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BGH, Beschluss vom 15. September 2020 – II ZB 6/20

AktG §§ 304, 327a, 327b

Die angemessene Barabfindung im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären nach §§ 327 a, 327 b AktG kann nach dem Barwert der aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags dem Minderheitsaktionär zustehenden Ausgleichszahlungen bestimmt werden, wenn dieser höher ist als der auf den Anteil des Minderheitsaktionärs entfallende Anteil des Unternehmenswerts, der Unternehmensvertrag zum nach § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Zeitpunkt bestand und von seinem Fortbestand auszugehen war.

I. Sachverhalt nach OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
v. 20.11.2019 – 21 W 77/14

Es handelt sich um ein Spruchverfahren nach einem Squeeze out und hierbei um ein Folgeverfahren des vormals beim Senat anhängigen Verfahrens betreffend die Angemessenheit der Abfindung nach dem Abschluss eines Unternehmensvertrags mit der X AG als beherrschter Gesellschaft (AG 2014, 822).

Die Antragsteller waren Aktionäre der X AG. Das Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von damals 67.517.346 € war in 44.135.676 auf den Inhaber lautende Stammaktien und 23.381.670 auf den Inhaber lautende stimmrechtslose Vorzugsaktien eingeteilt. Unternehmensgegenstand der Gesellschaft war die Herstellung von chemischen, pharmazeutischen und kosmetischen Waren; die Herstellung und der Vertrieb von Apparaten, Geräten und Maschinen aller Art sowie Kunststofferzeugnissen, die Herstellung und der Vertrieb von Einrichtungen und Einrichtungsgegenständen sowie der Betrieb eines allgemeinen Ein- und Ausfuhrgeschäfts. Eingeteilt war der Konzern, der zu den größten international tätigen Anbietern für Haarkosmetikprodukte und Parfum zählte, in einen Geschäftsbereich Frisör, einen Bereich Consumer sowie einen Bereich Kosmetik und Duft. Das Geschäftsjahr der X AG begann am 1. Juli eines Kalenderjahres und endete am 30. Juni des nachfolgenden Jahres, wobei vom 1. Januar 2004 bis zum 30. Juni 2004 zur Umstellung auf den vorstehend genannten Geschäftsjahreszyklus ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet wurde.

Am 17. März 2003 schlossen die auf die Gründerfamilie zurückgehenden Familienaktionäre und eine Gesellschaft der Y Gruppe einen Vertrag über den direkten und indirekten Erwerb von 34.235.192 Stammaktien der X AG (ca. 77,57 % der Stammaktien), der nach der Erteilung der Kartellrechtsfreigabe am 2. September 2003 vollzogen wurde. Am 28. April 2003 veröffentlichte die Y1 GmbH ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot an die Aktionäre der Gesellschaft. Dabei bot die Y1 GmbH den Inhabern von Stammaktien je Aktie einen Preis von 92,25 € und den Inhabern von Vorzugsaktien je Aktie einen Preis von 65 €. Das Übernahmeangebot wurde am 10. September 2003 vollzogen. Im Rahmen des Übernahmeangebots erwarb die Y1 GmbH weitere 9.053.768 Stammaktien sowie 10.167.531 Vorzugsaktien.

Die Antragsgegnerin und die X AG schlossen sodann am 26. April 2004 einen Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
. Hierin war eine jährliche Nettoausgleichszahlung in Höhe von 3,81 € je Stammaktie und in Höhe von 3,83 € je Vorzugsaktie vorgesehen. Ferner wurde eine für beide Aktiengattungen einheitliche Barabfindung für außenstehende Aktionäre in Höhe von 72,86 € vereinbart. Dem Vertrag stimmte die Hauptversammlung der X AG am 8. Juni 2004 zu. Der Beschluss wurde daraufhin am 9. Juni 2004 ins Handelsregister eingetragen. Die gewährten Kompensationszahlungen waren zwischenzeitlich Gegenstand eines vormals beim Senat unter dem Aktenzeichen 21 W 15/11 anhängigen Spruchverfahrens. Mit rechtskräftiger Entscheidung vom 28. März 2014 setzte der Senat die Barabfindung je Vorzugsaktie auf 74,83 € und je Stammaktie auf 88,08 € fest. Ferner erhöhte der Senat die jährliche Ausgleichszahlung je Vorzugsaktie auf 4,24 € und je Stammaktie auf 4,22 € (AG 2014, 822).

In zeitlichem Nachgang zu dem Abschluss des Unternehmensvertrages, dessen Kündigung zum Bewertungszeitpunkt nicht beabsichtigt war (vgl. Übertragungsbericht S. 60), schied die Gesellschaft am 20. September 2004 aus dem MDAX aus.

Im weiteren Verlauf beabsichtigte die Antragsgegnerin den Ausschluss der Minderheitsaktionäre der X AG aus der Gesellschaft und teilte ihre Absicht am 8. September 2005 der Öffentlichkeit mit. Der gewichtete, unbereinigte durchschnittliche Börsenkurs drei Monate vor diesem Zeitpunkt belief sich den Feststellungen des Landgerichts zufolge für Vorzugsaktien auf 80,41 € und für Stammaktien auf 81,63 € (Bl. 1743, 1811 d. A.). Der von der BaFin ermittelte umsatzgewichtete Durchschnittskurs der X AG betrug für Vorzugsaktien 80,39 € und für Stammaktien 81,56 € (vgl. Bl. 3419 d. A.).

Zum Zweck des beabsichtigten Squeeze out beauftragte die Antragsgegnerin die A Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Ermittlung des Unternehmenswertes der Antragsgegnerin und damit verbunden der Höhe der Abfindung nach § 327b AktG. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelte einen anteiligen Unternehmenswert von 58,25 € und schlug unter Bezugnahme auf einen bereinigten durchschnittlichen ungewichteten Börsenkurs für Vorzugsaktien eine Abfindung von 80,37 € für beide Aktiengattungen vor, wobei zur Erläuterung auf den gesondert in der Akte befindlichen Übertragungsbericht verwiesen wird. Die gerichtlich bestellte Übertragungsprüferin, die B, C und PartnerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Partner
und Partner
GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft bestätigte die vorgesehene Abfindung als angemessen, wobei insoweit auf den zu den Akten gereichten Prüfbericht verwiesen wird.

Daraufhin beschloss die Hauptversammlung der X AG am 13./14. Dezember 2005 den Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von 80,37 € je Vorzugs- und Stammaktie. Gegen den Beschluss erhoben mehrere Aktionäre Anfechtungsklage vor dem Landgericht. Die Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister der Antragsgegnerin erfolgte am 12. Juli 2007, nach der Fassung eines Bestätigungsbeschlusses am 27. Februar 2007 und der erfolgreichen Durchführung eines Freigabeverfahrens betreffend den Hauptversammlungsbeschluss vom 13./14. Dezember 2005 (vgl. Landgerichtsbeschluss Bl. 1799 d. A.). Zu diesem Zeitpunkt waren noch 83.203 Stammaktien und 1.963.567 Vorzugsaktien im Streubesitz von Minderheitsaktionären (vgl. Bl. 1799 d. A.).

Im Anschluss haben zahlreiche Minderheitsaktionäre ein Spruchverfahren eingeleitet mit dem Ziel, die Angemessenheit der Abfindung gerichtlich überprüfen zu lassen. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 22. Juli 2014 und damit deutlich vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Relevanz des Barwerts der Ausgleichszahlungen (Beschluss vom 12. Januar 2016 – II ZB 25/14, Juris) die Barabfindung für Vorzugsaktien auf 86,26 € und für Stammaktien auf 85,77 € heraufgesetzt. Zur Begründung hat die Kammer sich auf den Barwert der Ausgleichszahlungen berufen. So stehe nach der rechtskräftigen Entscheidung des Senats vom 28. März 2014 die Höhe der zu kapitalisierenden Ausgleichszahlung fest. Sie betrage je Vorzugsaktie 4,24 € und je Stammaktie 4,22 € vor persönlichen Steuern und 3,50 € respektive 3,48 € nach persönlichen Steuern. Diese Nettobeträge seien mit dem für den Bewertungsstichtag relevanten Kapitalisierungszins zu kapitalisieren. Der zutreffende Kapitalisierungszins ergebe sich aus dem am Bewertungsstichtag gültigen Basiszins zuzüglich der Hälfte des für die Gesellschaft maßgeblichen Risikozuschlags. Dabei sei mit Blick auf den Basiszins eine Höhe von 4 % vor Steuern zu veranschlagen. Der Risikozuschlag ergebe sich aus der im Übertragungsbericht zutreffend angenommenen Marktrisikoprämie vor Steuern von 5,5 % und einem Betafaktor von 0,5, woraus sich insgesamt ein Kapitalisierungszins von 3,975 % nach Steuern ergebe (= 0,04 * 0,65 + 0,5 * 0,5 * 0,055).

Gegen den vorgenannten Beschluss haben die Antragsteller zu 3) (Bl. 1891), zu 24) (Bl. 1921), zu 25) (Bl. 1888), zu 42) (Bl. 1891), zu 43) (Bl. 1891), zu 47) (Bl. 1891), zu 48) (Bl. 1891), zu 55) (bl. 1948), zu 71) bis 74) (Bl. 1917), zu 78) (Bl. 1920), zu 79) (Bl. 1920 ) und zu 80) (Bl. 1891) sowie die Antragsgegnerin (Bl. 1900) sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Antragsteller machen vornehmlich geltend, das Landgericht habe bei der Bemessung der angemessenen Abfindung den anteiligen Ertragswert der X AG nicht ausklammern dürfen. Zutreffend sei zwar, dass der Barwert der Ausgleichszahlungen einen Mindestwert der zu gewährenden Barabfindung darstelle. Liege der anteilige Ertragswert jedoch oberhalb des Barwerts, sei der anteilige Ertragswert für die Höhe der Abfindung maßgeblich. Der Ertragswert der Gesellschaft sei im Übertragungsbericht unzutreffend ausgewiesen und liege vorliegend oberhalb des Barwerts der Ausgleichszahlung. So basieren nach Auffassung der Antragsteller die geplanten Erträge auf einer unzulänglichen Vergangenheitsanalyse. Darüber hinaus sei unter anderem der Detailplanungszeitraum zu knapp bemessen, die Wachstumschancen der X AG nicht hinreichend berücksichtigt sowie die Synergieeffekte nicht zutreffend bewertet worden. Ferner sei die Annahme einer Thesaurierung von 100 % der Gewinne nicht vertretbar und das nicht betriebsnotwendige Vermögen zu knapp bemessen. Insbesondere hätten die Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Antragsgegnerin Berücksichtigung finden müssen. Mit Blick auf den Kapitalisierungszins vertreten die Antragsteller die Auffassung, der Basiszins sei ebenso wie die Marktrisikoprämie nach Steuern zu hoch bemessen, wohingegen der Wachstumsabschlag von 1,5 % zu niedrig bemessen sei. Hinsichtlich des Betafaktors folgen die Antragsteller im Grundsatz der Einschätzung des vom Senat bestellten Sachverständigen, wonach dieser anhand der Aktien der Gesellschaft zu ermitteln sei. Sie halten aber den von dem Sachverständigen mit 0,4 ausgewiesenen Wert des Betas der unverschuldeten Gesellschaft für zu hoch bemessen, zumal der Sachverständige selbst eine Bandbreite von 0,3 bis 0,4 für plausibel erachtet und zudem ausgeführt habe, dass eine Analyse der Aktienkurse der Gesellschaft grundsätzlich für einen Wert am unteren Ende der herausgearbeiteten Bandbreite spreche. Vertretbar sei daher allenfalls die Heranziehung des Mittelwerts von 0,35.

Auch die Antragsgegnerin ist der Auffassung, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die angemessene Abfindung durch den Barwert der Ausgleichszahlung bestimmt werde. Sie vertritt allerdings die Ansicht, dem Barwert sei im Rahmen der Abfindung nach § 327b AktG überhaupt keine Bedeutung beizumessen; auch nicht als Untergrenze der Abfindung. Soweit es die Einwände der Antragsteller gegen den im Übertragungsbericht ausgewiesenen Ertragswert der X AG anbelange, seien diese insgesamt unberechtigt. Sowohl die Höhe der Erträge als auch das nicht betriebsnotwendige Vermögen seien zutreffend ermittelt worden. Mit Blick auf den Kapitalisierungszins macht die Antragsgegnerin insbesondere geltend, eine Aufrundung des Basiszinses sei bereits aus Gründen der organisatorischen Handhabbarkeit zwingend, zumal es sich bei dem Basiszins ohnehin auch nur um eine Schätzung handele. Der Betafaktor sei entgegen der Ansicht des gerichtlich bestellten Sachverständigen zutreffend anhand einer Peer Group bestimmt worden, da das eigene Beta der Gesellschaft nicht aussagekräftig sei. Jedenfalls sei der im Übertragungsbericht ausgewiesene und von der gerichtlich bestellten Prüferin bestätigte Wert von 0,5 angemessen und nicht korrekturbedürftig. Zudem sei die Berechnung des Betas bei der Bestimmung des Barwerts der Ausgleichszahlungen seitens des vom Senat im Beschwerdeverfahren bestellten Sachverständigen unzutreffend, weil dieser zu Unrecht auf einen net debt, statt auf einen total debt Ansatz abgestellt habe. Da der Barwert der Ausgleichszahlung für die zu gewährende Abfindung aber ohnehin ohne Relevanz und der anteilige Ertragswert deutlich unter dem Börsenkurs der X AG liege, bestimme sich die angemessene Abfindung nach dem Börsenkurs der Aktie, der zutreffend für Stamm- und Vorzugsaktien einheitlich auf 80,37 € festgelegt worden sei.

Der Senat hat mit Beschluss vom 24. April 2015 das Verfahren zunächst ausgesetzt, wobei im Hinblick auf den Aussetzungsbeschluss auf Bl. 3195 ff. d. A. verwiesen wird, und nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache II ZB 25/14 (Beschluss vom 12. Januar 2016, Juris) wieder aufgenommen. Im Anschluss hat der Senat zu einzelnen Fragen der Unternehmensbewertung eine schriftliche Stellungnahme der Übertragungsprüferin eingeholt (Bl. 3288 ff. d. A.). Hinsichtlich der Ausführungen der sachverständigen Prüferin wird auf Bl. 3377 ff. d. A. verwiesen.

Sodann hat der Senat Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Höhe des Betafaktors erhoben und E zum Sachverständigen bestellt sowie auf die Möglichkeit eines Vorlageverfahrens an den Bundesgerichtshof hingewiesen (Bl. 3911 ff. d. A.).

Hinsichtlich der schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen sowie mit Blick auf die ergänzende Stellungnahme wird auf das gesondert zur Akte gereichte Gutachten sowie die ebenfalls gesondert zur Akte gereichte ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Bezug genommen. Im Anschluss hat der Senat den Sachverständigen mündlich angehört, wobei insoweit auf Bl. 4422 ff. der Akten Bezug genommen wird. Schließlich hat der Senat am 13. September 2019 den Beteiligten einen weiteren Hinweis erteilt (Bl. 4451 ff. d. A.), woraufhin die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2019 (Bl. 25. Oktober 2019 ff. d. A.) weiter vorgetragen hat.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten im Beschwerdeverfahren sowie die ihnen beigefügten Anlagen verwiesen.

II. Gründe

Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der Senat selbst als Beschwerdegericht zu entscheiden. Die wechselseitigen Beschwerden sind zulässig. Die Beschwerden der Antragsteller zu 3, 24, 25, 42, 43, 47, 48, 55, 71 bis 74, 78 bis 80 haben auch in der Sache Erfolg. Sie führen zur Abänderung der Entscheidung des LG und zur Festsetzung der Barabfindung auf 93,30 € je Stammaktie und 93,84 € je Vorzugsaktie. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Zulässigkeit der Vorlage

Die Vorlage ist zulässig.

a) Die Zulässigkeit der Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG i.d.F. des Gesetzes vom 12.6.2003 (BGBl. I, 838) zu beurteilen. Da das Spruchverfahren mit Antragsschrift vom 21.11.2007 eingeleitet wurde, richtet sich das Verfahren nach dem FGG und SpruchG in der bis zum 1.9.2009 geltenden Fassung. Nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des FGG -Reformgesetzes vom 17.12.2008 (BGBl. I 2586) finden auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des FamFG am 1.9.2009 eingeleitet wurden, bis zu deren rechtskräftigem Abschluss die bis dahin geltenden Vorschriften Anwendung (BGH v. 1.3.2010 – II ZB 1/10 , ZIP 2010, 446 Rz. 6  ff. = AG 2010, 244; v. 19.7.2010 – II ZB 18/09 , BGHZ 186, 229 Rz. 5 = AG 2010, 629 – Stollwerck; v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 8 m.w.N. = AG 2016, 359).

b) Die Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG zulässig. Sie setzt voraus, dass das vorlegende OLG bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift von der Entscheidung eines anderen OLG oder, falls über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des BGH ergangen ist, von dieser abweichen will.

aa) Die Vorlage betrifft eine Rechtsfrage. Eine Vorlage ist nur im Falle einer Abweichung bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift, also bei einer Rechtsfrage, zulässig. Zu den Rechtsfragen zählt neben der Klarstellung des Inhalts einer Rechtsnorm auch die Subsumtion eines Tatbestandes unter das Gesetz. Erforderlich ist aber eine Abweichung in einem Rechtssatz. Die abweichende tatsächliche Würdigung eines Sachverhalts rechtfertigt die Vorlage nicht (BGH v. 29.9.2015 – II ZB 23/14 , BGHZ 207, 114 Rz. 10 m.w.N. = AG 2016, 135; v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 11 = AG 2016, 359).

Die Vorlage betrifft die Auslegung von §§ 327a , 327b AktG , wonach die den ausgeschlossenen Aktionären für die Übertragung ihrer Aktien zu gewährende Barabfindung angemessen sein muss. Hier ist die Frage zu beantworten, ob bei beherrschten Unternehmen für die Barabfindung ausgeschlossener Minderheitsaktionäre die angemessene Abfindung gem. § 327b AktG vom Barwert der Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG bestimmt wird. Es ist eine Rechtsfrage, ob eine vom Tatrichter gewählte Bewertungsmethode oder ein innerhalb der Bewertungsmethode gewähltes Berechnungsverfahren den gesetzlichen Bewertungszielen widerspricht (BGH v. 29.9.2015 – II ZB 23/14 , ZIP 2016, 110 Rz. 12  = AG 2016, 135; v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 14 = AG 2016, 359), wohingegen die Frage, welche der Bewertungsmethoden im Einzelfall den Wert der Unternehmensbeteiligung zutreffend abbildet, Teil der tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts ist und sich nach der wirtschafts- oder betriebswissenschaftlichen Bewertungstheorie und Praxis beurteilt.

bb) Ein Abweichungsfall liegt vor.

Das vorlegende OLG beurteilt die streitige Rechtsfrage anders als die OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
(OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 525 = AG 2017, 672; v. 21.2.2019 – I-26 W 5/18 (AktE), WM 2019, 1788, 1796) und München (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
v. 26.10.2006 – 31 Wx 12/06 , ZIP 2007, 375, 377) und weicht in diesem Sinn von deren Entscheidung ab. Die OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und München berücksichtigen den Barwert der Ausgleichszahlungen nach vorangegangenem Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht als weitere Wertuntergrenze für die anlässlich des Ausschlusses aus der Gesellschaft gem. § 327b AktG zu gewährende Barabfindung. Die Beantwortung der Rechtsfrage ist für das vorlegende OLG entscheidungserheblich, weil der Barwert der Abfindung nach dessen Feststellungen höher als der Ertragswert und höher als der umsatzgewichtete durchschnittliche Börsenwert drei Monate vor der öffentlichen Bekanntgabe des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre ist.

Diese Rechtsfrage ist höchstrichterlich nicht i.S.d. des vorlegenden Gerichts geklärt. Der BGH hat ausdrücklich offengelassen, ob der Barwert der Ausgleichszahlungen ähnlich dem Börsenwert als Mindestwert einer angemessenen Abfindung zugrunde zu legen ist, wenn dieser den anteiligen Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Ausschlusses der Minderheits-aktionäre übersteigt (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 30 = AG 2016, 359).

2. Zulässigkeit der Beschwerden

Die wechselseitig eingelegten Beschwerden sind zulässig. Die Beschwerden der Antragsteller zu 3, 24, 25, 42, 43, 47, 48, 55, 71 bis 74, 78 bis 80 haben auch in der Sache Erfolg. Sie führen zur Abänderung der Entscheidung des LG und zur Festsetzung der Barabfindung auf 93,30 € je Stammaktie und 93,84 € je Vorzugsaktie. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hingegen bleibt in der Sache ohne Erfolg.

a) Barwert der Ausgleichsleistungen

a) Die angemessene Barabfindung im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären nach §§ 327a , 327b AktG kann nach dem Barwert der aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags dem Minderheitsaktionär zustehenden Ausgleichszahlungen bestimmt werden, wenn dieser höher ist als der auf den Anteil des Minderheitsaktionärs entfallende Anteil des Unternehmenswerts und der Unternehmensvertrag zum nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Zeitpunkt bestand und von seinem Fortbestand auszugehen war.

aa) Angemessen ist die Barabfindung, wenn sie dem ausgeschlossenen Aktionär volle wirtschaftliche Kompensation für den Verlust seiner Unternehmensbeteiligung verschafft, die nicht unter dem Verkehrswert liegen darf (BGH v. 29.9.2015 – II ZB 23/14 , BGHZ 207, 114 Rz. 33 = AG 2016, 135; v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 22; BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94 , BVerfGE 100, 289, 305 f. = AG 1999, 566 m. Anm. Vetter). Das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum (Art. 14 Abs. 1 GG ) vermittelt die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs in der Gesellschaft sowie vermögensrechtliche Ansprüche (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 25; BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94 , BVerfGE 100, 289, 305 = AG 1999, 566 m. Anm. Vetter). In vermögensrechtlicher Hinsicht umfasst die Beteiligung die Aussicht auf Dividende und den Anteil an Vermögenssubstanz, auf den bei Auflösung und Liquidation ein Anspruch besteht (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 25; BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60 , BVerfGE 14, 263, 285). Der Gleichlauf zwischen dem Wert des (einzelnen) Anteils und dem anteiligen Unternehmenswert ist auch dann gegeben, wenn ein Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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geschlossen wurde. Der Wert des Anteils des (außenstehenden) Minderheitsaktionärs hat sich durch den Unternehmensvertrag nicht vollständig vom Unternehmenswert abgekoppelt (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 24, 26 m.w.N. = AG 2016, 359).

Der Wert der Unternehmensbeteiligung ist vom Gericht im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO zu ermitteln. Bewertungsobjekt ist die Unternehmensbeteiligung des Minderheitsaktionärs und nicht das Unternehmen, wobei weder das Verfassungsrecht noch das einfache Recht eine Bewertungsmethode vorgeben (BGH v. 29.9.2015 – II ZB 23/14 , BGHZ 207, 114 Rz. 12 = AG 2016, 135; v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 23 = AG 2016, 359; BVerfG v. 20.12.2010 – 1 BvR 2323/07 , ZIP 2011, 171 Rz. 10  = AG 2011, 128). Der Wert der Unternehmensbeteiligung kann sowohl unmittelbar, etwa durch Rückgriff auf den Börsenwert der Anteile, als auch mittelbar als quotaler Anteil an dem durch eine geeignete Methode, etwa der Ertragswertmethode, ermittelten Unternehmenswert, bestimmt werden. Die eine oder andere Methode scheidet nur aus, wenn sie aufgrund der Umstände des konkreten Falls nicht geeignet ist, den „wahren“ Wert abzubilden (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 22 f.; BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94 , BVerfGE 100, 289, 307 = AG 1999, 566 m. Anm. Vetter). Entscheidend ist, dass die Bewertungsmethode und das innerhalb der Bewertungsmethode gewählte Rechenverfahren den gesetzlichen Bewertungszielen, insb. den verfassungsrechtlichen Vorgaben, entspricht, in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist (BGH v. 29.9.2015 – II ZB 23/14 , BGHZ 207, 114 Rz. 14, 33 = AG 2016, 135). Da jede Wertermittlung mit zahlreichen Prognosen, Schätzungen und methodischen Einzelentscheidungen verbunden ist, die jeweils nicht auf Richtigkeit, sondern nur auf Vertretbarkeit gerichtlich überprüfbar sind, kann keine Bewertungsmethode den Wert der Unternehmensbeteiligung exakt berechnen. Vielmehr kann jede Methode nur rechnerische Ergebnisse liefern, die Grundlage und Anhaltspunkt für die Schätzung des Gerichts nach § 287 Abs. 1 ZPO bilden. Die Wahl der für die Schätzung im Einzelfall geeigneten Bewertungsmethode obliegt dem Tatrichter (BGH v. 29.9.2015 – II ZB 23/14 , BGHZ 207, 114 Rz. 34 = AG 2016, 135).

Besteht ein Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
, tritt die gewinnunabhängige, in der Regel fest bemessene Ausgleichszahlung nach § 304 AktG an die Stelle der sonst aus dem Bilanzgewinn auszuschüttenden Dividende und stellt wirtschaftlich nichts anderes dar als die Verzinsung der vom Aktionär geleisteten Einlage; die Entgegennahme der Ausgleichszahlung ist Fruchtziehung, während die Barabfindung gem. § 305 AktG den Stamm des Vermögens repräsentiert, der durch die Ausgleichszahlung nicht angerührt wird (BGH v. 16.9.2002 – II ZR 284/01 , BGHZ 152, 29, 35 = AG 2003, 40 = GmbHR 2002, 1120 m. Anm. Kallmeyer; v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 27 = AG 2016, 359).

Ob der Barwert der festen Ausgleichszahlungen, der anteilige Unternehmenswert nach der Ertragswertmethode oder eine Kombination aus beiden den Wert der Unternehmensbeteiligung zutreffend abbildet, ist eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung grundsätzlich dem Tatrichter obliegt. Dabei ist die Diskontierung der festen Ausgleichszahlungen eine Methode zur Errechnung des Barwerts des Fruchtziehungsrechts, der im Rahmen der Ertragswertmethode durch Diskontierung der prognostizierten künftigen Erträge des Unternehmens ermittelt wird. Es werden jeweils die den Anteilseignern künftig zufließenden Erträge diskontiert, wobei einmal die festen Ausgleichszahlungen und einmal die prognostizierten künftigen handelsrechtlichen Erfolge die Grundlage der Schätzung bilden.

bb) Die Bestimmung des Anteilswerts anhand des Barwerts nach § 304 AktG kann eine geeignete Methode zur Ermittlung einer angemessenen Abfindung gem. § 327b AktG sein.

Es ist umstritten, ob die Höhe der angemessenen Abfindung der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre nach § 327b AktG bei Vorliegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags von dem Barwert der festen Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG als Mindestwert bestimmt wird.

(1) Nach einer Ansicht ist der Barwert der Ausgleichszahlungen nicht als Mindestwert der Abfindung heranzuziehen (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
v. 21.2.2019 – 26 W 5/18 (AktE), WM 2019, 1788, 1796; v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 524 f. = AG 2017, 672; v. 11.5.2015 – 26 W 2/13 (AktE), ZIP 2015, 1336, 1337 f. = AG 2015, 573; v. 4.7.2012 – 26 W 11/11 (AktE), ZIP 2012, 1713, 1714 f. = AG 2012, 716; v. 29.7.2009 – I-26 W 1/08, juris Rz. 49 ff.; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
v. 16.11.2006 – 19 U 2754/06 , ZIP 2007, 372, 377 = AG 2007, 789; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, 4. Aufl., § 327b AktG Rz. 6 ; Singhof in BeckOGK/AktG, Stand: 1.7.2020, § 327b AktG Rz. 5; Hüffer/Koch, 14. Aufl., § 327b AktG Rz. 5; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl., § 327b AktG Rz. 9a; Drinkuth in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 4. Aufl., Rz. 62.38 ; Popp, WPg 2006, 436, 444 f.; Riegger in FS Priester, 2007, S. 661, 672; Luttermann, EWiR 2007, 33, 34; Popp, AG 2010, 1, 8 ff.; Lauber, Das Verhältnis des Ausgleichs gem. § 304 AktG zu den Abfindungen gem. §§ 305 , 327a AktG , 2013, S. 459; Bungert/Rogier, EWiR 2016, 293, 294; Singhof, DB 2016, 1185, 1186 f.; Popp, Der Konzern 2017, 224, 227 ff.; Schnorbus, ZHR 181 (2017), 902, 913 ff.; Slavik, EWiR 2017, 363, 364; Wasmann, DB 2017, 1433, 1434 ff.; Wasmann, DB 2018, 3042, 3043). Der Barwert des festen Ausgleichs sei ungeeignet, den stichtagsbezogenen „wirklichen“ oder „wahren“ Wert des Anteilseigentums widerzuspiegeln. Entgegen der von Aktionär selbst gewählten Risikolage und dem Stichtagsprinzip würden die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrags festgeschrieben. Die Ausgleichsberechtigung sei kein grundrechtlich geschütztes mitgliedschaftliches Recht, sondern ein schuldrechtlicher Anspruch gegen einen Dritten, der dem Minderheitsaktionär jederzeit entschädigungslos entzogen werden könne. Mit dem Börsenkurs sei der Barwert der Ausgleichszahlungen nicht vergleichbar, da er kein Marktpreis sei, sondern der unter der regelmäßig nicht hinreichend gesicherten Prämisse der ewigen Laufzeit des Unternehmensvertrags ermittelte Kapitalwert der künftigen Zuflüsse.

Nach anderer Ansicht bestimmt der Barwert der Ausgleichszahlungen den Mindestwert der Abfindung (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 5.2.2016 – 21 W 69/14 , ZIP 2016, 918, 920 f. = AG 2016, 588; OLG Stuttgart v. 14.9.2011 – 20 W 7/08 , AG 2012, 135 = juris Rz. 80 ff.; OLG Stuttgart v. 17.3.2010 – 20 W 9/08 , AG 2010, 510, 513; Grunewald in MünchKomm/AktG, 5. Aufl., § 327b AktG Rz. 13; Ziemons in Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, 85. Lfg., Juni 2020 Rz. 13.42 ; Wilsing/Paul in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 237b AktG Rz. 4; Müller-Michaels in Hölters, 3. Aufl., § 237b AktG Rz. 7 ; Austmann in MünchHdbGesR IV, 5. Aufl., § 75 Rz. 98; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 9. Aufl., S. 34 Rz. 103; Hengeler in FS Möhring, 1975, S. 198, 218 f.; Tebben, AG 2003, 600, 606 ff.; Winter, EWiR 2006, 417, 418; Leyendecker, NZG 2010, 927 f.; Bödeker/Fink, NZG 2011, 816, 818; Goslar/Witte, EWiR 2015, 101, 102; Ruiz de Vargas/Schenk, AG 2016, 354, 358; J. Schmidt, WuB 2016, 493, 496; Schüppen, ZIP 2016, 1413, 1419; Lorenz, GWR 2016, 163; Hölken, jurisPR-InsR 10/2016 Anm. 2; Müller-Michaels, BB 2017, 498; weitergehend für alleinige Maßgeblichkeit des Barwerts der Ausgleichszahlungen vormals OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 30.3.2010 – 5 W 32/09 , NZG 2010, 664, 665; v. 15.10.2014 – 21 W 64/13 , ZIP 2014, 2439, 2440 f. =

AG 2015, 205; bei Verschmelzung KG v. 2.9.1999 – 2 W 2341/97 , NZG 2003, 644 f.). Der Minderheitsaktionär sei für den Verlust seines Unternehmensanteils voll zu entschädigen. Da die Ausgleichszahlungen wie die Dividende Rechtsfrucht der Mitgliedschaft seien, müssten sie bei der Entschädigung als Mindestwert berücksichtigt werden.

(2) Der Barwert der Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG ist geeignet, die Höhe der angemessenen Barabfindung zu bestimmen, wenn der Unternehmensvertrag zum nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Zeitpunkt bestand und von seinem Fortbestand auszugehen war. Die Diskontierung der Ausgleichszahlungen kann im Einzelfall eine aussagekräftige und geeignete Methode zur Ermittlung des Werts des Fruchtziehungsrechts sein, der den Wert der Unternehmensbeteiligung des Minderheitsaktionärs markiert.

(a) Dass nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre zu berücksichtigen sind, schließt wegen des damit festgelegten Stichtags nicht schon dem Wortlaut nach aus, die Abfindung nach dem Barwert der Ausgleichszahlungen zu berechnen. Obwohl der Unternehmensvertrag, auf dem die Ausgleichszahlungen beruhen, zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossen worden ist, gehört er gleichwohl zu den Verhältnissen der Gesellschaft im nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre, wenn er zu diesem Zeitpunkt noch Bestand hat und von seinem Fortbestand auszugehen ist (a.A. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 525 = AG 2017, 672). Denn der zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre bestehende Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
bestimmt bei anzunehmendem Fortbestand des Vertrags auch darüber hinaus die Erträge des Aktionärs und kann deshalb zu den zum nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Bewertungsstichtag zu berücksichtigenden Gesichtspunkten gehören. Im Übrigen ist als Ausgleichszahlung gem. § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG mindestens der Betrag zuzusichern, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil an die Aktionäre verteilt werden könnte, so dass die Bemessung der Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG gleichfalls am Wert des Unternehmens unter Berücksichtigung seiner zukünftigen Entwicklung orientiert ist (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 20 m.w.N. = AG 2016, 359).

(b) Der feste Ausgleichsanspruch gem. § 304 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AktG tritt an die Stelle der aus dem Bilanzgewinn auszuschüttenden Dividende und bildet das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum (Art. 14 Abs. 1 GG ), welches die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs in der Gesellschaft sowie vermögensrechtliche Ansprüche vermittelt (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 25; BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94 , BVerfGE 100, 289, 305 = AG 1999, 566 m. Anm. Vetter), nur teilweise ab. In vermögensrechtlicher Hinsicht umfasst die Beteiligung die Aussicht auf Dividende und den Anteil an Vermögenssubstanz, auf den bei Auflösung und Liquidation ein Anspruch besteht (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 25; BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60 , BVerfGE 14, 263, 285). Der Gleichlauf zwischen dem Wert des einzelnen Anteils und dem anteiligen Unternehmenswert ist auch dann gegeben, wenn ein Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
geschlossen wurde. Der Wert des Anteils des außenstehenden Minderheitsaktionärs hat sich durch den Unternehmensvertrag nicht vollständig vom Unternehmenswert abgekoppelt (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 24, 26 m.w.N. = AG 2016, 359).

Aus Sicht des ausgeschlossenen Minderheitsaktionärs bestimmen sich der Wert seiner Unternehmensbeteiligung und damit die Angemessenheit der Abfindung andererseits primär durch die Erträge, die er ohne Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär zukünftig tatsächlich erhalten hätte. Während der Laufzeit des Unternehmensvertrags sind das die Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG , weshalb deren Wert bei der Barabfindung abzubilden ist. Die Diskontierung der Ausgleichszahlungen kann eine aussagekräftige und geeignete Methode sein, um den Wert des Fruchtziehungsrechts der Minderheitsaktionäre zu ermitteln. Es wäre mit dem Postulat der Angemessenheit schwerlich zu vereinbaren, wenn dem Mehrheitsaktionär der Wert der Ausgleichszahlungen anwüchse, die er infolge des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre erspart. Es entstünde beim Mehrheitsaktionär, in dessen alleinigem Interesse der Ausschluss der Minderheitsaktionäre erfolgt, eine Bereicherung, für die es keinen sachlichen Grund gibt.

(c) Der Berücksichtigung des Barwerts bei der Bestimmung der angemessenen Abfindung steht nicht entgegen, dass der Ausgleichsanspruch kein wertpapiermäßig in der Aktie verkörpertes Mitgliedschaftsrecht ist, sondern ein schuldrechtlicher Anspruch gegen das herrschende Unternehmen auf Grundlage des Unternehmensvertrags (a.A. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 525 f. = AG 2017, 672). Zwar geht der Ausgleichsanspruch mangels Verbriefung nicht infolge rechtsgeschäftlicher Übertragung der Aktie auf den Erwerber über. Der Minderheitsaktionär verliert jedoch infolge der Übertragung der Aktie seine Stellung als außenstehender AktionärBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und damit den Anspruch auf die Garantiedividende, der beim Erwerber der Aktie, soweit dieser außenstehender AktionärBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ist, originär entsteht (BGH v. 8.5.2006 – II ZR 27/05 , BGHZ 167, 299 Rz. 17 ff. = AG 2006, 543). Der Verlust dieser Vermögensposition, der infolge des Ausschlusses des Minderheitsaktionärs unmittelbar eintritt, ist aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgabe der vollen wirtschaftlichen Kompensation für den Verlust der Unternehmensbeteiligung (BGH v. 29.9.2015 – II ZB 23/14 , BGHZ 207, 114 Rz. 33 = AG 2016, 135; v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 22 = AG 2016, 359; BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94 , BVerfGE 100, 289, 305 f. AG 1999, 566 m. Anm. Vetter) in der Abfindung des Minderheitsaktionärs abzubilden. Da der Ausgleichsanspruch aus § 304 AktG nur die Aussicht auf die Dividende ersetzt, nicht aber den Anteil an Vermögenssubstanz, auf den bei Auflösung und Liquidation ein Anspruch bestünde, der ebenfalls Teil der in der Aktie verkörperten von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Vermögensrechte ist, stellt dessen Barwert regelmäßig nur den Mindestwert der Abfindung dar.

(d) Der Ausgleichszahlung kann nicht die verfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit abgesprochen, weil sie dem Aktionär durch Beendigung des Unternehmensvertrags kompensationslos entzogen werden könnte (a.A. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 525 f. = AG 2017, 672). Dem Minderheitsaktionär kann der Anspruch auf die feste Ausgleichszahlung nicht entschädigungslos entzogen werden, da bei Beendigung des Unternehmensvertrags an seine Stelle wieder der Anspruch auf die unsichere Dividende tritt. Das verfassungsrechtlich geschützte Vermögensrecht des Minderheitsaktionärs ist das Fruchtziehungsrecht sowohl in Gestalt der aus dem Bilanzgewinn auszuschüttenden Dividende als auch in Gestalt der vertraglich zugesagten Ausgleichszahlungen während des Bestands eines Unternehmensvertrags. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Dividende durch die abhängige Aktiengesellschaft und die Ausgleichszahlung vom beherrschenden Unternehmen geschuldet wird. Denn es ist auf das verfassungsrechtlich geschützte Vermögensrecht des Minderheitsaktionärs und nicht den Schuldner der jeweiligen Zahlung abzustellen. Ebenso wenig lässt sich einwenden, dass wegfallende Dividendenzahlungen nicht neben dem Wert des Unternehmens und dem Börsenkurs zur Wertermittlung als Untergrenze herangezogen werden, wenn kein Gewinnabführungsvertrag besteht (so aber OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 526 = AG 2017, 672). Die Situation einer unsicheren Dividendenzahlung ist nicht vergleichbar mit dem nach § 304 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AktG dem Minderheitsaktionär fest zugesicherten Betrag.

(e) Der Unternehmensanteilswertermittlung durch Diskontierung der Ausgleichszahlungen bei Barabfindung steht weiter nicht entgegen, dass die Ausgleichsberechtigung keine auf ewig sichere garantierte Rendite, sondern ihrer Natur nach vorübergehend ist (a.A. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 524 = AG 2017, 672). Schwierigkeiten bei der Prognose der Laufzeit des Unternehmensvertrags und die daraus resultierenden Unwägbarkeiten der Wertberechnung sind keine Besonderheiten des kapitalisierten Ausgleichs. Jede Unternehmenswertermittlung beruht zu einem Großteil auf unsicheren Prognosen, Annahmen und Schätzungen. Erforderlich ist im Einzelfall eine Prognose der Laufzeit zum Bewertungsstichtag unter Abstraktion der konkreten Strukturmaßnahme. Bei dieser Prognose ist zu berücksichtigen, ob der Unternehmensvertrag nur zeitlich befristet oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist, ob, wann und durch wen er kündbar ist und schließlich, ob und wann mit Blick auf die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten eine Kündigung zu erwarten gewesen wäre. Wenn die konkrete Unternehmensplanung keine Anhaltspunkte für eine Vertragsbeendigung bietet, kann die ewige Laufzeit des Unternehmensvertrags anzunehmen sein. Die ewige Laufzeit des Unternehmensvertrags ist zwar eine stark vereinfachte Annahme. Vereinfachte Annahmen dieser Art prägen aber die Unternehmensbewertung insgesamt. Auch bei der Ertragswertmethode nach dem IDW S 1 2008 wird die Prognose der künftigen Erträge nur für einen kurzen Zeitraum von drei bis fünf Jahren auf die konkrete Unternehmensplanung und danach auf stark vereinfachte Annahmen gestützt. Das Risiko der Vertragsbeendigung ist – wie andere aus der Organisationsstruktur der Gesellschaft resultierenden Risiken auch – im Rahmen des Risikozuschlags für die Gesellschaft bei der Ermittlung des Verrentungszinssatzes abzubilden. Im Übrigen muss die Laufzeit des Unternehmensvertrags auch bei der Wertermittlung nach der Ertragswertmethode prognostiziert werden, etwa um die künftige Ausschüttungsquote, die während der Dauer des Unternehmensvertrags 100 % betragen wird, schätzen zu können.

(f) Die Ausgleichszahlungen sind auch nicht generell ungeeignet, den Wert der Unternehmensbeteiligung abzubilden (a.A. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 523 f. = AG 2017, 672; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 26.10.2006 – 31 Wx 12/06 , ZIP 2007, 375, 376 f.). Nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG muss sich die Ausgleichsanzahlung an der bisherigen Ertragslage und den künftigen Ertragsaussichten der Gesellschaft orientieren. Die Festlegung der Ausgleichszahlungen erfolgt zwar naturgemäß zu einem früheren Zeitpunkt als dem für die Abfindung nach § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Stichtag. Das Stichtagsprinzip steht einer Berechnung der Abfindung nach dem Barwert der Ausgleichszahlungen aber nicht entgegen. Die Ausgleichszahlungen gehören zu den Verhältnissen der Gesellschaft im maßgeblichen Zeitpunkt, wenn der Unternehmensvertrag zu diesem Zeitpunkt Bestand hat und von seinem Fortbestand auszugehen ist (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 20 = AG 2016, 359).

(g) Durch die Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen wird dem Minderheitsaktionär auch nicht unangemessen das Risiko des Wertverlusts seiner Unternehmensbeteiligung abgenommen bzw. der Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Abschlusses des Unternehmensvertrags festgeschrieben (a.A. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 525 = AG 2017, 672; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 26.10.2006 – 31 Wx 12/06 , ZIP 2007, 375, 377). Ein Minderheitsaktionär, der sich infolge seiner Entscheidung, die Unternehmensbeteiligung an dem beherrschten Unternehmen zu halten, die Chance auf eine Werterhöhung des Unternehmens erhält, trägt als Kehrseite auch das Risiko, nach der Beendigung des Unternehmensvertrags an einem ausgezehrten Unternehmen beteiligt zu sein (BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 27 = AG 2016, 359). Dieses Risiko der Bleibeentscheidung des Minderheitsaktionärs realisiert sich durch seinen Ausschluss aus der Gesellschaft aber nicht, da die Übertragung der Aktien auf das herrschende Unternehmen den Unternehmensvertrag nicht beendet (BGH v. 19.4.2011 – II ZR 237/09 , BGHZ 189, 261 Rz. 18 = AG 2011, 514; v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 29 = AG 2016, 359). Die Minderheitsaktionäre verlieren infolge ihres Ausschlusses nach § 327a AktG den Anspruch auf Ausgleichszahlungen, weil sie ihre Stellung als Minderheitsaktionäre verlieren, wohingegen der Mehrheitsaktionär genau diesen Betrag erspart. Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots des „vollen“ Ausgleichs erfordert eine angemessene Abfindung, dass die Minderheitsaktionäre mindestens den Betrag erhalten, den der Mehrheitsaktionär erspart. Das Risiko der Vertragsbeendigung, das der Minderheitsaktionär infolge seiner Entscheidung nach dem Gewinnabführungsvertrag in der Gesellschaft zu verbleiben trägt, wird ihm nicht abgenommen, sondern in dem Risikozuschlag für die Gesellschaft abgebildet und mindert entsprechend der konkreten Risikoprognose die Zahlungsströme.

(h) Die Unterschiede zwischen dem Börsenwert, der regelmäßig Untergrenze der Abfindung ist, und dem Barwert der Ausgleichszahlungen, schließen ebenfalls nicht aus, den Barwert der Ausgleichszahlungen bei der Bestimmung der angemessenen Abfindung zu berücksichtigen (a.A. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 525 = AG 2017, 672; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 26.10.2006 – 31 Wx 12/06 , ZIP 2007, 375, 376). Der Börsenkurs bildet eine Untergrenze, weil er – jedenfalls in einem funktionierenden Markt – den Verkehrswert der Aktie widerspiegelt, also den Preis, den der Minderheitsaktionär im Falle einer Deinvestitionsentscheidung, die ihm durch seinen Ausschluss aus der Gesellschaft unmöglich wird, auf dem Markt hätte realisieren können. Der Barwert der Ausgleichszahlungen ist zwar anders als der Börsenkurs kein durch Angebot und Nachfrage gebildeter Preis der Unternehmensbeteiligung, hat aber Einfluss auf diesen. Denn der Barwert der Ausgleichszahlung sichert dem Minderheitsaktionär die regelmäßig feste Ausgleichszahlung während der Laufzeit des Vertrags (§ 304 Abs. 2 Satz 1 AktG ). Auf einem funktionierenden Markt wird die Höhe der Ausgleichszahlung bzw. deren Barwert den Preis der Aktie bestimmen, wenn sie die prognostizierten künftigen Erträge bzw. den anteiligen Ertragswert übersteigt. Insofern bestimmt der Barwert der Ausgleichszahlungen die Höhe der Barabfindung, wenn er den Verkehrswert der Unternehmensbeteiligung zutreffend abbildet (vgl. BGH v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 , BGHZ 208, 265 Rz. 30 = AG 2016, 359). Ob er den Verkehrswert zutreffend abbildet, ist eine Frage des Einzelfalls, bei deren Beantwortung zu berücksichtigen ist, dass ein Unternehmensvertrag, der erheblich über dem Ertragswert liegende Ausgleichszahlungen gewährt, nicht dauerhaft von Bestand sein wird. Für die voraussichtliche Dauer des Unternehmensvertrags ist der Wert der Beteiligung mindestens der Barwert der dem Minderheitsaktionär im Rahmen des Unternehmensvertrags vertraglich zugesagten festen Ausgleichszahlungen, auch wenn dieser Wert den auf Grundlage der prognostizierten zukünftigen Erträge ermittelten anteiligen Ertragswert übersteigt.

(i) Der Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen stehen schließlich mögliche Verzögerungen des Spruchverfahrens, weil dieses unter Umständen bis zum rechtskräftigen Abschluss des die Angemessenheit des Ausgleichsanspruchs betreffenden Spruchverfahrens gem. § 148 ZPO auszusetzen sein kann, nicht entgegen (a.A. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 525 = AG 2017, 672). Dieses Argument kann ohnehin nur bei einer gewissen zeitlichen Nähe zwischen dem Unternehmensvertrag und der Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär Bedeutung erlangen. Auch etwaige Bewertungsschwierigkeiten bei anderen Strukturmaßnahmen, wie etwa einer Verschmelzung mit mehreren Verschmelzungspartnern, stehen der Berücksichtigung des Barwerts der Ausgleichszahlungen jedenfalls beim Ausschluss von Minderheitsaktionären nach § 327a AktG nicht entgegen (a.A. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 15.11.2016 – 26 W 2/16 (AktE), ZIP 2017, 521, 525 = AG 2017, 672).

b) Ergebnis, Berechnung

Dies zugrunde gelegt, ermittelt sich die angemessene Abfindung vorliegend aus dem Barwert der Ausgleichszahlungen. Dieser beträgt 93,30 € je Stammaktie und 93,84 € je Vorzugsaktie und übersteigt damit den anteiligen Ertragswert und den umsatzgewichteten durchschnittlichen Börsenwert drei Monate vor der öffentlichen Bekanntgabe des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre. Unter Berücksichtigung der weiteren Umstände führt das Abstellen auf den Barwert zu einer angemessenen Abfindung.

Der Unternehmensvertrag wurde am 26.4.2004 für fünf Jahre fest geschlossen und damit gut anderthalb Jahre vor dem für die Barabfindung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Hauptversammlung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre am 13./14.12.2005. Während der fünfjährigen festen Vertragslaufzeit konnte die Antragsgegnerin sich ihren Pflichten zur Ausgleichszahlung nicht durch Beendigung des Unternehmensvertrags entziehen. Umgekehrt durften sich die Minderheitsaktionäre, die nach Abschluss des Unternehmensvertrags in der Gesellschaft verblieben sind, für die feste Vertragslaufzeit von fünf Jahren auf den Erhalt der Ausgleichszahlungen verlassen. Der Zeitraum der sicheren Ausgleichszahlungen war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre länger als der Zeitraum der konkreten Unternehmensplanungen der Antragsgegnerin. Die Detailplanungsphase der Antragsgegnerin umfasste nach deren weltweit einheitlichen Planungs- und Controllingsystem nur zwei Jahre, weshalb eine darüberhinausgehende Planung für die W. AG nicht existierte. Infolgedessen ist eine zum Zweck der Ertragswertermittlung über diesen Zeitraum hinaus fortgeschriebene Planungsrechnung keine bessere Schätzgrundlage zur Ermittlung des Werts der Unternehmensbeteiligung als die festen Ausgleichszahlungen.

Für die Berechnung der Höhe des Barwerts der Ausgleichszahlungen schließt sich der Senat den Ausführungen des OLG an, gegen die die Antragsgegnerin im weiteren Verfahren keine durchgreifenden Einwände vorgebracht hat.

Schlagworte: Barabfindung, Barwert