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BFH, Urteil vom 24.01.2012 – IX R 69/10

GmbHG § 15; BGB § 125; AO § 39; EStG § 17

1. Eine Veräußerung i. S. von § 17 EStG wird mit der entgeltlichen Übertragung des (zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums durch den Veräußerer auf den Erwerber verwirklicht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 9. Oktober 2008 – IX R 73/06, BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140, unter II.2.). Notwendige und hinreichende Voraussetzung für die Zurechnung einer (veräußerten) Beteiligung i. S. des § 17 EStG ist das (zumindest) wirtschaftliche Eigentum (vgl. BFH, Urteile vom 22. Juli 2008 IX R 61/05, BFH/NV 2008, 2004; vom 17. Februar 2004 VIII R 26/01, BFHE 205, 204, BStBl II 2004, 651, m. w. N.). Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers dadurch gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Ihm muss etwa auch der wirtschaftliche Erfolg aus einer (Weiter-)Veräußerung gebühren (vgl. BFH, Urteil vom 25. Mai 2011 IX R 23/10, BFHE 234, 55, BStBl II 2012, 3, m. w. N.).

2. Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO), wenn der Käufer des Anteils (a) aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und (b) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie (c) Risiko und Chance von Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind (vgl. BFH, Urteile in BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140, unter II.2., und vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296, m. w. N.). Danach erlangt wirtschaftliches Eigentum, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.

3. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts kann deshalb auch anzunehmen sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (vgl. BFH, Urteile in BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296; in BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140, unter II.2., m. w. N.). Dabei ist wirtschaftliches Eigentum (auch dann) gegeben, wenn –einander nicht nahestehende– Vertragsparteien die in einem formunwirksamen Vertrag getroffenen Vereinbarungen tatsächlich durchführen. Auch bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen führt aber die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines Vertragsabschlusses nicht ausnahmslos zum Ausschluss der steuerlichen Anerkennung des Vertragsverhältnisses (BFH, Urteil in BFH/NV 2008, 2004).

4. Allein die Formunwirksamkeit der Übertragung eines Anteils an einer GmbH im Wege der Einlage in eine andere Kapitalgesellschaft steht der Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums an dem GmbH-Anteil durch die aufnehmende Gesellschaft nicht entgegen. Insbesondere folgt aus der in der Rechtsprechung für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an einem Kapitalgesellschaftsanteil formulierten Voraussetzung, dass der Anteilserwerber eine auf den Erwerb gerichtete Position erworben haben muss, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden können darf, nicht, dass bei Formunwirksamkeit der zivilrechtlichen Übertragung der Übergang wirtschaftlichen Eigentums zwangsläufig ausgeschlossen wäre. Maßgeblich ist das von den Parteien wirtschaftlich Gewollte und als solches Durchgeführte, d. h. tatsächlich Bewirkte (BFH, Urteil vom 20. Juli 2010 IX R 38/09, BFH/NV 2011, 41, m. w. N. zur ständigen Rechtsprechung).

5. Für einen beherrschenden Gesellschafter gelten selbst bei Anwendung der Grundsätze der steuerlichen Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen keine anderen Maßstäbe.

Schlagworte: Abtretung, Anteilsübertragung, Beurkundung, Beurkundungsmängel nach § 241 Nr. 2 AktG analog, herrschendes Unternehmen, Mehrheitsgesellschafter, Notar, Steuerrecht