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BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 – IX ZB 36/07

§ 17 Abs 2 InsO, § 271 Abs 1 BGB

1. Eine Forderung ist in der Regel dann im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt.

Angesichts der erklärten Absicht der Begründung des Regierungsentwurfs, an der überkommenen Definition des Begriffs der Zahlungsunfähigkeit festzuhalten, ist dieser Schluss nicht zwingend (Kirchhof, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2. Aufl. S. 288 Rn. 11). Sinn und Zweck des § 17 InsO verlangen vielmehr, an dem Erfordernis des „ernsthaften Einforderns“ als Voraussetzung einer die Zahlungsunfähigkeit begründenden oder zu dieser beitragenden Forderung festzuhalten. Von der Fälligkeit einer Forderung im Sinne des § 271 Abs. 1 BGB darf nicht schematisch auf die Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 InsO geschlossen werden. Vielmehr kann im Einzelfall zu prüfen sein, ob eine nach § 271 Abs. 1 BGB fällige Forderung, die der Schuldner nicht erfüllt, den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit zulässt. Nach wie vor ist nicht zu verlangen, dass ein Gläubiger ein Zahlungsverlangen regelmäßig oder auch nur ein einziges Mal wiederholt, um sicherzustellen, dass seine Forderung bei der Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen Berücksichtigung findet. Der Zweck der Vorschrift des § 17 InsO, den richtigen Zeitpunkt für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu finden, gebietet die Berücksichtigung auch solcher Gläubiger, die den Schuldner zur Zahlung aufgefordert, dann aber weitere Bemühungen eingestellt haben, ohne ihr Einverständnis damit zum Ausdruck zu bringen, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit vorerst nicht erfüllt. Die Forderung eines Gläubigers, der in eine spätere oder nachrangige Befriedigung eingewilligt hat, darf hingegen nicht berücksichtigt werden, auch wenn keine rechtlich bindende Vereinbarung getroffen worden ist oder die Vereinbarung nur auf die Einrede des Schuldners berücksichtigt würde und vom Gläubiger einseitig aufgekündigt werden könnte.

Regelmäßig ist eine Forderung also dann im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Dies ist grundsätzlich schon bei Übersendung einer Rechnung zu bejahen. Das Insolvenzgericht hat im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 5 Abs. 1 InsO) jedoch Tatsachenbehauptungen des Schuldners oder anderen Anhaltspunkten nachzugehen, die konkret als möglich erscheinen lassen, dass der Gläubiger sich dem Schuldner gegenüber mit einer nachrangigen Befriedigung unter – sei es auch zeitweiligem – Verzicht auf staatlichen Zwang einverstanden erklärt hat (vgl. BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998, aaO).

2. Forderungen, deren Gläubiger sich für die Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit einer späteren oder nachrangigen Befriedigung einverstanden erklärt haben, sind bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zu berücksichtigen.

Ob die Steuerberaterin zunächst Rechnungen gestellt oder in anderer Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass sie alsbaldige Zahlungen des Schuldners erwartete, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt. War das der Fall, waren die Honorarforderungen ernstlich eingefordert und damit im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO fällig gestellt. Eine gleichwohl getroffene Vereinbarung zwischen der Steuerberaterin und dem Schuldner darüber, dass die Forderung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Schuldners beglichen werden könne, dürfte dann zwar an der Fälligkeit der Forderung im Sinne von § 271 BGB nichts geändert haben. Die Forderungsgläubigerin hatte damit jedoch zum Ausdruck gebracht, dass sie weder eine bevorrechtigte Befriedigung im Rahmen des vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzips noch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners anstrebte, sondern je nach den finanziellen Möglichkeiten des Schuldners mit einer nachrangigen Befriedigung einverstanden war. Eine derartige Forderung kann nicht zur Begründung einer Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 Abs. 1 InsO herangezogen werden.

3. Fällige Zahlungspflichten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO) können nur mit Geld oder anderen üblichen Zahlungsmitteln erfüllt werden. Grundsätzlich sind in die zur Prüfung der Voraussetzungen des § 17 InsO zu erstellende Liquiditätsbilanz (vgl. BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 – IX ZR 228/03, WM 2006, 2312, 2314) daher nur die aktuell verfügbaren liquiden Mittel und die kurzfristig verwertbaren Vermögensbestandteile aufzunehmen, im vorliegenden Fall also das Bankguthaben, der Kassenbestand, der PKW und die monatlich zu erwartenden Zahlungen. Die Geschäftseinrichtung mag für die Frage des Vorhandenseins einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse (§ 26 Abs. 1 InsO) von Bedeutung sein. Für die Frage der Zahlungsfähigkeit des Schuldners spielt sie hingegen zunächst keine Rolle. Die nach einer Eröffnung zu erwartenden Ansprüche aus anfechtbaren Rechtshandlungen dürfen im Rahmen des § 17 InsO unter keinem denkbaren Gesichtspunkt berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juli 2006 – IX ZB 204/04, NZI 2006, 693, 694, z.V.b. in BGHZ 169, 17).

Schlagworte: Fälligkeit nach § 17 InsO, GmbHG § 64 Satz 1, Liquidationsbilanz, Ratenzahlungsvereinbarung, Stillhalteabkommen, Zahlungen nach Insolvenzreife, Zahlungseinstellung, Zahlungsunfähigkeit