BGB §§ 276, 459, 463
1. Unrichtige Angaben über Umsätze und Erträge des verkauften Unternehmens begründen regelmäßig weder einen Sachmangel noch stellen sie eine zugesicherte Eigenschaft dar.
2. Den Verkäufer eines Computerunternehmens trifft eine Aufklärungspflicht, wenn kurz vor Vertragsschluß 40 % des vorher üblichen Wartungsumsatzes durch Kündigungen entfallen sind.
Zum Sachverhalt
Über örtliche Niederlassungen vertreibt die Kl. Computerware und erbringt Serviceleistungen. Ende Januar 1990 verkaufte sie ihren Stützpunkt R an die damals noch im Gründungsstadium befindliche, zwischenzeitlich im Handelsregister eingetragene Bekl. zu 1. Die damaligen Gründungsgesellschafter, die Bekl. zu 2 bis 4, übernahmen für einen Kaufpreisteil von 891200 DM zzgl. Mehrwertsteuer jeweils die selbstschuldnerische Bürgschaft. Den Kaufpreis von 1300968 DM tilgte die Bekl. zu 1 bis auf einen Rest von 433796,56 DM. Weitere Zahlung verweigerte sie, weil sie von der Kl. bei Abschluß des Kaufvertrages arglistig getäuscht worden war. Die Vorinstanzen haben die Bekl. als Gesamtschuldner zur Zahlung des noch offenen Kaufpreisrestes verurteilt. Die Revision der Bekl. zu 1 bis 4 führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen
I. Das BerGer. hat im wesentlichen ausgeführt:
1. Die Bekl. zu 1 schulde als Käuferin den in der ausgeurteilten Höhe unstreitig noch offenen Kaufpreis, die Bekl. zu 2 bis 4 hafteten hierfür als selbstschuldnerische Bürgen gesamtschuldnerisch.
2. Gegenrechte stünden der Bekl. zu 1 nicht zu. Unbehelflich sei ihre Rechtsverteidigung, sie sei von der Kl. nicht darüber aufgeklärt worden, daß bei Vertragsschluß der Bestand an Wartungsverträgen beim Stützpunkt R nur 299886,70 DM betragen habe, obwohl ein Auftragsvolumen von 580000 DM Gegenstand der Vertragsverhandlungen gewesen sei. Ansprüche nach §§ BGB § 459, BGB § 463 BGB könnten die Bekl. hieraus nicht ableiten. Auch eine Haftung der Kl. wegen Verschuldens beim Vertragsschluß scheide aus. Zwar stelle es einen sehr bedeutenden Umstand beim Unternehmenskauf dar, wenn in diesem Unternehmen kurze Zeit vor Abschluß des Vertrages über 40 % des vorher üblichen Wartungsumsatzes durch Kündigungen entfielen. Die Kl. hätte deshalb ihre Aufklärungspflicht verletzt, wenn die Bekl. hiervon überrascht worden wären. Eine Überraschung der Bekl. könne indes nicht angenommen werden. Der Bekl. zu 2, dessen Wissen als damaliger Gründungsgesellschafter der Bekl. zu 1 den anderen Bekl. zuzurechnen sei, habe den tatsächlichen Umfang der Wartungsverträge bei Vertragsschluß gekannt …
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
1. Zutreffend hat das BerGer. gewährleistungsrechtliche Ansprüche der Bekl. verneint. Unrichtige Angaben über Umsätze und Erträge des verkauften Unternehmens begründen regelmäßig weder einen Sachmangel, noch stellen sie eine zugesicherte Eigenschaft dar (Senat, NJW-RR 1989, NJW-RR Jahr 1989 Seite 306f. = WM 1988, WM Jahr 1988 Seite 1700 (unter II 2); NJW 1995, NJW Jahr 1995 Seite 1547 = LM H. 8/1995 § BGB § 459 BGB Nr. 125 = WM 1995, WM Jahr 1995 Seite 767 (unter I 2a)). Im Streitfall liegen keine Besonderheiten vor, die eine abweichende rechtliche Würdigung rechtfertigen könnten.
2. Rechtsfehlerfrei nimmt das BerGer. im Rahmen der Erörterung eines Verschuldens beim Vertragsschluß an, den Verkäufer eines Unternehmens treffe eine Aufklärungspflicht, wenn kurz vor Vertragsschluß über 40 % des vorher üblichen Wartungsumsatzes durch Kündigungen entfielen. Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH. Danach besteht zwar keine Pflicht des Verkäufers, den Käufer über alle für ihn erheblichen Umstände aufzuklären; entscheidend ist vielmehr, ob eine solche Aufklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall erwartet werden darf. Insbesondere ist über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln könnten und daher für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind (NJW 1993, NJW Jahr 1993 Seite 2107 = LM H. 11/1993 § BGB § 276 (Fa) BGB Nr. 132 = WM 1993, WM Jahr 1993 Seite 1277 (unter I 1)).
Im Streitfall war der Rückgang des Bestandes an Wartungsverträgen um über 40 % binnen eines halben Jahres für die Käuferin von wesentlicher Bedeutung. Das folgt schon daraus, daß damit eine erhebliche Rohertragseinbuße einherging. Betrug der Rohertrag, wie die Parteien übereinstimmend angegeben haben, etwa 43 % vom Umsatz, konnte die Bekl. bei einem Umsatz von nur noch 299000 DM statt angenommener 580000 DM lediglich einen Rohertrag von 129000 DM statt erwarteter 252000 DM erzielen. Der Kaufpreisbestimmung ist, wie der Zeuge B nach den Feststellungen der Vorinstanz bekundet hat, ein jährlicher Rohertrag von 252000 DM zugrunde gelegt worden.
3. Die Revision rügt erfolgreich, daß das BerGer. seine Überzeugung, der Bekl. zu 2 habe den Rückgang des Wartungsbestandes beim Kauf gekannt, bzw. die Kl. habe dessen Unkenntnis nicht vermuten müssen, verfahrensfehlerhaft gewonnen hat. (Wird ausgeführt.)
b) Sollte sich das Vorbringen der Bekl. durch eine Beweisaufnahme bestätigen, kann eine Kenntnis des Bekl. zu 2 vom Umfang der Vertragskündigungen zum Zeitpunkt des Unternehmenskaufs nicht angenommen werden. Das gilt auch unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände, auf die das BerGer. seine Überzeugung von der Kenntnis des Bekl. zu 2 gestützt hat. Seine Funktion als technischer Leiter erlaubt keinen Schluß auf positive Kenntnis vom fraglichen Sachverhalt, für welche die Kl. beweispflichtig ist …
c) Sollte der übergangene Sachvortrag bewiesen werden, so träfe die Kl. auch ein Verschulden am Unterlassen der geschuldeten Aufklärung.
III. Das Berufungsurteil konnte deshalb keinen Bestand haben, soweit es die Bekl. beschwert. Da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf, war die Sache in diesem Umfang zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen (§ ZPO § 565 ZPO § 565 Absatz I 1 ZPO).
Schlagworte: Aufklärungspflicht, Aufklärungspflichtverletzung, Durchführung einer Due Diligence durch Kaufinteressenten, Unternehmenskauf