§ 8 Abs 3 S 2 KStG 1999, § 14 Abs 1 Nr 3 KStG 1999, § 17 KStG 1999, § 133 BGB, § 157 BGB, § 2 Abs 2 S 2 GewStG 2002, § 118 Abs 2 FGO, § 294 Abs 1 AktG, § 182 Abs 1 AO
Bei der Prüfung, ob ein Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist, ist der Vertrag nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Die Entstehungsgeschichte und die Vorstellungen der am Vertragsschluss beteiligten Personen können bei der Vertragsauslegung nicht berücksichtigt werden.
Korporationsrechtliche Bestimmungen –zu denen § 4 Abs. 2 BGV nach den vorstehenden Ausführungen gehört– sind nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung kommt dabei ebenso maßgebende Bedeutung zu wie dem systematischen Bezug der Klausel zu anderen Satzungsvorschriften. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte in der Satzung finden, können zur Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden (vgl. BGH-Urteile in BGHZ 123, 347, 350; vom 16. Dezember 1991 II ZR 58/91, BGHZ 116, 359; vom 20. Januar 1983 II ZR 243/81, Betriebs-Berater –BB– 1983, 996; vom 25. September 1989 II ZR 304/88, GmbH-Rundschau –GmbHR– 1990, 75).
Nicht allgemein erkennbare Umstände außerhalb der zum Handelsregister eingereichten Unterlagen, wie im Streitfall die Entstehungsgeschichte des BGV, die vom beurkundenden Notar gefertigten Vorentwürfe und die Vorstellungen und Äußerungen der am Vertragsschluss beteiligten Personen, können im Rahmen der objektivierten Auslegung nicht berücksichtigt werden (vgl. BGH-Urteil in GmbHR 1990, 75, m.w.N.). Selbst wenn also die am Vertragsschluss beteiligten Vertreter der Vertragsparteien sich konkrete Gedanken über die Länge der Mindestvertragsdauer gemacht und übereinstimmend eine erstmalige Kündigungsmöglichkeit erst zum 31. Dezember 2006 gewollt haben sollten, wäre dies für die Vertragsauslegung nicht bedeutsam. Anders als die Klägerin meint, kann der aus § 133 BGB abzuleitende und grundsätzlich auch auf formbedürftige Verträge anzuwendende (vgl. etwa BGH-Urteil vom 7. Dezember 2001 V ZR 65/01, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 1038) Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“, nach dem ohne Rücksicht auf einen abweichenden Wortlaut das von den Vertragschließenden tatsächlich Gemeinte als Inhalt des Vertrags gilt, im Bereich der objektivierten Auslegung körperschaftlicher Vereinbarungen nicht uneingeschränkt angewendet werden. Findet sich nämlich im Vertrag und in den allgemein zugänglichen Unterlagen kein eindeutiger Beleg für den dem Wortlaut entgegenstehenden subjektiven Willen der Vertragsparteien, ist kein Raum für dessen Berücksichtigung.
Soweit der BGH teilweise angenommen hat, außerhalb der Satzung liegende Sachzusammenhänge seien ausnahmsweise dann einzubeziehen, wenn deren Kenntnis bei den Mitgliedern und Organen allgemein vorausgesetzt werden kann (vgl. BGH-Urteile in BGHZ 63, 282, 290; in BGHZ 123, 347, 350), kommt solches für die streitbefangene Kündigungsklausel nicht in Betracht. Für eine Berücksichtigung derartiger Sachzusammenhänge ist nur Raum, wenn dadurch keine Interessen außenstehender Dritter beeinträchtigt werden (vgl. Röhricht in Aktiengesetz, Großkommentar, 4. Aufl., § 23 Rz 31). Davon kann bei der Kündigungsklausel eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nicht ausgegangen werden. Zum einen kann nicht ausgeschlossen werden, dass außenstehende Dritte –etwa potentielle Anteilserwerber– auf die Richtigkeit des verlautbarten Kündigungstermins vertrauen. Zum anderen besteht ein berechtigtes Interesse der Finanzverwaltung, sich anhand der objektiv erkennbaren Gegebenheiten ein Bild darüber machen zu können, ob ein Unternehmensvertrag die in §§ 14 ff. KStG 1999 statuierten Voraussetzungen erfüllt. Das Gesetz knüpft die mit weitreichenden Folgen verbundene steuerliche Anerkennung solcher Verträge bewusst an eigene, streng formale Voraussetzungen (vgl. etwa Senatsurteile vom 29. März 2000 I R 43/99, BFH/NV 2000, 1250; vom 22. Februar 2006 I R 73/05, GmbHR 2006, 890). Deren Einhaltung muss dementsprechend von der Finanzverwaltung auf sicherer Grundlage geprüft und beurteilt werden können. Hiermit wäre es nicht vereinbar, wenn neben der Auswertung der Vertragsurkunde auch noch ein etwa vom Wortlaut abweichender Wille der Vertragschließenden erforscht werden müsste.
Schlagworte: Gesellschaftsvertrag, Korporative Regelungen, objektive Auslegung des Gesellschaftsvertrags