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BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1984 – IV b ZB 23/84

ZPO §§ 69, 640h

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Nebenintervention
Streitgenössische Nebenintervention
(§ 69 ZPO) liegt nicht vor, wenn im Rechtsstreit über die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes der als außereheliche Erzeuger in Betracht kommende Mann dem beklagten Kinde zu dessen Unterstützung beitritt (Fortführung von BGHZ 76, 299 = NJW 1980, 1693).

Zum Sachverhalt

Der Bekl. ist am 27. 1. 1969 während der Ehe seiner Mutter mit dem Kl. geboren worden; seit Mai 1982 ist ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Mit der am 4. 10. 1982 zugestellten Klage hat der Kl. die Ehelichkeit des Bekl. angefochten und vorgetragen, daß dieser von S abstamme. Das AG hat der Klage stattgegeben. Es ist aufgrund des eingeholten Blutgruppengutachtens zu der Feststellung gelangt, daß der Kl. als Erzeuger des Bekl. ausscheide. Nach der Verkündung dieses Urteils ist S dem Rechtsstreit als Nebenintervenient auf seiten des Bekl. beigetreten, indem er Berufung eingelegt hat. Mit dem Rechtsmittel hat er geltend gemacht, daß der Kl. die Anfechtungsfrist des § 1594 BGB nicht gewahrt habe. Der Bekl. hat die Zurückweisung der Berufung beantragt; er hat später erklärt, daß er das von seinem Streithelfer eingelegte Rechtsmittel zurücknehme.

Das OLG hat die Berufung durch Beschluß als unzulässig verworfen (FamRZ 1984, 810). Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Streithelfers des Bekl. hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

… II. Das zulässige Rechtsmittel (§§ 519b II, 547 ZPO) hat keinen Erfolg. 1. Wie der BGH mehrfach entschieden hat, kann der als außerehelicher Erzeuger in Betracht kommende Mann im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß dem bekl. Kind als Nebenintervenient beitreten und gegen das der Anfechtungsklage stattgebende Urteil Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen, die Klage abzuweisen (BGHZ 76, 299 = NJW 1980, 1693; BGH, NJW 1982, 177 = FamRZ 1982, 47 (48)). Ob hierbei eine Streitgenössische NebeninterventionBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(§ 69 ZPO) vorliegt, ist in den angeführten Entscheidungen offen geblieben, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich war. Hier kommt es darauf an, weil das bekl. Kind der Berufung seines Streithelfers widersprochen hat. Anerkannt ist, daß ein streitgenössischer Nebenintervenient nicht den Schranken des § 67 Halbs. 2 ZPO unterliegt, sondern auch gegen den Willen der Hauptpartei ein Rechtsmittel durchführen kann (vgl. Walsmann, Streitgenössische NebeninterventionBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, 1905, S. 126, 234 ff.; BGH, NJW 1984, 353 = FamRZ 1984, 164 m. w. Nachw.). Das Gesetz räumt ihm insoweit mit Rücksicht auf eine stärkere Einwirkung des Urteils auf seine rechtlichen Belange ein eigenes Prozeßführungsrecht ein, das unabhängig von dem Willen der von ihm unterstützten Hauptpartei ist. 2. Dem OLG ist jedoch darin beizupflichten, daß in Fällen der vorliegenden Art eine Streitgenössische NebeninterventionBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht anzunehmen ist. a) Sie setzt gem. § 69 ZPO voraus, daß nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozeß erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist. Aus § 640h S. 1 ZPO folgt, daß die Rechtskraft des im Anfechtungsprozeß ergehenden Gestaltungsurteils für und gegen alle wirkt, also sich über die Prozeßparteien hinaus auf den Nebenintervenienten erstreckt. Es handelt sich hierbei zwar um eine Vorschrift des Prozeßrechts, doch ist dies unerheblich, weil die Bezugnahme in § 69 ZPO auf “Vorschriften des bürgerlichen Rechts“ dadurch zu erklären ist, daß zur Zeit des Gesetzgebungsverfahrens die Rechtskraftlehre als dem bürgerlichen Recht zugehörig betrachtet wurde (vgl. Walsmann, S. 144 f.). Eine Erstreckung der Rechtskraft “für und gegen alle”, wie sie § 640h S. 1 ZPO anordnet, ist in der Rechtsprechung des RG schon für sich allein als ausreichend angesehen worden, um die Anwendung des § 69 ZPO zu begründen (vgl. RGZ 108, 132 (133) unter Abweichung von RG, Warn 1914, Nr. 314; RG, DR 1944, 914). Dem scheint auch ein Teil der Lehre zuzuneigen (vgl. Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 69 Rdnr. 3 m. w. Nachw.). Schon nach dem Wortlaut des § 69 ZPO ist aber erforderlich, daß zwischen dem Nebenintervenienten und dem Prozeßgegner des Kindes ein Rechtsverhältnis besteht, auf das sich die Rechtskraft des ergehenden Urteils auswirkt (ebenso ter Beck, in: Festschr. f. Mühl, S. 91 f.; Wieser, FamRZ 1971, 393 (396) und OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Koblenz
, DAVorm 1977, 646 (649), für den Fall des § 641b ZPO). Eigentlicher Grund dafür, daß die Befugnisse des streitgenössischen Nebenintervenienten gegenüber einem “einfachen” Streithelfer erheblich erweitert sind, ist nicht der Umstand, daß er von der ergehenden Entscheidung wie jedermann betroffen wird, sondern daß die Rechtskraft der ergehenden Entscheidung gerade für ein Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Prozeßgegner von Bedeutung ist. Wenn sich die Entscheidung lediglich auf ein Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu der von ihm unterstützten Partei auswirkt, wie in den Fällen eines von dieser drohenden Regresses, bietet die Vorschrift des § 68 ZPO hinreichenden Schutz (vgl. RG, Warn 1917, Nr. 282). Der Nebenintervenient kann nämlich, wenn er durch einen Widerspruch der von ihm unterstützten Partei an zweckentsprechenden Prozeßhandlungen gehindert worden ist, in einem Folgeprozeß die Einrede der mangelhaften Prozeßführung erheben. Bei einer Auswirkung auf ein Rechtsverhältnis zu dem Prozeßgegner versagt dieser Schutz, so daß das Gesetz in § 69 ZPO dem Nebenintervenienten erweiterte Befugnisse gewährt (vgl. dazu Walsmann, S. 121). b) Ein Rechtsverhältnis ist eine durch den Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm gegebene Beziehung einer Person zu einer anderen oder zu Gegenständen (RGZ 144, 54 (56); BGHZ 22, 43 (47) = NJW 1957, 21). Zwischen dem Nebenintervenienten des im Anfechtungsprozeß verklagten Kindes und dem klagenden Ehemann der Mutter kommt in der Regel eine Rechtsbeziehung aus § 1615b I BGB in Betracht. Soweit der Anfechtungskl. seit der Geburt des Kindes dessen Unterhalt bestritten hat, sind die gesetzlichen Unterhaltsansprüche des Kindes gegen einen nichtehelichen Vater nach dieser Vorschrift auf ihn übergegangen. Nicht die Entstehung dieser Ansprüche, sondern lediglich deren Geltendmachung hängt von der vorherigen erfolgreichen Anfechtung der Ehelichkeit (§ 1593 BGB) und einer wirksamen Vaterschaftsfeststellung gem. § 1600a S. 2 BGB ab (vgl. BGHZ 48, 361 (366) = NJW 1968, 35; BGHZ 57, 229 (235) = NJW 1972, 199). c) Die Rechtskraft des der Anfechtungsklage stattgebenden Urteils wirkt sich auf dieses Rechtsverhältnis nicht in der Weise aus, daß der Nebenintervenient sich in einem nachfolgenden Unterhaltsprozeß nicht mehr auf die Vaterschaft des Anfechtungskl. berufen könnte. Denn rechtskräftig festgestellt wird im Anfechtungsprozeß nur der nichteheliche Status des Kindes, während die zugrunde liegenden Tatsachen nicht in Rechtskraft erwachsen (BGHZ 83, 391 (394 f.) = NJW 1982, 1652 m. w. Nachw.). Mit dieser Begründung kann somit eine Streitgenössische NebeninterventionBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Streitgenössische Nebenintervention
nicht bejaht werden (so aber OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Celle
, FamRZ 1976, 158 (159); Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 42. Aufl., § 69 Anm. 1 u. § 640h Anm. 1; ter Beck, S. 93). d) Nach § 1593 BGB kann die Nichtehelichkeit eines während bestehender Ehe geborenen Kindes nur geltend gemacht werden, wenn die Ehelichkeit angefochten und die Nichtehelichkeit rechtskräftig festgestellt ist. Auch in der Ausschaltung dieser Sperre für Unterhaltsansprüche gegen den Nebenintervenienten des Kindes kann keine Wirkung gesehen werden, die zu einer Anwendung des § 69 ZPO führt. § 1593 BGB bezweckt nicht den Schutz des nichtehelichen Vaters, sondern soll dem Familienfrieden und dem Wohl des Kindes dienen (BGHZ 14, 358 (360) = NJW 1954, 1801; BGHZ 45, 356 (358) = NJW 1966, 1913). Aus der Vorschrift ergibt sich lediglich als Reflexwirkung eine günstige Rechtslage für den nichtehelichen Vater, deren Bestand davon abhängt, ob hierzu befugte andere Personen einen Anfechtungsprozeß einleiten und erfolgreich durchführen (vgl. § 1599 BGB). Die von den familienrechtlichen Vorschriften der §§ 1594 ff. BGB gewollte Abhängigkeit von der Entschließungsfreiheit anderer würde in Frage gestellt, wenn es dem nichtehelichen Vater möglich wäre, im Anfechtungsprozeß gegen den Willen der von ihm unterstützten Partei Prozeßhandlungen vorzunehmen mit dem Ziel, die ihm günstige Wirkung des § 1593 BGB aufrechtzuerhalten. Es handelt sich hierbei nicht um rechtliche Belange, die für ihn ein eigenes Prozeßführungsrecht begründen könnten. 3. Das OLG ist nach alledem zu Recht davon ausgegangen, daß der Streithelfer des Bekl. den Beschränkungen des § 67 ZPO unterliegt. Da er die von ihm eingelegte Berufung trotz des Widerspruchs des Bekl. aufrechterhalten hat, ist das Rechtsmittel mit Recht auf seine Kosten als unzulässig verworfen worden. Ob das gleiche Ergebnis aus der Berufungsrücknahme des Bekl. gefolgert werden könnte, kann dahinstehen.

Schlagworte: Nebenintervention, Rechte des Nebenintervenienten, Widerspruch gegen Prozesshandlungen der Hauptpartei