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BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 – IX ZB 57/11

§ 17 InsO

Besteht nach dem vom Insolvenzgericht eingeholten Gutachten die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auch ohne Berücksichtigung der von ihm bestrittenen Forderung des antragstellenden Gläubigers, so bleiben die Rechtsmittel des Schuldners gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolglos.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 20. Januar 2011 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der weitere Beteiligte zu 1 erwirkte als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der A.                    GmbH am 14. April 2010 ein gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil des Landgerichts Konstanz, durch das die Schuldnerin zur Zahlung von 663.914,10 € verurteilt wurde. Gegen dieses Urteil legte die Schuldnerin Berufung ein; das Verfahren schwebt gegenwärtig vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe.

Gestützt auf diese Forderung hat der weitere Beteiligte zu 1 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Das Insolvenzgericht hat das Verfahren durch Beschluss vom 1. September 2009 eröffnet. Die dagegen von der Schuldnerin eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Begehren auf Abweisung des Eröffnungsantrags weiter.

II.

Die gemäß §§ 7, 6 Abs. 1, § 34 Abs. 2 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil sie keinen Zulässigkeitsgrund (§ 574 Abs. 2 InsO) aufdeckt.

1. Die von der Rechtsbeschwerde zur Prüfung gestellte Frage, ob der Gläubiger, der den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit allein aus seiner von dem Schuldner bestrittenen Forderung herleitet, den erforderlichen Nachweis durch die Vorlage eines lediglich vorläufig vollstreckbaren Urteils erbringen kann, ist nicht entscheidungserheblich.

a) Es geht hier nicht um eine Gestaltung, in der die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners allein auf die Forderung des antragstellenden Gläubigers gestützt wird. Vielmehr ist das Beschwerdegericht auf der Grundlage des vom Insolvenzgericht eingeholten Gutachtens von gegen die Schuldnerin gerichteten Forderungen über 1.886.577,16 € ausgegangen. Bei dieser Sachlage wird die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht allein auf die Forderung des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgeführt. Mithin konnte der weitere Beteiligte zu 1 die dem Antrag zugrunde liegende Forderung jedenfalls durch die Vorlage des von ihm erwirkten Zahlungstitels glaubhaft machen.

b) Die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin beruht nicht einmal auf der von dem weiteren Beteiligten zu 1 verfolgten Forderung.

Selbst wenn man die Forderung des weiteren Beteiligten zu 1 gänzlich außer Betracht ließe, beliefen sich die gegen die Schuldnerin gerichteten Forderungen auf 1.222.663,06 €. Mit Rücksicht auf die vorhandenen liquiden Mittel von 92.479,47 € wäre hier von einer Deckungslücke in Höhe von etwa 92 vom Hundert auszugehen. Aufgrund der kurzfristig liquidierbaren Mittel über 193.493,58 € könnte die Deckungslücke nicht binnen drei Wochen im Umfang von mehr als 90 vom Hundert ausgeglichen werden (BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 145).

2. Soweit die Rechtsbeschwerde zur Prüfung stellt, welche Anforderungen an das Merkmal des „ernsthaften Einforderns“ im Rahmen des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO zu stellen sind, ist die erstrebte Klärung bereits erfolgt.

a) Eine Forderung ist bereits dann im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Hierfür genügend, aber nicht erforderlich ist die Übersendung einer Rechnung. Das Merkmal des „ernsthaften Einforderns“ dient damit lediglich dem Zweck, solche Forderungen auszunehmen, die rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 Rn. 22).

b) Bei dieser Sachlage konnten hier sämtliche Forderungen in die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit einbezogen werden. Eine tatsächliche oder rechtliche Stundung ist mangels einer substantiierten Darlegung der Schuldnerin hinsichtlich keiner dieser Forderungen ersichtlich.

3. Schließlich liegen auch keine Grundrechtsverletzungen vor.

a) Ohne Erfolg rügt die Schuldnerin unter Berufung auf Art. 103 Abs. 1 GG, sie habe die Forderungen des Beteiligten zu 1 nicht begleichen können, weil das Insolvenzgericht vor Ablauf der ihr gesetzten Stellungnahmefrist bereits am 2. Juni 2010 einen Sicherungsbeschluss nach § 21 InsO erlassen und durch dessen Veröffentlichung ihre Banken zur Kündigung der Darlehensverbindlichkeiten veranlasst habe.

Einmal ist schon nicht ersichtlich, dass das Insolvenzgericht vor Ablauf einer der Schuldnerin gesetzten Frist entschieden hätte. Die der Schuldnerin eingeräumte Stellungnahmefrist von zwei Wochen bezog sich auf den Insolvenzantrag. Damit war nicht ausgeschlossen, dass vor Fristablauf Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO ergehen. Sicherungsmaßnahmen können wegen der allgemein zu befürchtenden Gefährdung des Sicherungszwecks ohne vorherige Anhörung des Schuldners erlassen werden (HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 21 Rn. 52; Uhlenbruck/Vallender, InsO 13. Aufl., § 21 Rn. 46; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, 2. Aufl., § 21 Rn. 32; HmbKomm-InsO/Schröder, 3. Aufl., § 21 Rn. 77), dem nach Kenntnisnahme des Sicherungsbeschlusses eine nachträgliche Anhörung zu gewähren ist (HmbKomm-InsO/Schröder, aaO). Zum anderen ist nicht konkret geltend gemacht, dass zugunsten der Schuldnerin offene Kreditlinien bestanden, die ihr – hätten die Banken die Darlehen nicht gekündigt – die Zahlung des Urteilsbetrages an den weiteren Beteiligten zu 1 ermöglichten.

b) Zu Unrecht macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Vordergericht habe das Vorbringen der Schuldnerin zum Wert der ihr zustehenden Schutzrechte, zum Wert des Betriebsvermögens einschließlich des Warenbestands und zum Wert der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke nicht beachtet.

Diese Darlegung ist nicht entscheidungserheblich. Das entsprechende Vorbringen der Schuldnerin bezog sich allein auf den Eröffnungsgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) und nicht auf den – hier angenommenen – Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO). Insbesondere hat sich die Schuldnerin auch nicht darauf berufen, dass diese Vermögenswerte zwecks Verbesserung ihrer Liquiditätslage kurzfristig verwertet werden konnten. Aus dieser Erwägung ist es ebenfalls unerheblich, ob der Wert der Betriebs- und Geschäftsausstattung der Schuldnerin höher als von der vorläufigen Insolvenzverwalterin angenommen einzustufen ist. Ebenso unbehelflich ist das Vorbringen zu einem vermeintlich günstigen Betriebsergebnis, weil es nicht die festgestellte Zahlungsunfähigkeit berührt.

c) Soweit die Rechtsbeschwerde den Vortrag des Gläubigers, die Einleitung der Zwangsvollstreckung habe die Schuldnerin nicht zur Zahlung veranlasst, als unrichtig beanstandet, ist eine Entscheidungserheblichkeit weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dies gilt ebenso für die weitere Rüge, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, eine Kopie der Bürgschaft sei bereits mit dem Eröffnungsantrag vorgelegt worden.

Schlagworte: InsO § 17, Zahlungsunfähigkeit