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BFH, Urteil vom 29.08.2012 – XI R 1/11

UStG §§ 1, 2, 3

1. Nach den Entscheidungen des EuGH „Zita Modes“ (Urteil vom 27. November 2002 – C-497/01, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 40) und „Schriever“ (Urteil vom 10. November 2011 – C-444/10, UR 2011, 937, DStR- 2011, 2196, Rz 25) muss, damit eine Übertragung eines GeschäftsbetriebsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Übertragung
Übertragung eines Geschäftsbetriebs
oder eines selbständigen Unternehmensteils i.S. von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG festgestellt werden kann, die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile hinreichen, um die Fortführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen.

2. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH ist lediglich erforderlich, dass der durch die Übertragung Begünstigte beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 44, 46; in UR 2011, 937, DStR 2011, 2196, Rz 37; Senatsurteil vom 18. Januar 2012 – XI R 27/08, BFHE 235, 571, BFH/NV 2012, 677, unter II.3.).

3. Zu den „Umsätzen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung“ i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG zählen alle in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang bewirkten Einzelleistungen (vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Rz 1094; Probst in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 1 Abs. 1a Rz 53; Bülow in Vogel/Schwarz, UStG, § 1 Rz 259).

4. Dabei ist für die Feststellung, ob ein Geschäft unter den Begriff der Übertragung eines Gesamtvermögens im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG fällt, eine Gesamtwürdigung der für das betreffende Geschäft kennzeichnenden tatsächlichen Umstände vorzunehmen und der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, deren Fortführung geplant ist, besondere Bedeutung zuzumessen (vgl. EuGH-Urteil in UR 2011, 937, DStR 2011, 2196, Rz 32). Die erforderliche Gesamtwürdigung obliegt im Wesentlichen dem FG (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873, unter II.4.).

5. Dem gesonderten Ausweis eines Betrages für das Konkurrenzverbot kommt vorliegend nur eine nachrangige Bedeutung zu. Ansonsten könnten Veräußerer und Käufer allein durch den (Nicht-)Ausweis eines gesonderten Entgelts die steuerliche Behandlung der Übertragung des Konkurrenzverbots steuern. Für die Frage, ob dem vereinbarten Konkurrenzverbot eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, ist nach Auffassung des Senats vielmehr entscheidend, ob dieses dem Übernehmer die Fortführung des Betriebs ermöglicht. Dabei ist die Art des übertragenen Unternehmens nach Auffassung des Senats von entscheidender Bedeutung. Bei einem ambulanten Pflegedienst kommt den immateriellen Wirtschaftsgütern eine wesentliche Bedeutung zu. Die übertragenen Betriebsmittel sind im Verhältnis dazu in der Regel eher von untergeordneter Bedeutung.

6. Für den Übernehmer eines ambulanten Pflegedienstes ist entscheidend, ob er den Betrieb auf Dauer mit Gewinn fortführen kann. Dabei ist für ihn i.d.R. die Fortführung des bisherigen Namens wesentlich sowie das Vorhandensein von Patienten (dem Kundenstamm). Ferner ist auch die Vereinbarung eines Konkurrenzverbots für die Fortführung des Betriebs von Bedeutung, wobei das Wettbewerbsverbot und der Kundenstamm in der Regel eng miteinander verbunden sein dürften.

7. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG. Er bezweckt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (Urteile in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 39; in UR 2011, 937, DStR 2011, 2196, Rz 23) und BFH (vgl. z.B. Urteil vom 30. April 2009 – V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863; in BFH/NV 2010, 1873, unter II.3.), die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen.

8. Eine abweichende rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Urteil des BFH in BFHE 203, 540, BStBl II 2004, 472. Nach diesem Urteil kann die entgeltliche Unterlassung von Wettbewerb für fünf Jahre durch einen Steuerpflichtigen zwar eine nachhaltige gewerbliche oder berufliche Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1991 sein. Diese Aussagen haben aber nicht die ihnen vom FA beigelegte Bedeutung für den hier gegebenen Sachverhalt, dass innerhalb eines Unternehmenskaufvertrags eine Konkurrenzschutzklausel vereinbart wird, die für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit des übernommenen Pflegedienstes im Rahmen einer Geschäftsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a UStG wesentlich ist. Eine Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG war gerade nicht Gegenstand des geschilderten Urteils.

Schlagworte: Geschäftsveräußerung im Ganzen, Konkurrenzverbot, Steuerrecht, Übertragung eines Geschäftsbetriebs, Umsatzsteuer, Unternehmenskaufvertrag, Veräußerungsvorgang, Wettbewerbsverbot