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BGH, Beschluss vom 7. November 2017 – II ZR 127/16

Publikumsgesellschaft

HGB §§ 105, 161; BGB § 705

Für den einer Publikumspersonengesellschaft beitretenden Gesellschafter müssen sich die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 22. April 2016 wird auf ihre Kosten nach § 552a ZPO i.V.m. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO zurückgewiesen.

Gründe

Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 11. Juli 2017 Bezug genommen. Die Stellungnahme der Klägerin vom 2. Oktober 2017 gibt zu einer abweichenden Beurteilung in der Sache keinen Anlass.

I. Entgegen der Auffassung der Revision liegt kein Zulassungsgrund vor. Klärungsbedürftige Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Rückforderung gewinnunabhängiger Auszahlungen an Kommanditisten hat der erkennende Senat wie bereits ausgeführt – geklärt (BGH, Urteil vom 12. März 2013 II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222). Vorliegend geht es nur noch um die Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Einzelfall. Weitere klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich nicht. Die Rechtssache erlangt nicht dadurch grundsätzliche Bedeutung, dass eine nicht näher erläuterte „große Vielzahl“ von Fondsgesellschaften betroffen ist und der Begriff des „Verlustsonderkontos“ nicht ausschließlich von der Klägerin und ihren Schwestergesellschaften verwendet wird. Von der Revision angeführte behauptete Fehler anderer Oberlandesgerichte bei der Auslegung von Gesellschaftsverträgen rechtfertigen die Zulassung im vorliegenden Rechtsstreit ebenfalls nicht. Zulassungsrelevante Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags der KG MS „S. “ GmbH & Co (im Folgen-den: Fondsgesellschaft) zeigt die Revision nicht auf. Sie sind auch nicht ersichtlich.

II. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Fondsgesellschaft auf Rückzahlung von an die Kommanditisten geleisteten Auszahlungen verneint. Die Auslegung des Berufungsgerichts, durch die gewinnunabhängigen Ausschüttungen aus der Liquidität an die Gesellschafter würden keine Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschafter begründet, ist auch unter Berücksichtigung der neuerlichen Einwendungen der Revision aus revisionsrechtlicher Sicht für den vorliegend zu beurteilenden Gesellschaftsvertrag nicht zu beanstanden.

1. Es ist nicht erforderlich, dass die für den Streitfall relevanten Regelungen des Gesellschaftsvertrags der Klägerin mehrere vertretbare Auslegungsmöglichkeiten zulassen.

a) Die Revision weist allerdings zu Recht darauf hin, dass unklar gemäß § 305c Abs. 2 BGB (nur) Klauseln sind, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2017 IV ZR 161/16, NJW-RR 2017, 992 Rn. 12 mwN). Außer Betracht bleiben dabei solche Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2017 VII ZR 259/16, NJW 2017, 2762 Rn. 19 mwN).

Es muss nicht geklärt werden, inwieweit diese Grundsätze bei der Auslegung von Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften, bei denen der Senat sich unter anderem an dem Rechtsgedanken des § 305c Abs. 2 BGB orientiert (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 – II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 14; Urteil vom 12. März 2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14), Anwendung finden. Die Revision verkennt, dass sich die Rückforderung von Ausschüttungen aus der Liquidität, zu deren Rückzahlung der Kommanditist von Gesetzes wegen nicht verpflichtet ist und die daher einer gesellschaftsvertraglichen Grundlage bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2013 II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 8 ff.), an einem anderen Grundsatz der Rechtsprechung des Senats messen lassen muss, der unabhängig von der Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB Geltung beansprucht. Danach müssen sich für den einer Publikumspersonengesellschaft beitretenden Gesellschafter die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 15; Urteil vom 12. März 2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14), weil die erst nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags beitretenden Gesellschafter in ihrem Vertrauen darauf geschützt werden müssen, nur solche Leistungen erbringen zu müssen, die dem Vertragstext unmissverständlich zu entnehmen sind (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2016 II ZR 63/15, juris Rn. 9; Urteil vom 16. Februar 2016 II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 15; vgl. bereits BGH, Urteil vom 30. April 1979 II ZR 57/78, WM 1979, 672). Lässt sich ein von der Gesellschaft behaupteter Anspruch dem Gesellschaftsvertrag durch Auslegung nicht positiv entnehmen, weil der Gesellschaftsvertrag insoweit missverständlich oder unklar ist, bedarf es zur Anspruchsverneinung nicht noch der Feststellung eines vertretbaren Auslegungsergebnisses (vgl. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Urteil vom 3. November 2016 18 U 80/16, juris Rn. 49).

b) Dem Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft (im Folgenden: GV) lässt sich nicht klar und unmissverständlich entnehmen, dass die an die Kommanditisten bewirkten gewinnunabhängigen Ausschüttungen aus der Liquidität diesen als Darlehen der Fondsgesellschaft zur Verfügung gestellt worden sind.

Die Gesamtregelung ist unter anderem deshalb unklar, weil nach § 12 Abs. 4 Satz 1 GV nicht jede Liquiditätsausschüttung ein Darlehen sein soll, sondern nur bzw. auch ein Darlehen sein kann, und als einzige im Gesellschaftsvertrag geregelte Voraussetzung, wann Liquiditätsausschüttungen Darlehen an die Gesellschafter sein sollen, in § 12 Nr. 4 Abs. 2 Satz 3 GV bestimmt ist: „solange Verlustsonderkonten bestehen“. Das im Gesellschaftsvertrag dar-gestellte Kontensystem der Klägerin sieht jedoch keine mit Verlustsonderkonten bezeichneten Gesellschafterkonten vor. An diesem Befund ändert sich nichts dadurch, dass auf dem nach dem im Gesellschaftsvertrag beschriebenen Kontensystem der Gesellschaft einzurichtenden Ergebnissonderkonto auch Verluste gebucht werden sollen. Aus dieser Zweckbestimmung des Ergebnissonderkontos kann entgegen der Auffassung der Revision ein verständiger Publikumspersonengesellschafter nicht ohne weiteres erkennen, dass, wie die Klägerin behauptet, mit dem in § 12 Nr. 4 Abs. 2 Satz 3 GV genannten Verlustsonderkonto das in § 15 Nr. 2 c) geregelte Ergebnissonderkonto gemeint sein soll. Zweifel hieran werden neben der Benennung des Kontos dadurch begründet, dass nach der gesellschaftsvertraglichen Regelung Gewinne ebenfalls auf dem Ergebnissonderkonto gutgebracht werden sollen.

2. Es bleibt dabei, dass den Kommanditisten eine gegen sie persönlich gerichtete Forderung aus den Bilanzen der Fondsgesellschaft nicht in dem Maße erkennbar war, dass von einem Anerkenntnis der Gesellschafter durch die Feststellung der Bilanz ausgegangen werden kann.

An dieser bereits im Beschluss vom 11. Juli 2017 verdeutlichten Auffassung hält der Senat, auch unter Berücksichtigung der Angriffe der Revision, fest. Im exemplarisch vorgelegten Jahresabschluss 2006 wird unter B. II. 3. lediglich ohne nähere Differenzierung aufgeführt: „Forderungen gegen Gesellschafter 6.052.539,78 EUR“. In der beispielhaft vorgelegten Aufgliederung zur Bilanz 2012 finden sich zwar nähere Ausführungen zu Darlehenskonten der Kommanditisten. Der Beklagte wird dort jedoch weder namentlich genannt noch wird eine gegen ihn gerichtete Darlehensverbindlichkeit einzeln ausgewiesen. Woraus der Beklagte danach mit der für einen Anerkenntniswillen erforderlichen Deutlichkeit hätte schließen sollen, dass in den Bilanzen der Gesellschaft eine gegen ihn gerichtete bezifferbare Darlehensforderung ausgewiesen sein soll, lässt sich den Ausführungen der Revision nicht entnehmen.

Der Einwand der Revision, die Klägerin hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass eine konkrete Darstellung zu der Frage erforderlich sei, ob der Beklagte den Jahresabschlüssen zugestimmt habe, bleibt ohne Erfolg. Die Revision räumt selbst ein, die Klägerin habe zum Abstimmungsverhalten des Beklagten bisher keine Unterlagen auffinden können. Zudem ist dieser Umstand nicht entscheidungserheblich, weil ein Anerkenntnis des Beklagten jedenfalls bereits deshalb nicht angenommen werden kann, weil für ihn nicht erkennbar war, dass und in welcher Höhe die Bilanz der Fondsgesellschaft eine gegen ihn gerichtete Darlehensforderung ausweist.

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