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BGH, Beschluss vom 23. Juni 2021 – VII ZB 15/18

GG Art. 101 Abs. 1; ZPO § 568 Satz 2, § 850 Abs. 2, § 857

1. Um die gerichtliche Zuständigkeit der Kammer nach § 568 Satz 2 ZPO zu begründen, genügt es, wenn der Einzelrichter einen aktenkundigen Beschluss zur Übertragung des Verfahrens auf die Kammer vor Erlass des Beschlusses der Kammer getroffen hat (Anschluss an BGH, Beschluss vom 12. September 2019 – IX ZB 2/19, MDR 2019, 1536).

2. Die Möglichkeit, ein in einem Pensionsvertrag vorgesehenes, etwaiges künftiges Angebot des Arbeitgebers auf Vertragsänderung (hier: Kapitalabfindung statt monatliche Rentenzahlung) anzunehmen, ist als bloße rechtsgeschäftliche Handlungsmöglichkeit nicht pfändbar.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 14. Februar 2018 (4 T 326/17) und der Beschluss des Amtsgerichts – Vollstreckungsgericht – Wiesbaden vom 18. August 2017 (65 M 4213/17) aufgehoben.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 19. Mai 2017 (65 M 4213/17) wird insoweit aufgehoben, als mit ihm das Recht des Schuldners auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gemäß § 9 der Pensionszusage vom 23. März 2007 gepfändet und überwiesen worden ist. Insoweit wird der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Entscheidung über die Erinnerung des Schuldners sowie über die Kosten der Rechtsmittelverfahren an das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – Wiesbaden zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Gläubiger betreibt als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der J.    GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem vollstreckbaren Urteil über eine Hauptforderung von 393.309,64 € nebst Zinsen und Kosten.2

Der Schuldner war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin. Unter dem 23. März 2007 schloss er mit der späteren Insolvenzschuldnerin in Ergänzung seines Anstellungsvertrags einen Pensionsvertrag, der an die Stelle eines zuvor geschlossenen Pensionsvertrags vom 30. Juni 1993 trat. Mit diesem Vertrag erteilte die Insolvenzschuldnerin dem Schuldner eine Pensionszusage, die im Februar 2018 fällig wurde.3

Der Vertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:

§ 1 Versorgungsleistungen

Der Arbeitgeber sagt folgende Versorgungsleistungen zu: a) Altersrente bzw. vorgezogene Altersrente (vgl. § 2)

§ 2 Altersversorgung

Der Arbeitgeber gewährt dem Versorgungsberechtigten nach Vollendung des 65. Lebensjahres (vertragliches Pensionsalter) und seinem Ausscheiden aus den Diensten des Arbeitgebers eine lebenslängliche monatliche Altersrente in Höhe von 65 % des vor dem Ausscheiden bezogenen Festgehalts. …

§ 6 Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Scheidet der Versorgungsberechtigte vor Eintritt des Versorgungsfalles aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so bleiben ihm die Versorgungsanwartschaften aus dieser Zusage dem Grunde nach erhalten (sofortige vertragliche Unverfallbarkeit).

Die Höhe der Anwartschaft wird wie folgt ermittelt: …

§ 9 Kapitalabfindung

Der Arbeitgeber kann mit Zustimmung des Versorgungsberechtigten anlässlich seines Ausscheidens aus dem Unternehmen oder danach, unverfallbare Anwartschaften bzw. Ansprüche auf seine Leistungen und Hinterbliebenenleistungen ganz oder teilweise abfinden.

§ 10 Abtretung, Verpfändung oder sonstige Verfügungen

Abtretungen, Verpfändungen oder sonstige Verfügungen über Versorgungsleistungen aus diesem Vertrag sind ausgeschlossen. Dennoch erfolgte Verfügungen sind dem Arbeitgeber gegenüber unwirksam.

…“4

Zum Zeitpunkt der Pensionszusage schloss die Insolvenzschuldnerin eine Rückdeckungsversicherung ab und verpfändete die sich hieraus ergebenden Ansprüche zugunsten des Schuldners.5

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin kündigte der Gläubiger das Anstellungsverhältnis mit dem Schuldner mit Wirkung zum 30. September 2011.6

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2016 kündigte der Gläubiger den Rückdeckungsversicherungsvertrag. Die Versicherung zahlte den Rückkaufswert in Höhe von 327.064,12 € an den Gläubiger unter Hinweis darauf, dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zugunsten des Schuldners verpfändet seien und der Gläubiger zur Hinterlegung des Betrags verpflichtet sei.7

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. Mai 2017 ließ der Gläubiger folgende „angeblichen Forderungen“ des Schuldners gegen ihn als Insolvenzverwalter „einschließlich der künftig fällig werdenden Beträge“ pfänden, nämlich:

„Gepfändet wird das Recht des Schuldners auf Ausübung seiner Rechte und Pflichten aus der Pensionszusage vom 23.03.2007, insbesondere das Recht auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gem. § 9 der Pensionszusage vom 23.03.2007.

Da die Leistung aus dem Recht auf Zustimmung zur Kapitalabfindung in Geld erbracht wird, ist dieses Recht pfändbar gem. § 851 Abs. 2 ZPO.“8

Das Amtsgericht hat die Erinnerung des Schuldners gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat die Einzelrichterin bei dem Beschwerdegericht mit Beschluss vom 13. Februar 2018 das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO auf die Kammer übertragen. Mit Beschluss vom 14. Februar 2018 hat das Beschwerdegericht durch die Kammer die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen.9

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner, den Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben sowie unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. Mai 2017 aufzuheben; hilfsweise die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

II.10

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Schuldners führt zur Aufhebung der Beschlüsse des Beschwerde- und des Amtsgerichts (Vollstreckungsgericht) sowie zur Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, soweit mit ihm das Recht des Schuldners auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gemäß § 9 der Pensionszusage vom 23. März 2007 gepfändet und überwiesen worden ist, und im Übrigen zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht).11

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die sofortige Beschwerde des Schuldners sei unbegründet. Der Schuldner könne sich nicht darauf berufen, dass eine unzulässige Selbstpfändung vorliege. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe der Gläubiger vielmehr die Möglichkeit, eine dem Schuldner gegen ihn zustehende Forderung zu pfänden.12

Die Pfändung führe auch nicht dazu, dass der Gläubiger die Sicherung der insolvenzfesten Altersversorgung, die durch die Verpfändung der Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung bewirkt worden sei, treuwidrig umgehe. Der Gläubiger entziehe dem Schuldner nicht den Betrag, indem er dessen Absonderungsrecht nicht berücksichtige, sondern nehme als Gläubiger des Schuldners infolge der Pfändung dessen Rechte gegenüber der Insolvenzmasse wahr. Ebenso wie er in andere Vermögensgegenstände des Schuldners vollstrecken könne, könne er auch im Wege der Selbstpfändung in dessen Rechte gegenüber der Insolvenzschuldnerin vollstrecken.13

Die gepfändeten Ansprüche des Schuldners unterfielen keinem Pfändungsverbot. Die Pfändungsschutzvorschrift des § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG in Verbindung mit § 851 Abs. 1 ZPO sei zugunsten des Schuldners als beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nicht anwendbar.14

§ 850 Abs. 2 ZPO stehe der Pfändung ebenfalls nicht entgegen, da es sich bei den gepfändeten Ansprüchen nicht um Versorgungsbezüge im Sinne fort-laufend wiederkehrender Einkünfte handele, sondern um Versorgungsanwartschaften. Rechte aus einer Kapitalversicherung, die der Versorgung eines Arbeitnehmers dienen solle, seien voll pfändbar. Spätestens mit der Kapitalisierung lägen keine fortlaufend wiederkehrenden Einkünfte mehr vor.15

Der Schuldner könne sich auch nicht darauf berufen, dass sein Zustimmungsrecht zur Kapitalisierung und Abfindung unpfändbar sei. Ebenso wie das Kündigungsrecht bei einer Lebensversicherung mit dem Anspruch auf den Rück-kaufswert gepfändet werden dürfe, sei auch das hier in Rede stehende Zustimmungsrecht pfändbar. Es handele sich – wie für das Kündigungsrecht oder das einem Versicherungsnehmer zustehende Wahlrecht zwischen Kapitalleistung und Versorgungsrente bereits entschieden – nicht um ein höchstpersönliches und damit unpfändbares Recht. Die wirtschaftliche Bedeutung des Zustimmungsrechts stehe im Zusammenhang mit dem Anspruch des Schuldners auf Kapitalabfindung und könne daher zusammen mit diesem Recht übertragen und gepfändet werden. Dass der Schuldner kein Interesse an einer Kapitalabfindung habe, sei infolge der Pfändung des Zustimmungsrechts unerheblich.16

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.17

a) Zu Unrecht beanstandet die Rechtsbeschwerde allerdings, dass das Beschwerdegericht durch die Kammer entschieden und damit gegen Art. 101 Abs. 1 GG verstoßen habe. Denn die Einzelrichterin hat das Verfahren entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wirksam auf die Kammer übertragen, bevor diese in der Sache entschieden hat.18

aa) Nach § 568 Satz 1 ZPO entscheidet das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen worden ist. Hier hat über die Erinnerung des Schuldners die Amtsrichterin entschieden. In einem solchen Fall ist die vollbesetzte Kammer gemäß § 568 Satz 2 ZPO nur dann zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufen, wenn der Einzelrichter durch eine gesonderte Entscheidung das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen hat. Dies setzt einen entsprechenden Beschluss des Einzelrichters voraus (BGH, Beschluss vom 21. April 2021 – VII ZB 40/20 Rn. 8, juris; Beschluss vom 12. September 2019 – IX ZB 2/19 Rn. 9, MDR 2019, 1536, jeweils m.w.N.).19

bb) Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 12. September 2019 – IX ZB 2/19 Rn. 10, MDR 2019, 1536 m.w.N.), der sich der Senat anschließt, hat im Beschwerdeverfahren die Übertragung durch einen aktenkundigen Beschluss des Einzelrichters zu erfolgen. Hingegen setzt die Entscheidungskompetenz der Kammer nicht voraus, dass der Übertragungsbeschluss des Einzelrichters den Parteien vor der Entscheidung durch die Kammer zugegangen ist oder zumindest die Geschäftsstelle mit der Zweckbestimmung, den Parteien bekanntgegeben zu werden, verlassen hat. Die allgemeinen Grundsätze zu Existenz und Wirksamwerden eines gerichtlichen Beschlusses, auf welche sich die Rechtsbeschwerde beruft, berühren nicht die Frage, ob die Kammer bereits entscheidungsbefugt ist. Um die gerichtliche Zuständigkeit der Kammer zu begründen, genügt es vielmehr, wenn der Einzelrichter einen aktenkundigen Beschluss zur Übertragung des Verfahrens auf die Kammer vor Erlass des Beschlusses der Kammer getroffen hat. Das ist hier der Fall. Die Einzelrichterin hat das Verfahren durch einen in den Akten befindlichen Beschluss vom 13. Februar 2018 auf die Kammer übertragen. Damit lag bei Beschlussfassung der Kammer am 14. Februar 2018 ein Übertragungsbeschluss der Einzelrichterin vor, der die Zuständigkeit der Kammer begründete.20

b) Die Rechtsbeschwerde beanstandet jedoch zu Recht, dass das Beschwerdegericht die mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. Mai 2017 unter anderem erfolgte Pfändung des „Rechts auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gem. § 9 der Pensionszusage vom 23.03.2007“ gebilligt hat.21

aa) Das Beschwerdegericht hat zugrunde gelegt, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. Mai 2017 sämtliche Rechte des Schuldners aus der Pensionszusage vom 23. März 2007 erfasst. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinreichend bestimmt. Das ist der Fall, wenn bei verständiger Auslegung Anordnung und Umfang der Pfändung und die von ihr betroffenen Personen unzweifelhaft feststehen (vgl. Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., B.101 f. m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist der im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. Mai 2017 enthaltenen Forderungsbezeichnung hinreichend deutlich zu entnehmen, dass alle Rechte aus der Pensionszusage vom 23. März 2007 – mithin auch alle Forderungen einschließlich der künftigen Forderungen – gepfändet werden sollen und nicht nur das beispielhaft hinter „insbesondere“ aufgeführte „Recht auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gem. § 9 der Pensionszusage vom 23.03.2007“. Allein dies entspricht einer verständigen Auslegung, da es dem Gläubiger ersichtlich darum geht, letztlich in die – durch ein Pfandrecht an der Rückdeckungsversicherung abgesicherten – Zahlungsansprüche des Schuldners aus jenem Vertrag vollstrecken zu können.22

bb) Mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist indes nicht das dort bezeichnete „Recht auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gem. § 9 der Pensionszusage vom 23.03.2007“ auf den Gläubiger übergegangen. Das „Zustimmungsrecht“ ist weder als akzessorisches Nebenrecht von der Pfändung und Überweisung der (künftigen) Zahlungsansprüche aus der Pensionszusage vom 23. März 2007 miterfasst, noch als sonstiges Recht gemäß § 857 ZPO selbständig oder zusammen mit den Zahlungsansprüchen wirksam gepfändet worden.23

(1) Akzessorische Nebenrechte sind Rechte, die bei einer Abtretung nach §§ 401, 412 BGB mit der abgetretenen Forderung auf den neuen Gläubiger übergehen. Sie werden folglich von der Pfändung und Überweisung der (künftigen) Hauptforderung miterfasst und dürfen von dem Pfändungspfandgläubiger ausgeübt werden. Gestaltungsrechte, deren Ausübung der Durchsetzung der gepfändeten Hauptforderung dienen, können ebenfalls zu den miterfassten Nebenrechten zählen. So wird beispielsweise das Wahlrecht des Schuldners als akzessorisches Gestaltungsrecht eingeordnet, das von der Pfändung der Forderungen aus dem Wahlschuldverhältnis miterfasst ist und nach Überweisung von dem Gläubiger ausgeübt werden kann (vgl. Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., A.35, E.400; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, 23. Aufl., § 835 Rn. 14). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es für zulässig erachtet worden, ein im Rahmen eines Lebensversicherungsvertrags eingeräumtes Wahlrecht zusammen mit der Forderung auf Zahlung der Kapitalabfindung sowie ein Kündigungsrecht zusammen mit der Forderung auf Zahlung des Rückkaufswerts pfänden und sich überweisen zu lassen, wobei nicht entschieden werden musste, ob diese Rechte auch ohne ausdrückliche Bezugnahme in den jeweiligen Beschlüssen von der Pfändung und Überweisung der Hauptforderungen miterfasst gewesen wären (vgl. BFH, Urteil vom 31. Juli 2007 – VII R 60/06, BFHE 218, 43, juris Rn. 14 zum Wahlrecht; BGH, Urteil vom 17. Februar 1966 – II ZR 286/63, BGHZ 45, 162, juris Rn. 17 zum Kündigungsrecht).24

Nicht akzessorische, sonstige Rechte sind demgegenüber nach Maßgabe des § 857 ZPO selbständig pfändbar. Dazu zählen nicht akzessorische Gestaltungsrechte, etwa vereinbarte Aneignungs- und Rückübertragungsrechte (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – IX ZR 102/02, BGHZ 154, 64, juris Rn. 21 ff.; vgl. dagegen BGH, Urteil vom 22. Januar 2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350: keine Pfändbarkeit des Rechts zum Abruf eines Dispositionskreditbetrags). Darüber hinaus wird angenommen, dass auch das Recht, ein bindendes Angebot anzunehmen, gemäß § 857 ZPO pfändbar ist, wenn dem Schuldner die Befugnis eingeräumt ist, seine Rechte aus dem Angebot an einen Dritten abzutreten (BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – IX ZR 102/02, BGHZ 154, 64, juris Rn. 20 unter Hinweis auf RG, Urteil vom 10. Juni 1925 – V 511/24, RGZ 111, 46).25

(2) Nach diesen Maßstäben ist das im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bezeichnete „Recht des Schuldners auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gem. § 9 der Pensionszusage vom 23.03.2007“ nicht auf den Gläubiger übergegangen.26

§ 9 der Pensionszusage vom 23. März 2007 enthält kein akzessorisches Nebenrecht des Schuldners zu dessen (künftigen) Zahlungsansprüchen, das von dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss miterfasst wäre. Denn diese Regelung begründet kein einseitiges Gestaltungsrecht des Schuldners, anstelle von monatlichen Ruhegeldzahlungen eine Kapitalabfindung zu verlangen. Insbesondere lässt sich dem Wortlaut der Regelung weder die Vereinbarung eines Wahlrechts noch die Einräumung einer einseitigen Ersetzungsbefugnis des Schuldners entnehmen. Es liegt insoweit auch keine der Einräumung eines einseitigen Gestaltungsrechts vergleichbare Vereinbarung vor. Vielmehr enthält § 9 der Pensionszusage vom 23. März 2007, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend ausführt, lediglich den Hinweis auf eine in Betracht kommende künftige Vertragsänderung durch übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien. Ein Anspruch auf Kapitalabfindung entsteht danach erst, wenn der Arbeitgeber dem Schuldner ein entsprechendes Angebot macht und dieser zustimmt. Nach der vertraglichen Gestaltung in § 9 der Pensionszusage vom 23. März 2007 unterliegt die Abgabe der insoweit erforderlichen, vertragsändernden Willenserklärungen indes weiterhin in vollem Umfang der Privatautonomie beider Vertragsparteien; eine Verpflichtung, an der in Aussicht genommenen Vertragsänderung mitzuwirken, wird nicht begründet. Damit handelt es sich bei dem im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bezeichneten „Recht auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gem. § 9 der Pensionszusage vom 23.03.2007“ letztlich nur um das im Rahmen der Privatautonomie jedermann zustehende Recht, rechtsgeschäftlich tätig zu werden, und nicht um ein akzessorisches, einseitiges Gestaltungsrecht, das der Durchsetzung einer gepfändeten (künftigen) Hauptforderung dient. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die weiteren Absätze des § 9 der Pensionszusage vom 23. März 2007 Vorgaben zur Berechnung einer etwaigen Kapitalabfindung machen.27

Auch ein sonstiges Recht des Schuldners, das gemäß § 857 ZPO selbständig oder zusammen mit den (künftigen) Zahlungsansprüchen aus der Pensionszusage gepfändet werden könnte, lässt sich § 9 der Pensionszusage vom 23. März 2007 nicht entnehmen. Diese Regelung begründet – wie bereits ausgeführt – kein Gestaltungsrecht, mithin auch kein nicht akzessorisches, anspruchsbegründendes Gestaltungsrecht, das als sonstiges Recht im Sinne des § 857 ZPO angesehen werden könnte. Dahinstehen kann ferner, ob das „Recht auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gem. § 9 der Pensionszusage vom 23.03.2007“ gemäß § 857 ZPO pfändbar wäre, wenn diese Regelung bereits ein auf Vertragsänderung gerichtetes bindendes Angebot der Insolvenzschuldnerin auf Kapitalabfindung enthielte. Denn ein solches, bindendes Angebot, das der Schuldner lediglich annehmen müsste, liegt nicht vor. Vielmehr setzt § 9 der Pensionszusage vom 23. März 2007 voraus, dass der Arbeitgeber ein entsprechendes Angebot auf eine Kapitalabfindung erst künftig, nämlich anlässlich des Ausscheidens des Schuldners aus dem Unternehmen oder später, erteilen wird. Die im Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses allein bestehende Möglichkeit des Schuldners, ein etwaiges künftiges Angebot auf Vertragsänderung anzunehmen, ist indes als bloße rechtsgeschäftliche Handlungsmöglichkeit nicht pfändbar (vgl. Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, 23. Aufl., § 857 Rn. 3).28

c) Das Beschwerdegericht hat darüber hinaus zu Unrecht angenommen, dass der für Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO geltende Pfändungsschutz nicht zugunsten des Schuldners eingreifen könne.29

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. Mai 2017 erfasst sämtliche angeblichen Rechte des Schuldners aus der Pensionszusage vom 23. März 2007 (vgl. die Ausführungen unter II. 2. b) aa)), mithin die sich aus § 2 der Pensionszusage vom 23. März 2007 ergebenden, angeblichen (künftigen) Ansprüche auf Zahlung einer monatlichen Altersrente. Derartige Ansprüche sind nach der Rechtsprechung des Senats als fortlaufende monatliche Ruhegeldzahlungen und daher gemäß § 850 Abs. 2 ZPO als Arbeitseinkommen einzuordnen mit der Folge, dass insoweit die Pfändungsschutzregelungen gemäß § 850c ZPO eingreifen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZB 52/15 Rn. 13 ff., NJW-RR 2017, 161).

III.30

Die Beschlüsse des Beschwerde- und des Amtsgerichts (Vollstreckungsgericht) können danach keinen Bestand haben. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. Mai 2017 ist klarstellend insoweit aufzuheben, als mit ihm das Recht auf Zustimmung zur Kapitalabfindung gemäß § 9 der Pensionszusage vom 23. März 2007 gepfändet und überwiesen worden ist.31

Nachdem die Instanzgerichte den für Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO einschlägigen Pfändungsschutz gemäß § 850c ZPO nicht berücksichtigt haben, ist die Sache an das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen zu treffen und über die Erinnerung des Schuldners zu entscheiden haben wird.

Schlagworte: Pensionsvertrag