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BGH, Beschluss vom 16. Mai 1994 – II ZR 173/93

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Juli 1993 wird nicht angenommen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hätte im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte (§ 97 ZPO).

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OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 14. Juli 1993 – 8 U 227/92

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 723 Abs 3 BGB, § 9 BewG

Ist den Gesellschaftern, die sich einem Gesellschafterbeschluß über die Umwandlung einer KG in eine GmbH nicht ausschließen, eine Abfindung „nach dem gemeinen Wert“ ihrer Anteile zugesagt worden, und steht die Umwandlung und diese Abfindungszusage vor allem in einem steuerrechtlichen Zusammenhang wie sich aus einem Rundschreiben der Geschäftsleitung zur geplanten Umwandlung ergibt, in dem darauf hingewiesen wird, daß die Anteilsbewertung durch die Finanzbehörde für die KG eine andere ist als für die GmbH, sind für die Ermittlung des Abfindungsbetrages steuerrechtliche Regeln anzuwenden. Die Abfindung ist dann nicht nach dem Verkehrswert der Geschäftsanteile, sondern nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren zu ermitteln.

Aus den Entscheidungsgründen:

… Die Parteien streiten nicht darüber, daß die Klägerin (Kl.) dem Grunde nach von der Beklagten (Bekl.) eine Abfindung verlangen kann, nachdem sie sich dem Umwandlungsbeschluß der Gesellschafterversammlung entgegen dem an sie gerichteten Angebot der Gesellschaftermehrheit nicht angeschlossen hat. In Anlehnung an das Urteil des BGH vom 15. 11. 1982 (BGHZ 85, 350 = GmbHR 1983, 297 = NJW 1983, 1056) hat die Mehrheit der Gesellschafterversammlung gleichzeitig mit dem Umwandlungsbeschluß und dem Angebot an die Kl. für den Fall des Ausbleibens einer Anschließung bestimmt, daß die Kl. gegen Abfindung aus der Gesellschaft Ausscheiden solle. …

1. … 2. … Nach dem unstreitigen Inhalt des Umwandlungsbeschlusses stand der Kl. eine „Abfindung nach dem gemeinen Wert der Anteile” zu. Von diesem Beschlußinhalt geht auch die Kl. bei ihrem Klagebegehren aus. Es braucht deshalb nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob diese Regelung (Abfindung nach dem gemeinen Wert) Wirksamkeitsbedenken im Hinblick auf §§ 138, 723 Abs. 3 BGB ausgesetzt ist. Soweit die nach der Beschlußfassung zu ermittelnde Abfindung unangemessen niedrig ausfallen sollte, wäre sie im Falle der Unwirksamkeit durch eine angemessene Abfindung zu ersetzen, die keinesfalls geringer ausfallen könnte als die aufgrund der Regelung im Beschluß vom 24. 6. 1988, die die Kl. vorliegend geltend macht.

Das LG hat den gemeinen Wert des Gesellschaftsanteils der Kl. auf der Grundlage des Stuttgarter Verfahrens ermittelt. Dagegen wendet sich die Bekl. im Ergebnis ohne Erfolg. …

a) … b) Auch ohne eine isolierte Vereinbarung über das Verfahren ergibt sich bei zutreffender Auslegung aus dem Umwandlungsbeschluß vom 24. 6. 1988, daß der gemeine Wert der Beteiligung im vorliegenden Fall nach dem Stuttgarter Verfahren zu ermitteln ist.

aa) Der Begriff „gemeiner Wert” ist § 9 BewG entnommen. Bei unbefangener Betrachtung liegt es deshalb nahe, diesen steuerrechtlichen Begriff auch im vorliegenden Zusammenhang so zu verstehen, wie er im Steuerrecht definiert ist. Dementsprechend legt schon die Wortwahl es nahe, die steuerrechtlichen Regeln auch für die Ermittlung dieses Wertes anzuwenden.

bb) Bei Würdigung des Gesamtzusammenhangs ergibt sich, daß auch die am Zustandekommen des damaligen Beschlusses Beteiligten, insbesondere die Geschäftsführung … die mit derjenigen der Bekl. identisch war, die damals getroffene Regelung in diesem Sinne verstanden haben.

Schon das Rundschreiben der Geschäftsleitung … vom 6. 4. 1988 stellt die zu dieser Zeit geplante Umwandlung vor allem in einen steuerrechtlichen Zusammenhang. In diesem Schreiben wird nämlich darauf hingewiesen, daß bei einer KG die Anteilsbewertung für die steuerlichen Bemessungsgrundlagen (Vermögensteuer und Erbschaftsteuer) immer nach Substanzwerten erfolgen müsse, während bei einer GmbH „auch der Ertrag von Einfluß auf die Bewertung” sei. Daraus folgt, daß das gesamte Vorhaben der Umwandlung in erster Linie mit steuerrechtlichen Gegebenheiten und Konsequenzen begründet und in einem steuerlichen Kontext beurteilt wurde. Erneut kommt dies in den Hinweisen zum Ausdruck, die der Einladung vom 26. 5. 1988 zur ordentlichen Gesellschafterversammlung vom 24. 6. 1988 beigefügt waren. In diesen steuerlichen Kontext ist deshalb auch der steuerliche Terminus „gemeiner Wert” im Umwandlungsbeschluß eingebettet. …

cc) Demgegenüber spricht nichts dafür, daß mit dem gemeinen Wert ein reiner Ertragswert, wie ihn die Betriebswirtschaftslehre mittlerweile bevorzugt und – in anderem rechtlichen Zusammenhang – auch der BGH für maßgeblich erachtet hat, vorliegend zum Maßstab für die Abfindungshöhe gemacht werden sollte. Diese von der Bekl. erst im Laufe des Rechtsstreits aufgenommene These steht mit dem Begriff des gemeinen Wertes nicht im Einklang und findet auch in den ansonsten für die Auslegung beachtlichen Umständen keine Stütze.

dd) Der Senat geht deshalb davon aus, daß der für die Abfindung bestimmte gemeine Wert der Anteile allein nach den steuerrechtlichen Regelungen zu ermitteln ist, wie wenn er aus steuerrechtlicher Veranlassung festzusetzen wäre.

c) Nach diesen steuerrechtlichen Wertermittlungsvorschriften ist vorliegend das auch von der … Geschäftsleitung … und vom LG gewählte Stuttgarter Verfahren anzuwenden. Die Parteien streiten nicht darüber, daß die Steuerbehörden bei der Bewertung nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen nach diesem in Abschn. 76 ff. VStR geregelten Verfahren vorgehen. Das kommt allerdings nur in Betracht, wenn sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen ableiten läßt, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Dies ergibt sich aus § 11 Abs. 2 S. 2 BewG und Abschn. 76 S. 1 VStR. Eine Ableitung aus Verkäufen kommt hiernach im vorliegenden Fall jedoch nicht in Betracht, weil im letzten Jahr vor dem Bewertungsstichtag, dem Ausscheiden der Kl. mit Fristablauf für ihre Anschließung am 24. 6. 1988, zur Ableitung geeignete Käufe von Kommanditanteilen nicht erfolgt sind. Dies ist unstreitig.

Entgegen der Auffassung der Bekl. können die alsbald nach der Umwandlung zustande gekommenen Verkäufe nicht zur Ableitung des gemeinen Werts herangezogen werden. …

Schlagworte: gemeiner Wert, Grenzen des Stuttgarter Verfahrens, Stuttgarter Verfahren