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BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – II ZB 32/20

§ 68 BGB

Ein vom bisherigen Vorstand beauftragter Rechtsanwalt ist im Hinblick auf die Prozessvollmacht kein Dritter i.S.v. § 68 BGB und kann sich deshalb nicht auf die negative Publizität des Vereinsregisters berufen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden Dr.    T.      auferlegt.

Streitwert: 5.000 €

Gründe

I.

Der Kläger will festgestellt wissen, dass die in einer Versammlung der beklagten Mitglieder vom 11. November 2018 gefassten Beschlüsse, darunter die Abberufung seines bisherigen Vorstands und satzungsgemäß sogenannten Ersten Vorsitzenden Dr.     T.     , nichtig sind.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Bei Klageeinreichung am 19. November 2018 sei der Kläger nicht gemäß § 51 Abs. 1 ZPO nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts vertreten gewesen, da die Bestellung Dr. T.       zu diesem Zeitpunkt bereits wirksam widerrufen worden sei.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt, die das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Beschwerde ist nicht zulässig.

Ihrer Zulässigkeit stünde zwar nicht schon der mögliche Mangel der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters entgegen, da auch eine Partei, deren gesetzliche VertretungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Vertretung
in der Vorinstanz verneint worden ist, wirksam ein Rechtsmittel einlegen kann, um eine andere Beurteilung zu erreichen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1963 – V ZR 146/57, BGHZ 40, 197, 198 f.; Urteil vom 22. Dezember 1982 – V ZR 89/80, BGHZ 86, 184, 186; Urteil vom 23. Februar 1990 – V ZR 188/88, BGHZ 110, 294, 295 f.; Urteil vom 8. Mai 1990 – VI ZR 321/89, BGHZ 111, 219, 221 f.; Urteil vom 4. November 1999 – III ZR 306/98, BGHZ 143, 122, 123; Beschluss vom 31. Mai 2010 – II ZB 9/09, ZIP 2010, 1514 Rn. 9; Versäumnisurteil vom 6. Dezember 2013 – V ZR 8/13, FamRZ 2014, 553 Rn. 4; Beschluss vom 6. Februar 2019 – VII ZB 78/17, ZIP 2019, 609 Rn. 15).

Es fehlt aber an den Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht. Es sind auch keine Verfahrensgrundrechte des Klägers verletzt worden und insbesondere nicht das nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG gewährte Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz. Das Berufungsgericht hat den Zugang zur Berufungsinstanz durch die Verwerfung der Berufung nicht in unzumutbarer Weise erschwert.

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der für den Kläger auftretende Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt E.     nicht wirksam habe Berufung einlegen können, weil sein Mandat jedenfalls durch Entziehung mit Schreiben des neuen Vorstands des Klägers vom 28. Dezember 2018 erloschen sei. Der neue Vorstand sei am 7. Dezember 2018 bestandskräftig ins Vereinsregister eingetragen worden. Die wahl des neuen Vorstands sei auch materiell-rechtlich wirksam und habe die Abberufung des früheren Vorstands zur Folge gehabt. Eine Minderheit von 77 Mitgliedern des Klägers sei vom Amtsgericht Hannover antragsgemäß ermächtigt worden, eine Mitgliederversammlung mit der TagesordnungAbberufung des Vorstands und Neuwahl“ einzuberufen. Für die in der Mitgliederversammlung beschlossene Abberufung des Vorstands habe es mangels entgegenstehenden Satzungsrechts keines wichtigen Grunds bedurft. Die Nichtigkeit der Beschlussfassung ergebe sich auch nicht daraus, dass zeitgleich eine weitere Mitgliederversammlung abgehalten worden sei, in denen die 77 Unterstützer des Einberufungsverlangens ausgeschlossen worden seien. Denn die in dieser Versammlung gefassten Beschlüsse seien mangels Wahrung der in der Satzung bestimmten Einberufungsfrist nichtig. Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz vortrage, dass die Teilnahme an der erstgenannten Mitgliederversammlung ausschließlich den Mitgliedern vorbehalten gewesen sei, die Unterstützer des Einberufungsverlangens gewesen seien, könne er damit im Berufungsverfahren gemäß § 529 Abs. 1, § 531 Abs. 2 ZPO nicht gehört werden. Es seien insbesondere keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden, dass diese aus Sicht des Klägers elementare Information ihm erstmals in zweiter Instanz bekannt geworden sei. Überdies sei der Vortrag auch ohne Substanz und werde entgegen der Behauptung des Klägers nicht durch das Einladungsschreiben gestützt. Die Rechtsanwalt E.      erteilte Prozessvollmacht wirke auch nicht gemäß § 87 Abs. 1 ZPO fort. Die Vorschrift diene dem Schutz des Prozessgegners und der Rechtssicherheit. Dieses Schutzes bedürfe es nicht, wenn der Prozessgegner selbst die Vollmacht widerrufe. Der Widerruf stehe der Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts nach § 87 Abs. 1 ZPO gleich.

2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass Rechtsanwalt E.       für den Kläger nicht wirksam Berufung einlegen konnte, hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Bei dieser Prüfung ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht an die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Unzulässigkeit der Berufung gebunden, sondern hat ihre Zulässigkeit selbst von Amts wegen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – V ZB 243/09, juris Rn. 4; Beschluss vom 23. August 2016 – VIII ZB 96/15, WM 2016, 1955 Rn. 25).

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Bestellung des als gesetzlicher Vertreter des Klägers auftretenden Dr. T.      in der Mitgliederversammlung vom 11. November 2018 widerrufen worden ist. Der Beschluss der Mitgliederversammlung begegnet keinen Wirksamkeitsbedenken. Die beklagten Mitglieder waren durch Beschluss des Amtsgerichts ermächtigt worden, die Versammlung mit der TagesordnungAbberufung des Vorstands und Neuwahl“ einzuberufen (§ 37 Abs. 2 BGB). Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg. Einberufungsmängel sind nicht ersichtlich. Die Behauptung, dass nicht alle Mitglieder des Klägers zu der Versammlung eingeladen worden seien, hat dieser erstmals im Berufungsrechtszug aufgestellt, weswegen das Berufungsgericht dieses Vorbringen mit Recht nicht zugelassen hat (§ 529 Abs. 1, § 531 Abs. 2 ZPO). Zudem ist die Behauptung einer selektiven Einladung offensichtlich substanzlos, da das Einladungsschreiben, dem der Kläger einen Anhaltspunkt für seine Behauptung hat entnehmen wollen, mit seinen Erläuterungen gerade auch diejenigen Mitglieder adressierte, die durch das Amtsgericht nicht zur Berufung der Versammlung ermächtigt worden waren. Demgegenüber hatte die durch Dr. T.      am 28. Oktober 2018 veranlasste Einberufung zu einer konkurrierenden Versammlung am 11. November 2018, in der über den Ausschluss der beklagten Mitglieder Beschluss gefasst wurde, die Einberufungsfrist nach §§ 15, 21 Abs. 2 der Satzung nicht gewahrt, was dessen Nichtigkeit zur Folge hatte (vgl. nur BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 – II ZR 111/05, ZIP 2007, 1942 Rn. 36 mwN). Der Widerrufsbeschluss ist von der Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst und damit mangels abweichender Satzungsbestimmung ordnungsgemäß zustande gekommen (§ 32 Abs. 1 Satz 3 BGB). Gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 BGB war die Bestellung schließlich jederzeit widerruflich, da die Satzung den Widerruf nicht auf den Fall beschränkte, dass ein wichtiger Grund für ihn vorliegt (vgl. § 27 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwände.

b) Nach dem wirksamen Widerruf seiner Bestellung konnte Dr. T.      keinen Prozessbevollmächtigten mehr für den Kläger bestellen. Die am12. November 2018, also einen Tag nach dem Widerrufsbeschluss, erteilte Prozessvollmacht wirkte nicht für und gegen den Kläger (§ 167 BGB). Die Vollmacht konnte schon aus diesem Grund den Mangel der Legitimation Dr. T.      als gesetzlichem Vertreter des Klägers (§ 51 Abs. 1, § 56 Abs. 1 ZPO) nicht gemäß § 86 ZPO überwinden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1993 – II ZR 62/92, BGHZ 121, 263, 265 f.; Beschluss vom 19. Januar 2011 – XII ZB 326/10, NJW 2011, 1739 Rn. 14; Beschluss vom 6. Februar 2019 – VII ZB 78/17, ZIP 2019, 609 Rn. 15 mwN) und der Berufung zur Zulässigkeit verhelfen. Auf ein Erlöschen der Vollmacht nach § 87 ZPO kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht an.

Der Widerruf der Bestellung wird zwar erst mit seiner Kenntnisnahme durch den Vorstand wirksam (vgl. MünchKommBGB/Leuschner, 8. Aufl., § 27 Rn. 25; jurisPK-BGB/Otto, 9. Aufl., § 27 Rn. 36; Staudinger/Schwennicke, BGB, Neubearb. 2019, § 27 Rn. 57; BeckOK BGB/Schöpflin, Stand: 1. Februar 2021, § 27 Rn. 15; BeckOGK BGB/Segna, Stand: 1. Januar 2021, § 27 Rn. 48). Aus dem in der Vollmachturkunde bezeichneten Grund der Vollmachterteilung („Anfechtung Minderheitenbeschluss“) ergibt sich indessen, dass Dr. T.      die Beschlussfassung bekannt war.

c) An dem Vollmachtmangel ändert nichts, dass der Widerruf der Bestellung erst am 7. Dezember 2018 im Vereinsregister eingetragen worden ist. Die Eintragung wirkt nur deklaratorisch (BayObLG, NJW-RR 1997, 289, 290).

d) Der von Dr. T.      „bevollmächtigte“ Rechtsanwalt E.      konnte sich auch nicht auf die negative Publizität des Vereinsregisters berufen (§ 68 BGB).

Dieser trat dem Kläger im Hinblick auf die Prozessvollmacht schon nicht als Dritter i.S.v. § 68 BGB gegenüber (vgl. KG, KGR 2006, 615; Staudinger/Schwennicke, BGB, Neubearb. 2019, § 68 Rn. 12; jurisPK-BGB/Otto, 9. Aufl., § 68 Rn. 5). Die Vorschriften der §§ 78 ff. ZPO bilden für die Prozessvollmacht ein Sonderrecht. Materiell-rechtliche Regelungen über die Vollmacht können daher nur Geltung erlangen, wenn die ZPO auf sie verweist oder in ihnen allgemeine Rechtsgedanken der Stellvertretung zum Ausdruck kommen. Das ist hier nicht der Fall. Es besteht kein Anlass, die dem Schutz des Geschäftsgegners dienende Vorschrift des § 68 BGB auf die Prozessvollmacht anzuwenden, zumal der Zivilprozessordnung eine Rechtsscheinshaftung des Vollmachtgebers fremd ist (BGH, Urteil vom 26. März 2003 – IV ZR 222/02, BGHZ 154, 283, 287 f.).

Zudem muss Rechtsanwalt E.     , der den Kläger bereits im Ermächtigungsverfahren (§ 37 Abs. 2 BGB) vertreten hatte, bei lebensnaher Betrachtung mit der Beauftragung zur Klage gegen die in der Mitgliederversammlung vom 11. November 2018 gefassten Beschlüsse bekannt gewesen sein, dass darin die Bestellung Dr. T.       widerrufen worden ist. Damit hatte er Kenntnis von der Änderung des Vorstands, die nicht schon durch die im Interesse Dr. T.       erhobene Nichtigkeitsfeststellungsklage ausgeschlossen wird, weswegen ihm die Änderung unbeschadet der seinerzeit noch fehlenden Eintragung entgegengesetzt werden kann. Jedenfalls musste sich Rechtsanwalt E.      der Bestellungswiderruf aufdrängen, so dass es ihm letztlich auch nach § 242 BGB verwehrt wäre, sich auf die negative Publizität des Vereinsregisters zu berufen.

3. Da nach allem nicht der Kläger, sondern Dr. T.      die Erhebung der Klage veranlasst hat, hat dieser auch die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen zu tragen (§§ 91, 97 ZPO; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 4. Dezember 1974 – VIII ZB 30/74, VersR 1975, 343 mwN).

Schlagworte: Rüge der Prozessvollmacht