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BGH, Urteil vom 04. Juli 1973 – VIII ZR 156/72

§ 73 GmbHG, § 138 BGB

Verstoßen Liquidator und Gesellschafter bewußt gegen GmbHG § 73 Abs 1, so kann die Verletzung des in dieser Vorschrift ausgesprochenen Verbots die Nichtigkeit der Vermögensverteilung zur Folge haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 25. Mai 1972 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der Beklagte kaufte im Jahre 1966 bei der Firma B M GmbH (künftig: GmbH) Teppiche und Möbel, für die er noch 45940 DM schulden soll. Gesellschafter der GmbH waren Bernhard B in M und Jetti R in P. Zum Geschäftsführer der GmbH wurde B bestellt. Schon vor Eintragung der GmbH in das Handelsregister am 6. Juli 1965 erteilte B am 25. Januar 1965 dem Ehemann der Klägerin, Isidor G, Generalvollmacht, die Firma Bu M gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. G trat mit Vertrag vom 18. Mai 1967 die Forderung gegen den Beklagten an die Klägerin ab. Nachdem diese die Geschäftsanteile der GmbH erworben hatte, beschloß sie in der Gesellschafterversammlung vom 26. März 1968 die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
und die Bestellung ihres Ehemannes zu deren Liquidator. Dieser schloß mit ihr am 15. Juni 1968 folgenden Vertrag:

„Zwischen der Bu M, vertreten durch Herrn Isidor G und Frau Czeslawa G wurde vertraglich festgelegt, daß die Forderung der BMH an Zahnarzt Hans B, S in der gesamten Höhe an Frau Czeslawa G abgeführt wird.

Die Gesamt Forderung beträgt DM 45.940.00

Der Betrag dient zur Deckung der Auslagen, welche Frau G in ihrer Eigenschaft als Bürgin hatte. Es handelt sich hierbei um Wechsel, welche Frau G giriert hat, sowie alle anderen Verpflichtungen der BMH, sowie AOK Beiträge, Steuern für KFZ und Finanzamt, sowie sämtliche gerichtlichen Gebühren und Kosten.

Die BMH verpflichtet sich weiterhin, die Auslagen, welche über den Betrag von DM 45.940.00 hinausgehen, aus anderen Forderungen die noch eingetrieben werden, an Frau G abzuführen.“

Die Klägerin und ihr Ehemann ließen am 29. Mai 1969 ihre Unterschriften unter die Abtretungserklärung vom 18. Mai 1967 notariell beglaubigen. Am 2. Oktober 1969 leistete G als Liquidator den Offenbarungseid für die Gesellschaft.

Die Klägerin beantragte, den Beklagten zur Zahlung von 45940 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Der Beklagte bestritt vor allem die Wirksamkeit der Forderungsabtretung und rechnete hilfsweise mit Gegenforderungen in Höhe von 44898,45 DM auf. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 40410 DM nebst Zinsen.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I. Mit der Rüge, das Berufungsgericht habe gegen § 313 Abs. 1 Nr. 3 und 4 ZPO verstoßen, weil es gemäß § 543 ZPO nur bei der Darstellung des Tatbestandes, dagegen nicht hinsichtlich der tatsächlichen Würdigung des Landgerichts auf dessen Urteil Bezug nehmen durfte, kann die Revision nicht gehört werden. Wird nämlich mit der Revision eine verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung gerügt, bei der nicht schon aus der Art des Verfahrensmangels folgt, daß auf ihm das Urteil beruhen kann, so müssen in der Revisionsbegründung die Tatsachen angegeben werden, die die Möglichkeit ergeben, daß ohne Verfahrensverletzung anders entschieden wäre (BGH Urt. vom 12. Oktober 1960 – VIII ZR 169/59 = LM ZPO § 554 Nr. 23). Hier ist aus der Art des Verfahrensmangels nicht ersichtlich, daß das Urteil des Berufungsgerichts auf ihm beruhen kann. Tatsachen, welche die Möglichkeit ergeben, daß das Berufungsgericht ohne den Verfahrensmangel anders entschieden hätte, wurden nicht dargetan.

II. Die Revision kann auch keinen Erfolg mit der Rüge haben, daß das Berufungsgericht eine Abtretung der Forderung der GmbH an die Klägerin zu Unrecht angenommen habe.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Abtretungserklärung vom 18. Mai 1967 schwebend unwirksam war. Denn die Befugnis des Ehemannes der Klägerin für die GmbH rechtsverbindlich zu handeln, ist für diesen Zeitpunkt nicht nachgewiesen, weil lediglich einer der beiden vor Eintragung der GmbH in das Handelsregister zur Vertretung berechtigten Gründungsgesellschafter die Generalvollmacht erteilt hatte.

2. Bei Abschluß des Vertrages vom 15. Juni 1968 war indessen der Ehemann der Klägerin als Liquidator der GmbH zu deren Vertretung berechtigt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin und ihr Ehemann hätten durch diesen Vertrag sich über eine Abtretung der Forderung der GmbH gegen den Beklagten geeinigt, ist möglich. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß der Ausdruck, die Forderung werde an die Klägerin „abgeführt“, dahin verstanden werden kann, daß die GmbH Gläubigerin blieb und sich lediglich verpflichtete, den von dem Beklagten bezahlten Betrag an die Klägerin weiterzuleiten. Es hat jedoch aus dem sonstigen Verhalten der Vertragschließenden rechtsirrtumsfrei gefolgert, daß die Klägerin und ihr Ehemann sich über eine Abtretung der Forderung der GmbH gegen den Beklagten einigten.

III. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Abtretung vom 15. Juni 1968 innerhalb des Sperrjahres des § 73 Abs. 1 GmbHG erfolgte, weil die Auflösung der GmbH am 26. März 1968 beschlossen worden war.

1. Während des Sperrjahres darf gemäß § 73 Abs. 1 GmbHG eine Verteilung des Vermögens der Gesellschaft an die Gesellschafter nicht erfolgen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift läge indessen nicht vor, wenn, was das Berufungsgericht dahingestellt gelassen hat, die Klägerin Gläubigerin der GmbH gewesen wäre. Die Gesellschafter stehen, soweit sie Drittgläubiger der Gesellschaft sind, den anderen Gläubigern grundsätzlich gleich (Scholz, GmbHG 4. Aufl. § 73 Rdn. 1). Das Berufungsgericht durfte daher nicht dahingestellt lassen, ob der Liquidator G mit der Abtretung Schulden der GmbH gegenüber der Klägerin getilgt hatte, weil im anderen Fall die Abtretung möglicherweise nicht rechtswirksam ist.

2. Ein Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG macht zwar in der Regel die Vermögensverteilung bzw. die Vermögensübertragung nicht nichtig, denn § 134 BGB wird durch die Sondervorschrift des § 73 Abs. 3 GmbHG ausgeschaltet (Scholz, aaO § 73 Rdn. 11 m. w. Nachw.). Anders ist es aber, wenn der Liquidator und der bzw. die Gesellschafter bewußt gegen § 73 Abs. 1 GmbHG verstoßen. In einem derartigen Falle kann die Verteilung bzw. Übertragung von Vermögen der Gesellschaft durch den Liquidator der Rechtswirksamkeit entbehren, weil der Empfänger im Interesse eines redlichen Verkehrs nicht schutzwürdig ist (vgl. BGH Urt. v. 14. Januar 1953 – I ZR 169/51 = LM GmbHG § 30 Nr. 1 und BGH Urt. v. 26. Januar 1959 – II ZR 154/57 = LM HGB § 149 Nr. 2), Liquidator und Empfänger vielmehr zusammenwirken, um den Schutzzweck des § 73 GmbHG zu vereiteln und das Vermögen der Gesellschaft dem Zugriff etwaiger Gläubiger zu entziehen. In diesem Fall kann die Vermögensverteilung nichtig sein, denn das Rechtsgeschäft verstößt nicht nur gegen das Verbot des § 73 Abs. 1 GmbHG, sondern stellt zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten dar (vgl. RGZ 168, 292, 302). Ist aber die Vermögensverteilung bzw. Vermögensübertragung nichtig, so kann sich auch der Beklagte darauf berufen. Das Berufungsgericht wird mithin, falls der Liquidator G mit der Abtretung an die Klägerin nicht Schulden der GmbH tilgte, zu prüfen haben, ob dieser und die Klägerin in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken gegen die Vorschrift des § 73 Abs. 1 GmbHG verstießen und ob infolgedessen die Abtretung nichtig ist.

IV. Hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen des Beklagten hat das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei angenommen, daß G mit der Bürgschaftsurkunde vom 4. August 1966 sich persönlich für das von dem Beklagten an F gegebene Darlehen verbürgt hatte. Doch könnte unter Umständen neben der Bürgschaft von Gein Kreditauftrag der GmbH gegeben sein, wie der Beklagte unter Beweisantritt behauptet hat. In diesem Falle wäre trotz der Abtretung der Forderung der GmbH eine Aufrechnung gemäß § 406 BGB möglich, weil der Beklagte die Forderung aus einem Kreditauftrag der GmbH vor Kenntnis der Abtretung der gegen ihn gerichteten Forderung der GmbH erworben hätte. Der Beklagte wird bei der erneuten Verhandlung Gelegenheit haben, sein Vorbringen dazu wie zu den weiter zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen zu erläutern und zu ergänzen.

V. Das Urteil des Berufungsgerichts war somit aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Kosten der Revision war dem Berufungsgericht zu übertragen, weil sie von der Entscheidung in der Hauptsache abhängt.

Schlagworte: Liquidation, Liquidationsbilanz, Liquidationsfehlbetrag, Liquidationswert, Liquidator, Liquiditätsbilanz