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BFH, Urteil vom 29.11.2006 – I R 103/05

§ 69 S 1 AO, § 191 Abs 5 S 1 Nr 1 AO, § 34 AO, § 35 AO, § 20 Abs 1 AO, § 24 AO

1. Hat eine GmbH eine Steuererklärung verspätet abgegeben und ist die daraufhin festgesetzte Steuer gegenüber der GmbH nicht mehr beitreibbar, so haftet der Geschäftsführer der GmbH nur dann für die ausgefallene Steuerforderung, wenn diese bei rechtzeitiger Abgabe der Erklärung hätte realisiert werden können. Das Bestehen einer solchen Realisierungsmöglichkeit ist unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen.

Richtig ist allerdings, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Haftung nach § 69 AO 1977 nur dann ausgelöst wird, wenn die dafür in Frage kommende Person erstens eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen und zweitens diese Pflichtverletzung einen Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen verursacht hat (BFH-Urteil vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678; BFH-Beschlüsse vom 11. August 2005 VII B 244/04, BFHE 210, 410, BStBl II 2006, 201; vom 9. Dezember 2005 VII B 124-125/05, BFH/NV 2006, 897, 899; Jatzke in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 AO Rz 53, m.w.N.). Die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Steuerausfall ist auch dann Voraussetzung für eine Haftung, wenn die Pflichtverletzung darin liegt, dass eine Steuererklärung nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben wurde (BFH-Urteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100, m.w.N.). An ihr fehlt es, wenn der Steuerausfall bei pflichtgemäßem Verhalten in gleicher Weise eingetreten wäre.

2. Der Ablauf der Festsetzungsfrist gegenüber einer GmbH bewirkt nicht, dass ein gegenüber dem Geschäftsführer erlassener Haftungsbescheid rechtswidrig wird.

Insbesondere ist der angefochtene Haftungsbescheid nicht schon deshalb rechtswidrig, weil gegenüber der X-GmbH bisher kein entsprechender Körperschaftsteuerbescheid ergangen ist. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob die Frist für den Erlass eines solchen Bescheids inzwischen abgelaufen ist (§ 169 AO 1977). Denn der Ablauf der Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner kann zwar dazu führen, dass ein Haftungsbescheid nicht mehr ergehen darf (§ 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO 1977); er bewirkt aber nicht, dass ein vor Fristablauf erlassener Haftungsbescheid nunmehr rechtswidrig wird (BFH-Urteil vom 7. November 1995 VII R 26/95, BFH/NV 1996, 379, 382; Rüsken in Klein, a.a.O., § 191 Rz 105). Zudem steht die Frage einer Steuerhinterziehung durch den Kläger im Raum, die das FA aufgeworfen hat und der das FG –von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig– nicht nachgegangen ist; bei Vorliegen dieses Tatbestands wäre der Ablauf der Festsetzungsfrist gegenüber der X-GmbH ohnehin im Haftungsverfahren unerheblich (§ 191 Abs. 5 Satz 2 AO 1977).

Schlagworte: Festsetzung, Haftung für Steuerschulden, Pflichtverletzung und Kausalität, Vollstreckung, Zahlungsmöglichkeit