheiden des HM aus dem aktiven Dienst abhängt. Diese Lesart ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden: Die Würdigung des festgestellten Sachverhalts obliegt in erster Linie dem FG; der BFH ist daran gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Lediglich Verstöße gegen die Denkgesetze oder die allgemeinen Erfahrungssätze könnten daran etwas ändern. Solche Fehler sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr deckt sich das Verständnis des FG durchaus mit der zitierten Formulierung der Zusage. Es wird nicht zuletzt dadurch gestützt, dass der Versorgungsfall in Nr. 2 der Zusage alternativ und abweichend wie folgt bestimmt wird: „Das Kapital wird mit Vollendung Ihres 60. Lebensjahres fällig, wenn Sie vorher wegen Invalidität aus unseren Diensten Ausscheiden.“ Mit anderen Worten: Während die Fälligkeit bei Eintritt einer –vorherigen– Invalidität und dem dadurch bewirkten Ausscheiden von HM auf das vollendete 60. Lebensjahr festgelegt wurde („mit“), verlangt Nr. 1 der Zusage die Vollendung jenes Lebensjahres und zusätzlich das Ausscheiden aus dem Dienst und bestimmt hierfür als Fälligkeitszeitpunkt nicht das vollendete 60. Lebensjahr, sondern einen Zeitpunkt danach („nach“), was zwanglos so aufzufassen ist, dass es für diese Alternative auf besagtes Ausscheiden aus dem Dienst ankommt. Wird das Kapital dessen ungeachtet und trotz unveränderter Weiterbeschäftigung von HM als Geschäftsführer bereits „mit“ vollendetem 60. Lebensjahr ausbezahlt, dann indiziert dies die im Gesellschaftsverhältnis gründende Veranlassung der Zahlung. Die vorzeitige Auszahlung dürfte sich in der Tat –wie das FG zutreffend ausführt– nur durch die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit des Geschäftsführers erklären lassen: Bei einem fremden Dritten wäre überprüft worden, ob und wann die Zahlung zu erfolgen hat. Dass sich die Klägerin alleine auf den Zeitpunkt der Auszahlung des Versicherungsguthabens durch die Rückdeckungsversicherung verlassen hat, ohne auf die vertraglich vereinbarte Fälligkeit zu achten, ist allein der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Geschäftsführers geschuldet. Ob sich gleichermaßen und unabhängig davon eine Veranlassung durch das GesellschaftsverhältnisBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis
bereits „dem Grunde“ der Versorgungsleistung nach daraus ableiten lässt, dass die Leistung dem Begünstigten auf das vollendete 60. Lebensjahr –statt auf das andernfalls übliche 63. oder 65. Lebensjahr (s. dazu Gosch, a.a.O., § 8 Rz 1092; Otto in Blomeyer/Rolfs/ Otto, Betriebsrentengesetz, 5. Aufl., StR F Rz 290, m.w.N.)– versprochen wurde, kann angesichts dessen dahinstehen.

2. Die Kapitalabfindung führt bei der GmbH auch dann zu einer Vermögensminderung als Voraussetzung einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn zeitgleich die für die Pensionszusage gebildete Pensionsrückstellung aufgelöst wird. Es gilt insofern eine geschäftsvorfallbezogene, nicht aber eine handelsbilanzielle Betrachtungsweise (Anschluss an Senatsurteile vom 14. März 2006 I R 38/05, BFH/NV 2006, 1515, und vom 5. März 2008 I R 12/07, BFHE 220, 454; Klarstellung des Senatsurteils vom 28. April 2010 I R 78/08, BFHE 229, 234, BStBl II 2013, 41).

Diese Vermögensminderung liegt in der Hingabe des Kapitalbetrages und in dem entsprechenden Vermögensabgang. Dass die Klägerin uno actu die bis dahin von ihr gebildete Pensionsrückstellung aufgelöst hat, ändert nichts. Denn die Auflösung der Rückstellung ist unmittelbare Folge des Umstandes, dass der Versorgungsanspruch mit der Zahlung des versprochenen Betrages aus zivilrechtlicher Sicht erfüllt war. Dies ist zwar auf die getätigte Auszahlung zurückzuführen. Doch bleibt es dabei, dass die Auszahlung aus den beschriebenen Gründen durch das Gesellschaftsverhältnis und nicht betrieblich veranlasst war, was wiederum die spezifisch körperschaftsteuerrechtliche Konsequenz der außerbilanziellen Hinzurechnung des Vermögensabgangs als vGA nach sich zieht. Eine „Neutralisierung“ dieser Konsequenz infolge einer wechselseitigen Saldierung der jeweiligen Geschäftsvorfälle scheidet aus. Der besagten körperschaftsteuerrechtlichen Konsequenz unterfällt normspezifisch-steuerrechtlich der jeweilige Geschäftsvorfall, nicht der (handelsbilanzielle) Saldo aus der Vermögensminderung hier –der durch das Gesellschaftsverhältnis bedingten Auszahlung– und der Vermögensmehrung dort –der bilanzrechtlich bedingten Rückstellungsauflösung–. Beide Vorfälle sind vielmehr auseinanderzuhalten und steuerrechtlich eigenständig zu behandeln. Der Senat hält insofern an dem fest, was er durch seine Urteile in BFH/NV 2006, 1515 –dort ebenfalls bezogen auf eine Anwartschaftsabfindung gegen einen Teilverzicht des Begünstigten– und vom 5. März 2008 I R 12/07 (BFHE 220, 454, unter II.2.a a.E. der Entscheidungsgründe) entschieden hat (vgl. im Einzelnen z.B. Gosch, a.a.O., § 8 Rz 398; Schallmoser/ Eisgruber/Janetzko in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rz 303; Wilk, daselbst, § 8 KStG Rz 108), und folgt nicht der dagegen geäußerten Kritik (z.B. Briese, GmbH-Rundschau –GmbHR– 2008, 565; Hoffmann, GmbHR 2006, 824 und GmbH-Steuerberater 2010, 371; Otto in Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., StR F Rz 430; s.a. Höfer/Veit/Verhuven, Betriebsrentenrecht, BetrAVG, Band II, Rz 3137 ff.).

Schlagworte: Geschäftsführer, Pensionszusage, verdeckte Gewinnausschüttung