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BGH, Urteil 17. April 2012 – II ZR 198/10

a) Mit der Aufgabe der Theorie der Doppelverpflichtung haften grundsätzlich auch die Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
analog §§ 128, 130 HGB für die Altschulden der Gesellschaft (BGH, Urteil vom 7. April 2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370, 373 ff.; Urteil vom 18. Juli 2006 – XI ZR 143/05, ZIP 2006, 1622 Rn. 34 ff.; Urteil vom 17. Oktober 2006 – XI ZR 185/05, ZIP 2007, 169 Rn. 18 ff.). Dies gilt auch für Gesellschafter, die noch vor der Veröffentlichung des Urteils des erkennenden Senats vom 7. April 2003 (II ZR 56/02, BGHZ 154, 370) einer solchen Gesellschaft beigetreten sind (BGH, Urteil vom 18. Juli 2006 – XI ZR 143/05, ZIP 2006, 1622 Rn. 34 ff.; Urteil vom 17. Oktober 2006 – XI ZR 185/05, ZIP 2007, 169 Rn. 18 ff.; Urteil vom 19. Juli 2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 40). Allerdings gebieten das Rechtsstaatsgebot und der daraus folgende Grundsatz des Vertrauensschutzes, in jedem einzelnen Fall einer mit Rückwirkung verbundenen Rechtsprechungsänderung an den Kriterien der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu prüfen, ob den Interessen des auf die Fortgeltung der bisherigen Rechtslage Vertrauenden Vorrang gegenüber der materiellen Gerechtigkeit einzuräumen ist (BVerfGE 59, 128, 165; BGH, Urteil vom 29. Februar 1996 – IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119, 130 f.; Urteil vom 12. Dezember 2005 – II ZR 283/03, ZIP 2006, 82 Rn. 16; Urteil vom 19. Juli 2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 40).

b) Allerdings können sich Gesellschafter geschlossener ImmobilienfondsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
geschlossener Immobilienfonds
Immobilienfonds
in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
, die der Gesellschaft zu einer Zeit beigetreten sind, als nach der Lehre von der Doppelverpflichtung die Haftung der Gesellschafter rechtsgeschäftlich vereinbart werden musste, was jedenfalls bei Erwerbsgesellschaften regelmäßig geschah, auch nach der Änderung der Rechtsprechung zur Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
(BGH, Urteil vom 27. September 1999 – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315; Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) aus Gründen des Vertrauensschutzes für die davor geschlossenen Verträge weiterhin auf eine im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Haftungsbeschränkung unter der Voraussetzung berufen, dass die Haftungsbeschränkung für den Vertragspartner mindestens erkennbar war (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2002 – II ZR 2/00, BGHZ 150, 1, 5).

c) Zahlungen und sonstige Erlöse aus dem Gesellschaftsvermögen sind nicht kraft Gesetzes auf die Haftungsanteile anzurechnen (BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 – II ZR 263/09, ZIP 2011, 909 Rn. 26 ff.; Urteil vom 8. Februar 2011 – II ZR 243/09, ZIP 2011, 914 Rn. 17 ff.; Urteil vom 19. Juli 2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 45; Urteil vom 21. September 2011 – II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 28). Aus der rechtlichen Einordnung der Gesellschafterhaftung als akzessorische Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 358) ergibt sich nichts Gegenteiliges.

d) Der Grundsatz der Akzessorietät von Gesellschaftsschuld und Gesellschafterhaftung besagt, dass der Bestand der Gesellschaftsschuld die Obergrenze für die jeweilige persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
persönliche Haftung
der Gesellschafter bildet. Ob und in welchem Umfang Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen oder Erlöse aus dessen Verwertung nicht nur die Schuld der Gesellschaft, sondern auch den Haftungsbetrag jedes einzelnen Gesellschafters verringern, beurteilt sich ausschließlich nach dem Inhalt der die Gesellschaftsschuld begründenden Vereinbarung.

e) Der Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft objektiv auszulegen ist (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 19. März 2007 – II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 18; Urteil vom 11. Januar 2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 12 m.w.N.; Urteil vom 19. Juli 2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 46); gleiches gilt für den Fondsprospekt.

f) Hingegen ist die Auslegung einer Individualvereinbarung zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters und revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen hat (st. Rspr., siehe nur BGH, Urteil vom 8. November 2004 – II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 83; Urteil vom 7. März 2005 – II ZR 194/03, ZIP 2005, 1068, 1069; Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 68/08, ZIP 2009, 880 Rn. 12; Beschluss vom 14. Juni 2010 – II ZR 135/09, ZIP 2010, 1442 Rn. 7).

g) Die persönliche gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter entspricht dem Wesen der Personengesellschaft und ihren Haftungsverhältnissen, weil die Gesellschaft kein eigenes, zu Gunsten ihrer Gläubiger gebundenes garantiertes Haftkapital besitzt (BGH, Urteil vom 7. April 2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370, 373). Begnügt sich ein Kreditgeber hiervon abweichend mit der teilschuldnerischen Haftung der Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, sollen jedoch darüber hinaus Zahlungen und Erlöse aus dem Gesellschaftsvermögen die vom ursprünglichen Darlehensbetrag berechneten Haftungsbeträge der Gesellschafter vermindern, bedarf dies einer eindeutigen Vereinbarung (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 Rn. 34; Urteil vom 19. Juli 2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 53; Urteil vom 27. September 2011 – II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 31).

Schlagworte: Auslegung, Gesellschafterhaftung, Personengesellschaft, Publikumspersonengesellschaft