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BGH, Beschluss vom 7. November 2017 – II ZB 4/17

ZPO § 3; BDSG § 4 Abs. 3 Satz 1, § 33

Bei der Bemessung der Beschwer einer Treuhandkommanditistin einer Publikums-Kommanditgesellschaft durch die Verurteilung zur Auskunftserteilung über Namen, Anschrift und Beteiligungshöhe sämtlicher Treugeber an einen Treugeberkommanditisten sind die durch eine Pflicht zur Benachrichtigung der betroffenen Treugeber verursachten Kosten nicht zu berücksichtigen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. Januar 2017 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Streitwert: 400 €

Gründe

I.

Die Beklagte ist Treuhandkommanditistin der B. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
, einer Publikums-Kommanditgesellschaft, an der sich der Kläger im September 2009 als Treugeberkommanditist über die Beklagte mit einer Einlage von 50.000 € beteiligte. Sie ist durch Urteil des Landgerichts verurteilt worden, dem Kläger eine Auflistung der vollständigen Treugeber an dem Fonds mit Namen, Vornamen, Wohnadresse und Beteiligungshöhe her-auszugeben und ihn von seinem außergerichtlichen Gebührenschaden in Höhe von 1.317,57 € freizustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht nach vorherigem Hinweis den Streitwert für das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 17. Januar 2017 auf 400 € festgesetzt und die Berufung wegen Nichterreichens der Berufungssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Festsetzung der Beschwer der Beklagten ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der nach freiem Ermessen festzusetzende Beschwerdewert für das Rechtsmittel der zur Auskunftserteilung verurteilten Partei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß § 3 ZPO nach ihrem Interesse bemisst, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte Partei ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 1994 GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 87; Beschluss vom 10. August 2005 XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63, 66; Beschluss vom 22. März 2010 II ZR 75/09, WM 2010, 988 Rn. 2; Urteil vom 10. Februar 2011 III ZR 338/09, NJW 2011, 926 Rn. 9; Beschluss vom 15. Juni 2011 II ZB 20/10, WM 2011, 1335 Rn. 3). Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm gemäß § 3 ZPO eingeräumten Ermessens über-schritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2010 III ZB 28/10, juris Rn. 5; Beschluss vom 15. Juni 2011 II ZB 20/11, WM 2011, 1335 Rn. 4; Beschluss vom 12. April 2016 VI ZB 48/14, ZIP 2016, 1605 Rn. 5 mwN).

2. Danach ist die Bemessung der Beschwer durch das Berufungsgericht im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) Dass das Berufungsgericht von einem Zeitaufwand der Beklagten von nur wenigen Stunden für die Erstellung der Auflistung ausgegangen ist, weil die Beklagte auf das von ihr nach § 9 Nr. 1 des Treuhand- und Verwaltungsvertrags zu führende Treugeberregister zurückgreifen könne, die von der Beklagten behauptete Notwendigkeit einer zeitaufwendigen „händischen“ Zusammenstellung der Datensätze weder konkret dargelegt noch glaubhaft gemacht und angesichts der Möglichkeit elektronischer Datenverarbeitung lebensfremd sei, lässt keinen Ermessensfehler erkennen und wird von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen. Gleiches gilt für die Bemessung dieses Aufwands durch das Berufungsgericht mit 400 €.

b) Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde dagegen, dass das Berufungsgericht bei der Bemessung der Beschwer den von der Beklagten geltend gemachten Aufwand für eine Benachrichtigung der von der Auskunftserteilung betroffenen 1.619 Gesellschafter bzw. Treugeber (Kosten für die Bearbeitung sowie Portkosten von 1.333,30 €) nach § 4 Abs. 3, § 33 BDSG nicht berücksichtigt hat.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Bundesdaten-schutzgesetz zwar auch auf den vom Kläger geltend gemachten gesellschaftsrechtlichen Auskunftsanspruch anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2011 II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 17; Urteile vom 5. Februar 2013 II ZR 134/11, ZIP 2013, 570 Rn. 41 und II ZR 136/11, ZIP 2013, 619 Rn. 37; Beschluss vom 22. Februar 2016 II ZR 48/15, juris Rn. 11; Beschluss vom 18. April 2016 II ZR 48/15, juris Rn. 2 f.). Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten geltend gemachten Benachrichtigungs-kosten aber im Ergebnis zu Recht nicht berücksichtigt, weil die Beklagte hier keiner Benachrichtigungspflicht gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1, § 33 BDSG unterliegt (aa) und die dadurch verursachten Kosten zudem keine unmittelbare Beschwer der Beklagten durch ihre Verurteilung zur Auskunftserteilung darstellen würden (bb).

aa) Die Beklagte unterliegt bei Erteilung der Auskunft an den Kläger keiner Benachrichtigungspflicht gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1, § 33 BDSG.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BDSG besteht eine Pflicht zur Unterrichtung des Betroffenen über die Identität der verantwortlichen Stelle, die Zweckbestimmung der Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung und die Kategorien von Empfängern nur dann, wenn er nicht bereits auf andere Weise Kenntnis davon erlangt hat. Die Information über die Kategorien von Empfängern ist zudem nur dann erforderlich, soweit der Betroffene nach den Umständen des Einzelfalles nicht mit der Übermittlung an diese rechnen muss (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BDSG).

Hier wussten die Treugeber bei der Bekanntgabe ihrer Daten gegenüber der Fondsgesellschaft bzw. der Beklagten, dass diese zum Zwecke der Durchführung des Gesellschaftsvertrags erhoben und verwendet wurden (konkludente Zweckbestimmung; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2016 II ZR 48/15, juris Rn. 11 f.). Nach dem objektiven Empfängerhorizont mussten sie daher auch mit einer Übermittlung ihrer Daten an ihre Mitgesellschafter rechnen, da ansonsten die Durchführung des Gesellschaftsvertrags nicht möglich war (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2016 II ZR 48/15, juris Rn. 11 f.).

Eine über diese Zweckbestimmung der Datenverwendung (Durchführung des Gesellschaftsverhältnisses) hinausgehende Unterrichtungspflicht darüber, dass die Daten im Rahmen der Durchführung des Gesellschaftsvertrags an die Mitgesellschafter weitergegeben würden, hätte angesichts dessen nur bestanden, wenn die Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag mit einer derartigen Weitergabe ihrer Daten nicht hätten rechnen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2016 II ZR 48/15, juris Rn. 2). Das ist hier nicht der Fall. Insoweit verweist die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg auf § 17 Nr. 2 des Treuhand- und Verwaltungsvertrags. Danach ist die Weitergabe der Anschrift und anderer Daten eines Gesellschafters oder Treugebers an Dritte, insbesondere auch an andere Gesellschafter oder Treugeber ohne Zustimmung des Betroffenen viel-mehr ausnahmsweise u.a. dann erlaubt, wenn dies zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten erfolgt. Ein solcher Ausnahmefall der gesetzlichen Verpflichtung liegt bei der Auskunftserteilung an den Kläger nach der Entscheidung des Landgerichts gerade vor.

bb) Selbst wenn man von einer Benachrichtigungspflicht der Beklagten gemäß § 4 Abs. 3, § 33 BDSG ausgehen wollte, würden die dadurch verursachten Kosten ihre Beschwer nicht erhöhen, weil es sich um keinen unmittelbar erforderlichen Aufwand für die Auskunftserteilung an den Kläger, sondern nur um eine damit zusammenhängende Kostenfolge aufgrund der Drittbeziehung der Beklagten zu den übrigen Treugebern handeln würde.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich die Beschwer des Rechtsmittelklägers danach, inwieweit die ergangene Entscheidung selbst ihm einen rechtlichen Nachteil bringt, dessen Beseitigung er mit dem Rechtsmittel erstrebt. Drittbeziehungen stellen einen solchen unmittelbar aus dem Urteil fließenden rechtlichen Nachteil nicht dar und haben deshalb als reine Fernwirkung nicht nur für den Streitgegenstand und die daran zu orientierende Bemessung des Streitwerts, sondern gleichermaßen für die Beschwer außer Betracht zu bleiben. Dies kann für die Bemessung der Beschwer bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung nicht anders sein (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1997 V ZR 208/96, NJW 1997, 3246; Beschluss vom 10. August 2005 XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63, 67; Beschluss vom 25. Januar 2006 VIII ZB 33/05, juris Rn. 5; Beschluss vom 16. Juni 2008 VIII ZB 87/06, WuM 2008, 615, 616; Beschluss vom 30. September 2008 VIII ZR 248/06, WuM 2008, 681; Beschluss vom 28. September 2010 VI ZB 85/08, VersR 2011, 236 Rn. 7).

(2) Die unmittelbare Beschwer der Beklagten durch die Verurteilung zur Auskunftserteilung besteht hier allein in dem Aufwand an Zeit und Kosten für die Erstellung der Auflistung der übrigen Treugeber und ihrer Beteiligungen. Die Benachrichtigung der betroffenen Treugeber ist für die Erteilung der Auskunft an den Kläger hingegen nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2016 II ZR 224/15, juris Rn. 2), sondern stellt eine damit zusammenhängende Folge aus der Drittbeziehung der Beklagten zu den übrigen Treugebern dar. Wenn sich diese Folge im Fall einer datenschutzrechtlichen Benachrichtigungspflicht aus dem Gesetz ergeben sollte und nicht wie etwa Schadensersatzansprüche eines Dritten wegen Verletzung von Geheimhaltungs-Pflichten noch von der Geltendmachung durch den Betroffenen abhängig ist, ändert dies nichts daran, dass sie nicht schon für die Erteilung der Auskunft als solche notwendig ist.

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch das Interesse der Beklagten an der Vermeidung des Kostenerstattungsanspruchs nicht ausnahmsweise als untere Wertgrenze des Beschwerdegegenstands angesehen.

aa) Das Interesse des Beklagten an der Vermeidung einer für ihn nachteiligen Kostenentscheidung bleibt nach dem Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 24. November 1994 (GZS 1/94, BGHZ 128, 85, 91 f.) bei der Bemessung des Beschwerdewerts in Verfahren zur Erteilung einer Auskunft grundsätzlich außer Betracht. Die von der Rechtsbeschwerde dagegen angeführten früheren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 15. Januar 1992 – XII ZB 135/91, NJW 1992, 1513 f.; Beschluss vom 10. März 1994 – IX ZB 20/94, NJW 1994, 1740 f.) sind wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat durch den Beschluss des Großen Senats überholt.

bb) Dagegen macht die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg geltend, die Entscheidung des Großen Senats sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil die dortige Auskunftsklage lediglich der Vorbereitung und Durchsetzung eines Hauptanspruchs gedient habe, während hier die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs selbst die Hauptsache sei.

Zutreffend ist, dass die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Zuläs-sigkeit der Rechtsmittel eines Auskunftsklägers und eines Auskunftsbeklagten nach der Begründung des Großen Zivilsenats dadurch zu rechtfertigen sind, dass der Auskunftskläger auf den Auskunftsanspruch zur Durchsetzung seines Hauptanspruchs angewiesen ist, während der Auskunftsbeklagte sich weiterhin gegen den Hauptanspruch wehren kann, weil insbesondere durch die Auskunft der Grund des Anspruchs nicht in Rechtskraft erwächst.

Daraus folgt entgegen der Rechtsbeschwerde aber nicht, dass ein anderer Beurteilungsmaßstab gelten muss, wenn der Auskunftsanspruch selbst die Hauptsache darstellt, weil der Auskunftsbeklagte andernfalls keine Möglichkeit hätte, sich gegen eine fehlerhafte Verurteilung zur Auskunftserteilung als Hauptanspruch mittels eines Rechtsmittels zur Wehr zu setzen. Hierzu hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass auch isoliert erhobene Auskunftsklagen in der Regel kein Selbstzweck sind, sondern der Vorbereitung weiterer rechtlicher oder wirtschaftlicher Maßnahmen dienen sollen. Gegen etwaige (Haupt-)Ansprüche, die anschließend in Verwendung der aus der Auskunft gewonnenen Informationen geltend gemacht werden, kann die Beklagte sich aber weiterhin fraglos zur Wehr setzen. Aus der Entscheidung des Großen Senats ergibt sich auch nicht, dass sich dieses Hauptsacheverfahren notwendigerweise (unmittelbar) an das Auskunftsverfahren anschließen muss. Die Möglichkeit, sich gegen den Hauptanspruch zu wehren, besteht für den zur Auskunft Verurteilten gleichermaßen, wenn der Anspruch erst in einem späteren, eigenständigen Verfahren geltend gemacht wird.

cc) Auch der Einwand der Rechtsbeschwerde, die Auffassung des Berufungsgerichts sei mit dem Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit sowie der prozessualen Waffengleichheit bei einer reinen Auskunftsklage nicht zu verein-baren, greift nicht. Die Interessen der Parteien an dem Auskunftsverfahren sind nicht gleich, sondern verschieden hoch zu bewerten, weil sich das Ergebnis dieses Verfahrens für sie in Bezug auf den hinter der Auskunft stehenden Hauptanspruch mag er in demselben oder aber in einem eigenen Verfahren geltend gemacht werden unterschiedlich auswirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 1994 – GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 90).

dd) Die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung des Klägers von seinem außergerichtlichen Gebührenschaden ist als Nebenforderung zum Auskunftsanspruch des Klägers gemäß § 4 Abs. 1 ZPO bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen.

Schlagworte: Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Streitwert, Streitwertbemessung